Streit über die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach SGB VI (hier: Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage)
Angeborene komplexe Störung beider Augen des Betroffenen mit hoher Kurzsichtigkeit und geringer Stabsichtigkeit sowie Begleitschielen
Keine rentenrelevante Minderung des Restleistungsvermögens
Prüfung der Wegefähigkeit
Zumutbarkeit der kurzzeitigen Verwendung einer Taschenlampe
Keine hinreichenden Gesichtspunkte für die Notwendigkeit betriebsunüblicher Pausen
Tatbestand:
Der am ... 1963 geborene Kläger leidet an einer angeborenen komplexen Störung beider Augen mit hoher Kurzsichtigkeit und geringer
Stabsichtigkeit und Begleitschielen beidseits. Er erlernte nach dem zehnjährigen Besuch einer allgemeinbildenden Schule den
Beruf des Malers (1980 bis 1982) und arbeitete in diesem Beruf bis zum Jahr 1985. Anschließend arbeitete er nach eigenen Angaben
als Gerüstbauer/Dachdecker (1985 bis 1993), Verkaufsberater (1993 bis 1996), Dachdecker (1997 bis 2002), Möbelträger (2002
bis 2004) und nach einer Umschulung zum Bürokaufmann (2004 bis 2007) als Bürokraft (2007 bis 2009). Seitdem ist der Kläger
arbeitslos. Bei ihm ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 anerkannt.
Am 21. Oktober 2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung. Der Beklagten
lagen im Verwaltungsverfahren verschiedene Arztbriefe und ein augenärztliches Gutachten der Fachärztin für Augenheilkunde
Dr. L. vom 9. Januar 2004 mit den Diagnosen hohe Kurzsichtigkeit kombiniert mit Stabsichtigkeit beidseits, Altersweitsichtigkeit
beidseits und Augenzittern aus einem vorhergehenden Verwaltungsverfahren betreffend Leistungen zur medizinischen Rehabilitation
bzw. zur Teilhabe am Arbeitsleben vor, wonach der Kläger als Maler und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt täglich sechs Stunden
und mehr tätig sein könne. Die Beklagte holte einen Befundbericht von der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. G. vom
29. Oktober 2009 ein, in dem diese die Diagnosen Hypertonie, Sehbehinderung/Glaukomverdacht und Spondylose benannte und insgesamt
eine Befundverschlechterung beider Augen mitteilte. Nach Einholung einer sozialmedizinischen Stellungnahme lehnte die Beklagte
den Rentenantrag des Klägers mit Bescheid vom 30. November 2009 ab. Der Kläger sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert
und könne trotz seiner Beeinträchtigungen - hohe Kurzsichtigkeit kombiniert mit Stabsichtigkeit beidseits, Altersweitsichtigkeit,
Augenzittern und Entzündung der Iris - noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen
Arbeitsmarktes tätig sein. Dagegen erhob der Kläger am 17. Dezember 2009 Widerspruch. Er habe bislang unberücksichtigte Probleme
mit den Rückenwirbeln, welche häufig zu Nervenentzündungen und starken Schmerzen führten. Auch durch seine Augenerkrankung
könne er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr vollschichtig tätig sein, zumal sich seine gesundheitliche Verfassung
zunehmend verschlechtere. Die Beklagte holte im Widerspruchsverfahren einen Befundbericht der Fachärztin für Augenheilkunde
Dr. H. vom 21. Juli 2010 ein, in dem diese die Diagnosen
RA/LA Uveitis anterior mit Hornhautbeteiligung und sekundärem Tensionsanstieg rechts bei Verdacht a. herpetische Genese rechts/links:
grüner Star,
Amblyopie,
RA/LA chronisches Offenwinkelglaukom, hohe Myopie, alternierende Esotropie, Nystagmus
benannte. Die Beklagte veranlasste ferner eine Begutachtung des Klägers durch den Facharzt für Augenheilkunde und Arbeitsmedizin
Privatdozent (PD) Dr. M., der im Gutachten vom 4. August 2010 die Diagnosen
Myopia alta c. astiymatismo (hohe Kurzsichtigkeit),
Sehschwäche II. Grades (Amblyopie),
Augenzittern (Nystagmus),
Grüner Star (Glaukom),
Hornhautnarben
benannte und einschätzte, dass der Kläger zwar nicht mehr als Möbeltransporteur und Dachdecker, jedoch als Bürokaufmann tätig
sein und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte körperliche Tätigkeiten im Wechsel von Stehen, Gehen und Sitzen in Tagschicht
täglich sechs Stunden und mehr verrichten könne. Nach Einholung einer weiteren sozialmedizinischen Stellungnahme wies die
Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30. September 2010 unter Wiederholung und Vertiefung der Gründe des
Ausgangsbescheides zurück.
Dagegen hat der Kläger am 26. Oktober 2010 vor dem Sozialgericht (SG) Halle Klage erhoben und sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und vertieft.
Das SG hat zunächst durch Einholung von Befundberichten ermittelt. Hierbei hat der Facharzt für Orthopädie, Chirotherapie, Akupunktur
und Sportmedizin Dr. K. im Befundbericht vom 20. Februar 2011 über eine einmalige Untersuchung des Klägers am 16. August 2010
berichtet und die Diagnose lumbales Pseudoradikulärsyndrom benannt. Dr. H. hat im Befundbericht vom 4. Mai 2011 die Diagnosen
hohe Kurzsichtigkeit, kurzsichtige Stabsichtigkeit, fortschreitender grüner Star, Augapfelzittern und Zustand nach Entzündung
der vorderen Augenabschnitte mit Hornhautbeteiligung angegeben. Dipl.-Med. G. hat im Befundbericht vom 1. Dezember 2011 die
Diagnosen Sehbehinderung, Hypertonie, Spondylose und Rückenmuskelinsuffizienz mitgeteilt. Das SG hat außerdem Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von dem Facharzt für Arbeitsmedizin, Innere
Medizin und Pneumologie Dr. D., der in seinem Gutachten vom 16. Januar 2013 nach Untersuchung des Klägers am 15. Januar 2013
die Diagnosen
Deutliche Sehminderung, Kurzsichtigkeit mit Blendempfindlichkeit, vermindertem Nachtsehen, Gesichtsfeldeinschränkung beiderseits,
angeborenes Augapfelzittern.
Abnutzungen der mittleren und unteren Wirbelsäule, Verbiegung (Skoliose),
Bluthochdruck,
Fettsucht mittelgradig nach ICD-10, Body-Mass-Index 35,5 kg/m²,
Anamnestisch Nickelallergie,
Erhöhung der Blutfette
gestellt hat. Das verbliebene Sehvermögen habe es dem Kläger ermöglicht, sich im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung rasch
und sicher in den ihm unbekannten Praxisräumen zu bewegen. Der Kläger könne noch leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten
ohne Zwangshaltungen täglich mindestens sechs Stunden und ohne arbeitsunübliche Pausen verrichten. Seine Gehfähigkeit sei
nicht eingeschränkt und er könne auch öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Ein Kraftfahrzeug könne der Kläger allerdings nicht
führen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 5. Juni 2013 abgewiesen. Der Kläger sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert.
Gegen das ihm am 19. Juni 2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12. Juli 2013 Berufung beim Landessozialgericht (LSG)
Sachsen-Anhalt eingelegt. Er könne sich während der Dämmerung und morgens bzw. abends im Dunkeln nicht orientieren und sei
deshalb nicht wegefähig. Durch das Augapfelzittern sei es ihm ferner nicht möglich, feste Punkte, insbesondere eine Schrift,
auf einem Bildschirm zu fokussieren. Eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei ihm auch nur mit einer Assistenz
möglich. Der Arbeitsmarkt sei ihm deshalb verschlossen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Halle vom 5. Juni 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 30. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 30. September 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 1. Oktober 2009 Rente wegen voller, hilfsweise
teilweiser Erwerbsminderung zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG und ihren angefochtenen Bescheid für zutreffend.
Vom 1. September 2013 bis zum 31. August 2014 hat der Kläger ehrenamtlich als Museumsführer in der "Brikettfabrik H." in Z.
gearbeitet. Wegen der hierzu vom Senat eingeholten Arbeitgeberauskunft bei dem M. Umwelt- und Technikpark e.V. wird auf Blatt
173 bis 174 der Gerichtsakten Bezug genommen. Ausweislich einer dem Senat hierzu telefonisch erteilten Auskunft des M. Umwelt-
und Technikpark e.V. vom 7. Januar 2014 ist der Kläger anlässlich der von ihm dabei durchgeführten Museumsführungen jeweils
von Angehörigen gebracht und wieder abgeholt worden.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von dem Facharzt für Augenheilkunde Prof. Dr.
S., der in seinem Gutachten vom 1. Oktober 2014 nach Untersuchung des Klägers am 15. September 2014 die Diagnosen
Angeborene komplexe Störung beider Augen mit
hoher Kurzsichtigkeit (Myopie) und geringer Stabsichtigkeit (Astigmatismus) beidseits und
Begleitschielen beidseits nach innen, vorwiegend des rechen Auges (Strabismus convergens concomitans alternans praecipoe oculi
dextri) und leichter angeborener Sehschwäche (Ambylopie) rechts sowie Augenzittern (Nystagmus) beidseits,
Grüner Star (primäres Offenwinkelglaukom) beider Augen seit 2008,
Hornhautnarben mit erhöhter Blendungsempfindlichkeit beider Augen, wahrscheinlich nach einer virusbedingten Hornhautentzündung
(Keratonkonjunktivitis epidemica?) 2009,
Beginnender Altersstar (Cataracta praesenilis incipiens) beider Augen,
Beginnende Altersweitsichtigkeit (Presbyopie) beider Augen
gestellt hat. Die beim Kläger bestehenden Augenerkrankungen hätten zu einer weiteren Abnahme der Sehschärfe beider Augen für
Ferne und Nähe geführt. Es bestehe eine mittelschwere Sehbehinderung der Stufe III, bei der die Grenze für eine normale Lesefähigkeit
bei altersentsprechender optischer Korrektur und normalen Leseabstand unterschritten sei. Bei Weglassen der Brillenkorrektur
lasse die hohe Kurzsichtigkeit noch bis zu 0,2 Meter Entfernung vor den Augen das Lesen üblicher Schriftzeichen zu. Der Kläger
sei aber auch im Hinblick auf allgemeine Beschwerden des Geh- und Bewegungsapparates in der Lage, regelmäßig an fünf Tagen
in der Woche körperlich leichte bzw. bis zu 5 Prozent der Arbeitszeit auch mittelschwere körperliche Tätigkeiten im Wechsel
von Gehen, Stehen und Sitzen, wegen fehlenden räumlichen Sehens in bekannter Umgebung ohne Unfallgefährdung, täglich sechs
Stunden und mehr zu verrichten. Entsprechende Tätigkeiten sollten möglichst in geschlossenen Räumen ausgeführt werden, seien
dem Kläger aber wechselweise auch unter Witterungsschutz im Freien möglich. Zu vermeiden seien Umwelteinflüsse, wie starke
Temperaturschwankungen, Zugluft, Nässe, Staub, Gas, Dampf und Rauch, die eine Reizwirkung auf die Augen ausübten und das Sehen
zusätzlich behinderten. Die Gebrauchsfähigkeit beider Hände sei wegen der Einschränkung der optischen Kontrolle der Handarbeit
und der damit verbundenen erhöhten psychischen Belastungen eingeschränkt. Daher seien Arbeiten mit einseitigen körperlichen
Belastungen sowie Arbeiten in Wechselschicht, Nachtschicht, unter besonderem Zeitdruck und mit häufigem Publikumsverkehr zu
vermeiden. Der Kläger könne nicht mehr am Fließband, an rotierenden Maschinenteilen, auf Leitern und Gerüsten und in unübersichtlicher
Umgebung tätig sein und auch keine Arbeiten mit erhöhter Unfallgefährdung verrichten. Er sei Arbeiten mit bis zu geistig mittelschwierigen
Anforderungen und durchschnittlichen Anforderungen an Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit gewachsen. An Reaktionsfähigkeit,
Übersicht, Aufmerksamkeit seien aufgrund herabgesetzter Sehschärfe nur geringe Anforderungen zu stellen. Sich stets wiederholende
körperliche Verrichtungen wie Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen
von Teilen könnten gut ausgeführt werden. Das Bedienen von Maschinen mit rotierenden oder sonstigen beweglichen Teilen sollte
wegen der Unfallgefährdung allerdings vermieden werden. Eine Verbesserung des Sehvermögens des Klägers ließe sich gegebenenfalls
durch eine optimale Brillenkorrektur für Arbeiten an Bildschirmgeräten mit besonderer Maskeneinstellung erreichen. Mit optimaler
Brillenkorrektur für Ferne und Nähe könnten viele Büroarbeiten und kaufmännische Arbeiten ausreichend gut wahrgenommen werden.
Innerhalb einer sechsstündigen andauernden Arbeitsschicht sollte der Kläger zwei zeitlich gleichmäßig verteilte viertelstündige
Ruhepausen einlegen. Betriebsübliche Pausen von einer halbstündigen oder zwei viertelstündigen Ruhepausen seien aufgrund der
Sehbeeinträchtigung durch zwei Kurzpausen für jeweils fünf bis sieben Minuten zur zusätzlichen Erholung, aber auch zur Applikation
der notwendigen Augenmedikamente einzulegen. Länge und Verteilung der Pausen könnten aber den Erfordernissen des Betriebsablaufs
angepasst werden. Die Gehfähigkeit des Klägers auf gesicherten Wegen sei nicht eingeschränkt. Auch könne der Kläger viermal
täglich Fußwege von mehr als 500 Meter in einem Zeitraum von 20 Minuten ohne weitere Beschwerden zurücklegen und außerdem
öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Ein Kraftfahrzeug könne der Kläger nicht führen. Soweit der Kläger außerdem über nachhaltige
Schmerzen im LWS-Bereich und in den Extremitäten geklagt habe und Dr. K. dem Kläger insoweit ein lumbales pseudoradikuläres
Syndrom bescheinige, sei eine weitere Begutachtung des Klägers auf orthopädischem Fachgebiet erforderlich.
Hierauf hat der Senat einen weiteren Befundbericht von Dr. K. eingeholt, der im Befundbericht vom 19. Februar 2015 mitgeteilt
hat, den Kläger lediglich einmalig am 16. August 2010 gesehen zu haben und im Kopie seinen bereits für das SG erstellten Befundbericht vom 20. Februar 2011 beigefügt hat.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung. Wegen
der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und
Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten
(§§
153 Abs.
1,
54 Abs.
2 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG)). Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Bewilligung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung.
Rechtlicher Anknüpfungspunkt ist §
43 SGB VI. Danach haben Versicherte einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung bis zum
Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie teilweise oder voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt
der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt
der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (§ 43 Abs. 1
Satz 2, Abs.
2 Satz 1
SGB VI). Nach §
43 Abs.
1 Satz 2
SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind,
unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach
§
43 Abs.
2 Satz 2
SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind,
unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert
ist nach §
43 Abs.
3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein
kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Der Kläger ist nicht voll erwerbsgemindert. Nach dem Ergebnis der vom erkennenden Senat, dem SG und von der Beklagten durchgeführten Ermittlungen kann der Kläger hingegen seit der Rentenantragstellung auch unter Berücksichtigung
der bei ihm bestehenden Erkrankungen unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes an fünf Tagen pro Woche
mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Er ist damit weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Dabei geht der
Senat von folgendem Leistungsbild aus:
Der Kläger kann noch zumindest leichte körperliche Tätigkeiten im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen, wegen fehlenden räumlichen
Sehens in bekannter Umgebung und ohne Unfallgefährdung verrichten. Er sollte möglichst in geschlossenen Räumen arbeiten, kann
aber auch im Freien unter Witterungsschutz tätig sein. Der Kläger ist Arbeiten mit bis zu geistig mittelschwierigen Anforderungen
und durchschnittlichen Anforderungen an Verantwortungsbewusstsein, Zuverlässigkeit, Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit
gewachsen. Zu vermeiden sind Umwelteinflüsse wie starke Temperaturschwankungen, Zugluft, Nässe, Staub, Gas, Dampf und Rauch,
da diese eine Reizwirkung auf die Augen ausüben und das Sehen zusätzlich behindern. Die Gebrauchsfähigkeit beider Hände besteht
und ist allein im Hinblick auf eine eingeschränkte optische Kontrolle der Handarbeit eingeschränkt. Ausgeschlossen sind ferner
Arbeiten mit einseitigen körperlichen Belastungen sowie Arbeiten in Wechselschicht, Nachtschicht, unter besonderem Zeitdruck
und mit häufigem Publikumsverkehr. Der Kläger kann zudem nicht mehr am Fließband, an rotierenden Maschinenteilen, auf Leitern
und Gerüsten und in unübersichtlicher Umgebung tätig sein und auch keine Arbeiten mit erhöhter Unfallgefährdung verrichten.
Dieses Leistungsbild ergibt sich für den Senat insbesondere aus den Gutachten des Dr. D. vom 16. Januar 2013 und Prof. Dr.
S. vom 1. Oktober 2014. Im Vordergrund der Beschwerden des Klägers stehen die angeborene komplexe Störung beider Augen (hohe
Kurzsichtigkeit und geringe Stabsichtigkeit, Begleitschielen beidseits, Augenzittern beidseits), ein Grüner Star seit dem
Jahr 2008, Hornhautnarben mit erhöhter Blendungsempfindlichkeit beider Augen, ein beginnender Altersstar und eine Altersweitsichtigkeit
beider Augen. Daneben besteht bei dem Kläger auf orthopädischem Fachgebiet ein lumbales pseudoradikuläres Syndrom, welches
jedoch zu keinen weiteren Leistungseinschränkungen als oben dargelegt, führt. Ausweislich der von Dr. K. im Befundbericht
vom 19. Februar 2015 mitgeteilten einzigen Behandlung des Klägers von Wirbelsäulenbeschwerden am 16. August 2010 besteht offenbar
keine weitere Behandlungsbedürftigkeit dieser Erkrankung. Zu weiteren Ermittlungen auf orthopädischem Fachgebiet hat sich
der Senat deshalb nicht veranlasst gesehen, zumal der Gutachter Dr. D. die Abnutzungserscheinungen der mittleren und unteren
Wirbelsäule sozialmedizinisch gewürdigt und qualitative vom Senat dementsprechend berücksichtigte Leistungseinschränkungen
ermittelt hat.
Eine rentenrelevante Minderung des Restleistungsvermögens folgt aus den damit vorwiegend auf augenärztlichem Fachgebiet liegenden
Einschränkungen des Klägers nach der Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. S., der sich der Senat weitgehend anschließt,
nicht. Diese Leistungseinschätzung beruht auf einer eingehenden Befunderhebung und Untersuchung des Klägers sowie umfassenden
Auswertung sämtlicher zum Untersuchungszeitpunkt vorliegenden medizinischen Unterlagen und würdigt nachvollziehbar die beim
Kläger festgestellten Gesundheitsstörungen. Soweit der Sachverständige einschätzt, dass der Kläger keine Arbeiten mit häufigem
Publikumsverkehr erbringen kann, geht der Senat jedoch von einem demgegenüber größeren Leistungsvermögen des Klägers aus.
Die vom Kläger bis August 2014 ausgeübte ehrenamtliche Tätigkeit als Museumsführer zeigt nämlich nicht nur, dass er sich im
öffentlichen Raum sicher bewegen kann, sondern auch, dass er zu regelmäßigen Arbeiten mit Publikumsverkehr in der Lage ist
und nicht lediglich geringen, sondern durchschnittlichen Anforderungen an Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit genügt.
Bei dem Kläger liegt außerdem weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen
vor, die trotz des Leistungsvermögens von mehr als sechs Stunden täglich zur Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes
führen würden. Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, vor diesem Hintergrund einen konkreten Arbeitsplatz zu benennen
(vgl. dazu Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 19. Oktober 2011 - B 13 R 78/09 R -, juris; Beschluss des Großen Senats (GS) des BSG vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 - SozR 3-2600 § 44 Nr. 8 = BSGE 80, 24, 33 f.) Das Leistungsvermögen des Klägers reicht trotz des verminderten Sehvermögens bei voller Gebrauchsfähigkeit beider
Hände vielmehr noch für Tätigkeiten, Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen
von Teilen aus.
Auch liegt bei dem Kläger kein sonstiger sog. Katalog- oder Seltenheitsfall vor, der zu einer Verschlossenheit des allgemeinen
Arbeitsmarktes führen könnte. Der Arbeitsmarkt gilt auch dann als verschlossen, wenn einem Versicherten die so genannte Wegefähigkeit
fehlt. Zur Erwerbsfähigkeit gehört auch das Vermögen, einen Arbeitsplatz aufsuchen zu können. Dabei ist ein abstrakter Maßstab
anzuwenden. Ein entsprechender Katalogfall liegt nicht vor, soweit ein Versicherter in Ballungsgebieten (vgl. Freudenberg,
in: juris-Praxiskommentar, 2. Aufl. 2013, § 43 Rdnr. 211 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 21. Februar 1989 - 5 RJ 61/88 -, SozR 2200 § 1247 Nr. 56) täglich viermal Wegstrecken von knapp mehr als 500 m mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis
zu 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten unter Berücksichtigung
aller ihm zur Verfügung stehenden Mobilitätshilfen benutzen kann (vgl. dazu etwa BSG, Urteil vom 12. Dezember 2011 - B 13 R 79/11 R -, juris; BSG, Urteil vom 14. März 2002 - B 13 RJ 25/01 R -, juris). Nach den Feststellungen des Sachverständigen kann der Kläger auf gesicherten Wegen täglich viermal Wegstrecken
von knapp mehr als 500 m mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal öffentliche
Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten benutzen. Soweit die zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht gehörende
Straßenbeleuchtung öffentlicher Straßen (DIN 13201-1) dem Kläger gelegentlich - etwa während der Dämmerung im Winter - nicht
ausreichend erscheint, ist er auf eine ihm zumutbare und kurzzeitige Verwendung einer Taschenlampe zur ergänzenden Ausleuchtung
seines Weges zu verweisen (vgl. zum Krück- und Blindenstock als zumutbares Hilfsmittel: Bayerisches LSG, Urteil vom 9. September
2004 - L 14 RJ 32/04 -, juris).
Für die Notwendigkeit betriebsunüblicher Pausen lassen sich aus dem Gutachten von Prof. Dr. S. keine hinreichenden Gesichtspunkte
ableiten. Allein mit der Notwendigkeit, überhaupt eine Pause während der Arbeitszeit einlegen zu müssen, lässt sich für einen
Arbeitnehmer nämlich auch bei einem auf sechs Stunden täglich begrenzten Leistungsvermögen keine Verschlossenheit des Arbeitsmarktes
belegen (vgl. Urteil des Senats vom 25. September 2013 - L 3 R 346/11 - m.w.N. auch zur BSG-Rechtsprechung). Der Senat ist der Auffassung, dass sich bei der Notwendigkeit für einen Versicherten, während eines üblichen
Arbeitstages eine halbstündige und eine viertelstündige Pause einzulegen, kein Rentenanspruch ergibt. Insoweit führen auch
die vom Sachverständigen benannten zwei weiteren Kurzpausen von fünf bis sieben Minuten insbesondere zur Anwendung von Augentropfen
nicht zu unüblichen Arbeitsbedingungen (vgl. zu unüblichen Arbeitsbedingungen Senat, aaO.), zumal der Sachverständige auch
selbst eingeschätzt hat, dass diese Arbeitsunterbrechungen den Erfordernissen des Betriebsablaufs angepasst werden können
und insoweit kein zwingendes Mindestmaß darstellen. Für die Verabreichung der Augentropfen kann der Kläger deshalb neben den
nach dem Arbeitszeitgesetz vorgeschriebenen Pausen die sogenannten Verteilzeiten nutzen (vgl. zur insoweit vergleichbaren Insulingabe bei Diabetes Urteil
des Senats vom 21. Mai 2014 - L 3 R 185/12 -). Eine Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger deshalb eine Verweisungstätigkeit zu benennen, bestand demnach nicht.
Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß §
240 SGB VI ist ausgeschlossen, denn der Kläger ist am 8. Dezember 1963 und mithin nach dem 1. Januar 1961 geboren.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von
einer Entscheidung der in §
160 Abs.
2 Nr.
2 SGG genannten Gerichte abweicht.