Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Klägerin einen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung
nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (
SGB VI) hat.
Die am ... 1953 geborene Klägerin absolvierte nach ihrem Schulabschluss keine Ausbildung. Sie arbeitete zunächst von 1970
bis 1978 als Postzustellerin. Nach dem Abschlusszeugnis des Post- und Fernmeldeamtes A. vom 30. Juni 1975 schloss sie die
Ausbildung in einem Teilgebiet eines Berufes als Zusteller im Ausbildungsberuf Facharbeiter Betrieb und Verkehr PZ ab. Hiernach
arbeitete sie von April 1978 bis zum Dezember 1991 als Wächterin. In den Jahren 1994 bis 1995, 1997 und 1999 bis 2000 absolvierte
sie verschiedene Maßnahmen und war auch als Verkäuferin in einem Praktikum tätig.
Am 5. Januar 2006 beantragte sie bei der Beklagten eine Rente wegen Erwerbsminderung und reichte hierzu u. a. einen Bescheid
des Amtes für Versorgung und Soziales M. vom 12. August 1993 ein, wonach bei ihr wegen einer angeborenen Fehlbildung des linken
Armes und eines Wirbelsäulenleidens ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 festgestellt wurde. Sie gab an, bei ihr würden die
angeborene Fehlbildung des linken Armes, ein beiderseitiges Hüftgelenksleiden, ein Arthrose am rechten Daumen sowie Schmerzen
am linken Fuß vorliegen. Auf Veranlassung der Beklagten erstattete der Chirurg Dr. B. nach Untersuchung der Klägerin am 31.
Januar 2006 ein Gutachten vom 1. Februar 2006. Er diagnostizierte neben der Minusfehlbildung des linken Arms (ab 3 cm unterhalb
des Ellenbogengelenks) eine Periarthrosis humeroscapularis links (Schulterschmerzsyndrom) sowie ein rezidivierendes Lumbalsyndrom.
Die Klägerin habe sich in einem unauffälligen Ernährungszustand und in einem unauffälligen körperlichen Zustand befunden.
Das Gangbild sei ebenfalls nicht auffällig gewesen, Treppensteigen sei normal erfolgt, Aus- und Anziehen nahezu unbehindert.
Das Fehlen des linken Arms sei gut kompensiert. Es hätten bei sämtlichen Bewegungsabläufen bis auf leicht schmerzhafte endständige
Überkopfbewegungen keine erkennbaren Funktionsschmerzen oder Schonhaltungen vorgelegen. Als Verkäuferin könne die Klägerin
nur noch unter drei Stunden täglich arbeiten. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei sie aber für leichte körperliche Tätigkeit
in Tages-, Früh- und Spätschicht sechs Stunden und mehr täglich einsetzbar. Hierbei seien Einschränkungen für den Bewegungs-
und Haltungsapparat zur berücksichtigen, insbesondere die Minusfehlbildung. Es seien ihr keine Arbeiten in bückender Position
sowie mit häufiger Überkopf-Bewegung des rechten Armes möglich. Mit Bescheid vom 21. Februar 2006 lehnte die Beklagte den
Rentenantrag der Klägerin daraufhin mit der Begründung ab, diese könne noch Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden
täglich im Rahmen einer 5-Tage-Woche auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausüben.
Hiergegen legte die Klägerin am 17. März 2006 Widerspruch ein und führte aus, dass sie aufgrund der jahrelangen, einseitigen
Belastung des rechten Armes selbst bei leichten Hausarbeiten inzwischen längere Unterbrechungen einlegen müsse, da die rechte
Hand unbeschreiblich schmerze. Sogar beim Treppenwischen bekomme sie Schmerzen in der linken Hüfte sowie im Nacken- und Schulterbereich.
Nach der Einholung eines Befundberichts des behandelnden Hausarztes Dr. G. vom 19. April 2006 bot die Beklagte der Klägerin
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation an, die die Klägerin in der T.klinik in B. vom August 2006 bis zum August 2006
absolvierte. In dem Rehabilitationsentlassungsbericht dieser Klinik vom 18. September 2006 diagnostizierten die behandelnden
Ärzte ein chronisch rezidivierendes lokales Cervicalsyndrom, ein lokales chronisch rezidivierendes Lumbalsyndrom, einen Fersensporn
links sowie eine angeborene Fehlbildung des linken Unterarms. Die Klägerin könne aus orthopädischer Sicht als Verkäuferin
noch täglich sechs Stunden und mehr und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ebenfalls noch sechs Stunden und mehr am Tag leichte
körperliche Arbeiten in allen Schichten unter Berücksichtigung von Einschränkungen für den Bewegungs- und Haltungsapparat
ausüben. Die Klägerin äußerte sich mit Schreiben vom 5. Dezember 2006 teilweise unzufrieden mit der Rehabilitationsmaßnahme.
Sie gab zudem "Informationen zu ihrer Person". Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2007 wies die Beklagte den Widerspruch
der Klägerin zurück. Ihre bisherigen Berufe als ungelernte Verkäuferin bzw. Wächterin würden zu den einfachen Anlernberufen
bzw. zu den ungelernten Tätigkeiten zählen. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne die Klägerin noch mindestens sechs Stunden
täglich im Rahmen einer 5-Tage-Woche arbeiten.
Hiergegen hat die Klägerin am 15. Februar 2007 Klage beim Sozialgericht Magdeburg (SG) erhoben. Sie könne nicht mehr ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Verkäuferin ausüben. Es sei festzustellen, dass sie keine
Umschulung zu einer Verkäuferin absolviert habe und daher diesen Beruf nicht erlernt habe. Es sei von ihrem Beruf als Wächterin
auszugehen. Das SG hat einen Befundbericht des behandelnden Hausarztes Dr. G. vom 16. Mai 2008 eingeholt, der u. a. mitgeteilt hat, dass nach
seiner Einschätzung die Klägerin noch sechs Stunden täglich unter Einschränkungen arbeiten könne. Der behandelnde Orthopäde
Dr. S. hat unter dem 22. Mai 2008 berichtet, dass die Klägerin aufgrund einer deutlichen Belastungseinschränkung beider Arme
nur noch weniger als drei Stunden täglich arbeiten könne. Dies sei bedingt durch die belastungsabhängigen Schmerzen im Bereich
der Wirbelsäule sowie durch die Fersenspornbeschwerden links. Auf Veranlassung des SG hat der Orthopäde Dr. B. nach Untersuchung der Klägerin am 18. Dezember 2008 ein Gutachten vom 19. Dezember 2008 erstattet.
Dr. B. hat einen angeborenen Gliedmaßendefekt am linken Arm bei erhaltenem Schultergelenk und erhaltenem Ellenbogengelenk
diagnostiziert sowie degenerative Halswirbelsäulenveränderungen mit allenfalls geringer Funktionsstörung ohne Hinweis auf
neurologische Ausfallerscheinungen an den Armen. Desweiteren seien geringe, nicht als vorauseilend zu bezeichnende degenerative
Lendenwirbelsäulenveränderungen bei diskreter Seitverziehung durch einen Beckenschiefstand ohne relevante funktionelle Störungen
der Lendenwirbelsäule und ohne neurologische Ausfallerscheinungen an den Beinen festzustellen. Es liege zudem eine Fersenspornbildung
an beiden Füßen vor. Das Gangbild sei symmetrisch und hinkfrei gewesen. Sämtliche Gang- und Standvarianten seien seitengleich
durchführbar gewesen, desgleichen der jeweilige Einbeinstand. Der Arzt hat eine Sonografie der verbleibenden Hand durchgeführt,
die nach seiner Auswertung keine Auffälligkeiten gezeigt hat. Die Klägerin könne trotz dieser Leiden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
mit entsprechenden Einschränkungen noch mindestens sechs Stunden täglich arbeiten. Dies sei ihr auch in ihrem Beruf als Wächterin
möglich. Leichte Tätigkeiten mit regelmäßigem Tragen von mehr als 5 kg seien problematisch, wenn es sich um fortlaufende Tragetätigkeiten
handele. Unter 5 kg Tragetätigkeiten würden dagegen zumutbar erscheinen. Tätigkeiten, die den Gebrauch beider Hände voraussetzen
würden, seien der Klägerin verschlossen. Leichte Sortierarbeiten oder Büroarbeiten überwiegend im Sitzen mit üblichen Ruhepausen
seien jedoch mindestens sechs Stunden täglich zumutbar. Bei der Untersuchung habe nicht der Eindruck einer schwerwiegenden
psychiatrischen Erkrankung bestanden, so dass keine weitere gutachterliche Untersuchung empfohlen werden könne.
Das SG hat daraufhin die Klage mit Urteil vom 15. Juli 2009 abgewiesen. Die Klägerin könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und
in der von ihr zuletzt regulär und relevant ausgeübten Tätigkeit als Wächterin noch mindestens sechs Stunden täglich tätig
sein. Dies ergebe sich aus dem Sachverständigengutachten des Dr. B., den Angaben des behandelnden Hausarztes der Klägerin,
dem Reha-Entlassungsbericht aus B. und dem Sachverständigengutachten des Dr. B ... Die bei ihr über das Vermögen, nur noch
körperlich leichte Arbeit verrichten zu können, hinausgehenden Einschränkungen würden weder eine schwere spezifische Leistungseinschränkungen
beinhalten, noch stellten sie eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen dar. Da die Klägerin zuletzt allenfalls
im Bereich einer Angelernten des unteren Bereichs tätig gewesen sei, sei sie auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar.
Gegen das am 29. Juli 2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 31. August 2009, einem Montag, Berufung beim Landessozialgericht
Sachsen-Anhalt eingelegt. Sie hält das Urteil des SG für unzutreffend. Es habe nicht berücksichtigt, dass der Arbeitsmarkt für sie verschlossen sei. Es handele sich um eine Summierung
ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen und um eine schwere spezifische Leistungsbehinderung. Zu berücksichtigen sei, dass
durch die übermäßige Inanspruchnahme des rechten Armes dieser auch regelmäßig erhöht abgenutzt würde. Dann würde sie aber
eine Tätigkeit auf Kosten ihrer Gesundheit ausüben. Unterhalb des 4. Fingers der rechten Hand befinde sich jetzt eine Schwellung.
Hinzugekommen seien Depressionen, wohingegen der Gesundheitszustand im Übrigen gleichbleibend schlecht sei. Ihr Hauptleiden
liege jetzt im psychischen Bereich.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 15. Juli 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 21. Februar 2006 in der Gestalt
ihres Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2007 aufzuheben, und
die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 22. Dezember 2005 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser
Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 15. Juli 2009 zurückzuweisen.
Sie erwidert, das Urteil des Sozialgerichts sei auch nach weiterer Sachaufklärung nicht zu beanstanden.
Der Senat hat Befundberichte eingeholt von dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. G. vom 25. Mai 2010, von der Fachärztin für
Neurologie und Psychiatrie Dr. K. vom 10. Juni 2010, von dem Orthopäden Dr. S. vom 26. Mai 2010 und von der Chirurgin Dr.
K. vom 18. Juni 2010. In einem Erörterungstermin am 3. Februar 2011 hat die Klägerin darum gebeten, wegen aktueller gesundheitlichen
Verschlechterungen vor einer gutachterlichen Untersuchung aktualisierte Befundberichte einzuholen. Frau Dr. K. hat mit Bericht
vom 23. Februar 2011 mitgeteilt, dass die Befunde und Beschwerden sich nicht verändert hätten. Dr. S. hat mit Schreiben vom
18. Februar 2011 mitgeteilt, dass er die Patientin letztmalig im September 2009 behandelt habe. Frau Dr. K. hat mit Schreiben
vom 22. Februar 2011 berichtet, dass die Klägerin ab Juni 2010 von ihr weder behandelt noch untersucht worden sei. Der Facharzt
für Neurologie und Psychiatrie Dr. V. hat auf Veranlassung des Senats ein nervenfachärztliches Gutachten vom 6. Mai 2011 erstattet.
Unter Einbeziehung dieser aktualisierten Berichte und aufgrund seiner am 29. April 2011 durchgeführten Untersuchung mit testpsychologischer
Beurteilung hat er eine leichtgradige depressive Episode, eine undifferenzierte Somatisierungsstörung sowie eine Dysmelie
des linken Unterarms diagnostiziert. Die Klägerin könne trotz dieser Leiden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch leichte
körperliche Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen täglich sechs Stunden und mehr ausüben, wobei der gehende und stehende Anteil
70 % der täglichen Arbeit nicht überschreiten sollte. Es seien keine Arbeiten möglich, die die volle Gebrauchsfähigkeit beider
Hände erfordern würden. Einschränkungen der Hand- und Fingerfunktion der rechten Hand würde nicht bestehen. Mit der rechten
Hand seien alle einhändigen Verrichtungen des Alltags im Berufsleben durchführbar. Es seien Arbeiten im Freien und in geschlossenen
Räumen durchführbar. Starke Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe sollten vermieden werden. Es sei davon auszugehen, dass
manuelle Tätigkeiten, die nicht grundsätzlich auch die koordinierte Beidhändigkeit erfordern, durchführbar seien. Wesentliche
Einschränkungen der Aufmerksamkeit, Konzentration und Ausdauer oder des Durchhaltevermögens würden sich aus den festgestellten
Gesundheitsstörungen nicht ergeben.
Die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und
der anschließenden Beratung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf deren Inhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach §
143 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Die angefochtene Verwaltungsentscheidung ist rechtmäßig
und beschwert die Klägerin nicht im Sinne der §§
157,
54 Abs.
2 Satz 1
SGG. Sie hat weder einen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung noch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Das die Verwaltungsentscheidung bestätigende Urteil des SG ist deshalb nicht zu beanstanden.
1. Gemäß §
43 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB VI haben Versicherte, wenn die entsprechenden versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen, dann einen Anspruch auf eine
Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind. Nach Satz 2 der genannten Vorschrift ist
derjenige teilweise erwerbsgemindert, der wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter
den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Dabei ist die
jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§
43 Abs.
3 Zweiter Halbsatz
SGB VI).
Der Senat ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Klägerin noch in der Lage ist, mindestens sechs
Stunden täglich zumindest einer körperlich leichten Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Wechsel der Haltungsarten nachzugehen.
Nicht möglich sind Tätigkeiten, die die volle Gebrauchsfähigkeit beider Hände voraussetzen. Zu vermeiden sind Gerüst- oder
Leiterarbeiten sowie starke Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe sowie Nachschichtarbeiten, häufiger Publikumsverkehr
und besonderer Zeitdruck.
Insoweit folgt der Senat aufgrund eigener Überzeugungsbildung den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Facharztes
für Chirurgie Dr. B. in dessen Gutachten vom 1. Februar 2006, der behandelnden Ärzte der Reha-Klinik in B. in deren Entlassungsbericht
vom 18. September 2006, des Facharztes für Orthopädie Dr. B. in dessen Gutachten vom 19. Dezember 2008 sowie des Facharztes
für Neurologie und Psychiatrie Dr. V. in dessen Gutachten vom 6. Mai 2011. Alle genannten Ärzte kommen zu der übereinstimmenden
Einschätzung, dass die Klägerin noch leichte körperliche Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann. Im Hinblick
auf die Einschränkungen ergibt sich aus allen gutachterlichen Äußerungen, dass ein Wechsel der Haltungsarten möglich sein
muss und Tätigkeiten, die die volle Gebrauchsfähigkeit beider Hände erfordern, nicht möglich sind. Im Übrigen bestehen keine
wesentlichen Einschränkungen für eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Nach den ärztlichen Unterlagen bestehen
bei der Klägerin psychische und orthopädische Erkrankungen, die zu Einschränkungen ihrer Leistungsfähigkeit führen.
Aus psychiatrischer Sicht geht der Senat davon aus, dass eine leichtgradige depressive Episode und eine undifferenzierte Somatisierungsstörung
vorliegen. Soweit Frau Dr. K. als behandelnde Fachärztin am 29. April 2010 eine mittelgradige depressive Episode festgestellt
hat, ist diese jedenfalls nicht dauerhaft gewesen. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Dr. V., der inzwischen eingetretene
Behandlungserfolge für diese Verbesserung der gesundheitlichen Situation in Betracht gezogen hat. Auch die behandelnde Fachärztin
Dr. K. berichtet zwar von depressiver Stimmung mit Ängsten und Überforderung sowie Erschöpfung. Am Tag ihrer Diagnose war
die Klägerin jedoch bewusstseinsklar, voll orientiert, gut kontaktfähig und ohne Denk- und Wahrnehmungsstörung. In der Zeit
von 2008 bis 2009 hat sie die Klägerin nicht gesehen. Auch vor diesem Hintergrund erscheint aus psychiatrischer Sicht die
Einschätzung des Dr. V. nachvollziehbar und zutreffend. Soweit der Hausarzt Dr. G. von einer Verschlechterung im psychosomatischen
Bereich berichtet, führt dies nicht zu einer anderen Bewertung. Denn er hat in seinem Befundbericht vom 25. Mai 2010 keine
nachweisbaren Funktionsstörungen angegeben, die seit Dezember 2008 hinzugekommen sind. Nach seinem Befundbericht vom 16. Mai
2008 war die Klägerin in der Lage, sechs Stunden körperlich leichte Arbeiten mit Einschränkungen zu verrichten.
Auch aus orthopädischer Sicht ergibt sich kein schlechteres Leistungsvermögens. Der Senat legt insoweit die Diagnosen aus
dem Gutachten des Orthopäden Dr. B. vom 19. Dezember 2008 zugrunde. Danach sind die degenerativen Halswirbelsäulenveränderungen
nur mit einer geringen Funktionsstörung ohne Hinweis auf neurologische Ausfallerscheinungen an den Armen verbunden. Die degenerativen
Lendenwirbelsäulenveränderungen sind gering und ohne relevante funktionelle Störungen sowie ohne neurologische Ausfallerscheinungen
an den Beinen. Die Gehfähigkeit ist nach Aussage der Gutachter, die sich hierzu geäußert haben, erhalten und ohne Auffälligkeiten.
Dies gilt trotz der festgestellten Fersenspornbildung an beiden Füßen. Soweit der behandelnde Orthopäde Dr. S. mit Befundbericht
vom 22. Mai 2008 meint, die Klägerin könne noch weniger als drei Stunden täglich arbeiten, ist dies für den Senat nicht nachvollziehbar.
Er bezieht sich zur Begründung auch nicht auf objektive Feststellungen, sondern auf die von der Klägerin angegebenen belastungsabhängigen
Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule sowie die Fersenspornbeschwerden links. Dr. S. hat mit Schreiben vom 18. Februar 2011
mitgeteilt, dass er die Klägerin letztmalig im September 2009 behandelt habe. Auch dies spricht gegen derart schwerwiegende
und fortschreitende orthopädische Leiden, dass ein Absinken des Leistungsvermögens hieraus folgen würde.
Schließlich ergibt sich auch aus der Minusfehlbildung am linken Arm keine andere Einschätzung. Der allgemeinkörperliche Befund
ist gekennzeichnet durch den seit der Geburt bestehenden Verlust des Unterarms und der Hand links unterhalb des linken Ellenbogens.
Die Funktion des Ellbogengelenks links ist allerdings intakt, so dass der Unterarmstumpf für Halte- und leichte Tragefunktionen
benutzt werden kann. Damit sind - wie bereits ausgeführt - Arbeiten, die die Gebrauchsfähigkeit beider Hände verlangen, nicht
möglich. Soweit die Klägerin sich darauf bezieht, dass eine Schwellung am 4. Finger rechts besteht, geht der Senat mit dem
Gutachter Dr. V. davon aus, dass es sich um eine beginnende Dupuytrensche Kontraktur des Strahls des 4. Fingers rechts handelt,
die funktionell noch nicht beeinträchtigend wirkt. Nach den Untersuchungen des Dr. V. fanden sich im neurologischen Befund
keine Auffälligkeiten. Auch nach der Untersuchung des Orthopäden Dr. B. sind an der rechten Hand zunächst keine krankhaften
Veränderungen aufgefallen. Nur bei der Prüfung der einzelnen Gelenke sei eine etwas eingeschränkte Beweglichkeit im Grundgelenk
des Ringfingers gezeigt worden, wobei aber weder eine Schwellung noch auffällige Rötung oder Erwärmung im Grundgelenk vorgelegen
hätten. Auch aus der Sonografie der Hand ergaben sich keine Auffälligkeiten. Der Senat folgt daher der Einschätzung des Dr.
B. und des Dr. V., wonach die rechte Hand ohne weiteres für leichte körperliche Tätigkeiten eingesetzt werden kann. Auch im
Erörterungstermin am 3. Februar 2011 konnte die Klägerin ihr Mobiltelefon ohne erkennbare Schwierigkeiten innerhalb kurzer
Zeit aus ihrer Handtasche nehmen. Dabei setzte sie die rechte Hand sowie den linken Arm als Hilfshand ein.
Danach ergibt sich das eingangs geschilderte Leistungsbild. Mit einem Leistungsbild von mindestens sechs Stunden täglich ist
die Klägerin nicht teilweise erwerbsgemindert i. S. von §
43 Abs.
1 Satz 2
SGB VI.
2. Ist die Klägerin danach schon nicht teilweise erwerbsgemindert, so ist sie erst recht nicht voll erwerbsgemindert. Denn
dies erfordert gemäß §
43 Abs.
2 Satz 2
SGB VI, dass eine Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Da die Klägerin, wie dargelegt, noch
mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein konnte, erfüllt sie dieses Kriterium nicht.
Die Klägerin ist auch nicht deshalb voll erwerbsgemindert, weil sie wegen einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung
oder einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen nicht mehr unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes
tätig sein kann. Eine Verweisungstätigkeit muss deshalb nicht benannt werden.
Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen ist gegeben, wenn eine Mehrzahl von Einschränkungen, die jeweils nur
einzelne Verrichtungen und Arbeitsbedingungen betreffen, zusammengenommen - ohne im Einzelnen oder auf den ersten Blick ungewöhnlich
zu sein - das noch mögliche Arbeitsfeld in erheblichem Umfang zusätzlich einengen können. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung
liegt vor, wenn bereits eine schwerwiegende Behinderung ein weites Feld von Verweisungstätigkeiten versperrt. Während noch
in älteren Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) bzw. des Großen Senates des BSG auch Einarmigkeit und Einäugigkeit
als Beispielfälle angeführt wurden, werden nunmehr die Umstände des Einzelfalles als maßgeblich angesehen (BSG, Urteil vom
23. Mai 2006 - B 13 RJ 38/05 R - juris, für einen Fall funktioneller Einäugigkeit). Einen konkreten Beurteilungsmaßstab gibt es nicht. Zu berücksichtigen
sind insbesondere Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen. Je mehr diese geeignet erscheinen,
gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso eingehender und konkreter ist zu
ermitteln, welche Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen durch die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen im Einzelnen
ausgeschlossen sind. Die konkrete Benennung ist nicht erforderlich, wenn die Klägerin noch körperlich leichte Tätigkeiten
mit weiteren Einschränkungen sechs Stunden täglich verrichten kann und sich für dieses Restleistungsvermögen Bereiche des
allgemeinen Arbeitsmarktes mit entsprechende Arbeitsplätzen beschreiben lassen (Gürtner in Kasseler Kommentar, 69. Ergänzungslieferung
2011, §
43 SGB VI, Rdnr. 47 m. w. N.).
Vorliegend kann die Klägerin u. a. noch in dem zuletzt ausgeübten Beruf einer Wächterin bzw. Pförtnerin tätig sein. Der Ausübung
einer Pförtnertätigkeit steht nicht entgegen, dass sie eine Hand nur noch als Beihand benutzen kann. Die anfallenden Verrichtungen
können auch ohne Gebrauch der linken Hand verrichtet werden. Selbst für faktisch Einarmige gibt es insoweit Tätigkeitsbereiche
(Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 15. Januar 2009 - L 3 R 108/07 - juris; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 20. Januar 2009 - L 6 R 232/06 - juris). Bei der Klägerin liegt kein kompletter Verlust eines Armes vor. Der Unterarm und die Hand links fehlen unterhalb
des linken Ellenbogens. Die Funktion des Ellenbogengelenks links ist intakt, so dass der Unterarm für Halte- und leichte Tragefunktionen
genutzt werden kann. Dies ergibt sich aus dem überzeugenden Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. V
... Allein die vorliegende Beschränkung, dass keine Tätigkeiten ausgeübt werden können, die auf Beidhändigkeit angewiesen
sind, führt nicht dazu, dass die Klägerin nicht mehr unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein
könnte. Auch aus ihrem bisherigen Lebensweg wird deutlich, dass trotz der seit ihrer Geburt bestehenden Minusfehlbildung am
linken Arm Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes möglich waren und weiterhin sind.
Der Klägerin ist der Arbeitsmarkt auch nicht deshalb verschlossen, weil sie nicht wegefähig ist. Nach der Rechtsprechung des
BSG setzt Erwerbsfähigkeit grundsätzlich die Fähigkeit einer Versicherten voraus, vier mal am Tag Wegstrecken von mehr als
500 Metern mit zumutbarem Zeitaufwand (bis 20 Minuten) bewältigen und zwei mal täglich während der Hauptverkehrszeiten mit
öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können (Urteil vom 28. August 2002 - B 5 RJ 8/02 R - juris). Bei der Beurteilung der Mobilität der Versicherten sind alle ihr zur Verfügung stehenden Hilfsmittel und Beförderungsmöglichkeiten
zu berücksichtigen. Nach den überzeugenden Einschätzungen der Sachverständigen Dr. B. und Dr. V. ist die Wegefähigkeit der
Klägerin nicht eingeschränkt.
3. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach §§
240 Abs.
1,
43 Abs.
1 SGB VI. Danach haben Versicherte bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres (Fassung ab
1. Januar 2008: "bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze") auch Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn
sie vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind.
Die Klägerin ist ungeachtet der anderen Voraussetzungen bereits nicht berufsunfähig (§
240 Abs.
2 SGB VI). Nach der Rechtsprechung des BSG ist bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit vom bisherigen Beruf der Versicherten auszugehen.
Es ist zu prüfen, ob sie diesen Beruf ohne wesentliche Einschränkungen weiterhin ausüben können. Sind sie hierzu aus gesundheitlichen
Gründen nicht in der Lage, ist der qualitative Wert des bisherigen Berufs dafür maßgebend, auf welche Tätigkeiten die Versicherten
verwiesen werden können (vgl. BSG, Urteil vom 24. Januar 1994 - 4 RA 35/93 - SozR 3-2200 § 1246 Nr. 41; Urteil vom 16. November 2000 - B 13 RJ 79/99 R - SozR 3-2600 § 43 Nr. 23, S. 78 - jeweils m. w. N.). Bisheriger Beruf ist in der Regel die letzte nicht nur vorübergehende
versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit. Dabei ist nicht unbedingt auf die letzte Berufstätigkeit abzustellen,
sondern auf diejenige, die bei im Wesentlichen ungeschwächter Arbeitskraft nicht nur vorübergehend eine nennenswerte Zeit
ausgeübt wurde (vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 1985 - 4a RJ 53/84 - SozR 2200 § 1246 Nr. 130 m. w. N.).
Bisheriger Beruf der Klägerin in diesem Sinne ist deren Tätigkeit als Wächterin. Diese Tätigkeit kann sie - wie bereits dargelegt
- noch ausüben. Es handelt sich um eine leichte körperliche Arbeit, die mit Haltungswechseln verbunden ist.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision i. S. des §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.