Keine Bewertung von Hochschulzeiten als Anrechnungszeiten mit Entgeltpunkten
Verfassungskonformität
Tatbestand:
Die Klägerin verfolgt die Bewertung von Hochschulzeiten als Anrechnungszeiten mit Entgeltpunkten.
Die am ... 1950 geborene Klägerin bezieht antragsentsprechend seit dem 1. Dezember 2015 Regelaltersrente. Im Versicherungsverlauf
des die Rente bewilligenden Bescheides vom 5. Januar 2016 sind u.a. vom 1. September 1969 bis zum 12. Juli 1973 47 Monate
Hochschulausbildung aufgeführt. Auf Seite 5 f. der Anlage zum vorgenannten Bescheid ist zur Bewertung beitragsfreier Zeiten
angegeben, dass die Anrechnungszeiten wegen Schul- oder Hochschulausbildung keine Entgeltpunkte erhalten. Dementsprechend
sei für die Zeiten vom 1. September 1969 bis zum 12. Juli 1973 ein Gesamtleistungswert nicht zu berücksichtigen.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch, die Hochschulzeiten im Zeitraum von September 1969 bis Juli 1973 wie Fachschulzeiten
zu bewerten, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31. März 2016 als unbegründet zurück. Mit der Neuregelung durch
das Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlage der gesetzlichen Rentenversicherung vom 21. Juli 2004 (BGBl.
I S. 1791 (RV-Nachhaltigkeitsgesetz)) seien die bis zum 31. Dezember 2004 im Umfang von höchstens drei Jahren bewerteten Zeiten der
schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres mit einer vierjährigen Übergangsregelung (vom 1. Januar 2005 bis
zum 31. Dezember 2008) ab dem 1. Januar 2009 als unbewertete Anrechnungszeit ausgestaltet worden, soweit es sich um den Besuch
einer Schule oder Hochschule handele (§
74 Satz 4 1. Halbsatz
Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (
SGB VI) i.V.m. §
263 Abs.
3 SGB VI). Für Fachschulzeiten und Zeiten der Teilnahme an berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen verbleibe es dagegen bei der bisherigen
für schulische Ausbildungszeiten geltenden Bewertung. Eine Verfassungswidrigkeit der vorgenannten Regelungen bestehe nicht.
Diese Auffassung habe das Bundessozialgericht (BSG) in mehreren Verfahren bestätigt (Hinweis auf Urteile vom 19. April 2011, B 13 R 27, 28, 29/10 R, B 13 R 55/10 R und B 13 R 8/11 R).
Mit der am 8. April 2016 beim Sozialgericht Halle erhobenen Klage hat die Klägerin die "Bewertung der Hochschulzeiten im Zeitraum
09/69 bis 07/73" weiterverfolgt.
Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 20. September 2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat
es gemäß §
136 Abs.
3 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen und ist der Begründung in dem angefochtenen Bescheid gefolgt.
Die Klägerin habe keine Gründe für eine Verfassungswidrigkeit der anzuwendenden Norm des §
74 Satz 4
SGB VI genannt. Die unterschiedliche Behandlung der Klägerin gegenüber solchen Rentnern, deren Anrechnungszeiten wegen Schulausbildung
oder berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen weiterhin rentenerhöhend bewertet werden könnten, sei sachlich gerechtfertigt
und verstoße nicht gegen Artikel
3 Abs.
1 Grundgesetz (
GG). Der Gesetzgeber habe eine typisierende Betrachtungsweise vornehmen und vom Regelfall der besseren Verdienstmöglichkeiten
von Hochschulabsolventen ausgehen dürfen. Zur Finanzierbarkeit der gesetzlichen Rentenversicherung müsse er die Möglichkeit
haben, rentenrechtliche Privilegien, zu denen die Anerkennung und Bewertung von Ausbildungszeiten gehörten, abzubauen.
Gegen das ihr am 28. September 2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 5. Oktober 2017 Berufung beim Landessozialgericht
Sachsen-Anhalt eingelegt. Zwar sei in entsprechenden Musterverfahren in der Vergangenheit die Gleichstellung von Fachschulzeiten
und Hochschulzeiten hinsichtlich der weiteren Bewertung als rentenrechtliche Zeiten weiterverfolgt und mit formellem Nichtannahmebeschluss
des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 18. Mai 2016 beendet worden. Die nicht inhaltliche Auseinandersetzung des BVerfG
sei zu beanstanden. Deshalb werde eine erneute inhaltliche Auseinandersetzung vor dem BVerfG nach dem Ausschöpfen des Rechtsweges
angestrebt.
Die Klägerin beantragt ausdrücklich,
dass der Gerichtsbescheid der I. Instanz vom 20.09.2017 aufgehoben wird.
dass die Beklagte verurteilt wird, den Bescheid vom 05.01.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.03.2016, teilweise
abzuändern und diesen unter Bewertung weiterer rentenrechtlicher Zeiten als beitragsfreie Zeiten, im Zeitraum von 09/69 und
07/73 zu aktualisieren.
dass die Beklagte verurteilt wird, die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Berufungsbegründung enthalte keine neue Argumentation.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsätze
vom 9. und 20. November 2017).
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die sämtlich Gegenstand
der Beratung des Senats gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit übereinstimmend einverstanden erklärt
haben (§§
153 Abs.
1,
124 Abs.
2 SGG).
Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.
Es bestehen bereits Bedenken in Bezug auf die Zulässigkeit der Klage mit dem ausdrücklichen Antrag, Hochschulzeiten im Zeitraum
vom September 1969 bis Juli 1973 zu bewerten, da ein Rechtsschutzbedürfnis nach Bewilligung der Regelaltersrente nur in Bezug
auf die Verurteilung der Beklagten zur Bewilligung einer höheren Rente bestehen dürfte (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 16. Juni 2015 - B 13 R 23/14 R-, juris RdNr. 12).
Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist jedenfalls rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§§
153 Abs.
1 54 Abs.
2 Satz 1
SGG). Sie hat keinen Anspruch auf "Aktualisierung" und teilweise Abänderung des Bewilligungsbescheides unter Bewertung weiterer
rentenrechtlicher Zeiten als beitragsfreie Zeiten im Zeitraum von September 1969 bis Juli 1973.
Anspruchsgrundlage könnte nur eine gesetzliche Neuregelung zu den ab dem 1. Januar 2005 geltenden Vorschriften des §
74 Satz 4 i.V.m. §
263 Abs.
3 SGB VI sein. Die für die am 1. Dezember 2015 beginnende Regelaltersrente der Klägerin anzuwendenden Vorschriften sind zur Überzeugung
des Senats verfassungsgemäß. Der Senat schließt sich insoweit der Begründung in den Entscheidungen des BSG vom 19. April 2011 (u.a. - B 13 R 27/10 R -, juris, RdNr. 26 ff.) an. Das BVerfG hat die hiergegen geführten Verfassungsbeschwerden mit Kammerbeschluss vom 18. Mai
2016 nicht angenommen (- 1 BvR 2217, 2218, 2219 und 2430/11 -, juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von
einer Entscheidung der in §
160 Abs.
2 Nr.
2 SGG genannten Gerichte abweicht.