Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung für die Zeit vom 1. Januar 1991
bis zum 30. Juni 2004 streitig.
Die Beigeladene zu 1. ist seit 1980 die Inhaberin der Gaststätte "R." in R. Für den Kläger, ihren Ehemann, hat sie in der
Zeit vom 1. Januar 1991 bis zum 31. Dezember 2006 Sozialversicherungsbeiträge zur Beigeladenen zu 2. entrichtet.
Die Beigeladene zu 2. stellte mit dem an die Beigeladene zu 1. gerichteten Bescheid vom 29. Juni 2004 fest, dass der Kläger
seit dem 1. Januar 1991 in keinem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehe und somit der Sozialversicherungspflicht in der
Kranken- und Pflegeversicherung sowie in der Renten- und Arbeitslosenversicherung grundsätzlich nicht unterliege. Zur Begründung
ist ausgeführt, dass die Beigeladene zu 1. und der Kläger die Gaststätte "R." im Rahmen einer Mitunternehmerschaft führten.
Die Gaststätte und das für das Gewerbe genutzte Grundstück seien gemeinsames Eigentum. Eine Gütertrennung sei nicht vereinbart
worden; die Beigeladene zu 1. und der Kläger lebten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Damit trügen die
Beigeladene zu 1. und der Kläger das Kapitalrisiko des Betriebes zu gleichen Teilen. Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis
des Klägers im Verhältnis zur Beigeladenen zu 1. liege nicht vor. Aus diesen Gründen sei in allen Zweigen der Sozialversicherung
Versicherungsfreiheit festgestellt worden.
Daraufhin beantragten die Beigeladene zu 1. und der Kläger unter dem 11. Juli 2005 bei der Beigeladenen zu 2. die Erstattung
von zu Unrecht entrichteten Gesamtsozialversicherungsbeiträgen und Umlagebeiträgen nach dem Lohnfortzahlungsgesetz (LFZG); wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 7 bis 39 der Verwaltungsakte Bezug genommen. Die Beigeladene zu 2. bearbeitete den
Antrag und leitete ihn hinsichtlich der Erstattung der Beiträge zur Rentenversicherung an die Beklagte weiter, wo er am 14.
September 2005 einging.
Mit dem an den Kläger gerichteten Bescheid vom 26. April 2007 lehnte die Beklagte dessen Antrag auf Erstattung zu Unrecht
gezahlter Rentenversicherungsbeiträge vom 11. Juli 2005 für die Zeit ab dem 1. Januar 1991 ab. Erstattungsfähige Beiträge
seien auf Grund des Vorliegens von Versicherungspflicht nach § 10 des Gesetzes über die Sozialversicherung (SVG) i.V.m. §
229a Abs.
1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung -
SGB VI) nicht vorhanden. Zwar unterliege der Kläger auf Grund der versicherungsrechtlichen Beurteilung der Beigeladenen zu 2. vom
29. Juni 2004 seit dem 1. Januar 1991 nicht als abhängig Beschäftigter der Versicherungspflicht u.a. in der Rentenversicherung.
In der Tätigkeit als mitarbeitender Ehegatte in der Gaststätte "R." liege kraft Gesetzes der Versicherungspflichttatbestand
gemäß § 10 SVG i.V.m. §
229a SGB VI vor. Gemäß § 10 SVG sei lediglich die Erzielung von Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, das entsprechend den Rechtsvorschriften des Beitrittsgebiets
der Beitragspflicht unterlegen habe, hierfür Voraussetzung. Die Vorschriften des § 10 SVG i.V.m. §
229a SGB VI trügen dem Umstand Rechnung, dass die Versicherungspflicht im Beitrittsgebiet weiter gereicht habe als im übrigen Bundesgebiet.
Diese habe grundsätzlich alle selbständig Tätigen und deren mitarbeitende Ehegatten, auch wenn die Mitarbeit nicht die Anforderungen
an ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne von §
7 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung -
SGB IV) erfüllt habe, erfasst. Nach §
279a SGB VI sei beitragspflichtige Einnahme der im Beitrittsgebiet mitarbeitenden Ehegatten die Einnahme aus der Tätigkeit. Die Besonderheiten
bei der Versicherungspflicht mitarbeitender Ehegatten hätten abweichend von den Vorschriften der §§
162 ff.
SGB VI Sonderregelungen bei der Bestimmung der beitragspflichtigen Einnahmen notwendig gemacht. Beitragsbemessungsgrundlage sei
daher die Einnahme aus der Tätigkeit beim Ehegatten; insoweit sei unerheblich, ob diese Einnahme aus einem Arbeitsverhältnis
im Sinne von §
7 SGB IV resultiere. Die Beiträge würden bei mitarbeitenden Ehegatten von diesem und dem selbständigen Tätigen (Ehegatte) je zur Hälfte
getragen (§
279c Abs.
3 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 1997 geltenden Fassung bzw. §
279c Abs.
2 in der ab dem 1. Januar 1998 geltenden Fassung). Gemäß §
279d SGB VI würden für die Beitragszahlung die selbständig Tätigen als Arbeitgeber gelten mit der Folge, dass diese Beitragsschuldner
nach §
28e Abs.
1 SGB IV sei. Insoweit seien für die Beitragstragung die mitarbeitenden Ehegatten dem abhängig Beschäftigten gleichgestellt mit der
Folge, dass der selbständig Tätige (Ehegatte) als Arbeitgeber und Beitragsschuldner die Rentenversicherungsbeiträge (Arbeitgeber-
und Arbeitnehmeranteil) an die zuständige Einzugsstelle abzuführen habe. Dies entspreche der Regelung für Arbeitnehmer nach
§
168 Abs.
1 Nr.
1 SGB VI. Konsequenterweise werde auch der Beitragseinzug wie bei einem Arbeitnehmer geregelt. Eine Beitragserstattung könne nicht
erfolgen, da erstattungsfähige Zeiten nicht vorhanden seien. Beiträge seien dann zu Unrecht entrichtet, wenn die Beitragszahlung
nicht zulässig gewesen sei, weil Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht bestanden habe. Dies treffe
im vorliegenden Fall nicht zu, da Versicherungspflicht auf Grund der Anwendbarkeit der Vorschriften des § 10 SVG i.V.m. §
229a SGB VI vorliege. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. August 2007 als unbegründet
zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 10. September 2007 Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau erhoben und die Erstattung zu Unrecht
entrichteter Beiträge für die Zeit ab dem 1. Januar 1991 weiterverfolgt.
Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 2. April 2009 die Klage abgewiesen. Der Kläger sei bis zum 31. Dezember 1991
im Beitrittsgebiet versicherungspflichtig gewesen, da er seit 1985 als mitarbeitender Ehegatte Arbeitsentgelt/Arbeitseinkommen
erzielt habe. Die am 31. Dezember 1991 bestehende Versicherungspflicht des Klägers habe in der gesetzlichen Rentenversicherung
auch über diesen Zeitpunkt hinaus fortbestanden. Dies ergebe sich aus §
229a Abs.
1 SGB VI. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 12/405) trage §
229a Abs.
1 SGB VI dem Umstand Rechnung, dass die Versicherungspflicht im Beitrittsgebiet weiter gereicht habe als im übrigen Bundesgebiet.
Sie habe grundsätzlich alle selbständig Tätigen und deren mitarbeitende Ehegatten erfasst. Die Versicherungspflicht habe nach
der vorgenannten Regelung fortgewirkt, ungeachtet dessen, dass der Kläger nach den Feststellungen der Beigeladenen zu 2. der
Versicherungspflicht nicht unterliege. Einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach §
229a SGB VI habe der Kläger nicht gestellt. Er sei auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als
ob er einen derartigen Antrag gestellt habe, da keine Anhaltspunkte für eine konkrete Pflichtverletzung der Beklagten im Zusammenhang
mit einer fehlerhaften oder unterlassenen Beratung vorlägen. Die Berufung der Beklagten auf das Bestehen von Versicherungspflicht
sei schließlich nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen, da die Versicherungspflicht kraft Gesetzes über den 31. Dezember
1991 hinaus fortbestanden habe und somit nicht von einem Verhalten der Beklagten abhängig gewesen sei.
Den Antrag des Klägers auf Zulassung der Sprungrevision gegen den Gerichtsbescheid vom 2. April 2009 hat das Sozialgericht
Dessau-Roßlau mit Beschluss vom 14. Mai 2009 abgelehnt.
Der Kläger hat gegen den ihm am 7. April 2009 zugestellten Gerichtsbescheid am 4. Mai 2009 Berufung beim Landessozialgericht
Sachsen-Anhalt eingelegt. Er hat daran festgehalten, dass die Beigeladene zu 2. mit Bescheid vom 29. Juni 2004 festgestellt
habe, dass er - der Kläger - seit dem 1. Januar 1991 in keinem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehe und somit u.a. in
der Rentenversicherung der Sozialversicherungspflicht nicht unterliege. Im Übrigen habe die Beklagte den Vertrauensschutz
gemäß § 45 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) missachtet. Schließlich habe das Sozialgericht nicht die Reichweite des Schutzgedankens des §
229a Abs.
1 SGB VI, die der Anwendung der Norm als Anspruchsgrundlage zugunsten der Beklagten entgegenstehe, berücksichtigt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 2. April 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. April 2007
in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9. August 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die für die Zeit
vom 1. Januar 1991 bis zum 30. Juni 2004 entrichteten Beiträge zur Rentenversicherung zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Berufungsverfahren ist zunächst ausgesetzt worden, um die Klärung des Kontos des Klägers für die Zeit vom 1. Januar bis
zum 31. Dezember 1991 herbeizuführen. Die Beklagte hat daraufhin mit Schriftsatz vom 21. Mai 2012 mitgeteilt, mit bestandskräftigem
Bescheid vom 22. Juni 2011 sei die Anerkennung des Zeitraums vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 1991 als Beitragszeit des
Klägers nach §
55 SGB VI abgelehnt worden. Die Beigeladene zu 2. habe als Einzugsstelle die Erstattung der Beiträge bearbeitet und die Beiträge aus
dem Konto des Klägers gelöscht; hiervon sei aber nur der Zeitraum vom 1. Januar 1992 bis zum 30. Juni 2004 betroffen gewesen:
für 1991 seien keine Meldungen erfolgt.
Der Kläger seinerseits hat auf die letzte Kontenklärung vom 13. Januar 2012 verwiesen, wonach Pflichtbeitragszeiten vom 1.
Januar 1975 bis zum 26. April 1985 und vom 1. Juli 2004 bis zum 31. Dezember 2006 ausgewiesen seien. Im Zeitraum von 1985
bis 1991 habe er danach keine Beiträge zur Sozialversicherung abgeführt. Deshalb sei er 1991 nicht versicherungspflichtig
gewesen und es hätte keines Befreiungsantrages nach §
229a Abs.
1 SGB VI bedurft. Ferner hat er auf die Betriebsprüfung der Beklagten vom 19. Januar 2005 für den Zeitraum vom 1. November 2001 bis
zum 31. Dezember 2003 verwiesen. In deren Ergebnis sei Bezug genommen auf die sozialrechtliche Beurteilung der Beigeladenen
zu 2.
Der Senat hat daraufhin von der Beigeladenen zu 2. Auskünfte darüber eingeholt, von welchem Jahresentgelt jeweils vom 1. Januar
1991 bis zum 31. Dezember 2006 Beiträge u.a. zur Rentenversicherung abgeführt worden sind; die Beigeladene zu 2. hat insoweit
folgende Angaben übermittelt:
01.01.1991 bis 31.12.1991 30.000,00 DM/15.339,00 EUR
01.01.1992 bis 31.12.1992 30.000,00 DM/15.339,00 EUR
01.01.1993 bis 31.12.1993 30.000,00 DM/15.339,00 EUR
01.01.1994 bis 31.12.1994 38.377,00 DM/19.622,00 EUR
01.01.1995 bis 31.12.1995 40.052,00 DM/20.478,00 EUR
01.01.1996 bis 31.12.1996 40.052,00 DM/20.478,00 EUR
01.01.1997 bis 31.12.1997 34.649,00 DM/17.716,00 EUR
01.01.1998 bis 31.12.1998 18.109,00 DM/9.259,00 EUR
01.01.1999 bis 31.12.1999 43.428,00 DM/22.204,00 EUR
01.01.2000 bis 31.12.2000 42.670,00 DM/21.817,00 EUR
01.01.2001 bis 31.12.2001 41.974,00 DM/21.461,00 EUR
01.01.2002 bis 31.12.2002 19.566,00 EUR
01.01.2003 bis 31.12.2003 17.168,00 EUR
01.01.2004 bis 30.06.2004 11.195,00 EUR
01.07.2004 bis 31.12.2004 1.850,00 EUR
01.01.2005 bis 31.12.2005 3.700,00 EUR
01.01.2006 bis 31.12.2006 3.957,00 EUR.
Die Beklagte hat daraufhin mit Schriftsatz vom 25. November 2013 mitgeteilt, dass - für den Fall der Zurückweisung der Berufung
- im Hinblick auf die von der Beigeladenen zu 2. vorgelegten Beitragsbescheinigungen die Zeit vom 1. Januar 1991 bis zum 30.
Juni 2004 in das Konto des Klägers eingestellt werde.
Mit Beschluss vom 9. Januar 2014 hat der Senat die aus dem Rubrum ersichtlichen Beiladungen vorgenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten, die sämtlich
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der im Zeitraum vom 1. Januar 1991 bis zum 30. Juni 2004 gezahlten Rentenversicherungsbeiträge
für seine Mitarbeit in der Gaststätte "R.".
Nach § 10 SVG in den vom 3. Oktober 1990 bis zum 31. Dezember 1991 geltenden - gleichlautenden - Fassungen vom 28. Juni 1990 (GBl. I Nr.
38 S. 486) und vom 25. Juli 1991 (BGBl I S. 1606) sind Personen, die Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielen, das entsprechend den Rechtsvorschriften der Beitragspflicht
unterliegt, pflichtversichert, soweit in Rechtsvorschriften nichts anderes bestimmt ist. Gemäß § 19 SVG in der vom 3. Oktober 1990 bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung sind Personen in der Rentenversicherung frei, die
geringfügig oder geringfügig selbständig tätig sind.
Eine geringfügige Beschäftigung liegt nach § 5 Abs. 1a SVG vor, wenn die Beschäftigung regelmäßig weniger als 15 Stunden in der Woche ausgeübt wird und das Arbeitsentgelt regelmäßig
im Monat ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße (§ 6 SVG) nicht übersteigt. Aus § 5 Abs. 3 SVG ergibt sich, dass entsprechendes gilt, wenn anstelle einer Beschäftigung eine selbständige Tätigkeit ausgeübt wird. Für den
Versicherungszweig der gesetzlichen Rentenversicherung galten die vorgenannten Regelungen des SVG noch bis zum 31. Dezember 1991 weiter (Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr. 2, 3 und 4 Einigungsvertrag).
Die monatliche Bezugsgröße betrug gemäß § 6 Abs. 1 SVG ab dem 1. Juli 1990 1.400,00 DM. Mit dem Beitritt der neuen Bundesländer blieb es bis zum 31. Dezember 1990 bei dieser Bezugsgröße
(Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr. 1 c). Die Fortschreibung erfolgte dann zunächst durch Rechtsverordnung
ab dem 1. Januar 1991 mit 1.540,00 DM und ab dem 1. Juli 1991 mit 1.750,00 DM (Aichberger Textsammlung Sozialversicherungswerte
4/11).
Der Kläger war zumindest von Januar bis Dezember 1991 ununterbrochen als mitarbeitender Ehegatte in der Gaststätte "R." bei
der Beigeladenen zu 1. tätig und erzielte dadurch im vorgenannten Zeitraum mehr als geringfügige Einkünfte, d.h. mehr als
220,00 DM bzw. ab dem 1. Juli 1991 mehr als 250,00 DM monatlich. Dies ergibt sich aus den Mitteilungen der Beigeladenen zu
2., die im Übrigen mit den im Antrag auf Beitragserstattung angegebenen Arbeitsentgelten - bis auf minimale Abweichungen -
übereinstimmen.