Zugehörigkeit zur freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates - Sekretär
der Versorgungskommission beim Rat des Bezirkes - nachgeordnete Einrichtung
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Kläger im Zeitraum vom 1. August 1984 bis zum 30. Juni 1985 Anspruch auf Feststellung
weiterer Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) hat.
Der 1950 geborene Kläger war vom 1. Juni 1969 bis zum 28. April 1972 Angehöriger der Nationalen Volksarmee der DDR. Hierfür
stellte die Wehrbereichsverwaltung VII Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Sonderversorgungssystem mit den entsprechenden Entgelten
fest. Von 1972 bis 1976 war er Leiter des Bereichs Innere Verwaltung und von 1976 bis 1981 Abteilungsleiter Finanzen bei der
Freien Deutschen Jugend (FDJ), Bezirksleitung. Es folgte von 1981 bis zum 31. Juli 1984 eine Tätigkeit als Mitarbeiter Finanzen
bei der FDJ im Organisationsbüro B.. Im umstrittenen Zeitraum vom 1. August 1984 bis zum 30. Juni 1985 war er ausweislich
des Arbeitsvertrages vom 1. August 1984 Sekretär der Versorgungskommission beim Rat des Bezirkes und wurde nach dem Rahmenkollektivvertrag
(RKV) für „Mitarbeiter der örtlichen Staatsorgane“ entlohnt. Insoweit wird auf Blatt 22 der Verwaltungsakte Bezug genommen.
Anschließend war er vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 1985 als Leiter Ökonomie/Planung/Beschaffung im Jugend-, Tanz- und Freizeitzentrum
„H“ L. und danach bis 1990 als Gaststättenleiter von HO-Gaststätten in L. und E. tätig.
Mit Bescheid vom 3. September 1998 stellte die Beklagte die Zeiträume vom 1. Mai 1972 bis zum 31. August 1975 und vom 10.
Juli 1976 bis zum 31. Juli 1984 als nachgewiesene Zeiten der Zugehörigkeit zur Freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung
für hauptamtliche Mitarbeiter gesellschaftlicher Organisationen (Zusatzversorgungssystem Nr. 21 der Anlage 1 zum AAÜG) mit den entsprechenden Entgelten fest. Für die Zeit vom 1. Januar 1976 bis zum 31. Juli 1984 seien die Beiträge zum Zusatzversorgungssystem
erstattet worden. Für diese Zeit sei daher nur das gegebenenfalls zu begrenzende Entgelt zur Sozialpflichtversicherung zu
berücksichtigen. Mit weiterem Bescheid vom 13. Februar 2002 stellte die Beklagte die Zusatzversorgungszeiten auf der Grundlage
des 2. AAÜG-Änderungsgesetzes fest.
Am 23. Juli 2015 stellte der Kläger gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) einen Antrag auf Neufeststellung der Zusatzversorgungszeiten. Zur Begründung führte er aus, in der Zeit vom 1. August 1984
bis zum 30. Juni 1985 sei er beim Rat des Bezirkes und vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 1985 beim Rat der Stadt L. und damit
im Staatsapparat beschäftigt gewesen. In diesen Einrichtungen habe die Möglichkeit bestanden, ab dem 1. März 1971 der Altersversorgung
des Staatsapparates beizutreten. In seinen Unterlagen habe sich kein Nachweis über einen Beitritt zur Altersversorgung befunden,
sodass er für diesen Zeitraum bisher keine Zusatzversorgungsanwartschaften angerechnet bekommen habe. Nach dem Urteil des
Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. Juli 2011 (B 5 R 7/09 R) habe der Zusatzversorgungsträger die Anwartschaft auf die zusätzliche Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des
Staatsapparates anzuerkennen. Nach dieser Entscheidung komme es für einen Anspruch auf Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften
allein darauf an, dass eine dem jeweiligen Versorgungssystem (hier: Mitarbeiter des Staatsapparates) entsprechende Tätigkeit
ausgeübt worden sei. Auf sonstige Umstände, wie z.B. eine Beitrittserklärung, komme es hingegen nicht an. Dies gelte zumindest
dann, wenn der Anwendungsbereich des AAÜG dem Grunde nach eröffnet sei. Das sei bei ihm der Fall, weil für die Zeit vom 1. Juni 1969 bis zum 28. April 1972 bereits
eine Sonderversorgungsanwartschaft aufgrund seiner Dienstzeit in der NVA bestehe. Außerdem habe er vom 1. Mai 1972 bis zum
31. Juli 1984 der Freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter gesellschaftlicher Organisationen
angehört. Damit habe er auch Anspruch auf Zusatzversorgungsanwartschaften für die Zeit vom 1. August 1984 bis zum 31. Dezember
1985. Als Nachweis seines Verdienstes lägen FDGB-Talonkarten vor. Er gehe anhand des Vorjahresverdienstes von 1.300,00 Mark
pro Monat aus. Außerdem liege für 1985 ein Nachweis über eine jährliche Prämie für langjährige Tätigkeit in Höhe von 50 %
eines Monatsgehaltes vor, die als zusätzliches Arbeitsentgelt nach dem AAÜG zu berücksichtigen sei.
Mit Bescheid vom 29. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2016 lehnte es die Beklagte ab, weitere
Beschäftigungszeiten vom 1. August 1984 bis zum 31. Dezember 1985 nach dem AAÜG festzustellen. Das AAÜG sei nach dessen § 1 Abs. 1 für den Kläger anwendbar. Für die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 19 der Anlage
1 zum AAÜG (Freiwillige zusätzliche Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates) sei die tatsächliche Ausübung
einer Tätigkeit/Funktion, die ihrer Art nach in den sachlichen Geltungsbereich dieses Versorgungssystems falle, zu prüfen.
Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, denn in den begehrten Zeiten sei der Kläger in nachgeordneten Einrichtungen beschäftigt
gewesen. Diese nachgeordneten Einrichtungen seien keine Staatsorgane im Sinne der Versorgungsordnung und würden deshalb vom
Geltungsbereich dieser Altersversorgung nicht erfasst. Da ab 1985 keine Zeiten nach dem AAÜG festzustellen seien, könne auch die geltend gemachte Prämie nicht anerkannt werden. Die Freiwillige zusätzliche Altersversorgung
für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates habe allein Anwendung in den Staatsorganen der ehemaligen DDR gefunden.
Den Staatsorganen (Volksvertretungen, Verwaltungs- und Justizorgane sowie bewaffnete Organe) seien spezifische Organisationsformen
und Organisationseinrichtungen nachgeordnet gewesen, die staatliche Aufgaben erfüllt und gesellschaftlich notwendige Leistungen
erbracht hätten. In den Texten der Versorgungsordnung seien diese staatlichen Einrichtungen deshalb als nachgeordnete Einrichtungen
bezeichnet. Sowohl bei Versorgungskommissionen als auch bei Kultur- bzw. Jugendklubhäusern habe es sich nicht um Staatsorgane
gehandelt, sondern um nachgeordnete Einrichtungen der örtlichen Räte. Gesonderte Ministerratsentscheidungen hinsichtlich einer
Erweiterung des Geltungsbereiches des Versorgungssystems auf Mitarbeiter in den Versorgungskommissionen bzw. in Kultur-/Jugendklubhäusern
seien ihr, der Beklagten, nicht bekannt. Eine tatsächliche Beitragszahlung zu dem Zusatzversorgungssystem sei von Seiten des
Klägers im fraglichen Zeitraum vom 1. August 1984 bis zum 31. Dezember 1985 nicht mehr erfolgt. Zum 31. Juli 1984 sei der
Kläger aus der Freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates ausgetreten und
habe sich die entsprechenden, bis dahin gezahlten Beiträge erstatten lassen.
Dagegen hat der Kläger am 20. Mai 2016 Klage beim Sozialgericht Halle erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt hat.
Die Beklagte habe verkannt, dass er - der Kläger - doch bei einem Staatsorgan im Sinne der Versorgungsordnung beschäftigt
gewesen sei und auch zum beitrittsberechtigten Personenkreis gezählt habe.
Auf eine entsprechende Verfügung des Sozialgerichts hat die Beklagte folgende Unterlagen zum Status der Versorgungskommission
bei den Räten der Bezirke übersandt: Auszüge aus dem Lehrbuch „Staatsrecht der DDR“ von 1984, Gesetz über die örtlichen Volksvertretungen
und ihre Organe in der DDR vom 12. Juli 1973, Hinweise zum Geltungsbereich der Freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung
für Mitarbeiter des Staatsapparates vom 29. Dezember 1975 und Beschluss-Nr. 98/112/71 des Rates des Bezirkes D. vom 7. Juli
1971. Diesbezüglich wird auf Blatt 30 bis 100 der Gerichtsakten verwiesen. Hinsichtlich der vom Sozialgericht vom Sächsischen
Staatsarchiv beigezogenen Unterlagen wird auf Blatt 103 bis 109 sowie auf Blatt 112 bis 129 der Gerichtsakten verwiesen.
In der mündlichen Verhandlung vom 26. März 2018 hat der Kläger erklärt, dass die Zeit vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 1985
nicht mehr Gegenstand des Verfahrens sein solle, da ausweislich des Arbeitsvertrages in diesem Zeitraum nicht der Rat der
Stadt L. als Arbeitgeber, sondern das H. angegeben sei. Mit Urteil vom selben Tag hat das Sozialgericht nach der zeitlichen
Beschränkung des Antrages die Beklagte antragsgemäß verurteilt, zusätzlich zu den bereits festgestellten Zeiten den Zeitraum
vom 1. August 1984 bis zum 30. Juni 1985 als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem mit den während dieses
Zeitraums erzielten Arbeitsentgelten festzustellen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, der mit dem Antrag des
Klägers vom 23. Juli 2015 zur Überprüfung gestellte Bescheid vom 13. Februar 2012 (gemeint: 2002) sei in dem Sinne rechtswidrig
nicht begünstigend, als die Beklagte den Zeitraum vom 1. August 1984 bis zum 30. Juni 1985 nicht als Zeit der Zugehörigkeit
zu einem Zusatzversorgungssystem mit den während dieses Zeitraums erzielten Arbeitsentgelten festgestellt habe. Das AAÜG sei nach den Feststellungen der Wehrbereichsverwaltung VII auf den Kläger anwendbar, da er aufgrund seiner Verpflichtung
als Soldat auf Zeit Angehöriger des Sonderversorgungssystems für die Soldaten der NVA mit entsprechenden Anwartschaften im
Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gewesen sei, sodass es in diesem Rechtsstreit nur um die Feststellung weiterer Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem
und damit konkret um den Zeitraum vom 1. August 1984 bis zum 30. Juni 1985 gehe. Zur Überzeugung des Gerichts stehe fest,
dass die konkret von dem Kläger in diesem Zeitraum ausgeübte Beschäftigung als Sekretär der Versorgungskommission beim Rat
des Bezirkes unter den Anwendungsbereich der Ordnung über die Freiwillige zusätzliche Altersversorgung für Mitarbeiter des
Staatsapparates vom 29. Januar 1971 falle. Nach § 1 Abs. 1 dieser Versorgungsordnung sei für Leiter und Mitarbeiter des Staatsapparates
eine Freiwillige zusätzliche Altersversorgung eingeführt worden; gemäß § 1 Abs. 2 der Versorgungsordnung sei der Kreis der
Mitarbeiter, der dieser Versorgung habe beitreten können, gesondert festgelegt worden. In dem Text der Versorgungsordnung
selber sei nicht definiert, welche Mitarbeiter beitrittsberechtigt gewesen seien, für wen also die Versorgungsordnung tatsächlich
habe Anwendung finden sollen. Nach dem reinen Wortlaut der Versorgungsordnung seien als Beschäftigungsstellen sämtliche Einrichtungen
des Staatsapparates in Betracht gekommen. In der 2. Richtlinie zur Durchführung der Ordnung vom 17. Juni 1975 sei hinsichtlich
des Geltungsbereiches festgelegt worden, welcher Personenkreis (Mitarbeiter) zum Beitritt berechtigt gewesen sei. In der Aufzählung
seien z.B. Leiter und politische Mitarbeiter genannt worden, die in einem Arbeitsrechtsverhältnis zu einem Staatsorgan gestanden
hätten, das vom Geltungsbereich der Ordnung vom 29. Januar 1971 erfasst gewesen sei. Als Sekretär der Versorgungskommission
beim Rat des Bezirkes sei der Kläger nach den vorliegenden Unterlagen ausgehend von dem Wortlaut der genannten Regelungen
in den Geltungsbereich der Versorgungsordnung gefallen, da er nach dem Arbeitsvertrag vom 1. August 1984, der den Rat des
Bezirkes, Abteilung Handel und Versorgung, als Arbeitgeber ausweise, bei diesem Staatsorgan beschäftigt worden sei. Auch die
zeitlich nachfolgenden Dokumente, also der Einstufungsbescheid vom 14. März 1985 sowie die Prämienfestlegung vom 1. April
1985 wiesen als Arbeitgeber jeweils den Rat des Bezirkes aus. Ebenso lauteten die Eintragungen im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung
(SV-Ausweis) jeweils auf den Rat des Bezirkes als Arbeitgeber und Beschäftigungsbetrieb, sodass der Kläger in diesem Zeitraum
in einem Staatsorgan im Sinne der Versorgungsordnung tätig gewesen sei.
Soweit die Beklagte auf die Hinweise zum Geltungsbereich vom 29. Dezember 1975 abstelle, ergebe sich keine andere Entscheidung.
Zunächst sei darauf hinzuweisen, dass die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid vom 28. April 2016 ausgeführt habe, dass
Richtlinien und Durchführungsbestimmungen sowie nicht hinreichend veröffentlichte Verlautbarungen ehemaliger DDR-Behörden
nicht berücksichtigungsfähig seien. Nach dem erkennbaren Sachverhalt handele es sich bei den genannten Hinweisen vom 29. Dezember
1975 um derartige Richtlinien oder Durchführungsbestimmungen. Diese Hinweise wären also nach der Argumentation der Beklagten
ohnehin unbeachtlich und könnten daher nicht zu einer Ablehnung des geltend gemachten Feststellungsanspruches herangezogen
werden. Allerdings ergebe sich auch aus den Hinweisen vom 29. Dezember 1975 nicht, dass der Kläger aufgrund seiner ausgeübten
Beschäftigung als Sekretär der Versorgungskommission nicht unter den Geltungsbereich der Versorgungsordnung für Mitarbeiter
des Staatsapparates falle. Neben den Personen, die in einem Arbeitsrechtsverhältnis zu einem Staatsorgan stünden, definierten
die Hinweise vom 29. Dezember 1975 die Beschäftigungsstellen bzw. Dienststellen, die zum Geltungsbereich - mit den jeweiligen
Ausnahmen - gehört hätten. Soweit hier von Interesse, sei dort aufgeführt, dass zum Geltungsbereich auch die Räte der Bezirke
gehörten, jedoch ohne nachgeordnete Einrichtungen, die beispielhaft aufgezählt worden seien, ohne dass dort die Versorgungskommission
genannt sei. Vielmehr finde sich in der beispielhaften Aufzählung z.B. das Klub- und Kulturhaus, sodass unabhängig von der
Tatsache, dass der Kläger mit dem H direkt einen Arbeitsvertrag geschlossen habe, die dort ausgeübte Beschäftigung nach den
Hinweisen vom 29. Dezember 1975 nicht unter das Versorgungssystem der Mitarbeiter des Staatsapparates gefallen wäre. Das Gericht
habe keinen Anhaltspunkt dafür gefunden, dass es sich bei der Versorgungskommission beim Rat des Bezirkes um eine nachgeordnete
Einrichtung im Sinne der Hinweise vom 29. Dezember 1975 gehandelt haben könnte, zumal in der beispielhaften Aufzählung keine
vergleichbare Einrichtung genannt sei und sich auch aus den weiteren von der Beklagten vorgelegten Unterlagen keine Hinweise
darauf ergäben, dass es irgendwie rechtlich zu beachtende Regelungen hinsichtlich der Qualifizierung der Versorgungskommission
als nicht zum Geltungsbereich der Versorgungsordnung für Mitarbeiter des Staatsapparates gehörende Einrichtung geben könnte.
Auch aus den vom Gericht eingeholten Auskünften und beigezogenen Unterlagen des Staatsarchivs L. ergäben sich keine derartigen
Anhaltspunkte, sodass der Kläger ausweislich der vorliegenden Unterlagen im umstrittenen Zeitraum tatsächlich beim Rat des
Bezirkes beschäftigt und eingesetzt gewesen sei. Diese Tätigkeit unterfalle daher dem Versorgungssystem für Mitarbeiter des
Staatsapparates, sodass dieser Zeitraum nach § 5 AAÜG als Pflichtbeitragszeit mit den während dieses Zeitraumes erzielten Arbeitsentgelten festzustellen sei.
Gegen das ihr am 26. April 2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 23. Mai 2018 Berufung beim Landessozialgericht (LSG)
Sachsen-Anhalt eingelegt und zur Begründung vorgetragen, zu einer Kommission (hier: Versorgungskommission) habe kein Arbeitsrechtsverhältnis
bestehen können. Die Versorgungskommission bzw. deren Sekretariat sei kein örtliches Staatsorgan gewesen, sondern ein rechtlich
unselbstständiges kommunales Gremium des Legislativorgans „Bezirkstag“. Sekretariate von Kommissionen seien in der Beschreibung
des Geltungsbereiches „Organe des örtlichen Staatsapparates“ (Anlage 2 zum Beschluss vom 29. Januar 1971) zwar nicht genannt.
Generell finde sich in der dortigen Auflistung der staatlichen Institutionen jedoch kein einziges „Sekretariat“ eines Staatsorgans.
Erst den Hinweisen zum Geltungsbereich der Freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates
vom 29. Dezember 1975 könne entnommen werden, dass anscheinend lediglich das „Sekretariat der Volkskammer“ und das „Sekretariat
des Ministerrates“ quasi im Wege einer Sonderregelung einem Staatsorgan „gleichgestellt“ worden seien. Die Tätigkeit als Sekretär
der Versorgungskommission sei mithin eine gewesen, die nicht dem hoheitlich exekutiven Bereich des Rates des Bezirkes unterfallen
sei. Sie sei vielmehr dem „kommunalparlamentarischen“ Bereich des Rates des Bezirkes zuzuweisen und habe der Vorbereitung
und Koordinierung von Beschlüssen der Volksvertretung auf Bezirksebene auf dem Versorgungssektor gedient, wobei keine hoheitlichen
Befugnisse ausgeübt worden seien. Außerdem spreche ein weiteres Indiz gegen eine „Zugehörigkeit“ des Klägers zum Zusatzversorgungssystem
Nr. 19 der Anlage 1 zum AAÜG im Sinne von § 5 AAÜG. Der Kläger habe sich bei seinem Tätigkeitswechsel aus der gesellschaftlichen Organisation (FDJ) zum Sekretär der Versorgungskommission
seine gezahlten Beitragsanteile erstatten lassen. Dies spreche dafür, dass der Kläger sich mit der Aufnahme der Tätigkeit
als Sekretär der Versorgungskommission außerhalb des Geltungsbereiches der Freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für
hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates bewegt habe. Das Sozialgericht überspanne mit dem von ihm angelegten Beweismaßstab,
die Beklagte müsse die Gewissheit vermitteln, dass es sich bei der Versorgungskommission um eine nachgeordnete Einrichtung
im Sinne der Zusatzversorgung gehandelt habe, das rechtlich gebotene Beweismaß.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 26. März 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte trage keine neuen Tatsachen bzw. lege keine neuen Beweismittel vor, sondern strebe eine andere rechtliche Bewertung
der bereits ermittelten Tatsachen an. Hinsichtlich der vom Kläger im Berufungsverfahren übersandten Unterlagen wird auf Blatt
199 bis 201 und 216 f. der Gerichtsakten verwiesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt
(Schriftsätze vom 10. und 14. Dezember 2020).
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten (zwei Bände) sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Diese Akten haben bei der Entscheidungsfindung des Senats vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Der Senat durfte den Rechtsstreit durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden
erklärt haben (§
153 Abs.
1,
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß § 44 SGB X einen Anspruch auf Abänderung des Bescheides vom 13. Februar 2002 dahingehend, dass diese zusätzlich zu den bereits festgestellten
Zeiten den Zeitraum vom 1. August 1984 bis zum 30. Juni 1985 als Zeit der Zugehörigkeit zu dem Zusatzversorgungssystem Nr.
19 der Anlage 1 zum AAÜG (Freiwillige zusätzliche Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates) mit den während dieses Zeitraums
erzielten Arbeitsentgelten festzustellen hat.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt dieses Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen
im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei
einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG), sodass das AAÜG auch in diesen Fällen Geltung beansprucht (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 - B 5 RS 4/09 R -, juris, RdNr. 11). Der Kreis der potentiell vom AAÜG erfassten Personen umfasst diejenigen Personen, die entweder (1.) durch einen nach Art. 19 Einigungsvertrag (EVertr) bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder (2.) später durch eine Rehabilitierungsentscheidung
oder (3.) nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen waren (BSG, Urteil vom 9. April 2002 - B 4 RA 31/01 R -, SozR 3-8570 § 1 AAÜG, Nr. 2 S. 11).
Die Feststellung weiterer Zusatzversorgungsanwartschaften im Rahmen einer fiktiven Einbeziehung scheitert nicht schon daran,
dass der Kläger dem Zusatzversorgungssystem Nr. 19 (Freiwillige zusätzliche Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter
des Staatsapparates) nicht beigetreten ist bzw. sich Beiträge hat erstatten lassen. Es reicht nämlich aus, dass der Kläger
im Staatsapparat der DDR gearbeitet hat, also im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses mit diesem beschäftigt gewesen ist. Dabei
wird das Arbeitsverhältnis insbesondere durch einen (schriftlichen) Arbeitsvertrag nachgewiesen. Zwar war während des Bestehens
der DDR bei dem Zusatzversorgungssystem Nr. 19 - anders als bei der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz
(AVItech) - ein Beitritt notwendig, der durch Abgabe einer schriftlichen Beitrittserklärung des Mitarbeiters gegenüber dem
Staatsorgan erfolgte (§ 2 Abs. 2 Satz 1 der Ordnung über die Freiwillige zusätzliche Altersversorgung für Mitarbeiter des
Staatsapparates vom 29. Januar 1971 - FZAO-StMitarbeit, abgedruckt in Aichberger II Nr. 208); außerdem war eine monatliche
Beitragsentrichtung (§ 3 FZAO-StMitarbeit) erforderlich. Der Kläger hat während des Bestehens der DDR keinen Antrag auf Aufnahme
in die Freiwillige zusätzliche Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates gestellt und auch zu keinem Zeitpunkt
Beiträge zu diesem Zusatzversorgungssystem gezahlt. Das war für die hier beantragte bundesrechtliche Feststellung der fiktiven
Zugehörigkeit nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 19. Juli 2011 - B 5 RS 7/09 R -, juris) zur Feststellung weiterer Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Freiwilligen zusätzlichen
Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates, der sich der Senat anschließt, nicht notwendig. Das vorgenannte
BSG-Urteil ist - wie hier - zu § 5 AAÜG ergangen. Zu klären war nicht, ob der vom dortigen Verfahren betroffene Kläger die Voraussetzungen von § 1 AAÜG (Eingangsprüfung) erfüllt. Vielmehr hatte die Beklagte dort zugunsten des Berechtigten - wie hier - festgestellt, dass das
AAÜG auf ihn anwendbar ist (BSG, a.a.O., Rdnr. 4). Deshalb war Maßstabsnorm für die begehrte Feststellung weiterer Zeiten allein § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG. Das Gleiche gilt hier. Aus dem Urteil des BSG vom 14. März 2019 (B 5 RS 1/18 R, juris) ergibt sich nichts Anderes. Denn in dem dortigen Sachverhalt war - anders als hier - der Anwendungsbereich des
§ 1 Abs. 1 AAÜG nicht eröffnet (BSG, a.a.O., RdNr. 16). Zwar lautet der Leitsatz 1. dieses Urteils: „Die für die Einbeziehung in eine Freiwillige zusätzliche Altersversorgung
im Beitrittsgebiet notwendige Antragstellung ist auch Voraussetzung für die Begründung eines fiktiven Anspruchs auf Erteilung
einer Versorgungszusage.“ Allerdings stellt Leitsatz 2. klar: „Während § 1 Abs. 1 AAÜG die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit nennt, regelt § 5 AAÜG daran anknüpfend die Gleichstellung der dort genannten Zeiten mit Pflichtbeitragszeiten.“
Zu Recht hat das Sozialgericht entschieden, dass die Beschäftigung des Klägers vom 1. August 1984 bis zum 30. Juni 1985 als
Sekretär der Versorgungskommission beim Rat des Bezirkes in den Geltungsbereich der Freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung
für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates fällt. Der Senat macht sich die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts
hierzu nach eigener Überzeugungsbildung zu eigen (§
153 Abs.
2 SGG). Ergänzend weist er darauf hin, dass die Hinweise des Sekretariats des Ministerrates (Rechtsabteilung - Sektor Tariffragen
-) zum Geltungsbereich der Freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates vom 29. Dezember
1975 einer Aufnahme des Klägers in die Zusatzversorgung schon deshalb nicht entgegenstehen, weil sich die dort bezeichneten
nachgeordneten Einrichtungen (Seite 6 unten und 7 oben der Hinweise) ausschließlich auf Berlin bezogen haben können. Das wird
an der grafischen Gestaltung der Aufzählung deutlich, indem bei den Räten der Bezirke, Stadt- und Landkreise, Stadtbezirke
und kreisangehörigen Städte und Gemeinden durch die Verwendung von Spiegelstrichen eine optische Unterscheidung von dem dann
folgenden Magistrat von Berlin (ohne Spiegelstrich) vorgenommen wurde. Dass die nachfolgend genannten nachgeordneten Einrichtungen
sich nur auf Berlin (Magistrat Berlin und Räte der Stadtbezirke von Berlin) beziehen, ergibt sich zudem durch die in der Aufzählung
erwähnte „Berlin-Information“. Aus diesen Gründen ist die Versorgungskommission beim Rat des Bezirkes nicht unter die „nachgeordneten
Einrichtungen“ im Sinne dieser Hinweise zu subsumieren.
Schließlich und ganz wesentlich konnte die Berufung der Beklagten indes bereits deshalb keinen Erfolg haben, weil der Sekretär
der Versorgungskommission ausdrücklich in dem RKV über die Arbeits- und Lohnbedingungen der Werktätigen in den örtlichen Staatsorganen
(RKV örtliche Staatsorgane, registriert beim Staatssekretariat für Arbeit und Löhne unter Nr. 89/89) in der Anlage 10/8 (Qualifikationsmerkmale
für Arbeitsaufgaben der Leiter und Mitarbeiter der Räte und Bezirke) unter 6. (Bereich Handel und Versorgung) mit der Gehaltsgruppe
10 aufgeführt ist. Das belegt, dass der Sekretär der Versorgungskommission keine nachgeordnete Einrichtung des Rates des Bezirkes,
sondern integraler Bestandteil des Verwaltungsaufbaus des Rates Bezirkes war. Hier ist für das Arbeitsverhältnis des Klägers
ausweislich seines Arbeitsvertrages der vorgenannte RKV maßgeblich gewesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.
2 SGG bestehen nicht. Insbesondere weicht der Senat nicht in entscheidungserheblicher Weise von der Rechtsprechung des BSG ab.