Gründe:
I.
Der 2000 geborene Antragsteller ist gambischer Staatsbürger. Er reiste illegal über Italien in das Bundesgebiet ein und wurde
als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling vom Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz in die Obhut
des Antragsgegners überwiesen (Schreiben vom 2. Februar 2017 - Az.:.). Der mit Beschluss des Amtsgerichts Z ... vom 8. Februar
2017 (Az.:.) bestellte Vormund stellte am 2. März 2017 für den Antragsteller einen Asylantrag. Das Bundesamt für Migration
und Flüchtlinge (BAMF) lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 20. Juni 2017). Zugleich erkannte es weder die Flüchtlingseigenschaft
noch den subsidiären Schutzstatus zu. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) lägen nicht vor. Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe
des Bescheides zu verlassen. Ansonsten werde er nach Gambia abgeschoben. Das Verwaltungsgericht Y ... wies die dagegen erhobene
Klage ab (Urteil vom 12. Dezember 2018). Die Entscheidung ist seit dem 12. Februar 2019 rechtskräftig. Die Abschiebungsandrohung
ist seit dem 15. März 2019 vollziehbar. Der Aufenthalt des Antragstellers wird seither geduldet, da er nicht über die erforderlichen
Dokumente zur Rückreise nach Gambia verfügt.
Mit Schreiben vom 23. April 2019 erläuterte der Antragsgegner dem Antragsteller, dass in der Bundesrepublik grundsätzlich
die Passpflicht bestehe. Ausnahmen seien nur unter engen Voraussetzungen möglich, sofern es dem Ausländer nicht möglich sei,
einen Pass in zumutbarer Weise zu erlangen. Der Antragsteller wurde aufgefordert, bis zum 23. Mai 2019 einen gültigen Pass,
einen Passersatz oder ein Rückreisedokument vorzulegen bzw. entsprechende Bemühungen nachzuweisen. Daraufhin zeigte sich Frau
Rechtsanwältin S ... aus Y mit Schreiben vom 16. Mai 2019 beim Antragsgegner an. Der Antragsgegner informierte die Anwältin
per Mail vom 17. Juni 2019 darüber, dass die Landesdirektion Sachsen - Zentrale Ausländerbehörde - ein Formular übermittelt
habe, mit welchem der Antragsteller die Ausstellung von Passersatzpapieren beantragen möge. Deshalb solle dieser bis zum 5.
Juli 2019 beim Antragsgegner vorsprechen.
Schließlich wandte sich der Antragsgegner mit Schreiben vom 25. Juli 2019 und vom 18. August 2020 persönlich an den Antragsteller
und erinnerte ihn unter nochmaligem Hinweis auf die Passpflicht daran, nunmehr bis zum 24. August 2019 bzw. bis zum 17. September
2020 daran mitzuwirken, ein zur Ausreise geeignetes Dokument durch die Behörden seines Herkunftsstaates erstellen zu lassen.
Im Falle fehlender oder unzureichender Mitwirkung könnten Leistungseinschränkungen nach §
1a AsylbLG erfolgen.
Der Antragsgegner hatte dem Antragsteller zunächst Grundleistungen nach §
3 AsylbLG bewilligt von November 2018 (256 Euro) bis April 2019 (ab Dezember 2018: jeweils 320 Euro monatlich). Da der Antragsteller
in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht ist, wurden insoweit Sachleistungen gewährt. Von Januar 2019 bis Juni 2019
bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller sodann sogenannte "Analogleistungen" nach §
2 AsylbLG in Höhe von 353,55 Euro monatlich (Bescheid vom 13. Dezember 2018).
Mit Bescheid vom 23. April 2019 hob der Antragsgegner den Bescheid vom 13. Dezember 2018 auf und bewilligte für Mai 2019 lediglich
Grundleistungen nach §
3 AsylbLG in Höhe von 320 Euro. In der Begründung wies der Antragsgegner abschließend auf §
1a Abs.
3 AsylbLG hin. Erläuterungen dazu, auf welcher Rechtsgrundlage die Entscheidung über die Bewilligung von Analogleistungen aufgehoben
worden sein könnte, finden sich hingegen nicht. Im Anhörungsschreiben vom 23. April 2019 informierte der Antragsgegner den
Antragsteller darüber, dass Ansprüche auf Leistungen nach §§
2,
3 und
6 AsylbLG endeten, sofern bei vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern aus Gründen, die sie selbst zu vertreten hätten, aufenthaltsbeendende
Maßnahmen nicht vollzogen werden könnten. Der Antragsteller erhielt die Gelegenheit, sich dazu bis zum 24. Mai 2019 zu äußern.
Darauf reagierte der Antragsteller nicht. Der Antragsgegner erließ sodann den Bescheid vom 27. Mai 2019. Damit bewilligte
er lediglich Leistungen in Höhe von 151,11 Euro für die Zeit von Juni 2019 bis November 2019. Weil aufenthaltsbeendende Maßnahmen
aus Gründen nicht vollzogen werden könnten, die der Antragsteller zu vertreten habe, erhalte er ab dem 1. Juni 2019 nur noch
eingeschränkte Leistungen nach §
1a Abs.
3 AsylbLG zur Deckung seines Bedarfs an Ernährung, Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege. Gemäß §
14 Abs.
1 AsylbLG sei diese Maßnahme auf sechs Monate befristet. Bei fortbestehender Pflichtverletzung werde die Anspruchseinschränkung allerdings
gemäß §
14 Abs.
2 AsylbLG fortgesetzt, so lange die Voraussetzungen dafür vorlägen.
Diese sah der Antragsgegner offenbar für gegeben an, denn er bewilligte dem Antragsteller mit Bescheid vom 9. März 2020 auch
von Dezember 2019 bis Mai 2020 lediglich eingeschränkte Leistungen nach §
1a Abs.
3 AsylbLG (164 Euro für Dezember 2019, für die weiteren Monate jeweils 167 Euro). Für die Zeit von Juni 2020 bis August 2020 gewährte
der Antragsgegner dem Antragsteller ohne nähere Erläuterung sodann ungekürzte Grundleistungen nach §
3 AsylbLG (Bescheid vom 25. Mai 2020) und hörte den Antragsteller am selben Tag zur erneut beabsichtigten Leistungseinschränkung nach
§
1a Abs.
3 AsylbLG an. Daraufhin teilte der Antragsteller im Schreiben vom 29. Mai 2020 mit, dass er keinerlei Dokumente besitze, nicht einmal
eine Geburtsurkunde. Im ländlichen Bereich seines Heimatstaates sei es nicht üblich, solche Dokumente auszustellen. Reisen
nach Gambia seien derzeit pandemiebedingt nicht möglich. Gleichwohl beabsichtige der Antragsteller, einen Termin beim Honorarkonsul
in Berlin zu vereinbaren (Schreiben vom 16. Juli 2020). Der Antragsgegner bewilligte dem Antragsteller daraufhin von September
2020 bis Februar 2021 wiederum lediglich eingeschränkte Leistungen nach §
1a Abs.
3 AsylbLG in Höhe von 167 Euro monatlich (Bescheid vom 17. August 2020). Nach wie vor verfüge der Antragsteller über kein gültiges
Rückreisedokument. Nachvollziehbare Gründe habe der Antragsteller nicht vorgebracht.
Dagegen hat der Antragsteller am 31. August 2020 Widerspruch eingelegt. Nach der Mitteilung des Honorarkonsuls für Gambia
im Schreiben vom 16. Juli 2020 sei es nicht möglich, einen Nationalpass zu beantragen. Da die Staatsgrenzen und der internationale
Flughafen geschlossen seien, sei es auch nicht möglich, nach Gambia einzureisen. Zudem hat sich der Antragsteller am 11. September
2020 mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung an das Sozialgericht Dresden gewandt. Unter Bezugnahme auf
das Schreiben des Honorarkonsuls vom 16. Juli 2020 sei es dem Antragsteller nicht möglich, durch eine Änderung seines Verhaltens
zu ungekürzten Leistungen zu gelangen. Da ihm der Antragsgegner lediglich gekürzte Leistungen zur Deckung seines physischen
Lebensbedarfs gewähre, sei sein Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum verletzt. Außerdem erhalte der Antragsteller
während dieser Zeit keine Gesundheitsleistungen, die über eine Notfallversorgung hinausgingen. Auf Anfrage des Sozialgerichts
erläuterte der für Gambia zuständige Honorarkonsul in Köln, dass Nationalpässe nur noch in Gambia ausgestellt würden. Allerdings
sei es möglich, in Deutschland einen "Emergency Passport" zu erhalten oder sich von Verwandten, Freunden oder Rechtsanwälten
einen herkömmlichen, nicht-biometrischen Pass ausstellen zu lassen. Für die Bearbeitung des "Emergency Passports" in Deutschland
sei eine Bearbeitungsgebühr von 440 Euro zu entrichten. Flüge von Brüssel nach Banjul seien jederzeit buchbar. Das Sozialgericht
hat den Antrag abgelehnt (Beschluss vom 22. Oktober 2020). Der Antragsteller könne sich auf keinen Anordnungsanspruch berufen.
Ein Anspruch auf Analogleistungen nach §
2 AsylbLG bestehe nicht. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, die Dauer seines Aufenthalts in Deutschland nicht rechtsmissbräuchlich
selbst beeinflusst zu haben. Vielmehr habe er die Aufenthaltsdauer rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst, indem er keine
ausreichenden Anstrengungen dafür unternommen habe, um die notwendigen Rückreisedokumente zu erlangen. Es sei nicht ersichtlich,
dass der Antragsteller überhaupt jemals Kontakt zu einer Auslandsvertretung seines Heimatstaates aufgenommen habe. Der konkreten
Aufforderung, das von der Landesdirektion übermittelte Formular auszufüllen, um auf diese Weise ein Rückreisedokument zu erhalten,
sei der Antragsteller ebenfalls nicht nachgekommen, obwohl dieses seinerzeit an seine von ihm bevollmächtigte Rechtsanwältin
gerichtet gewesen sei. Das Verhalten seiner Bevollmächtigten habe sich der Antragsteller zurechnen zu lassen. Darüber hinaus
bestehe auch kein Anspruch auf ungekürzte Grundleistungen nach §
3 AsylbLG, da im Falle des Antragstellers die Voraussetzungen nach §
1a Abs.
3 AsylbLG vorlägen. Dieser sei vollziehbar ausreisepflichtig. Ferner sei ihm die Abschiebung nach Gambia angedroht worden. Die Gründe
dafür, dass die Ausreise des Antragstellers bisher nicht erfolgt sei, habe dieser selbst zu vertreten, da er nicht hinreichend
daran mitgewirkt habe, sich ein Rückreisedokument ausstellen zu lassen. Im Hinblick auf die erwähnte Bearbeitungsgebühr habe
der Antragsteller beim Antragsgegner nicht um die Übernahme dieser Kosten nachgesucht.
Gegen den ihm am 22. Oktober 2020 zugestellten Beschluss wendet sich der Antragsteller mit der am 26. November 2020 beim Sächsischen
Landessozialgericht eingegangenen Beschwerde. Der Antragsteller meint, es obliege dem Antragsgegner, ein gegebenenfalls rechtsmissbräuchliches
Beeinflussen der Aufenthaltsdauer darzulegen und glaubhaft zu machen. Ein solches Verhalten sei dem Antragsteller jedoch nicht
vorzuwerfen. Darüber hinaus seien Leistungskürzungen über 30 Prozent hinaus nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
verfassungswidrig.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 22. Oktober 2020 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung
zu verpflichten, ungekürzte Analogleistungen nach §
2 Asylbewerberleistungsgesetz zu gewähren,
hilfsweise
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen,
die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
II.
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§
172,
173 SGG) erweist sich als begründet. Der Antragsgegner war unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses im Wege der einstweiligen
Anordnung zu verpflichten, vorläufig ungekürzte Leistungen nach §
3 AsylbLG für die Zeit vom 11. September 2020 bis zum 28. Februar 2021 unter Anrechnung erbrachter Leistungen zu erbringen. Aufgrund
der in Verfahren des Eilrechtschutzes gebotenen summarischen Prüfung geht der Senat davon aus, dass die wiederholte Anspruchseinschränkung
nach §
1a Abs.
3 AsylbLG gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen dürfte.
Gemäß §
86b Abs.
2 Satz 1
SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht,
dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich
erschwert werden könnte (sogenannte Sicherungsanordnung). Eine solche Anordnung soll der Veränderung eines bestehenden Zustandes
vorbeugen. Sie dient einer Bewahrung des Status quo mit einem Unterlassungsgebot an den zu Verpflichtenden. Einstweilige Anordnungen
sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche
Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die
Leistung, zu der der Antragsgegner verpflichtet werden soll sowie einen Anordnungsgrund, nämlich die Dringlichkeit des Rechtsschutzes.
Gemäß §
86b Abs.
2 Satz 1
SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht,
dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich
erschwert werden könnte (so genannte Sicherungsanordnung). Eine solche Anordnung soll der Veränderung eines bestehenden Zustands
vorbeugen. Sie dient der Bewahrung des Status quo mit einem Unterlassungsgebot an den zu Verpflichtenden. Einstweilige Anordnungen
sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche
Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§
86b Abs.
2 Satz 2
SGG; sogenannte Regelungsanordnung).
Das Bestehen eines Anordnungsanspruchs und das Vorliegen eines Anordnungsgrundes sind erforderlich. Der Anordnungsanspruch
bezieht sich auf den geltend gemachten materiellen Anspruch, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird. Die erforderliche
Dringlichkeit betrifft den Anordnungsgrund. Die Tatsachen, die den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch begründen sollen,
sind darzulegen und glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 i.V.m. §
920 Abs.
2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Diese allgemeinen Anforderungen sind verfassungsrechtlich unbedenklich (Bundesverfassungsgericht [BVerfG]), Beschluss
vom 25.10.1999 - 2 BvR 745/88 - BVerfGE 79, 69).
Sinn und Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes liegen in der Sicherung der Entscheidungsfähigkeit und der prozessualen Lage,
um eine endgültige Rechtsverwirklichung im Hauptsacheprozess zu ermöglichen. Es will nichts anderes als allein wegen der Zeitdimension
der Rechtserkenntnis und der Rechtsdurchsetzung im Hauptsacheverfahren eine zukünftige oder gegenwärtige prozessuale Rechtsstellung
vor zeitüberholenden Entwicklungen sichern und irreparable Folgen ausschließen und der Schaffung vollendeter Tatsachen vorbeugen,
die auch dann nicht mehr rückgängig gemacht werden können, wenn sich die angefochtene Verwaltungsentscheidung im Nachhinein
als rechtswidrig erweist. Hingegen dient das vorläufige Rechtsschutzverfahren nicht dazu, gleichsam unter Umgehung des für
die Hauptsache zuständigen Gerichts und unter Abkürzung dieses Verfahrens, geltend gemachte materielle Rechtspositionen vorab
zu realisieren.
Bei der Auslegung und Anwendung der Regelungen des vorläufigen Rechtsschutzes sind die Gerichte gehalten, der besonderen Bedeutung
der jeweils betroffenen Grundrechte und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen. Die Gewährleistung
effektiven Rechtsschutzes nach Art.
19 Abs.
4 Grundgesetz (
GG) verlangt grundsätzlich die Möglichkeit eines Eilverfahrens, wenn ohne sie dem Betroffenen eine erhebliche, über Randbereiche
hinausgehende Verletzung in seinen Rechten droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden
kann (vgl. BVerfG Beschluss vom 25.10.1999 - 2 BvR 745/88 - BVerfGE 79, 69, 74; Beschluss vom 16.05.1995 - 1 BvR 1087/91 - BVerfGE 93, 1, 14). Dies gilt sowohl für die Anfechtungs- als auch für Vornahmesachen. Hierbei dürfen die Entscheidungen der Gerichte grundsätzlich
sowohl auf eine Folgenabwägung wie auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden.
Jedoch stellt Art.
19 Abs.
4 GG besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere
und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr
zu beseitigen wären. Je schwerer die Belastungen des Betroffenen wiegen, die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes
verbunden sind, umso weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der geltend gemachten Rechtsposition
zurückgestellt werden. Art.
19 Abs.
4 GG verlangt auch bei Vornahmesachen jedenfalls dann vorläufigen Rechtsschutz, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders
nicht anwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in
der Lage wäre (BVerfG, Beschluss vom 25.10.1999 - 2 BvR 745/88 - BVerfGE 79, 69, 74; Urteil vom 14.05.1996 - 2 BvR 1516/93 - 94, 166, 216). Die Gerichte, wenn sie ihre Entscheidung nicht an einer Abwägung der widerstreitenden Interessen, sondern
an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache orientieren, in solchen Fällen gemäß Art.
19 Abs.
4 Satz 1
GG gehalten, die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes auf eine eingehenden Prüfung der Sach- und Rechtslage zu stützen. Dies
bedeutet auch, dass die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache Fragen des Grundrechtsschutzes einbeziehen muss, wenn
dazu Anlass besteht (BVerfG, Kammerbeschluss vom 25.07.1996 - 1 BvR 638/96 - NVwZ 1997, 479). Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer
Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung
einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen. Dies gilt ganz besonders,
wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundrechtlichen Gewährleistung, auch wenn sie
nur möglich oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern (BVerfG, Beschluss vom 25.02.2009 - 1 BvR 120/09 - NZS 2009, 674, 675 Rdnr. 11).
Gemessen daran kann sich der Antragsteller sowohl auf einen Anordnungsanspruch als auch auf einen Anordnungsgrund berufen.
Der Antragsteller ist leistungsberechtigt nach dem
AsylbLG gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4, da er eine Duldung nach § 60a AufenthG besitzt. Daneben ergibt sich die Leistungsberechtigung aus §
1 Abs.
1 Nr.
5 AsylbLG, weil der Antragsteller vollziehbar ausreisepflichtig ist (auch wenn eine Abschiebungsandrohung noch nicht oder nicht mehr
vollziehbar ist). Leistungsberechtigte nach §
1 AsylbLG erhalten gemäß §
3 Abs.
1 AsylbLG Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheit, Pflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgütern
des Haushalts (notwendiger Bedarf). Zusätzlich werden ihnen Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen
Lebens gewährt (notwendiger persönlicher Bedarf). Leistungen nach §
2 AsylbLG in der ab dem 21. August 2019 gültigen Fassung sind zu gewähren, sofern sich der Betroffene bereits seit 18 Monaten tatsächlich
im Bundesgebiet aufhält, ohne die Dauer seines Aufenthalts selbst rechtsmissbräuchlich beeinflusst zu haben.
Unzutreffend geht der Antragsgegner davon aus, dass der Anspruch des Antragstellers auf Leistungen nach dem
AsylbLG während des tenorierten Zeitraums zum wiederholten Male einzuschränken (gewesen) ist nach §
1a Abs.
1, Abs.
3 Satz 1
AsylbLG.
Leistungsberechtigte nach §
1 Abs.
1 Nr.
4 und
5 AsylbLG - zu denen der Antragsteller zählt - erhalten ab dem auf die Vollziehbarkeit einer Abschiebungsandrohung oder Vollziehbarkeit
einer Abschiebungsanordnung folgenden Tag nur noch Leistungen nach §
1a Abs.
1 AsylbLG, sofern aufenthaltsbeendende Maßnahmen aus von ihnen selbst zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden können (§
1 Abs.
3 Satz 1
AsylbLG). Ihnen werden dem gemäß bis zu ihrer Ausreise oder der Durchführung ihrer Abschiebung nur noch Leistungen zur Deckung ihres
Bedarfs an Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege gewährt (vgl. §
1a Abs.
1 Satz 2
AsylbLG). Weil §
1a AsylbLG als Sanktionsnorm zu verstehen ist, ist sie auch mit Blick auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums
aus Art.
1 GG in Verbindung mit Art.
20 Abs.
3 GG restriktiv auszulegen (Cantzler,
AsylbLG, 2019, §
1a Rn. 9; Siefert,
AsylbLG, 2. Aufl. 2020, §
1a Rn. 7). Die Sanktionsnorm des §
1a Abs.
3 AsylbLG knüpft an die Verletzung asyl- bzw. ausländerrechtlicher Pflichten durch den Leistungsberechtigten an. Mittelbare Folge dieses
pflichtwidrigen Verhaltens ist die verlängerte Inanspruchnahme von Leistungen zur Existenzsicherung nach dem
AsylbLG. Die leistungsrechtliche Sanktionierung seines Verhaltens soll den Leistungsberechtigten mittelbar dazu veranlassen, seiner
Ausreisepflicht nachzukommen (Cantzler,
AsylbLG, 2019, §
1a Rn. 4).
Die Voraussetzungen des §
1a Abs.
3 AsylbLG liegen im Falle des - geduldeten - Antragstellers nach summarischer Prüfung allerdings vor. Dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen
nicht vollzogen werden konnten, da dieser nicht daran mitgewirkt habe, einen Pass, Passersatz oder ein sonstiges Rückreisedokument
zu beschaffen, ist bezogen auf den hier relevanten Leistungszeitraum offensichtlich. Damit hat der Antragsteller die Vollziehung
der bestandskräftigen Abschiebungsanordnung (§ 58 AufenthG) verhindert. Darin liegt ein Verstoß gegen § 48 Abs. 3 AufenthG. Danach ist der Ausländer dazu verpflichtet, an der Beschaffung eines Identitätspapiers mitzuwirken. Diese fehlende Mitwirkung
stellt ein typisches rechtsmissbräuchliches Verhalten im Sinne des §
1a Abs.
3 Satz 1
AsylbLG dar (BSG, Urteil vom 12.05.2017 - B 7 AY 1/16 R - juris Rn. 15). Nach § 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist ein Ausländer dazu verpflichtet, an der Beschaffung des Identitätspapiers mitzuwirken, sofern er keinen gültigen Pass
oder Passersatz besitzt, sowie alle Urkunden, sonstigen Unterlagen und Datenträger, die für die Feststellung und Geltendmachung
einer Rückführungsmöglichkeit in einen anderen Staat von Bedeutung sein können und in deren Besitz er ist, den mit der Ausführung
des AufenthG betrauten Behörden auf Verlangen vorzulegen, auszuhändigen und zu überlassen. Der Mitwirkungspflicht wird unter anderem dadurch
entsprochen, dass eine Mitwirkung an der Feststellung und Sicherung der Identität erfolgt oder die für die Beschaffung von
Heimreisedokumenten nötigen Erklärungen abgegeben werden (§ 49 Abs. 2 AufenthG). Identitätspapiere sind auch sämtliche für die Rückreise benötigten Papiere. Der Pflicht wird zunächst durch Beantragung
genügt (§ 56 Abs. 1 Nr. 1 Aufenthaltsverordnung [AufenthV]).
Erfasst sind aber auch alle weiteren Handlungen, die für die Ausstellung des Papiers erforderlich sind und nur von dem Ausländer
persönlich vorgenommen werden können. Dazu gehört die Vorlage eines Fotos, die persönliche Vorsprache bei der Auslandsvertretung
des Heimatstaates bei Antragstellung bzw. Abholung des Dokuments, wenn dies gefordert wird (OVG Münster, Beschluss vom 9.
Februar 2004 - 18 B 811/03 - NVwZ-RR 2004, 689 f), sich eventuell der Mithilfe geeigneter Dritter, z.B. Angehöriger, zu bedienen (BayObLG, Beschluss vom 7. November 2000
- 3Z BR 335/00 - InfAuslR 2001, 176 f), die Abgabe benötigter Fingerabdrücke (OVG Münster, Beschluss vom 12. Oktober 2005, 18 B 1526/05, 18 E 1150/05 - InfAuslR 2006, 136) sowie alle Urkunden und sonstigen Unterlagen, die relevant sein können, der zuständigen Stelle vorzulegen, auszuhändigen,
zu überlassen bzw. zu beantragen. Dass Erklärungen des Ausländers im Rahmen der Beschaffung von Heimreisedokumenten mit dem
deutschen Recht in Einklang stehen müssen, ergibt sich aus § 49 Abs. 2 AufenthG.
Dabei besteht grundsätzlich ein erhebliches öffentliches Interesse an einer baldigen Aufenthaltsbeendigung der von öffentlichen
Mitteln lebenden vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern (OVG Münster, Beschluss vom 12. Oktober 2005 - 18 B 1526/05, 18 E 1150/05 - InfAuslR 2006, 136). Der BayVGH geht ferner davon aus, dass es dem betroffenen Ausländer neben seiner Mitwirkungspflicht nicht freisteht, "ansonsten
völlig untätig und passiv zu bleiben und nur darauf zu warten, welche weiteren Handlungen die Behörde noch von ihm verlangt".
Der betroffene Ausländer kann sich demnach nicht allein auf die Erfüllung derjenigen Pflichten stützen, die ihm konkret von
der Ausländerbehörde vorgegeben werden. Er ist vielmehr daneben dazu gehalten, eigenständig die Initiative zu ergreifen und
die erforderlichen Schritte einzuleiten, um das bestehende Ausreisehindernis zu beseitigen (sog. "Initiativpflicht"). Die
Erfüllung der dem Ausländer obliegenden Pflichten - seiner Mitwirkungspflicht, aber auch der Initiativpflicht - hat dieser
zu belegen und nachzuweisen. Gelingt ihm dies nicht, spricht vieles für die Annahme, er habe das Ausreisehindernis verschuldet
oder zumutbare Anforderungen jedenfalls nicht erfüllt (Beschluss vom 27. Juli 2010 - 10 ZB 10.276 - juris Rn. 12).
§ 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG verlangt daher von dem Ausländer, es nicht bei der Einreichung der erforderlichen Unterlagen und bei der Vorsprache bei der
Auslandsvertretung seines Heimatstaates zu belassen, sondern darüber hinaus weitere Angaben zu machen, die seine Identifikation
ermöglichen (VG Würzburg, Urteil vom 8. Dezember 2014 - W 7 K 14.26). Kommt der Ausländer seiner Pflicht zur Beschaffung von
Heimreisedokumenten nicht nach, so hat er das Abschiebungshindernis zu vertreten (vgl. Weichert/Stoppa in: Huber, AufenthG, 2. Aufl. 2016, § 48 Rn. 18a).
Vor dem Hintergrund der aufgezeigten Mitwirkungspflicht nach § 48 Abs. 3 AufenthG obliegt es allein dem Ausländer, sich zur Auslandsvertretung seines Herkunftslandes zu begeben, um dort einen Reisepass,
Passersatzpapiere oder einen Antrag auf Nachregistrierung zu stellen, dabei wahrheitsgemäße Angaben zu machen und sich die
entsprechenden Vorsprachen bescheinigen zu lassen. Bei der Mitwirkungspflicht aus § 48 Abs. 3 AufenthG handelt es sich um eine Obliegenheit, die den Antragsteller selbst trifft, und zwar ungeachtet aller Möglichkeiten, die den
deutschen Ausländerbehörden zur Verfügung stehen könnten. Sofern der Antragsteller Geld für seine Anreise zu den Auslandsvertretungen
benötigen sollte, wäre er dazu verpflichtet, den Antragsgegner darüber zu informieren. Keinesfalls darf er sich untätig darauf
zurückziehen, nicht über die erforderlichen Mittel zu verfügen und deshalb die geforderten Anstrengungen zur Erfüllung der
Mitwirkungspflicht aus § 48 Abs. 3 AufenthG unterlassen. Von dem Ausländer kann ferner verlangt werden, es nicht bei der Einreichung der erforderlichen Unterlagen und
einer Vorsprache bei der Auslandsvertretung seines Heimatstaates zu belassen, sondern darüber hinaus, falls ihm das Identitätspapier
nicht in angemessener Zeit ausgestellt wird, regelmäßig nachzufragen, sich nach den Gründen für die Bearbeitungsdauer zu erkundigen
und beharrlich um die Ausstellung des Papiers nachzusuchen (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. Oktober 2018 - OVG 3 B 4.18 - juris Rn. 22).
Allerdings dürfen dem Ausländer keine Handlungen abverlangt werden, die von vornherein ohne Einfluss auf die Möglichkeit der
Ausreise oder erkennbar aussichtslos sind. Unterhalb dieser Schwelle besteht hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen der Verletzung
von Mitwirkungspflichten und der Erfolglosigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen, der immer nur hypothetisch beurteilt werden
kann, eine tatsächliche widerlegbare Vermutung zu Lasten des Ausländers (Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Urteil vom 26.
Oktober 2010 - 1 C 18.09 - juris Rn. 20; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. Februar 2017 - OVG 3 B 9.16 - juris Rn. 24).
Verlangt die zuständige Behörde des Heimatstaats zum Zwecke der Ausstellung eines Reisedokuments von dem vollziehbar ausreisepflichtigen
Ausländer die Erklärung, dass er bereit sei, freiwillig auszureisen, so ist ihm die Abgabe dieser Erklärung grundsätzlich
zuzumuten (BVerwG, Urteil vom 10. November 2009 - 1 C 19/08 - juris Rn. 14). Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass sie vollziehbar ausreisepflichtig sind. Die gesetzliche Pflicht zur
Ausreise bedeutet, dass sie freiwillig ausreisen oder sich zwangsweise abschieben lassen müssen. Das Aufenthaltsrecht erlegt
dem Ausländer primär auf, dass er seiner Ausreisepflicht freiwillig - und unverzüglich - nachkommt (§ 50 Abs. 2 AufenthG). Eine zwangsweise Abschiebung kommt erst in Betracht, wenn der Ausländer seine Ausreisepflicht nicht freiwillig erfüllt
bzw. die Überwachung der Ausreise erforderlich ist (§ 58 Abs. 1, Abs. 3 AufenthG). Ein ausreisepflichtiger Ausländer ist daher aufenthaltsrechtlich gehalten, das Land freiwillig zu verlassen. Die Rechtsordnung
mutet dem Ausländer zu, seiner Ausreisepflicht von sich aus nachzukommen. Die gesetzliche Ausreisepflicht schließt die Obliegenheit
für den Ausländer ein, sich auf die Ausreise einzustellen, zur Ausreise bereit zu sein und einen dahingehenden Willen zu bilden.
In diesem Rahmen ist es für einen ausreisepflichtigen Ausländer grundsätzlich rechtlich nicht unzumutbar, zur Ausreise nicht
nur willens und bereit zu sein, sondern diese Bereitschaft auch zu bekunden und eine Erklärung dahin abzugeben, freiwillig
in das Herkunftsland ausreisen zu wollen. Ein entgegenstehender innerer Wille des Ausländers, der die Erklärung mangels Bildung
eines entsprechenden Willens als unwahr empfindet, ist aufenthaltsrechtlich regelmäßig unbeachtlich. Der Ausländer ist nicht
dazu gezwungen, die "Freiwilligkeitserklärung" als unwahre Bekundung bzw. als "Lüge" abzugeben. Die Freiwilligkeit kann in
dem Sinne erklärt werden, dass der betroffene Ausländer ausreisepflichtig sei und er dieser Pflicht nachzukommen gedenke,
um der zwangsweisen Abschiebung zuvor zu kommen (BVerwG, Urteil vom 10. November 2009 - 1 C 19/08 - juris Rn. 14, 16; SächsOVG, Urteil vom 3. Juli 2014 - 3 A 28/13 - juris Rn. 21).
Das BSG hat im Urteil vom 30. Oktober 2013 (Az.: B 7 AY 7/12 R) die gegenteilige Ansicht vertreten und ausgeführt, dass die Verpflichtung
zur Abgabe einer solchen "Ehrenerklärung" die Intimsphäre des betroffenen Ausländers als unantastbarem Kernbereich des Persönlichkeitsrechts
des Art.
2 Abs.
1 GG in Verbindung mit Art.
1 Abs.
1 GG berühre. Näher dargelegt wird diese Auffassung allerdings nicht. Berlit hat dazu angemerkt, dass das BSG im erwähnten Urteil die differenzierte Auseinandersetzung mit der genauen Reichweite des so evozierten "unantastbaren" Kernbereichs
ersetzt habe durch den eingängigen Hinweis, dass niemand zum Lügen gezwungen werden dürfe und die Verpflichtung zur Erklärung
eines nicht vorhandenen Willens einem totalitären Staatsverständnis entspreche (Anmerkung vom 30. Oktober 2014 zum Urteil
des BSG vom 30. Oktober 2013 - B 7 AY 7/12 R - juris). Auch Cantzler bezweifelt, dass die Abgabe einer "Ehrenerklärung" unzumutbar
sei (in:
AsylbLG, 2019, §
1a Rn. 73; a.A.: Siefert,
AsylbLG, 2018, § 1a Rn. 37 unter Bezugnahme auf die abstrakten Rechtssätze des Urteils des BSG vom 30. Oktober 2013 - B 7 AY 7/12 R). Die Auseinandersetzung mit den zitierten abstrakten Rechtssätzen des Urteils des BVerwG
vom 10. November 2009 (Az.: 1 C 19/08) erschien nach der Ansicht des BSG als nicht erforderlich, da ein anderer "Kontext" bestanden habe.
So bleibt die Frage offen, weshalb durch die Abgabe einer "Ehrenerklärung" die Intimsphäre betroffen sein soll und ob gegebenenfalls
Argumente für eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung sprechen. Das
Grundgesetz gewährt dem Bürger einen unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung, der der Einwirkung der öffentlichen Gewalt entzogen
ist. Das verfassungskräftige Gebot, diesen Kernbereich, die Intimsphäre des Einzelnen, zu achten, hat seine Grundlage in dem
durch Art.
2 Abs.
1 GG verbürgten Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Bei der Bestimmung von Inhalt und Reichweite des Grundrechts aus
Art.
2 Abs.
1 GG muss berücksichtigt werden, dass nach der Grundnorm des Art.
1 Abs.
1 GG die Würde des Menschen unantastbar ist und gegenüber aller staatlichen Gewalt Achtung und Schutz beansprucht. Selbst überwiegende
Interessen der Allgemeinheit können einen Eingriff in den absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung nicht
rechtfertigen; eine Abwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes findet nicht statt (BVerfG, Beschluss vom 31.
Januar 1973 - 2 BvR 454/71 - juris Rn. 30).
Jedoch steht nicht der gesamte Bereich des privaten Lebens unter dem absoluten Schutz des Grundrechts aus Art.
2 Abs.
1 GG in Verbindung mit Art.
1 Abs.
1 GG. Als gemeinschaftsbezogener und gemeinschaftsgebundener Bürger muss vielmehr jedermann staatliche Maßnahmen hinnehmen, die
im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes getroffen werden,
soweit sie nicht den unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung beeinträchtigen (BVerfG, Beschluss vom 31. Januar 1973
- 2 BvR 454/71 - juris Rn. 31; Beschluss vom 23. Mai 1980 - 2 BvR 854/79 - juris Rn. 8; Beschluss vom 14. Dezember 2000 - 2 BvR 1741/99 u.a. - juris Rn. 50, 51).
Das BVerwG hatte in seinem Urteil vom 10. November 2009 (Az.: 1 C 19/08 - juris Rn. 17) unter Bezugnahme auf das Urteil des OLG Nürnberg vom 16. Januar 2007 (Az.: 2 St OLG Ss 242/06 - juris Rn. 59) bereits erwähnt, dass an die unterbliebene Freiwilligkeitserklärung keine strafrechtlichen Konsequenzen geknüpft
werden dürften und deren Abgabe weder rechtlich erzwungen noch gegen den Willen des Ausländers durchgesetzt werden dürfe.
Die Weigerung, eine solche Erklärung abzugeben, werde vom Aufenthaltsrecht allerdings nicht honoriert (etwa durch die Erteilung
einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG). Mit dem OVG Berlin-Brandenburg ist deshalb anzunehmen, dass der unantastbare Kernbereich der Persönlichkeit durch die Abgabe
einer Freiwilligkeitserklärung jedenfalls so lange nicht betroffen ist, wie dem Ausländer nicht über die Pflicht hinaus, sich
rechtstreu zu verhalten, die Bildung eines entsprechenden inneren Willens im Sinne eines Heimreisewunsches abverlangt wird
(Urteil vom 15. Februar 2017 - OVG 3 B 9.16 - juris Rn. 30). Der Senat geht daher - wie bereits der 7. Senat des SächsLSG im Beschluss vom 30. Juni 2011 (Az.: L 7 AY
8/10 B ER - juris Rn. 39) davon aus, dass dem ausreisepflichtigen Ausländer die Abgabe der Freiwilligkeitserklärung zuzumuten
ist, wie sie das BVerwG im Urteil vom 10. November 2009 (Az.: 1 C 19/08 - juris Rn. 16) ausgedeutet hat.
Die Mitwirkungspflichten nach § 48 Abs. 3 AufenthG sind somit - im Gegensatz zur Ansicht des Antragstellers - in der dargestellten Weise umfassend zu verstehen. Sie sind auch
mit Blick auf §
1a Abs.
3 AsylbLG weder auf "eindeutige" noch auf "nachhaltige" Verstöße - was immer damit gemeint sein mag - begrenzt. Die Mitwirkungspflicht
nach § 48 Abs. 3 AufenthG zielt darauf ab, dass der Ausländer die Passpflicht erfüllt. Nur mit einem gültigen Rückreisedokument ist es möglich, die
Ausreisepflicht gegebenenfalls auch durchzusetzen in Kooperation mit den Behörden des Herkunftsstaates. Der Gesetzgeber hat
mit dem "Zweiten Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht" vom 15. August 2019 (BGBl. I, S. 1294) seinen politischen Willen betont, die Abschiebung ausreisepflichtiger Drittstaatsangehöriger möglichst effektiv und schnellstmöglich
durchzusetzen. Dieser Wille darf nicht dadurch vereitelt werden, dass die Reichweite der Mitwirkungspflicht aus § 48 Abs. 3 AufenthG unzulässig beschränkt wird. Davon abzugrenzen ist der oben erwähnte Maßstab für die Auslegung des §
1a Abs.
3 AsylbLG, der insbesondere bei der Prüfung zum Tragen kommt, ob der Ausländer den Nichtvollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen selbst
zu vertreten hat (siehe dazu unten).
Nach § 3 Abs. 1 AufenthG besteht Passpflicht, also die Pflicht zum Besitz eines gültigen und anerkannten Passes. Die Erfüllung der Passpflicht dient
nicht allein der Feststellung der Identität des Passinhabers. Vielmehr gewährleistet ein gültiger Pass oder Passersatz auch
die Verpflichtung zur Wiederaufnahme des Inhabers durch den Ausstellerstaat (BVerwG, Beschluss vom 17. Juni 2013 - 10 B 1/13 - juris Rn. 4). Identität und Staatsangehörigkeit sind daher im Regelfall durch die Vorlage eines gültigen Passes nachzuweisen
(§ 3 AufenthG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG). Die Passpflicht erstreckt sich einerseits auf die Einreise (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) und andererseits auf die Erteilung und Verlängerung eines Aufenthaltstitels. Die Passpflicht sowie die Pflicht zum Besitz
eines Aufenthaltstitels bestehen unabhängig voneinander (VG München, Beschluss vom 3. April 2013 - M 25 S 13.963 - juris Rn.
21). Zwar kann die Identität auch durch die Vorlage der Kopie eines abgelaufenen Passes nachgewiesen werden.
Aber nur ein gültiger Pass oder Passersatz nach Art. 28 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) oder nach Art. 28 des Übereinkommens über die Rechtstellung der Staatenlosen (StlÜb) gewährleisten im Rahmen der Geltungsdauer auch die Verpflichtung
zur Wiederaufnahme des Betroffenen durch den Ausstellerstaat (BVerwG, Beschluss vom 17. Juni 2013 - 10 B 1/13 - juris Rn. 4).
Die Passpflicht besteht unabhängig von der Pflicht zur Mitführung des Passes oder Passersatzes beim Grenzübertritt (§ 13 Abs. 1 AufenthG) und den ausweisrechtlichen Pflichten nach § 48 AufenthG in Verbindung mit §§ 56, 57 AufenthV. Durch den Besitz eines gültigen Passes wird den Behörden die Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit (§ 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG) sowie die Rückkehrberechtigung seines Inhabers ohne weiteres ermöglicht. Ein gültiger Pass, den ein Staat an seine Angehörigen
ausstellt, beinhaltet die völkerrechtlich verbindliche Erklärung des ausstellenden Staates, dass der Inhaber sein Staatsangehöriger
ist. Diesen Staat trifft nach allgemeinem Völkerrecht gegenüber dem Aufenthaltsstaat eine Verpflichtung zur Rücknahme des
Passinhabers (Marx, Aufenthalts-, Asyl- und Flüchtlingsrecht, 7. Aufl. 2020, § 2 Rn. 77).
Eine Belehrung der nach dem
AsylbLG zuständigen Behörden an den Leistungsberechtigten über das geforderte pflichtmäßige Verhalten nach § 48 Abs. 3 AufenthG und die etwaigen Folgen nach §
1a Abs.
3 AsylbLG ist - anders als in §
66 Abs.
3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I), der nur die Mitwirkung im Leistungsverhältnis betrifft, nicht vorgesehen (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 8. November
2018 - L 7 AY 4468/16 - juris Rn. 46). Sie ist auch nicht erforderlich (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 15. April 2009
- 1 L 229/04 - juris Rn. 28; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. August 2005 - L 7 AY 3115/05 ER-B - juris Rn. 7; a.A. SG München,
Beschluss vom 31. Januar 2017 - S 51 AY 122/16 ER - juris Rn. 40; Bayerisches LSG, Beschluss vom 21. Dezember 2016 - L 8 AY
31/16 B ER - juris Rn. 59). Denn primär geht es bei §
1a Abs.
3 AsylbLG nicht um die Nichterfüllung von Pflichten aus dem Leistungsverhältnis, sondern aus dem ausländerrechtlichen Verwaltungsverfahren
und deren mittelbaren Auswirkungen auf den Leistungsbezug. Erlangt der Leistungsberechtigte im ausländerrechtlichen Verfahren
keine Kenntnis von seiner Mitwirkungspflicht bei der Aufenthaltsbeendigung, so ist kein leistungsrechtlich relevanter Verstoß
denkbar (Cantzler,
AsylbLG, 2019, §
1a Rn. 74). Mit dem Sozialgericht ist davon auszugehen, dass der Antragsteller über seine Mitwirkungspflichten hinreichend konkret
informiert worden ist. Bezogen auf Maßnahmen nach § 48 Abs. 3
AsylbLG genügt im Hinblick auf mögliche Leistungseinschränkungen nach §
1a Abs.
3 AsylbLG die einmalige Information. Diese muss nicht laufend aktualisiert werden. Diese Anforderungen hat der Antragsgegner erfüllt
mit seinen Schreiben vom 23. April 2019, 25. Juli 2019 und 18. August 2019).
Davon zu unterscheiden ist die Notwendigkeit einer Anhörung im konkreten Fall. Beabsichtigt die Ausländerbehörde, den Leistungsanspruch
nach §
1a Abs.
3 AsylbLG einzuschränken, ist stets die vorherige Anhörung (§
1 des Gesetzes zur Regelung des Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungszustellungsrechts für den Freistaat Sachsen [SächsVwVfZG]
in Verbindung mit § 28 Verwaltungsverfahrensgesetz [VwVfG]) erforderlich. Gerade im hier relevanten Bereich existenzsichernder Leistungen sind die tatsächlichen Voraussetzungen
beabsichtigter Einschränkungen sorgfältig und unter Wahrung rechtlichen Gehörs zu ermitteln. Im Rahmen der Anhörung ist die
von der leistungsberechtigten Person verlangte konkrete Mitwirkungshandlung hinreichend bestimmt zu bezeichnen, damit die
Person weiß, welche Obliegenheit sie zur Abwendung der Leistungsreduzierung zu erfüllen hat (Bayerisches LSG, Beschluss vom
13. September 2016 - L 8 AY 21/16 B ER - juris Rn. 59). Dazu ist ihr eine angemessene Frist einzuräumen (Hohm,
AsylbLG, Stand: Januar 2020, §
1a Rn. 278). Auch diese Voraussetzungen hat der Antragsgegner erfüllt (Schreiben vom 25. Juli 2019 und 18. August 2019). Damit
ist dem Antragsteller mit Blick auf die Folgen aufgrund des §
1a Abs.
3 AsylbLG hinreichend deutlich vor Augen geführt worden, dass im Falle unterbleibender Mitwirkungshandlungen nach § 48 Abs. 3 AufenthG die Leistungseinschränkung droht.
Der Antragsteller hat das Fehlen eines Passes, Passersatzes oder Rückreisedokuments bzw. die fehlende Nachregistrierung als
den Grund, der seine Ausreise hindert, auch selbst zu vertreten. Darauf hat das Sozialgericht zutreffend hingewiesen. Erforderlich,
aber auch ausreichend hierfür ist, dass die den Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen hindernden Gründe in den Verantwortungsbereich
des Leistungsberechtigten fallen. Insoweit ist zumindest ein persönliches (eigenes) Fehlverhalten des Leistungsberechtigten
zu verlangen, wie dies dem §
1a Abs.
3 Satz 1
AsylbLG ausdrücklich zu entnehmen ist. Einerseits muss also ein dem Ausländer vorwerfbares Verhalten und andererseits die Ursächlichkeit
zwischen dem vorwerfbaren Verhalten und der Nichtvollziehbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen vorliegen (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - B 7 AY 7/12 R - BSGE 114, 302 ff Rn. 25). Die Ursächlichkeit zwischen dem vorwerfbaren Verhalten - das umfassend festzustellen ist (siehe oben) - und der
Nichtvollziehbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen ist streng zu prüfen, um dem Ausnahmecharakter des §
1a AsylbLG als Sanktionsnorm Rechnung zu tragen. Der demnach erforderliche ursächliche Zusammenhang besteht nur, wenn allein die unterbliebene
Mitwirkung des Ausländers nach § 48 Abs. 3 AufenthG dazu geführt hat, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht erfolgen konnten. Ist die Ausweisung oder Abschiebung aus anderen
als in der Person des Ausländers liegenden Gründen nicht möglich, z.B. wegen Reiseunfähigkeit oder weil sich Botschaften weigern,
politisch unliebsamen Antragstellern Reisedokumente auszustellen, oder die Behörde aus sonstigen Gründen aufenthaltsbeendende
Maßnahmen nicht vollzieht, ist keine Einschränkung des Leistungsanspruchs zu rechtfertigen (Siefert,
AsylbLG, 2. Aufl. 2020, §
1a Rn. 40).
Der Antragsteller hat nicht daran mitgewirkt, die notwendigen Rückreisedokumente zu erlangen. Es ist nicht ersichtlich, dass
er überhaupt Aktivitäten mit diesem Ziel entfaltet hat. Deshalb ist die Überlegung des Antragsgegners, den Anspruch des Antragstellers
(weiterhin) einzuschränken, durchaus nachvollziehbar. Allerdings dürfte die für den streitgegenständlichen Zeitraum erfolgte
Leistungseinschränkung gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen. Einschränkungen des Leistungsanspruchs sind im Hinblick
auf das Grundrecht der Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums in jeder Hinsicht eng zu handhaben unter den
strengen Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in jedem Einzelfall. Leistungseinschränkungen dürfen somit nur
zeitlich begrenzt verhängt werden (z.B. über drei Monate mit maximaler Verlängerung auf sechs Monate innerhalb eines Jahreszeitraums).
Keinesfalls dürfen sie durch eine starre Frist oder dauerhaft und auch nicht langjährig verhängt werden (vg. Oppermann in:
Schlegel/Voelzke, jurisPK, Stand: März 2020, §
1a AsylbLG Rn. 150).
Die auf den streitgegenständlichen Zeitraum bezogene Leistungseinschränkung erscheint daher bereits aufgrund ihrer Dauer unangemessen.
Der Antragsteller musste sich bereits von Juni 2019 bis November 2019 sowie von Dezember 2019 bis Mai 2020 mit eingeschränkten
Leistungen nach §
1a Abs.
3 AsylbLG begnügen. Die weitere Anordnung von Leistungseinschränkungen auch für den streitgegenständlichen Zeitraum war deshalb nach
der Überzeugung des Senats als übermäßig anzusehen. Das Bundesverfassungsgericht hat im Urteil vom 5. November 2019 (Az.:
1 BvL 7/16 - juris Rn. 120) betont, dass der verfassungsrechtlich garantierte Leistungsanspruch auf Gewährung eines menschenwürdigen
Existenzminimums allen zusteht. Er ist dem Grunde nach unverfügbar und geht selbst durch vermeintlich "unwürdiges" Verhalten
nicht verloren. Die Menschenwürde kann selbst denjenigen nicht abgesprochen werden, denen schwerste Verfehlungen vorzuwerfen
sind. Das Sozialstaatsprinzip verlangt staatliche Vor- und Fürsorge auch für jene, die aufgrund persönlicher Schwäche oder
Schuld, Unfähigkeit oder gesellschaftlicher Benachteiligung in ihrer persönlichen und sozialen Entfaltung behindert sind.
Diese Verpflichtung zur Sicherung des Existenzminimums ist demnach auch durch die Erreichung anderweitiger Ziele nicht zu
relativieren. Dies gilt auch mit Blick auf das oben erwähnte gesetzgeberische Motiv, den Leistungsberechtigten durch die Sanktionierung
nach §
1a Abs.
3 AsylbLG mittelbar dazu zu veranlassen, seiner Ausreisepflicht nachzukommen.
Auch der Höhe nach dürfte die Leistungseinschränkung verfassungsrechtlichen Vorgaben widersprechen. Nach §
1a Abs.
1 Satz 2
AsylbLG werden nur noch Leistungen zur Gewährleistung des physischen Existenzminimums erbracht. Das Bundesverfassungsgericht hat
allerdings ausgeführt, dass das Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums neben dem physischen
auch das soziokulturelle Existenzminimum umfasst. Die Verankerung des Gewährleistungsrechts im Grundrecht des Art.
1 Abs.
1 GG bedeutet, dass Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung (Art.
1 Abs.
3 GG) den Menschen nicht auf das schiere physische Überleben reduzieren dürfen, sondern mit der Würde mehr als die bloße Existenz
und damit auch die soziale Teilhabe als Mitglied der Gesellschaft gewährleistet wird. Es widerspräche dem nicht relativierbaren
Gebot der Unantastbarkeit, wenn nur ein Minimum unterhalb dessen gesichert würde, was der Gesetzgeber bereits als Minimum
normiert hat; insbesondere lässt sich die Gewährleistung aus Art.
1 Abs.
1 GG in Verbindung mit Art.
20 Abs.
1 GG nicht in einen "Kernbereich" der physischen und einen "Randbereich" der sozialen Existenz aufspalten.
Der Gesetzgeber kann auch weder für einen internen Ausgleich noch zur Rechtfertigung einer Leistungsminderung auf die Summen
verweisen, die in der pauschalen Berechnung der Grundsicherungsleistungen für die soziokulturellen Bedarfe veranschlagt werden,
denn die physische und soziokulturelle Existenz werden durch Art.
1 Abs.
1 GG in Verbindung mit Art.
20 Abs.
1 GG einheitlich geschützt (BVerfG, Urteil vom 5. November 2019 - 1 BvL 7/16 - juris Rn. 119). Wenn einem Menschen die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins notwendigen materiellen Mittel
fehlen, weil er sie weder aus eigener Erwerbstätigkeit noch aus eigenem Vermögen noch durch Zuwendungen Dritter erhalten kann,
ist der Staat im Rahmen seines Auftrags zum Schutz der Menschenwürde und in Ausfüllung seines sozialstaatlichen Gestaltungsauftrags
verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die materiellen Voraussetzungen für dieses menschenwürdige Dasein zur Verfügung
stehen (BVerfG, Urteil vom 5. November 2019 - 1 BvL 7/16 - juris Rn. 120).
Es ist offensichtlich, dass die Regelung in §
1a Abs.
1 Satz 2
AsylbLG diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen widerspricht. Im Ergebnis folgt daraus, dass dem von der Leistungseinschränkung
betroffenen Ausländer rund 50 Prozent seines monatlichen Regelbedarfs vorenthalten werden. Im Bereich der Grundsicherung nach
dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) sind lediglich Leistungskürzungen von 30 Prozent des maßgeblichen Regelbedarfs für verfassungsgemäß erachtet worden (BSG, Urteil vom 29. April 2015 - B 14 AS 19/14 R - juris Rn. 56). Das Bundesverfassungsgericht hat Sanktionsnormen im SGB II für verfassungswidrig erklärt, die über die Höhe der Leistungsminderung selbst bei wiederholten Pflichtverletzungen von 30
Prozent hinausgingen; Kürzungen in Höhe von 60 Prozent hat es als unzumutbar und für verfassungswidrig beurteilt, weil mangels
hinreichender empirischer Erkenntnisse nicht sicher war, ob die menschenwürdige Existenz der Hilfebedürftigen tatsächlich
noch gesichert war (Urteil vom 5. November 2019 - 1 BvL 7/16 - juris Rn. 168, 189f).
Nachdem daher die Voraussetzungen einer Anspruchseinschränkung jedenfalls nach summarischer Prüfung nicht vorliegen, ist der
Antragsgegner dazu verpflichtet, einstweilen ungekürzte Grundleistungen nach §
3 AsylbLG unter Anrechnung bereits gewährter Leistungen zu gewähren. Ob dem Antragsteller Analogleistungen nach §
2 AsylbLG zustehen könnten, wäre nach Maßgabe des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 2019 (Az.: 1 BvL 7/16 - juris Rn. 120) im Hauptsacheverfahren zu prüfen. Der Senat hat bereits ausgeführt, dass er den Ausschluss sogenannter "Analogleistungen"
auf Dauer für verfassungsrechtlich problematisch erachtet (Urteil vom 26. Februar 2020 - L 8 AY 5/14). Denn Sinn und Zweck
des
AsylbLG ist es, den Ausländern, die noch keinen oder noch keinen verfestigten ausländerrechtlichen Status in Deutschland erlangt
haben, geringere Leistungen zur Existenzsicherung zu gewähren, als dies nach dem SGB II oder SGB XII geschehen würde (vgl. BSG, Urteil vom 20. Dezember 2012 - B 7 AY 1/11 R - juris Rn. 14).
Der dauerhafte Ausschluss des Antragstellers von "Analogleistungen" hätte aber zur Folge, dass er keine Möglichkeit mehr hätte,
die - nach der Vorstellung des Gesetzgebers - tatsächlich das menschenwürdige Existenzminimum sichernden Leistungen entsprechend
dem SGB XII zu erhalten. Dieses Grundrecht steht jedoch deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik
Deutschland aufhalten, gleichermaßen zu. Will der Gesetzgeber bei der Festlegung des menschenwürdigen Existenzminimums die
Besonderheiten bestimmter Personengruppen berücksichtigen, so darf er bei der konkreten Ausgestaltung existenzsichernder Leistungen
nicht pauschal nach dem Aufenthaltsstatus differenzieren. Eine Differenzierung ist nur insofern möglich, als deren Bedarf
von dem anderer Bedürftiger signifikant abweicht und dies folgerichtig und transparent anhand des tatsächlichen Bedarfs belegt
werden kann. Dem Gesetzgeber kommt dabei ein Gestaltungsspielraum zu, der ihn aber nicht davon entbindet, das Existenzminimum
hinsichtlich der konkreten Bedarfe zeit- und realitätsgerecht zu bestimmen (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10 u.a. - juris Rn. 74). Zwar sollten für Ausländer nach der Konzeption des
AsylbLG weder Anreize für die Einreise noch solche für ein Verbleiben in der Bundesrepublik Deutschland geschaffen werden (BSG, Urteil vom 13. November 2008 - B 14 AS 24/07 R - juris Rn. 31). Migrationspolitische Erwägungen rechtfertigen allerdings von vornherein kein Absenken des Leistungsstandards
unter das physische und soziokulturelle Existenzminimum, da die Menschenwürde migrationspolitisch nicht zu relativieren ist
(BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10 u.a. - juris Rn. 95).
Schließlich besteht auch ein Anordnungsgrund. Die Sache ist eilbedürftig, da dem Antragsteller die Mittel fehlen, um seinen
Lebensunterhalt zu sichern. Selbst wenn sich ein Mensch tatsächlich daran gewöhnen sollte, über längere Zeit geringere Leistungen
als das verfassungsrechtlich Gebotene zu erhalten, darf dies kein Maßstab sein für die hier allein maßgebliche juristische
Beurteilung. Danach ist das menschenwürdige Existenzminimum zu sichern; zumal im Falle des Antragstellers - wie aufgezeigt
- die ausnahmsweise Einschränkung des Leistungsanspruchs nach §
1a Abs.
3 AsylbLG zur Durchsetzung ausländerrechtlicher Mitwirkungspflichten nach summarischer Prüfung nicht in Betracht kommt. Das BSG geht davon aus, dass allenfalls monatliche Euro-Beträge im einstelligen Bereich und für einen nur kurzen Zeitraum von längstens
sechs Monaten eine allenfalls durchschnittliche Bedeutung für einen Bezieher von Grundsicherungsleistungen haben (Urteil vom
1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R - SozR 4-1935 § 14 Nr. 2).
Diese Erwägungen sind auf Leistungen nach dem
AsylbLG zu übertragen; zumal diese vom Gesetzgeber zielgerichtet niedriger ausgestaltet worden sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 Abs.
1 SGG. Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar (§
177 SGG).