Leistungsanspruch gegen die gesetzliche Krankenversicherung wegen einer stationären Behandlung einer Liposuktion
Keine notstandsähnliche Krankheitssituation
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Beseitigung von Fettpolstern im Gesäßbereich
hat.
Die am geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Am 27. Januar 2009 beantragte sie bei der Beklagten die
Kostenübernahme für eine operative Beseitigung von Fettpolstern im Gesäßbereich. Dem Antrag fügte sie ein Schreiben des Facharztes
für Innere Medizin, Angiologie/Phlebologie, Dr. P, vom 10. Dezember 2008 bei. Dieser diagnostizierte bei der Klägerin unter
anderem ein beidseitiges lymphovenöses Ödem am Bein, Bindegewebsschwäche, ein beidseitiges Lipödem an Armen und Beinen sowie
Lipomatose und Adipositas. Er teilte mit, der Befund sei stabil. Es bestehe momentan kein dringlicher Handlungsbedarf. Im
Vordergrund stehe "die ausgeprägte Lipomatose, so dass evtl. mit der Kasse über eine Kostenübernahme einer Liposculpture-Behandlung
entschieden werden sollte". Ansonsten empfehle er die Weiterführung der konservativen Therapie mit Kompression bei ausreichender
Mobilisierung und reichlicher Flüssigkeitszufuhr und halte den Befund langfristig für kontrollbedürftig. Ebenfalls beigefügt
war dem Antrag der Klägerin ein undatierter "Kostenvoranschlag für eine operative Korrektur/Reduzierung/Beseitigung krankhafter
Fettdepots im Bereich der unteren Körperregion (hier Gesäß)" von Dr. W, Inhaber der Ästhetik-Klinik Dr. W - Privatklinik für
Ästhetisch-Plastische Chirurgie - in Rostock, über 2.895,15 EUR für die erste stationär durchzuführende Sitzung. Die Durchführung
der Operation sollte durch Dr. W im Krankenhaus K erfolgen.
Mit Schreiben vom 30. Januar 2009 teilte Dr. P der Beklagten mit, die Klägerin befinde sich seit 2001 in langfristiger Kontrolle
wegen eines lymphovenösen Ödems im Bereich beider Beine im Rahmen einer allgemeinen Bindegewebsschwäche sowie einem massiven
Lipödem im Sinne einer Lipomatose vor allem der Oberschenkel und Oberarme, "die im Prinzip schon als krankhaft angesehen werden
muß, da es die Patn. erheblich in der Bewegung einschränkt, so dass die Kostenübernahme überprüft werden sollte".
Die orthopädische Praxisklinik Dr. R/Dr. F/L/Dr. G/G bestätigte durch Dr. F in einem ärztlichen Befundbericht über die Untersuchung
der Klägerin am 2. Februar 2009 die Diagnosen "Knie-TEP; Lipödem". Aus orthopädischer Sicht sei eine Reduktion des Lipödems
zur Gelenksentlastung speziell der Knie- und Sprunggelenke zu empfehlen. Damit könnten weitere Folgeschäden an anderen Gelenken
und ein Schutz bereits vorhandener Implantate gewährleistet werden. Es werde die operative Reduktion des Lipödems zur Entlastung
der Gelenke bei bereits vorhandener Knie-TEP empfohlen.
Nach Vorlage dieser Unterlagen ließ die Beklagte ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) nach
Aktenlage vom 9. Mai 2009 durch Dr. H erstellen. Sie legte als Diagnose ein lipovenöses Ödem im Sinne einer Reithosenadipositas
zu Grunde. Dr. H führte aus, funktionelle Einschränkungen seien den Befunden und mitgereichten Fotos nicht zu entnehmen. Das
Lipödem sei eine vor allem bei Frauen vorkommende Erscheinung bislang unbekannter Ätiologie. Es handele sich um eine stets
beiderseitige symmetrische reithosenartige Schwellung der Beine. Ursache der Schwellung sei eine vermehrte Fettablagerung,
die durch Diät nicht wesentlich beeinflussbar sei. Zurzeit gebe es keine gesicherte kausale Behandlung. Ziel der konservativen
Behandlung sei die Ödembeseitigung. Als bewährter Standard der Lipödem-Therapie gelte die so genannte "komplexe physikalische
Entstauungs-Therapie" nach Földi. Hauptbestandteile dieses Zwei-Phasen-Therapiekonzepts seien die manuelle Lymphdrainage und
die Kompressionstherapie. Es werde eingeschätzt, dass bei der Klägerin ein Lipödem-Stadium 1 bis 2 (von insgesamt drei möglichen
Stadien) vorliege. Objektivierbare Funktionsstörungen, die eine medizinische Indikation für eine Operation darstellen könnten,
bestünden nicht. Es werde weiterhin eine konservative Therapie und Weiterbehandlung in der angiologischen ambulanten Praxis
empfohlen. Aus sozialmedizinischer Sicht könne die Kostenübernahme für die beantragte Liposuktionsbehandlung nicht befürwortet
werden.
Mit Bescheid vom 12. Mai 2009 lehnte die Beklagte die begehrte operative Korrektur ab. Ausweislich des MDK-Gutachtens liege
unter Beachtung aller Umstände keine medizinische Indikation zur operativen Korrektur vor.
Hiergegen legte die Klägerin am 20. Mai 2009 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, sie leide unter gravierenden
Funktionsstörungen. Denn bei ihr bestünden Dauerschmerzen in den Knien - das Beugen sei durch die Ödeme oft unmöglich -, Spannungsschmerzen
in beiden Beinen, Taubheitsgefühle in beiden Armen und Händen, Schmerzen und Verspannungen im Bereich der Halswirbelsäule,
Taubheitsgefühle in Arm und Hand nach erfolgter Operation des Karpaltunnels der rechten Hand sowie fehlende Kraft in beiden
Händen und Fingern, die ihr das Anziehen der Kompressionsstrümpfe manchmal fast unmöglich machten.
Unter dem 29. Juni 2009 teilte die Klägerin der Beklagten unter anderem mit, der Arzt habe ihr gesagt, die Reduktion des Gewichts
solle die Knie entlasten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 2009 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Nach den Empfehlungen
des MDK lägen für die Durchführung einer stationären Liposuktionsbehandlung keine medizinischen Gründe vor.
Dagegen hat die Klägerin am 24. November 2009 Klage beim Sozialgericht (SG) Chemnitz erhoben.
Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe einen Anspruch auf die von ihr beantragte Liposuktionsbehandlung in einem Krankenhaus.
Sie sei auch damit einverstanden, wenn die Liposuktionsbehandlung in einem Vertragskrankenhaus stattfinde. Ihre Beschwerden
beim Laufen und Treppensteigen seien durch die auf die Lipödeme zurückzuführende enorme Gewichtsbelastung bedingt. Die begehrte
Fettabsaugung würde kurzfristig zu einer Entlastung der Gelenke führen. Es bedürfe der Einholung eines Sachverständigengutachtens.
Die Beklagte hat an ihrer bisherigen Auffassung festgehalten.
Mit Gerichtsbescheid vom 24. November 2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung der von
ihr begehrten stationären Liposuktionsbehandlung. Es bestünden schon erhebliche Zweifel, ob bei der Klägerin überhaupt eine
körperliche Anomalie vorliege, der Krankheitswert zukomme. Ungeachtet dessen habe die Klage bereits deshalb keinen Erfolg,
weil es an der für die Gewährung der stationären Krankenhausbehandlung notwendigen ärztlichen Verordnung fehle.
Gegen den ihr am 26. November 2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 23. Dezember 2010 Berufung eingelegt.
Zur Aufklärung des Sachverhalts hat der Senat den ärztlichen Entlassungsbericht vom 5. September 2011 über die von der Klägerin
in der Zeit vom 27. Juli 2011 bis 31. August 2011 in Anspruch genommene stationäre Rehabilitation in der Seeklinik Z eingesehen.
Dort haben Chefarzt Dr. K, Facharzt für Innere Medizin, und Oberärztin K, Fachärztin für Innere Medizin, folgende Diagnosen
gestellt:
- massivgradige Lipo-Lymphödeme beider Beine, Lipödem der Arme,
- Lipohypertrophie vom Becken-Bein-Typ und oberarmbetonten Ganzarmtyp,
- Adipositas (BMI 40),
- Varikosis beidseits, Zustand nach Varizen-Operation (1993),
- essentieller arterieller Hypertonus.
Sie haben mitgeteilt, das Rehabilitationsziel habe in einer maximalen Entödematisierung und damit verbundenen Beschwerdelinderung
sowie einer allgemeinen Stabilisierung und einer intensiven Patientenschulung bezüglich der chronischen Ödemerkrankung bestanden.
Bei Verordnung von Reduktionskost habe die Klägerin ihr Gewicht um 3,5 kg reduzieren können. Durch die spezielle lymphologische
Therapie mit zwei manuellen Lymphdrainagen nach Vodder-Asdonk pro Tag in Kombination mit einer Kompressionsbandagierung und
der speziellen, lymphentlastenden Entstauungsgymnastik für Arme und Beine unter der Kompression sowie die Expressionsbehandlung
habe sich das Volumen im linken Arm um 510 ml, im rechten Arm um 181 ml, im linken Bein um 239 ml und im rechten Bein um 359
ml verringert. Zur Aufrechterhaltung des Behandlungsergebnisses sei der Klägerin Kompressionsbestrumpfung nach Maß für die
Beine und die Arme verordnet worden. Die ödembedingten Beschwerden und das Ödem hätten durch die kombinierte physikalische
Entstauungstherapie gebessert werden können. Aufgrund des massivgradigen Befundes mit deutlicher mechanischer Beeinträchtigung
der Gehfähigkeit sei eine Liposuktion dringend angeraten.
Der die Klägerin behandelnde Facharzt für Innere Medizin/Angiologie, Dr. T, hat mit Schreiben vom 15. September 2011 mitgeteilt,
er halte die Durchführung einer stationären Liposuktion für indiziert und dringend anzuraten. Er schließe sich der Meinung
der Kollegen in der Seeklinik Z an. Er unterstütze eine kassenärztliche Verordnung für die Durchführung einer stationären
Liposuktion.
Unter dem 26. Oktober 2011 hat Dr. T der Klägerin unter Zugrundelegung der Diagnose "ausgeprägtes Lipödem insbesondere Oberschenkel
und Armbereich" eine Verordnung von Krankenhausbehandlung zur Durchführung einer stationären Liposuktion ausgestellt.
Dr. C, Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten, Allergologie, Sozialmedizin, und Dr. O, Fachärztin für Innere Medizin/Rheumatologie,
Sozialmedizin, haben in ihrem für den MDK erstellten Gutachten vom 25. Januar 2012 nach einer persönlichen Untersuchung der
Klägerin am 18. Januar 2012 unter anderem ein Lipödem bei Adipositas diagnostiziert. Sie haben mitgeteilt, die Klägerin habe
sich in einem guten Allgemein- und einem adipösen Ernährungszustand befunden (BMI von 40,3 bei einer Körpergröße von 167 cm
und einem Körpergewicht von 112,5 kg). Bei der Klägerin bestehe eine deutliche Umfangsvermehrung von Oberarmen, Unterbauch,
Hüften, Gesäß und Oberschenkeln. An den Seiten des Gesäßes seien über den Hüftgelenken sehr ausladende Fettpolster festzustellen.
Die Durchführung einer Liposuktion im ambulanten Bereich zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung könne aus sozialmedizinischer
Sicht nicht befürwortet werden. Für diese neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, die sich im Stadium der wissenschaftlichen
Erprobung befinde, bestehe eine Therapiealternative in Form der manuellen Lymphdrainage einschließlich der Kompressionstherapie.
Unter Berücksichtigung des Gutachtens der Sozialmedizinischen Expertengruppe 7 "Methoden- und Produktbewertung" zum Thema
"Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen" vom 6. Oktober 2011 sei zusammenfassend festzustellen, dass auch für die Durchführung
einer Liposuktion im stationären Bereich keine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung bestehe. Ebenso wenig
werde bei der Klägerin in Anbetracht der bei ihr vorliegenden multiplen Erkrankungen die Durchführung einer stationären Liposuktion
befürwortet.
In der Zeit vom 7. Mai 2012 bis 18. Mai 2012 hat sich die Klägerin einer Entödematisierungs-Therapie im Klinikum F unterzogen.
Im Entlassungsbericht vom 18. Mai 2012 haben Dr. K, Chefarzt, Dr. P, Oberarzt, und Dr. C, Assistenzarzt, bei der Klägerin
unter anderem ein Lipödem Stadium 4b Grad III diagnostiziert. Sie haben mitgeteilt, bei einem BMI von 42,5 sei das Ausgangsgewicht
von 115,6 kg stabil geblieben. Damit habe die Klägerin ihr "Trockengewicht" erreicht, eine weitere Umfangsreduktion sei nur
durch eine Liposuktion möglich.
Im MDK-Gutachten vom 26. November 2012 haben Dr. C und Dr. O nochmals darauf hingewiesen, dass für die Liposuktion bei Lipödem
grundsätzlich keine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung bestehe, weil es sich bei der Liposuktion bei Lipödem
noch um eine im Stadium der wissenschaftlichen Erprobung befindliche Therapie handele. Dies werde durch Gutachten der Sozialmedizinischen
Expertengruppe 7 "Methoden- und Produktbewertung" zum Thema "Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen" vom 6. Oktober 2011 bestätigt.
Zudem bestehe bei der Klägerin vordergründig eine massive Adipositas mit metabolischem Syndrom (Diabetes mellitus, Hypertonie,
Hyperurikämie) sowie Gelenkbeschwerden bei Arthrose Gewicht tragender Gelenke. Es bedürfe unbedingt einer Gewichtsreduktion
unter ärztlicher Begleitung. Es müsse davon ausgegangen werden, dass bei der Klägerin auf Grund der Multimorbidität bei jeglicher
Operation ein erhöhtes Risiko bestehe und nicht unbedingt medizinisch notwendige Operationen vermieden werden sollten. Die
Durchführung einer ambulanten Liposuktion sei wegen der bestehenden Multimorbidität nicht zu empfehlen.
Außerdem hat der Senat auf Antrag der Klägerin gemäß §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ein Gutachten vom 22. Juni 2013 bei Dr. S, Facharzt für Allgemeinmedizin, Phlebologie und Lymphologie, eingeholt. Der Gutachter
hat nach einer Untersuchung der Klägerin am 2. Mai 2013 mitgeteilt, sie habe angegeben, seit der akutstationären lymphologischen
Behandlung im Klinikum F 8 kg zugenommen zu haben. Warum dies so sei, wisse sie nicht. Von der Fettabsaugung verspreche sie
sich eine Erleichterung im Hinblick auf ihre Gelenkbeschwerden das Spannungsgefühl und die Schmerzen. Dr. W habe insgesamt
fünf Operationen geplant (Liposuktion der Reiterhosen, beider Beine innen, beider Beine außen, beider Arme innen, beider Arme
außen). Die Klägerin habe bei einer Körpergröße von 167 cm ein Gewicht von 123,2 kg aufgewiesen. Dies entspreche einem BMI
von 44,2 kg/m². Dr. S hat folgende Diagnosen gestellt:
- Lipödem Typ 4b Stadium II-III,
- Adipositas durch übermäßige Kalorienzufuhr mit BMI von 40 und mehr,
- chronisch venöse Insuffizienz ersten Grades,
- Folgen der Überernährung,
- Schmerzen in den Extremitäten.
Er hat ausgeführt, die Klägerin leide an einem behandlungsbedürftigen Lipödem. Als Therapie komme beim schmerzhaften b-Typ
des Lipödems die komplexe physikalische Entstauungstherapie nach Prof. F zum Einsatz. Sie führe im Idealfall zu einem schmerz-
und ödemfreien Zustand. Sie sei keine kausale Therapie, weil sie das Lipödem nicht beseitige. Es handele sich deshalb um eine
symptomatische Behandlung. Die Entstauungstherapie habe bei der Klägerin zu einer Linderung ihrer Beschwerden geführt. Es
bestünden aber weiterhin erhebliche Beschwerden. Die Liposuktion habe sich mittlerweile als die operative Standardtherapie
zur kausalen Behandlung des Lipödems etabliert. So sei im Rahmen einer in L von 2003 bis 2009 durchgeführten Langzeituntersuchung
an 112 Patientinnen, die zusammen 349 Eingriffe erhalten hätten, eine Komplikationsrate mit normalem Risikoprofil festgestellt
worden (Vorstellung der Zahlen der von Prof. S in L betriebenen Hanseklinik auf dem Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft
für Lymphologie - der in der Zeit vom 23. bis 25. Juni 2011 stattfand - durch Frau M -V).
Bereits 2006 habe Prof. S eine Studie vorgelegt, deren Resümee wie folgt gelautet habe: "Diese Ergebnisse sprechen möglicherweise
(dafür), dass es bei Anwendung der entsprechenden gewebeschonenden Techniken zu keiner Lymphgefäßschädigung kommt." Prof.
Dr. C habe 2007 nachgewiesen, dass es nach der Liposuktion in keinem Fall zu einer Verschlechterung des Abtransports der Lymphe
gekommen sei, sofern bestimmte Voraussetzungen eingehalten würden. Inzwischen habe er mehr als 1.600 Liposuktionen mit einer
Zufriedenheitsrate von 90% durchgeführt. Auch die Wasserstrahl-assistierte Li-posuktion, die aus den USA stamme und im Jahr
2008 beschrieben worden sei, sei durch ein minimales Risiko gekennzeichnet. Die Vorteile der Liposuktion gegenüber der konservativen
Behandlung lägen in der Entlastung der Gelenke und der Reduzierung der muskulo-skelettalen Schmerzen. Außerdem würden die
Achsenfehlstellung und die Arthrose gebremst. Bei der Klägerin seien die Fettmassen nicht durch diätetische Maßnahmen zu beeinflussen.
Die zunehmenden Gelenkbeschwerden erschwerten die erforderliche Bewegungstherapie. Er halte eine Liposuktion bei der Klägerin
für zwingend erforderlich, und zwar zusätzlich zur komplexen physikalischen Entstauungstherapie. Sie sei medizinisch notwendig,
um die Beschwerden der Klägerin dauerhaft zu lindern. Wegen der bei der Klägerin vorhandenen Begleiterkrankungen sei eine
stationäre Behandlung zur Durchführung der Liposuktion erforderlich.
In dem nach Aktenlage erstellten MDK-Gutachten vom 8. August 2013 haben Dr. C und Dr. O mitgeteilt, die Klägerin habe in der
Zeit vom 18. Januar 2012 bis 2. Mai 2013 11 kg zugenommen. Dies sei ein weiterer Hinweis darauf, dass eine massive Adipositas
durch übermäßige Kalorienzufuhr vorliege. Eine Liposuktion sei nicht geeignet, eine Adipositas langfristig wirksam zu behandeln.
Bei der Liposuktion handele es sich um eine neue Behandlungsmethode, die nicht dazu in der Lage sei, die Erkrankung zu heilen
und die bestehende Veranlagung zu nehmen. Es bestünden keine vergleichbaren Untersuchungen zur Wirksamkeit der konservativen
Therapie einerseits und der operativen Therapie andererseits. Die langfristige Datenlage zur Liposuktion sei derzeit noch
schwach. Nach wie vor handele es sich bei der Liposuktion beim Lipödem noch um eine im Stadium der wissenschaftlichen Erprobung
befindliche Therapie (Hinweis auf das Gutachten der Sozialmedizinischen Expertengruppe 7 "Methoden- und Produktbewertung"
zum Thema "Li-posuktion bei Lip- und Lymphödemen" vom 6. Oktober 2011). Gerade weil die Klägerin am ganzen Körper extrem adipös
sei, solle die medizinisch indizierte Gewichtsabnahme nicht durch Liposuktion herbeigeführt werden. Vielmehr bedürfe es einer
langfristigen Änderung der Lebens- und Ernährungsgewohnheiten.
Weiterhin hat der Senat das Gutachten der Sozialmedizinischen Expertengruppe 7 "Methoden- und Produktbewertung" zum Thema
"Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen" vom 6. Oktober 2011 beigezogen. In diesem Gutachten wird als Standardtherapie für die
Behandlung des Lipödems die komplexe physikalische Entstauungsbehandlung genannt. Dadurch könnten auch in fortgeschritteneren
Stadien mit bereits eingetretener Ödembildung eine Besserung der Beschwerden bis hin zur Beschwerdefreiheit erzielt werden.
Bei Zunahme der Beschwerden könne die Behandlung im Rahmen einer speziellen Rehabilitationsmaßnahme in einer Lymphfachklinik
intensiviert werden. Eine Reduktion des krankhaft vermehrten Fettgewebes sei mit den konservativen Maßnahmen jedoch nicht
möglich. Seitens der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie werde insoweit auch die Liposuktion empfohlen. Die Techniken,
die im Rahmen der Liposuktion angewandt würden, korrigierten durch die Absaugung des Fettgewebes zwar die pathologische Fettverteilung,
eine Heilung des Lipödems sei aber nicht möglich. Auch die Befürworter der Liposuktion verstünden diese nur als eine ergänzende
Therapie. Zusammenfassend sind die Autoren aufgrund einer Datenerhebung im Mai 2011 zu dem Ergebnis gelangt, dass aufgrund
der vorgefundenen Studienlage ein Nutzen der Liposuktion nicht zu belegen sei. Anlässlich der systematischen Recherche hätten
sich nur zwei kontrollierte Studien gefunden. Diese beiden identifizierten kontrollierten Studien hätten erhebliche methodische
Mängel und berichteten unzureichend über Langzeitergebnisse und Nebenwirkungen der Therapie. Die zu fordernden Nutzenbelege
könnten nur durch verblindete randomisierte klinisch kontrollierte Studien erbracht werden, die ausreichend lange (mehrere
Jahre) nachbeobachtet würden. Auch bei Leistungserbringung im stationären Bereich solle die Liposuktion auf Zentren mit Expertise
und die Durchführung innerhalb von klinischen Studien beschränkt bleiben. Obwohl in den Leitlinien die Liposuktion vor allem
als therapeutische Option dargestellt werde, seien nach umfangreicher Recherche keine Evidenzbelege aus klinisch kontrollierten
Studien gefunden worden. Die Liposuktion befinde sich noch im Stadium der wissenschaftlichen Erprobung. Dies werde auch von
Autoren, die bereits kontrollierte Studien veröffentlicht hätten, so gesehen.
Der Senat hat eine Auskunft des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 12. Mai 2010 beigezogen. Darin hat dieser bestätigt, die
Liposuktion zur Behandlung eines Lipödems sei bisher weder im Gemeinsamen Bundesausschuss noch im vormals zuständigen Bundesausschuss
der Ärzte und Krankenkassen überprüft worden. Zu dieser Therapieform sei keine Empfehlung abgegeben worden. Es lägen auch
keine Informationen vor, die nahe legten, dass es sich hier um eine medizinische Methode handele, die die für die vertragsärztliche
Versorgung gesetzlich vorgegebenen Kriterien "diagnostischer oder therapeutischer Nutzen", "medizinische Notwendigkeit" und
"Wirtschaftlichkeit" erfüllten.
Mit Schreiben vom 11. April 2012 hat der Gemeinsame Bundesausschuss mitgeteilt, gegenüber der Auskunft vom 12. Mai 2010 hätten
sich keine Änderungen ergeben. Anträge zur Prüfung der Liposuktion zur Behandlung eines Lipödems als neuer Untersuchungs-
und Behandlungsmethode nach den Vorgaben der §§
135 Abs.
1 und
137c Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) seien von den berechtigten Organisationen nicht gestellt worden.
Daran hat sich nichts geändert (Internetrecherche im Informationsarchiv der Website des GBA vom 22. November 2013).
Die Klägerin trägt vor, Dr. P habe durch Schreiben vom 18. Januar 2011 mitgeteilt, die bisherige häusliche ambulante Behandlung
mit Lymphdrainage und Kompression habe keinen ausreichenden Effekt erbracht, weshalb er eine intensive Behandlung in einer
Fachklinik für Lymphologie als unbedingt erforderlich ansehe. Die Lipomatose-Erkrankung der Klägerin stelle eine Krankheit
dar. Die Klägerin sei in ihren Körperfunktionen beeinträchtigt, vor allem habe sie große Probleme beim Laufen und insbesondere
auch beim Treppensteigen. Es bestehe ein Anspruch auf eine stationär durchzuführende Liposuktion. Dies werde durch das Gutachten
von Dr. S eindrucksvoll bestätigt.
Die Klägerin beantragt,
1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 24. November 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Mai 2009
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Kosten für
eine stationäre Liposuktions-Behandlung zu übernehmen,
2. die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Eine Liposuktion sei medizinisch nicht erforderlich. Sie sei im
Fall der Klägerin darüber hinaus nicht zu befürworten, weil sie aufgrund der vordergründigen massiven Adipositas mit einem
BMI von 42 nicht dazu geeignet sei, diese zu behandeln. Bei der Klägerin müsse insgesamt davon ausgegangen werden, dass bei
jeglicher Operation aufgrund der vorliegenden Multimorbidität ein erhöhtes Risiko bestehe und nicht unbedingt medizinisch
notwendige Operationen vermieden werden sollten. Die Beklagte schließe sich dem Gutachten des MDK vom 8. August 2013 an.
Dem Senat haben die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Der angefochtene Gerichtsbescheid vom 24. November 2010 ist im Ergebnis zu Recht ergangen, der Bescheid der Beklagten vom
12. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2009 ist rechtmäßig.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf stationäre Durchführung einer Liposuktion.
Anspruchsgrundlage für die begehrte Behandlung wäre §
27 Abs.
1 Satz 1
SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen,
ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach Satz 2 Nr. 5 dieser Vorschrift umfasst die Krankenbehandlung
unter anderem auch die Krankenhausbehandlung. Nach §
39 Abs.
1 Satz 2
SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung
durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder
ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung
nach §
27 Abs.
1 Satz 2 Nr.
5 SGB V unterliegt den sich aus §
2 Abs.
1 und §
12 Abs.
1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und
Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Krankheit im Sinne des
SGB V ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung
bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (siehe nur Fahlbusch in jurisPK-
SGB V, 2. Auflage, §
27 Rn. 31 m.w.N.). Eine Krankenbehandlung ist hierbei notwendig, wenn durch sie der regelwidrige Körper- oder Geisteszustand
geheilt, gebessert, vor einer Verschlimmerung bewahrt wird oder Schmerzen gelindert werden können (siehe nur Bundessozialgericht
[BSG], Urteil vom 28. April 1967 - 3 RK 12/65 - juris Rn. 17). Eine Krankheit liegt nur vor, wenn der Versicherte in den Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn
die anatomische Abweichung entstellend wirkt (siehe nur BSG, Urteil vom 28. September 2010 - B 1 KR 5/10 R - juris Rn. 10).
1. Die Klägerin leidet unter einer Krankheit.
Die vorliegenden medizinischen Unterlagen sprechen dafür, dass bei der Klägerin von einer Krankheit auszugehen ist. Zwar kann
ausweislich der von Dr. S im Rahmen seiner Begutachtung der Klägerin gefertigt Fotos nicht von einer Entstellung ausgegangen
werden. Jedoch besteht bei der Klägerin insbesondere ein Lipödem vor allem im Oberschenkel- und Oberarmbereich. Dies folgt
aus den Einschätzungen von Dr. P vom 10. Dezember 2008 und vom 30. Januar 2009, wird aber auch von Dr. F unter dem 2. Februar
2009 sowie von Dr. H in seinem für den MDK erstellten Gutachten vom 9. Mai 2009 bestätigt. Auch im Rehabilitationsentlassungsbericht
vom 5. September 2011 ist von einer chronischen Lipödemerkrankung die Rede. Dies deckt sich mit der Einschätzung von Dr. T
vom 15. September 2011. Dr. C und Dr. O haben in ihrem für den MDK erstellten Gutachten vom 25. Januar 2012 bei der Klägerin
ebenfalls ein Lipödem bei Adipositas diagnostiziert. Ebenso wie Dr. H haben sie im Gegensatz zu den anderen Ärzten jedoch
die Durchführung der komplexen physikalischen Entstauungstherapie nach Földi befürwortet. Das bedeutet aber auch, dass alle
genannten Ärzte bei der Klägerin von einem regelwidrigen Körperzustand ausgehen, der ärztlicher Behandlung bedarf. Auch der
Entlassungsbericht des Klinikums F vom 18. Mai 2012 geht von Behandlungsbedürftigkeit aus, wenn er eine weitere Umfangsreduktion
von der Durchführung einer Liposuktion abhängig macht. In ihrem für den MDK erstellten Gutachten vom 26. November 2012 halten
Dr. C und Dr. O demgegenüber eine Gewichtsreduzierung unter ärztlicher Begleitung als Behandlungsmaßnahme für erforderlich,
weil die massive Adipositas mit metabolischem Syndrom bei der Klägerin vordergründig sei. Dr. S erachtet in seinem Gutachten
vom 22. Juni 2013 sowohl die Weiterführung der komplexen physikalischen Entstauungstherapie als auch die stationäre Durchführung
einer Liposuktion für erforderlich. Dr. C und Dr. O bestätigen in ihrem MDK-Gutachten vom 8. August 2013 nochmals die bei
der Klägerin bestehende massive Adipositas - mit einer erheblichen Gewichtszunahme von 11 kg in der Zeit vom 18. Januar 2012
bis 2. Mai 2013 -, so dass insoweit eine Behandlungsbedürftigkeit bestehe. Die ärztlichen Einschätzungen unterscheiden sich
nach alledem nicht in der Diagnosestellung (in erster Linie Lipödem und Adipositas), sondern in der Wahl der Therapie. Dabei
geht der Senat - trotz der entgegenstehenden Einschätzung von Dr. H im MDK-Gutachten vom 9. Mai 2009 - zu Gunsten der Klägerin
davon aus, dass bei ihr auch funktionelle Beeinträchtigungen bestehen, die sich in den von ihr geäußerten Beschwerden beim
Laufen und Treppensteigen sowie der geschilderten Schmerzsymptomatik äußern. So wird etwa im Rehabilitationsentlassungsbericht
vom 5. September 2011 beschrieben, dass bei der Klägerin eine deutliche mechanische Beeinträchtigung der Gehfähigkeit vorliege.
Wenn der Senat insoweit vom Vorliegen einer Krankheit ausgeht, ist damit freilich noch keine Entscheidung darüber getroffen,
ob Ursache der funktionellen Beschwerden der Klägerin primär das bei ihr bestehende Lipödem oder die bei ihr vorliegende Adipositas
ist.
2. Eine Behandlung der Klägerin im Wege der stationären Durchführung einer Liposuktion gehört jedoch nicht zum Leistungsspektrum
der gesetzlichen Krankenversicherung, weil die Liposuktion nicht dem Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht.
Gemäß §
2 Abs.
1 Satz 3
SGB V haben Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen
und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.
Das Tatbestandsmerkmal des anerkannten Stands der medizinischen Erkenntnisse knüpft an den Maßstab der evidenzbasierten Medizin
an (vgl. Fahlbusch in jurisPK-
SGB V, 2. Auflage, § 2 Rn. 49; vgl. auch BSG, Urteil vom 1. März 2011 - B 1 KR 7/10 R - juris Rn. 65; siehe ferner Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Urteil vom 1. März 2013 - L 4 KR 3517/11 - juris Rn. 32). Aus dem Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung werden solche Leistungen ausgeschlossen,
die nicht ausreichend erprobt sind (BT-Drucksache 11/2237 S. 157; Peters in Kasseler Kommentar, Stand Juni 2007,
SGB V, §
2 Rn. 3). Denn es ist nicht Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, die medizinische Forschung zu finanzieren. Eine neue
Behandlungsmethode gehört deshalb erst dann zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn ihre Erprobung
abgeschlossen ist und über Qualität und Wirksamkeit der neuen Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen
möglich sind (Wagner in Krauskopf, Stand Juni 2008,
SGB V, §
13 Rn. 19, und dieselbe in Krauskopf, Stand Dezember 2004,
SGB V, § 2 Rn. 7). Dieser Maßstab gilt nach der Rechtsprechung des BSG nicht nur im Anwendungsbereich des §
135 SGB V (siehe insoweit BSG, Urteil vom 12. August 2009 - B 3 KR 10/07 R - juris Rn. 29), sondern auch im Bereich des §
137c SGB V, und zwar unabhängig davon, ob ein Negativvotum des Gemeinsamen Bundesausschusses existiert (siehe insoweit BSG, Urteil vom 17. Februar 2010 - B 1 KR 10/09 R - Rn. 23; BSG, Urteil vom 21. März 2013 - B 3 KR 2/12 R - juris Rn. 16 bis 24; BSG, Urteil vom 7. Mai 2013- B 1 KR 44/12 R - juris Rn. 23 f.; vgl. auch BSG, Urteil vom 13. Dezember 2005 - B 1 KR 21/04 R - juris Rn. 22). Erforderlich ist daher, dass der Erfolg der Behandlungsmethode objektivierbar, also in einer ausreichenden
Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 1. März 2013 - L 4 KR 3517/11 - juris Rn. 32 m.w.N.). Die einzige Ausnahme zu diesen Grundsätzen ist in §
137c Abs.
2 Satz 2
SGB V geregelt. Danach können Behandlungen im Rahmen der Durchführung klinischer Studien zur Förderung des medizinischen Fortschritts
stets zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgerechnet werden.
Demgegenüber vertritt das Hessische LSG die Auffassung, im Rahmen der stationären Behandlung müssten die Kriterien der evidenzbasierten
Medizin nicht erreicht werden, es genüge insoweit ein abgesenkter Maßstab (Urteil vom 5. Februar 2013 - L 1 KR 391/12 - juris Rn. 20). Bei der Liposuktion handele es sich nicht um eine Methode von experimentellem Charakter. Dies folge zum
einen aus den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie. Zum anderen könnten die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft
für ästhetische Chirurgie zur Liposuktion herangezogen werden, da ihnen eine umfassende medizinische Relevanz zukomme (aaO.
Rn. 18). Der abgesenkte Prüfmaßstab sei deshalb gerechtfertigt, weil im Bereich der ambulanten Versorgung bezüglich neuer
Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit §
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
5 SGB V ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt gelte, wohingegen bei der stationären Versorgung gemäß §
137c SGB V eine grundsätzliche Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt maßgeblich sei, so dass ein Anspruch nur dann ausgeschlossen sei, wenn
der Gemeinsame Bundesausschuss eine negative Stellungnahme abgegeben habe (aaO. Rn. 19). Dies sei bei einer stationär durchzuführenden
Liposuktion nicht der Fall (Hinweis auf BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 1 KR 11/08 R - juris Rn. 16). Der sachliche Grund für diese unterschiedliche rechtliche Behandlung bestehe darin, dass der Gesetzgeber
die Gefahr des Einsatzes zweifelhafter oder unwirksamer Maßnahmen wegen der internen Kontrollmechanismen und der anderen Vergütungsstrukturen
im Krankenhausbereich geringer einstufe als bei der Behandlung durch einzelne niedergelassene Ärzte (Hinweis auf BSG, Urteil vom 26. September 2006 - B 1 KR 3/06 R - juris Rn. 21).
Die Argumentation des Hessischen LSG überzeugt allerdings nicht, weil sie zu Wertungswidersprüchen führt. Denn letztlich läuft
sie darauf hinaus, dass allein das Erfordernis einer stationär gebotenen Behandlung zu einer Leistungsverpflichtung der gesetzlichen
Krankenversicherung führen kann, und zwar unabhängig davon, ob die Wirksamkeit und Qualität der eigentlichen Behandlung dem
allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht. Derjenige Patient, der bestimmte Risikofaktoren erfüllt,
die einen Krankenhausaufenthalt erforderlich machen, hätte dann einen Anspruch auf eine Behandlung im stationären Rahmen,
obwohl sich für die Wirksamkeit einer bestimmten Methode keine bislang hinreichend wissenschaftlich gefestigten Anhaltspunkte
ergeben (so LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 1. März 2013 - L 4 KR 3517/11 - juris Rn. 34, und SG Neubrandenburg, Urteil vom 18. April 2013 - S 14 KR 11/12 - juris Rn. 27, 30). Dieses Ergebnis ist mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art.
3 Abs.
1 Grundgesetz nicht vereinbar. Soweit das Hessische LSG aus den Leitlinien der Fachgesellschaften eine Erweiterung des Leistungsspektrums
der gesetzlichen Krankenversicherung herleitet, lässt sich dies mit der Rechtsprechung des BSG nicht in Einklang bringen. Denn danach bestimmen die Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften den Umfang der Leistungsansprüche
der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich nicht (BSG, Urteil vom 30. Juni 2009 - B 1 KR 5/09 R - juris Rn. 47).
Qualität und Wirksamkeit der begehrten Liposuktion zur Behandlung des Lipödems entsprechen nicht dem Maßstab der evidenzbasierten
Medizin. Ausweislich des Gutachtens der Sozialmedizinischen Expertengruppe 7 "Methoden- und Produktbewertung" zum Thema "Liposuktion
bei Lip- und Lymphödemen" vom 6. Oktober 2011, das eine umfassende Auswertung der über den Einsatz von Liposuktion als Methode
zur Behandlung von Lipödemen veröffentlichten Studien vornimmt, gab es zum Zeitpunkt der Datenerhebung im Mai 2011 nur zwei
kontrollierte Studien, deren Aussagewert nicht ausreichte, um einen langfristigen Nutzen der Liposuktion zu belegen. Alle
übrigen im Mai 2011 zugänglichen Veröffentlichungen wiesen einen noch geringeren Aussagewert auf. Daraus folgt, dass die Methode
der Liposuktion zur Therapie des Lipödems zu diesem Zeitpunkt noch Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion war und weitere
randomisierte Studien erforderlich waren, um sie als eine den Kriterien der evidenzbasierten Medizin entsprechende Behandlungsmethode
qualifizieren zu können. Daran hat sich nichts geändert (siehe insoweit auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 1. März 2013
- L 4 KR 3517/11 - juris Rn. 36, und LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27. April 2012 - L 4 KR 595/11 - juris Rn. 37, außerdem Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Urteil vom 22. Januar 2013 - 5 LB 50/11 - juris Rn. 31).
Der von Dr. S im Juni 2011 von Frau M -V gehaltene Vortrag über die Beobachtung von 112 Patientinnen, die in der Hanseklinik
von Prof. S behandelt wurden, führt nicht zu einer anderen Einschätzung. Denn im Rahmen dieses Vortrags wurde über Zahlen
der Hanseklinik referiert. Es kann sich also nicht um eine kontrollierte Studie gehandelt haben, weil es an einer Vergleichsgruppe
von nicht mit einer Liposuktion behandelten Patientinnen fehlt. Neuere Studien hat auch Dr. S im seinem Gutachten vom 22.
Juni 2013 nicht benannt.
Das vom MDK erstellte Gutachten vom 6. Oktober 2011 ist im Gerichtsverfahren verwertbar. Der MDK ist nicht in die Verwaltungseinheit
der Krankenkassen eingebunden, sondern institutionell von diesen getrennt (siehe hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 14. Dezember 2000 - B 3 P 5/00 R - juris Rn. 12, sowie LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 1. März 2013 - L 4 KR 3517/11 - juris Rn. 36). Es handelt sich auf Länderebene jeweils um eigenständige Körperschaften des öffentlichen Rechts (§
278 Abs.
1 SGB V). Um auch den Anschein eines Weisungsverhältnisses zwischen Kranken- oder Pflegekassen und den Ärzten des MDK auszuschließen,
stellt §
275 Abs.
5 SGB V ausdrücklich klar, dass die Ärzte des MDK bei der Wahrnehmung ihrer medizinischen Aufgaben nur ihrem ärztlichen Gewissen
unterworfen sind. Gutachten des MDK können deshalb auch im gerichtlichen Verfahren verwertet werden (so auch BSG, Beschluss vom 23. Dezember 2004 - B 1 84/04 R - juris Rn. 5).
3. Eine hiervon abweichende Betrachtung ist auch im Fall der Klägerin nicht geboten.
Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerin die begehrte Behandlung aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls zu gewähren ist,
bestehen bei nicht hinreichend erwiesener Wirksamkeit der Liposuktion zur Behandlung von Lipödemen nicht. Der anders lautenden
Einschätzung des Sachverständigen Dr. S in seinem Gutachten vom 22. Juni 2013 folgt der Senat nicht. Der Senat hält dieses
Gutachten nicht für schlüssig und nachvollziehbar.
Problematisch erscheint dem Senat vor allem das mit der Behandlung verbundene Gesundheitsrisiko für die Klägerin und die damit
verknüpfte Frage der Nachhaltigkeit der begehrten Maßnahme. Dies gilt umso mehr, als es an qualitativ hinreichenden Langzeitstudien
über die Liposuktion fehlt. Ausweislich der Einschätzungen von Dr. W und Dr. S müssten bei der Klägerin fünf Liposuktionen
durchgeführt werden. Aufgrund der bei ihr bestehenden weiteren Erkrankungen - insbesondere der ausgeprägten Adipositas - führt
bei ihr aber jede Operation zu einem nicht unerheblichen Risiko.
Aus den vorhandenen medizinischen Unterlagen ergibt sich darüber hinaus nicht eindeutig, in welchem Ausmaß gerade das bei
der Klägerin vorhandene Ödem Ursache für die bei ihr bestehenden Schmerzen und Einschränkungen ist und nicht die bei ihr ebenfalls
diagnostizierte Adipositas. Es ist daher äußerst fraglich, ob die Durchführung einer Liposuktion bei der Klägerin tatsächlich
zu den von Dr. S genannten Vorteilen führt (Entlastung der Gelenke, Reduzierung der muskuloskelettalen Schmerzen und Verhinderung
der Verschlechterung von Achsenfehlstellung und Arthrose). Denn für die übermäßige Gelenkbelastung, die muskuloskelettalen
Schmerzen, die Achsenfehlstellung und die Arthrose kann ebenso die bei der Klägerin ausgeprägte Adipositas ursächlich sein.
Diese hat sich aber allein in der Zeit vom 18. Januar 2012 bis 2. Mai 2013 erheblich verschlechtert. Denn in diesem Zeitraum
hat sich das Körpergewicht der Klägerin um 11 kg erhöht. Insoweit erscheint es dem Senat nicht nachvollziehbar, dass sich
durch die Reduzierung des Fettgewebes im Wege der Liposuktion bei der Klägerin tatsächlich eine auf Dauer spürbare Gewichtsreduktion
herbeiführen lässt, die mit den von Dr. S genannten Vorteilen einhergeht. Hierzu bedürfte es vielmehr der Umstellung der Ernährungsgewohnheiten
der Klägerin. Denn andernfalls würde das Gewicht des reduzierten Fettgewebes durch die Zunahme des Körpergewichts im Übrigen
kompensiert. Insoweit hält der Senat das Gutachten von Dr. C und Dr. O vom 8. August 2013 für deutlich überzeugender.
Aus dem Gutachten von Dr. S lässt sich somit weder herleiten, dass die von der Klägerin begehrte Liposuktion erforderlich
ist, noch, dass sie eine Erfolg versprechende Behandlungsmethode darstellt.
4. Schließlich besteht kein Anspruch der Klägerin auf Durchführung der begehrten Liposuktion aufgrund einer notstandsähnlichen
Krankheitssituation. Die vom Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 6. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98 - juris Rn. 64) aufgestellten und inzwischen in §
2 Abs.
1a SGB V kodifizierten Voraussetzungen hierfür liegen nicht vor. Denn das Lipödem stellt weder eine lebensbedrohliche noch eine regelmäßig
tödliche oder wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung dar.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
6. Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht (§
160 Abs.
2 SGG).