Anforderungen an die Bejahung eines sog. Katalog- bzw. Seltenheitsfalles bei beantragter Rente wegen voller Erwerbsminderung
Gründe
I.
Der 1970 geborene Kläger bestand die Reifeprüfung der erweiterten allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule „mit Auszeichnung“
(Prüfungszeugnis vom 1. Juli 1988). Vom 5. September bis zum 31. Oktober 1988 war er als Lagerarbeiter versicherungspflichtig
beschäftigt. Vom 2. November 1988 bis zum 28. Juli 1989 absolvierte er seinen Wehrdienst. Am 1. September 1989 nahm der Kläger
ein Physikstudium auf, das er ohne Abschluss am 30. April 1990 beendete. Vom 1. April bis zum 30. September 1990 nahm er an
einem Orientierungsstudium teil und vom 1. September 1990 bis zum 31. März 2005 war er bis zu seiner Exmatrikulation als Student
der Informatik immatrikuliert. Nach Angaben des Klägers habe er schon seit 1991 gesundheitsbedingt nicht mehr an Lehrveranstaltungen
und Prüfungen teilgenommen. Ab dem 1. März 1998 sei er bei seiner Mutter, der Fachärztin für Kinderheilkunde K1, als Bürohilfe
tätig gewesen. Im Versicherungsverlauf des Klägers ist ab dem 1. Mai 1999 eine geringfügige Beschäftigung berücksichtigt,
wobei bis zum 31. März 2000 keine Versicherungspflicht und ab 1. April 2000 Versicherungspflicht bestand. Diese Tätigkeit
endete nach den Angaben des Klägers zum 30. Juni 2007 mit der Schließung der Praxis. Seitdem bezieht er Leistungen der Grundsicherung
für Arbeitsuchende.
Am 25. Januar 2014 beantragte der Kläger auf Veranlassung des Jobcenters die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung
bei der Beklagten mit der Begründung, sich seit 1991 wegen chronisch entzündlicher Hauterkrankungen, Ängsten und depressiven
Episoden und seit 2001 zusätzlich wegen chronisch-rezidivierender Schmerzen im Stütz- und Bewegungsapparat und chronisch behinderter
Nasenatmung für erwerbsgemindert zu halten. Nach seiner Auffassung könne er noch PC-Heimarbeit verrichten, wobei er nicht
angeben könne, in welchem zeitlichen Umfang. Er fügte dem Rentenantrag eine Anlage zum Selbsteinschätzungsbogen bei, in der
er über Diagnosen und Therapieerfahrungen ab der Pubertät (konkret ca. 1984) bis zur Rentenantragstellung berichtete und den
aktuellen Stand in Bezug auf die Erkrankungen auf den Fachgebieten Haut, HNO, Orthopädie, Innere Medizin und Psyche darlegte.
Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 7 bis 9 des Gutachtenheftes der Beklagten Bezug genommen.
Die Beklagte zog ärztliche Unterlagen der Bundesagentur für Arbeit bei, u.a. das Gutachten der Ärztin W. vom 24. Juli 2013,
wonach eine behandlungsbedürftige schwere soziale Phobie bestehe und der Kläger voraussichtlich länger als sechs Monate, aber
nicht auf Dauer, täglich weniger als drei Stunden arbeiten könne. Dieser Einschätzung lag wohl die psychiatrische Begutachtung
zur Feststellung der Leistungsfähigkeit der Nervenärztin G1. nach einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 6. Juni 2013
zugrunde, die in Auszügen aktenkundig ist. Ferner holte die Beklagte einen Behandlungs- und Befundbericht von der Fachärztin
für Dermatologie G2. vom 9. März 2015 ein, die als Diagnosen eine rezidivierende Pyodermie (Furunkulose), eine erworbene Keratosis
follicularis, den Zustand nach Akne conglobata und Isotretinointherapie, eine Hyperhidrose und eine bekannte atopische Disposition
mitteilte.
Nach Auswertung der Unterlagen durch den prüfärztlichen Dienst lehnte die Beklagte den Rentenantrag des Klägers ab. Dieser
sei noch in der Lage, trotz der rezidivierenden entzündlichen Hauterkrankung, dem übermäßigen Schwitzen, der atopische Disposition
und einer depressiven Verstimmung für mindestens sechs Stunden täglich schwere Arbeiten mit weiteren Funktionseinschränkungen
zu verrichten (Bescheid vom 20. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Januar 2016).
Hiergegen hat der Kläger am 8. Februar 2016 Klage beim Sozialgericht Magdeburg erhoben und die Bewilligung von Rente wegen
Erwerbsminderung weiterverfolgt. Zur Begründung hat er am 18. März 2017 vorgetragen, sein Leistungsvermögen sei durch seine
chronisch-entzündliche Hauterkrankung erheblich beeinträchtigt. Aktuell träten ekzematische und follikuläre Entzündungen vor
allem im Kopfbereich - Gesicht und Kopfhaut -auf, begleitet von Rötung, Juckreiz, Schwellung, Druckschmerz, Nässen, Wund-
und Narbenbildung. Wegen der schwerwiegenden Nebenwirkungen bzw. Risiken systemischer Therapieoptionen führe er eine topische
(äußerliche) Therapie in Form einer täglichen Vollrasur des gesamten Kopfes durch. Soweit er Ammoniumbituminosulfonat („Schwarze
Salbe“) einsetzen müsse, müssten Teile des Kopfes mit Verbänden (Pflaster, Schlauchbinde o.ä.) abgedeckt werden. Die Vorbereitung
und Durchführung der topischen Therapie beanspruche im besten Fall ca. eine Stunde täglich, erkrankungsbedingt in der Regel
aber mehrere Stunden täglich. Ferner leide er unter einer chronisch stark behinderten Nasenatmung/-belüftung sowie irreversiblen
und irreparablen ausgeprägten Fersenspornen beidseitig. Zudem habe sich nach Mobbing mit Bezugnahme auf die stets gut sichtbare
Hauterkrankung eine in der Ausprägung zunehmende soziale Phobie entwickelt. Bei der Bewältigung des Alltags sei er infolgedessen
regelmäßig auf die Unterstützung durch eine Person seines Vertrauens angewiesen. Jedes Verlassen der eigenen Wohnung müsse
lange vorgeplant und aufwendig vorbereitet werde. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf Blatt 25 bis 34
der Gerichtsakte Bezug genommen.
Das Sozialgericht hat Behandlungs- und Befundberichte von der Hautärztin/Allergologin K2 vom 3. Mai 2017, dem Facharzt für
Innere Medizin L1. vom 9. Mai 2017, der Fachärztin für Innere Medizin M vom 10. Mai 2017, der Fachärztin für HNO-Heilkunde/Allergologin
B. vom 19. Mai 2017, von L2. - Nachfolger von N. -, Orthopädische Klinik M., vom 16. Mai 2017 und von der Fachärztin für Allgemeinmedizin
S3. vom 1. Juni 2017 eingeholt. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 44 f., 46 f., 48 bis 59, 63 bis 65, 66 bis 78 und Blatt
79 f. der Gerichtsakte Bezug genommen.
Sodann hat das Sozialgericht das Gutachten der Fachärztin für Innere Medizin, Sozialmedizin und Betriebsmedizin H1. vom 28.
Juli 2018 eingeholt. Bei der ambulanten Untersuchung des Klägers am 2. März 2018 habe dieser vordergründig über Atemwegsbeschwerden,
Folgen der Hauterkrankung sowie schmerzhafte Sehnenverkalkungen und Fersensporne geklagt. Er leide unter einer schwer behinderten
Nasenatmung mit Zunahme bei Pollenflug oder in beheizten Räumen. Ein von ihm vermutetes Asthma bronchiale habe er nicht fachärztlich
abklären lassen, sondern setze therapeutisch Antihistaminika und Prednisolon ein. Aus mangelndem Vertrauen zu Fachärzten befinde
er sich mit der Follikulitis, die als juckende und schmerzhafte „dicke Beulen auf der Kopfhaut“ auftrete, nicht in dermatologischer
Behandlung. Die lokale und auch systemische Hautbehandlung nehme er eigenständig vor. Sie erfordere einen Zeitaufwand von
eineinhalb Stunden täglich. Sehnenverkalkungen der unteren Extremitäten und Fersensporne seien beim längeren Stehen über 15
Minuten wegen Schmerzen der Füße bzw. am rechten Sprunggelenk problematisch. Einlagen hätten keinen bessernden Effekt. Schmerzhafte
Muskelverhärtungen der Unterschenkel, Schmerzen unterhalb des rechten Kniegelenkes bei Stauch- und Drehbelastungen seien zusätzlich
belastend. Auch unterhalb der Ellenbogen würden verkalkte Muskelansätze Schmerzen an den Unterarmen bei Drehbewegungen oder
Tragen verursachen.
Der Kläger habe sich in einem altersgemäßen Allgemein- und Kräftezustand (1,71 m/78 kg) vorgestellt. Zum Tagesablauf habe
er angegeben, um ca. 10:00 Uhr aufzustehen, Kaffee zu trinken und Medikamente einzunehmen. Am Vormittag beschäftige er sich
am Computer, sei ein paar Stunden mit Wikipedia beschäftigt und schreibe Artikel. Außerdem sehe er Tagesnachrichten, interessiere
sich für Bürokratie um ALG oder Aspekte des Sozialversicherungsbereichs. Zu Mittag esse er unregelmäßig. Mittagspause halte er eher nicht. Er gehe fast
nie nach draußen. Der Nachmittag verlaufe ähnlich wie der Vormittag. Zu Abend esse er gelegentlich eine warme Mahlzeit. Fernsehen
sehe er nachmittags, abends oder in der Nacht. Zu Bett gehe er nach Mitternacht. Er wohne allein in einer Mietwohnung in der
dritten Etage. Kontakt habe er nur zur Mutter und zu den beiden Schwestern. Der Vater sei 1979 verstorben. Eine Fahrerlaubnis
besitze er nicht. Die Gutachterpraxis habe er mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht.
Bei der körperlichen Untersuchung sei die Funktionalität der Wirbelsäule aktiv und passiv nicht eingeschränkt gewesen. Zu
den geschilderten Beschwerden am Stütz- und Bewegungsapparat hätten relevante Funktionsbeeinträchtigungen oder Deformierungen
nicht objektiviert werden können. Hinsichtlich der Follikulitis seien am Kopf einzelne Haarfollikel entzündet gewesen. Folgende
Diagnosen seien zu berücksichtigen:
Rhinitis allergica.
Euthyreose bei Zustand nach Hyperthyreose und Thyreoditis 2016.
Zustand nach Cholezystektomie 2013 wegen Lithisias.
Furunkulose, Follikulitis, Zustand nach Akne conglobata und systemischer Isotretinoin-Therapie 1992 bis 2003, Hyperhidrose,
atopische Disposition.
Depressive Stimmungsstörungen und einzelgängerische Verhaltensweisen mit sozialem Rückzug.
Fersensporn beidseits, distale tibiofibulare Synostose, Exostosen am rechten Sprunggelenk mit Abtragung 2006.
Der Kläger könne noch körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im gelegentlichen Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen
ohne ständige einseitige körperliche Belastungen bzw. Zwangshaltungen und ohne Gerüst- oder Leiterarbeiten acht Stunden täglich
verrichten. Es bestehe eine volle Gebrauchsfähigkeit der Hände und der Fingergeschicklichkeit. Arbeiten mit häufigen Unterarmdrehbewegungen
seien wegen dabei beklagter Schmerzen im Ellenbogenbereich zu vermeiden. Der Kläger könne im Freien, im Freien unter Witterungsschutz
und in geschlossenen Räumen arbeiten. Tätigkeiten mit starken Temperaturschwankungen, längerer Exposition von Staub, Gas,
Dampf bzw. Rauch seien wegen der Rhinitis allergica und wiederkehrenden Follikelentzündungen ungünstig. Arbeiten mit durchschnittlichen
Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen, mit geistig mittelschwierigen Anforderungen sowie mit durchschnittlichen Anforderungen
an mnestische Fähigkeiten seien ebenso zumutbar wie Arbeiten in Wechsel-/Nachtschicht und unter besonderem Zeitdruck. Wegen
des sozialen Rückzugs infolge denkinhaltlicher Fixierung auf die gesundheitlichen Beeinträchtigungen sollten Arbeiten mit
nur gelegentlichem Publikumsverkehr bevorzugt werden. Die Gehfähigkeit des Klägers sei nicht relevant eingeschränkt. Er könne
regelmäßig Fußwege von mehr als 500 m ohne unzumutbare Schmerzen und ohne erhebliche Beschwerden zurücklegen. Er sei in der
Lage, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Bei Beachtung der qualitativen Leistungseinschränkungen seien keine längeren
krankheitsbedingten Ausfälle oder Arbeitsunterbrechungen zu erwarten.
Der Kläger hat mit den Schriftsätzen vom 14., 16., 28. und 29. September sowie 14. Oktober 2018 zum Ablauf des Verwaltungsverfahrens,
der Auswertung der beigezogenen ärztlichen Unterlagen, seiner Selbsteinschätzung seiner Erwerbsfähigkeit, zwischenzeitlich
eingetretener Änderungen seines Gesundheitszustandes und zum Gutachten von H1 Stellung genommen. Wegen der Einzelheiten wird
auf Blatt 134 bis 157, 158, 159 bis 171,172 und 184 bis 199 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Mit Urteil vom 16. Oktober 2018 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert.
Ein Leistungsvermögen von unter sechs Stunden liege bei ihm nicht vor. Der Kläger leide unter abgelaufenen Erkrankungen, wie
seine letzten Behandlungen bei den behandelnden Ärzten belegten. Bei ihm hätten eine Hauterkrankung, ein Fersensporn und ein
Schilddrüsenleiden bestanden. Aktuell leide er noch unter einem Heuschnupfen und depressiven Verstimmungsstörungen. Diese
abgelaufenen und aktuellen Gesundheitsstörungen führten nicht zu einem Leistungsvermögen von unter sechs Stunden auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt. Das Gericht folge dem umfangreichen und schlüssigen Gutachten von H1. In psychiatrischer Behandlung befinde
sich der Kläger nicht, so dass nach dem Grundsatz „Rehabilitation vor Rente“ eine Rente auf eine solche Gesundheitsstörung
nicht gestützt werden könne. Das arbeitsamtsärztliche Gutachten aus 2013 sei in keiner Weise nachvollziehbar, da es sich auf
das Gutachten von G2 stütze, in dem ausdrücklich erklärt worden sei, der Kläger sei nicht in psychiatrischer Behandlung und
negiere eine psychische Erkrankung. Insoweit könne dies nur als eine aus Sicht der Arbeitslosenversicherung interessengeleitete
Einschätzung gedeutet werden. Die subjektive Einschätzung des Klägers, sich für erwerbsgemindert zu halten, reiche für eine
Rentengewährung allein nicht aus. Für das Gericht stehe fest, dass der Kläger unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen leide.
Ein rentenberechtigender Grad werde dabei jedoch unter Berücksichtigung der sozialmedizinischen Kriterien nicht erreicht.
Gegen das ihm am 26. Oktober 2018 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23. November 2018 Berufung beim Landessozialgericht
Sachsen-Anhalt eingelegt. In der am 3. Juni 2019 beim Senat eingegangenen Berufungsbegründung hat er erneut den Ablauf des
Vor- und des Klageverfahrens geschildert, die bei ihm seit 2006 durchgeführten medizinischen Behandlungen referiert, zum Ablauf
der mündlichen Verhandlung beim Sozialgericht Stellung genommen und die Notwendigkeit zusätzlicher, angemessener Sachverhaltsermittlung
dargelegt. Im Ergebnis sei weder im Vor- noch im Klageverfahren eine seiner tatsächlichen gesundheitlichen Situation angemessene
und fachgerechte Sachverhaltsermittlung erfolgt. Er rege die Veranlassung eines psychiatrischen Fachgutachtens an. Zudem beantrage
er im Hinblick auf die Schmerzbelastung aufgrund pathologischer Veränderungen am Stütz- und Bewegungsapparat die Veranlassung
einer leitliniengerechten Schmerzbegutachtung unter Würdigung aller verfügbaren Befunde. Zum Zwecke der Bewertung von Leistungseinschränkungen,
die sich aus der Hauterkrankung, deren Behandlungsnotwendigkeiten und fallspezifischen Problemen resultierten, beantrage er
die Veranlassung eines dermatologischen Fachgutachtens. Im Hinblick auf die Leistungseinschränkungen, die aus der allergischen
Sensibilisierung und Atemwegserkrankung resultierten, rege er die Veranlassung einer allergologischen Stellungnahme an. Wegen
der Einzelheiten wird auf Blatt 235 bis 246 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Der Kläger beantragt ausdrücklich,
die Aufhebung des Bescheides der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland vom 20. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 12. Januar 2016,
die Aufhebung des Urteils der 8. Kammer des Sozialgerichts Magdeburg im Verfahren S 8 R 173/16, verkündet am 16. Oktober 2018,
die Formulierung eines sachgerechten Leistungsbildes,
die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für rechtmäßig. Unter Bezugnahme auf die Stellungnahme der Prüf-/Gutachterärztin P. vom 31.
Juli 2019 halte sie daran fest, dass der Kläger noch leichte bis mittelschwere Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen mehr
als sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten könne. Prüfärztlich sei
der Eindruck entstanden, dass der Kläger sich auf Diagnosen konzentriere, nicht jedoch auf klar zu benennende Funktionseinschränkungen,
welche auch nach Ausschöpfen aller vorhandenen und zumutbaren Behandlungsoptionen eine erhebliche Auswirkung auf das qualitative
und gegebenenfalls quantitative Leistungsvermögen habe.
Im Berufungsverfahren sind Behandlungs- und Befundberichte von der Fachärztin für Allgemeinmedizin S3 vom 11. Dezember 2019,
dem Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten B. vom 11. Dezember 2019, von der Fachpsychologin der Medizin/Psychologischen
Psychotherapeutin/Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin O. vom 5. Januar 2020 und von der Fachärztin für Psychiatrie/Psychotherapie
S1 vom 21. Februar 2020 eingeholt worden. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 264 bis 268, 269 bis 272, 273 bis 275 und
Blatt 279 bis 281 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Der Kläger hat am 10. Juli 2020 zu den eingeholten Befundberichten Stellung genommen und auf ärztliche Behandlungen, insbesondere
des rechten Fußes in Form einer Rückfußarthroskopie am 17. Juni 2020, hingewiesen und insoweit den Ambulanzbrief vom 16. Januar
2020 und den Entlassungsbrief vom 19. Juni 2020 des Krankenhauses M. sowie den Behandlungsbericht der zentralen Notaufnahme
im Klinikum P. vom 29. Juni 2020 übersandt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 300 bis 307 der Gerichtsakte Bezug
genommen.
Sodann ist das neurologisch-psychiatrisch-psychosomatische und schmerzmedizinische Fachgutachten des Facharztes für Neurologie
und Psychiatrie, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie S2 vom 14. Dezember 2020 eingeholt worden. Der gerichtliche Sachverständige
hat den Kläger am 2. Dezember 2020 ambulant untersucht. Der Kläger habe angegeben, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Begutachtung
angereist zu sein. Auf psychiatrischem Gebiet habe er als im Vordergrund stehend eine von ihm selbst so bezeichnete „schwere
soziale Phobie und depressive Verstimmung“ angegeben. Die sozialphobische Symptomatik habe bereits im Jugendalter mit der
Entwicklung einer ausgeprägten Akne begonnen, weswegen er von Mitschülern gehänselt worden sei. Es habe ihn morgens schon
Überwindung gekostet, auf die Straße zu gehen. Eine stationäre, ambulante psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung
sei seinerzeit nicht erfolgt. Erst 1991 habe er vier diagnostische Gespräche bei einem Nervenarzt wahrgenommen und 1994 zu
einer Psychologin Kontakt aufgenommen. Zwischen 1991 und 2005 sei er auch nur wenig aus dem Haus gegangen, teils nur zweimal
im Jahr. Dies habe sich tendenziell allerdings gebessert. Auch 2006 und 2007 habe er Psychotherapeuten aufgesucht, die empfohlene
stationäre Behandlung jedoch nicht wahrnehmen wollen. Auch sei es mit dem ihn Ende 2007 behandelnden K3 zu einem Zerwürfnis
gekommen. Damals, Anfang 2008, sei es auch mit seiner Haut schlechter geworden. Die schon zu diesem Zeitpunkt geplante Arthroskopie
des Fußes, die letztendlich erst im Juni 2020 durchgeführt worden sei, habe er auch deshalb verschoben. Auf Druck des Arbeitsamtes
habe er sich nochmals in die Behandlung von K3 begeben, der jedoch wiederum als Choleriker nicht nur ihn, sondern auch andere
Patienten öfters angebrüllt und angeschrien habe. In den weiteren Jahren sei es dann zu keinem erneuten Behandlungsversuch
gekommen. Bei S1 sei er zweimalig 2018 und 2019 gewesen, allerdings mehr als Beleg für das laufende Rentenverfahren, dass
er sich um eine entsprechende Behandlung kümmere. S1 habe ihn nicht in Therapie nehmen wollen, weil seine Problematik „zu
viel, zu chronisch, zu lange“ sei. Auch bei O sei er im Oktober 2019 zweimalig vorstellig gewesen, um entsprechende Bemühungen
im aktuellen Rentenverfahren nachweisen zu können. Diese habe ihm gesagt, sie halte eine Therapie für nicht indiziert. Als
Hauptsymptome im psychischen Bereich habe der Kläger einen sozialen Rückzug, „Angst vor negativer Rezeption und unangemessener
Kommentierung seiner Hauterkrankung“ geschildert. In der Vergangenheit sei es zu ausgeprägten depressiven Verstimmungen gekommen,
aktuell aber nicht. Körperliche Beschwerden habe er u.a. in Form einer Interkostalneuralgie an den rechten unteren Rippen.
Wegen Atmungsproblemen sei im Frühjahr 2007 eine Nasenscheidewand-Korrekturoperation (Septumplastik) vorgenommen worden mit
anschließender kurzzeitiger Besserung. Die behandelnde Pulmologin habe keine behandlungsbedürftige Lungenerkrankung festgestellt.
Auch nach der Rückfuß-Arthroskopie komme es weiterhin zu Schmerzen beim Stehen und Gehen sowie bei Druckbelastungen rechten
Fuß.
In seiner zusammenfassenden Bewertung hat der gerichtliche Sachverständige die Behandlungsoptionen auf psychiatrisch-psychotherapeutischem
Fachgebiet als nicht ausgeschöpft beurteilt. Vorrangig in der Behandlung der sozialen Phobie sei die Verhaltenstherapie, die
sowohl ambulant, und dann vorzugsweise in Gruppen, als auch stationär, sowohl tagesklinisch als auch vollstationär, durchgeführt
werden könne. Dies sei bisher nicht geschehen. Eine vormalige depressive Symptomatik sei zum jetzigen Zeitpunkt zurückgebildet,
sodass keine Diagnose einer depressiven Störung mehr gestellt werden könne. Im hier erhobenen Befund habe sich ein guter und
gepflegter körperlicher Allgemeinzustand gezeigt. Im neurologischen Befund seien keine Ausfälle objektivierbar gewesen. In
psychischer Hinsicht bestünden keine pathologischen Auffälligkeiten. Die Stimmungslage sei ausgeglichen, Schwingungsfähigkeit
und Antrieb unbeeinträchtigt, Aufmerksamkeit und Gedächtnis ungestört, mit deutlich erkennbarer überdurchschnittlicher intellektueller
Leistungsfähigkeit, ausgezeichnetem Verbalisierungsvermögen und umfassender medizinischer Bildung in Bezug auf die eigenen
Erkrankungen. Hinweise auf Persönlichkeitsstörungen oder hirnorganische Beeinträchtigungen ergäben sich nicht. Im Schmerzverhalten
hätten sich keine Auffälligkeiten und in der Elektrophysiologie kein Nachweis einer radikulären Symptomatik gezeigt. Was seine
Alltagstauglichkeit betreffe, gebe der Kläger an, seinen Ein-Personen-Haushalt prinzipiell selbst zu versorgen, überwiegend
einschließlich der erforderlichen Einkäufe. Er betreibe umfassende Bildung und Weiterbildung im Internet, zeige ein hochspezialisiertes
Wissen bezüglich seiner eigenen Erkrankungen und Behandlungen, und habe nach eigener Angabe auch schon diverse Wikipedia-Artikel
verfasst. Soziale Kontakte außerhalb der Kernfamilie (Mutter und zwei Schwestern) bestünden nur zu Ärzten, was fraglos der
sozialphobischen Symptomatik geschuldet sei. Eine agoraphobische Symptomatik bestehe nicht; so sei der Kläger in der Lage
gewesen, mit öffentlichen Verkehrsmitteln (Bahn) zur Begutachtung anzureisen.
Folgende Diagnosen seien zu berücksichtigen:
Soziale Phobie.
Chronische Hauterkrankung (Furunkulose, Follikulitis), medikamentös behandelt.
Anamnestisch bekannte Exostosen und Fersensporne, Z.n. Operation des rechten Fußes am 18. Januar 2006 und 17. Juni 2020.
Schilddrüsenunterfunktion bei Z.n. Thyreoiditis 2016, medikamentös eingestellt.
Allergische Rhinitis (Heuschnupfen).
Aus neurologisch-psychiatrisch-psychosomatischer und schmerzmedizinischer Sicht sei das Leistungsvermögen des Klägers zwar
eingeschränkt, jedoch nicht aufgehoben. Der Kläger sei in der Lage, körperlich mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung
sowie überwiegend im Sitzen vollschichtig zu verrichten. Die körperlichen Funktionen seien durch die Beschwerden im rechten
Fuß bei Zustand nach zweimaliger Operation beeinträchtigt, wobei das Gangbild während der Untersuchung sich nicht wesentlich
beeinträchtigt gezeigt habe. Die sozialphobische Symptomatik führe zu Beeinträchtigungen in sozialen Kontakten, also im Hinblick
auf Publikumsverkehr. Wegen der vorbekannten, zeitweilig vorhandenen depressiven Symptomatik sollten Tätigkeiten unter Zeitdruck,
im Akkord und am Fließband sowie in Nachtschicht, wegen der sozialphobischen Symptomatik sollte häufiger Publikumsverkehr
vermieden werden. Einschränkungen des geistigen Leistungsvermögens bestünden nicht. Es könnten Arbeiten mit zumindest durchschnittlichen
Anforderungen an Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein, Zuverlässigkeit und Umstellungsfähigkeit
verrichtet werden. Arbeiten, wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren,
Verpacken und Zusammensetzen von Teilen, wie sie in ungelernten Tätigkeiten gefordert würden, seien zumutbar. Eine leidensangemessene
Tätigkeit, in der der Kläger sein hohes intellektuelles Potenzial und seine ausgezeichneten Verbalisierungsfähigkeiten einbringen
könne, könnten sich durchaus selbstwertstabilisierend auswirken. Eine Besserung, insbesondere der sozialphobischen Symptomatik,
wäre bei adäquater Behandlung durchaus möglich. Wegen der Einzelheiten des Gutachtens und der Anlagen hierzu wird auf Blatt
315 bis 350 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 11. Januar 2021 ist der Kläger darauf hingewiesen worden, dass die Berufung nach dem Gesamtergebnis
der medizinischen Ermittlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren keine Aussicht auf Erfolg biete. Soweit die Berufung
aufrechterhalten bleibe, sei beabsichtigt, hierüber durch Beschluss zu entscheiden, da die Berufsrichter des Senats die Berufung
einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hielten. Der Beschluss werde nicht vor dem
15. Februar 2021 ergehen. Dieses Schreiben ist dem Kläger am 14. Januar 2021 zugestellt worden. Die Beklagte hat eine Abschrift
des gerichtlichen Schreibens erhalten.
Der Kläger hat mit den am 19. Januar 2021 und am 11. Februar 2021 beim Senat eingegangenen Schriftsätzen vom 17., 31. Januar
und 7. Februar 2021 Stellung genommen. Er hat sich mit der Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen S2 nicht einverstanden
erklärt. Dieser habe ein möglichst negatives Bild von seinen Bemühungen um psychotherapeutische Betreuung und ein möglichst
positives Bild seiner Alltagstauglichkeit gezeichnet. Die diesbezüglichen Behauptungen über seine Selbstauskunft seien an
entscheidenden Stellen akten- und wahrheitswidrig, zudem lückenhaft und in der Folge grob irreführend. Er habe bereits gegenüber
dem Sozialgericht Magdeburg darauf hingewiesen, infolge schwerer sozialer Phobie „bis heute regelmäßig“ auf die Unterstützung
durch eine Person seines Vertrauens angewiesen zu sein. Anamnestische Tatsachen oder psychiatrisch-psychotherapeutische Befunde,
aus denen sich vor dem Hintergrund der gutachterlich bestätigten psychischen Gesundheitsstörung die Feststellung einer regelmäßigen
quantitativen Leistungsfähigkeit von mindestens sechs Stunden an fünf Wochentagen unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen
Arbeitsmarktes ableiten lasse, benenne das Gutachten nicht. Er beantrage erneut, von dem ihn seit Oktober 2018 behandelnden
Orthopäden und Fußchirurgen L3 und den ihn seit September 2019 behandelnden HNO-Facharzt und Allergologen H2. Befundberichte
einzuholen und eine mit dermatologischer Fachkompetenz durchgeführte Bewertung der Einschränkungen seiner Leistungsfähigkeit,
die aus der Hauterkrankung und der diesbezüglich erforderlichen Behandlung resultierten, einzuholen. Wegen der weiteren Einzelheiten
der Schriftsätze des Klägers wird auf Blatt 360 bis 375 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten, die sämtlich
Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats gewesen sind, Bezug genommen.
II.
Der Senat konnte über die Berufung durch Beschluss entscheiden, da er diese einstimmig für unbegründet und eine mündliche
Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher gehört worden (§
153 Abs.
4 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger ist durch
den angefochtenen Bescheid insoweit nicht beschwert (§§
153 Abs.
1,
54 Abs.
2 S. 1
SGG). Dem Kläger steht der in seinem auf ein zulässiges Begehren auszulegenden Berufungsantrag geltend gemachte Anspruch auf
Bewilligung von Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nicht zu.
Nach §
43 Abs.
1 und
2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung,
wenn sie teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre
Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit
erfüllt haben. Versicherte sind nach §
43 Abs.
1 S. 2
SGB VI teilweise erwerbsgemindert, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den
üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein, bzw. nach §
43 Abs.
2 S. 2
SGB VI voll erwerbsgemindert, wenn sie unter diesen Bedingungen außer Stande sind, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig
zu sein. Erwerbsgemindert ist nach §
43 Abs.
3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein
kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Der Senat geht nach dem Gesamtergebnis der medizinischen Ermittlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren davon aus, dass
der Kläger im hier maßgebenden Zeitraum ab Rentenantragstellung am 25. Januar 2014 noch körperlich leichte bis mittelschwere
Arbeiten im gelegentlichen Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen mit hohem Sitzanteil sechs Stunden und mehr täglich verrichten
kann. Der Kläger ist hohen geistigen und zumindest durchschnittlichen Anforderungen an mnestische Fähigkeiten gewachsen. An
das Seh- und Hörvermögen können durchschnittliche Anforderungen gestellt werden. Es besteht eine volle Gebrauchsfähigkeit
der Hände. Lediglich Arbeiten mit häufigen Unterarmdrehbewegungen sind zu vermeiden. Dem Kläger sind Arbeiten im Freien, im
Freien unter Witterungsschutz und in geschlossenen Räumen möglich. Arbeiten mit Temperaturschwankungen, längerer Exposition
von inhalativen und allergenen Noxen, Staub, Gas, Dampf bzw. Rauch, Tätigkeiten unter Zeitdruck, im Akkord und am Fließband
sowie in Nachtschicht und mit häufigem Publikumsverkehr müssen vermieden werden. Ausgeschlossen sind ständige einseitige körperliche
Belastungen bzw. Zwangshaltungen (Knien, Hocken, Bücken bzw. Heben, Tragen oder Bewegen von mehr als mittelschweren Lasten
ohne mechanische Hilfsmittel), das längere Gehen insbesondere auf unebenem Gelände sowie Gerüst- und/oder Leiterarbeiten.
Das vorstehende Leistungsbild ergibt sich für den Senat aus dem Gesamtergebnis der medizinischen Ermittlungen, insbesondere
auf der Grundlage der im Gerichtsverfahren eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten von H1. vom 28. Juli 2018 und
S2 vom 14. Dezember 2020.
Danach besteht im hier maßgebenden Zeitraum seit Rentenantragstellung beim Kläger eine chronische Hauterkrankung in Form einer
Furunkulose sowie Follikulitis, eine Hyperhidrose sowie eine atopische Disposition. Eine fachärztliche dermatologische Behandlung
der Hauterkrankung hat im vorgenannten Zeitraum nicht stattgefunden. Eine lokale und systemische Hautbehandlung führt der
Kläger eigenständig durch. Die nach Angaben des Klägers bis zu eineinhalbstündige tägliche Behandlungsdauer und auch die aus
Sicht des Klägers notwendige Vorbereitung des Verlassens der Wohnung durch das Auftragen von abdeckendem Make-up steht einer
täglich sechsstündigen Erwerbstätigkeit nicht entgegen.
Infolge der in der Pubertät aufgetretenen Akne conglobata hat sich beim Kläger eine soziale Phobie mit depressiven Stimmungsstörungen,
einzelgängerischen Verhaltensweisen und sozialem Rückzug entwickelt, die zur Vermeidung sozialer Kontakte außerhalb der Familie
und des Verlassens der eigenen Wohnung geführt haben. Die Wahrnehmung von Arztterminen, Aufsuchen der gerichtlichen Sachverständigen,
Durchführung (stationärer) Krankenhausbehandlungen, Besuche bei der Mutter und Erledigung von Einkäufen sind dem Kläger möglich.
Bei Aufnahme einer leidensgerechten Tätigkeit, zu deren Wahrnehmung sich der Kläger motivieren könnte, wäre ein regelmäßiges
Verlassen seiner Wohnung möglich. Die den Kläger zuletzt ambulant behandelnde O und S1 haben ebenso wie der gerichtliche Sachverständige
S2. die Diagnose einer sozialen Phobie gestellt und zudem Anpassungsstörungen (F43.2 G) und V.a. Persönlichkeitsstörung (F
60.9) diagnostiziert. Aufgrund dessen sind Tätigkeiten unter Zeitdruck, im Akkord, am Fließband, in Nachtschicht und mit häufigem
Publikumsverkehr zu vermeiden. Dem oben genannten Leistungsbild entgegenstehende Gesundheitsstörungen sind den vorgenannten
Berichten nicht zu entnehmen.
Aufgrund eines beidseitigen Fersensporns, einer distalen tibiofibularen Synostose sowie Exostosen am rechten Sprunggelenk
mit Abtragung 2006 und Arthroskopie 2020 besteht eine Minderbelastbarkeit in Bezug auf längeres Gehen und Stehen. Tätigkeiten
im Wechsel der Haltungsarten, auch überwiegend im Sitzen, mit Vermeiden von längeren Geh- und Stehbelastungen, Gehen auf unebenem
Untergrund sowie auf Leitern und Gerüsten sind gleichwohl zumutbar.
Zudem besteht beim Kläger eine Rhinitis allergica. Bei Exposition gegenüber Schimmelpilzen, Pollenflug, Milben und in stark
beheizten Räumen kommt es zu Atemwegsbeschwerden. Diese Expositionen sowie inhalative und allergene Noxen, Staub, Gas, Dampf
und Rauch am Arbeitsplatz sind zu vermeiden. Bei Beachtung dessen kann der Kläger sowohl in geschlossenen Räumen als auch
im Freien, insbesondere unter Witterungsschutz, arbeiten. Weder ein Asthma bronchiale noch eine anhaltende relevante Einschränkung
der Lungenfunktion sind bisher feststellbar gewesen. Auch eine kardiovaskuläre Belastbarkeit für leichte bis mittelschwere
körperliche Arbeiten ist vorhanden. Zuletzt hat die Fachärztin für u.a. Pneumologie R. in ihrem Bericht vom 11. März 2019
eine unauffällige Lungenfunktionsdiagnostik durchgeführt und damit keine behandlungsbedürftige Lungenerkrankung festgestellt.
Sie hat auch keinen Anhalt für eine IgE-vermittelte allergische Diathese oder eine Neurodermitis erheben können. Der den Kläger
nunmehr nach seinen Angaben seit September 2019 behandelnde H2. hat ihm nach seinen Angaben wegen fortbestehender Atmungsprobleme
die tägliche Einnahme einer Lutschtablette zur Hausstaubmilben-Immuntherapie verordnet. Auch eine kardiovaskuläre Belastbarkeit
für leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten ist nach den aktenkundigen Befunderhebungen vorhanden.
Die medikamentös eingestellte Schilddrüsenunterfunktion führt zu keinen weiteren Leistungseinschränkungen.
Die vom Kläger vorgebrachten Einwendungen führen nicht zu einem anderen Ergebnis. Insbesondere die von ihm ausführlich geschilderte
Entwicklung und Behandlung seiner Erkrankungen, die Diskussion der Therapien und Diagnosen sind nicht geeignet, die von den
gerichtlichen Sachverständigen H1 und S2 getroffenen Beurteilungen zu erschüttern. Auch im Hinblick darauf, dass der Kläger
nicht über einen längeren Zeitraum in eine regelmäßige Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eingegliedert war,
ist der Senat von einem ausreichenden einsetzbaren Restleistungsvermögen überzeugt. Gesundheitliche Gründe stehen der Aufnahme
und Durchführung einer regelmäßigen Tätigkeit nicht entgegen.
Weitere medizinischen Ermittlungen waren - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht erforderlich. Insbesondere musste der
Senat keine aktuellen orthopädischen Befunde beiziehen und/oder eine orthopädische und dermatologische Begutachtung durchführen.
Zu den Auswirkungen der Veränderungen in den Sprunggelenken haben sich beide gerichtlichen Sachverständigen geäußert. Dabei
ist insbesondere H1. als Sozialmedizinerin in der Lage, die Auswirkungen von orthopädischen Leiden auf das Leistungsvermögen
zu beurteilen. Sie hat eine orthopädische Zusatzbegutachtung nicht für erforderlich gehalten. S2 haben die Berichte über die
Rückfußarthroskopie im Juni 2020 vorgelegen. Soweit dieser Eingriff noch nicht die vom Kläger gewünschte Schmerzfreiheit erbracht
hat, ist der Erfolg der bei L3 eingeleiteten Nachbehandlung und insbesondere der nach Angaben des Klägers ab März 2021 geplanten
Röntgen-Tiefen-Bestrahlung abzuwarten. Eine rentenberechtigende Einschränkung des Leistungsvermögens als Folge von Sprunggelenksbeschwerden
kommt jedenfalls nicht in Betracht. Auch in Bezug auf die langjährig bestehende Hauterkrankung, zu denen umfangreiche medizinische
Unterlagen beigezogen worden sind, und wegen derer sich der Kläger im hier maßgebenden Zeitraum nicht mehr in fachdermatologischer
Behandlung befindet, sind die Auswirkungen auf das Leistungsvermögen durch die Sozialmedizinerin H1 erschöpfend dargelegt
worden. Schließlich war auch kein Bericht von dem den Kläger nunmehr behandelnden H2. einzuholen. Eine wesentliche Verschlechterung
der vom Kläger bereits langjährig geltend gemachten Atembeschwerden ist vom gerichtlichen Sachverständigen S2 nicht beschrieben
worden. Vielmehr sind diese Atembeschwerden von einer Vielzahl von Fachärzten untersucht worden und haben jeweils keine leistungsrelevante
Lungenerkrankung ergeben. Auch die Behandlung bei H2. besteht nach Angaben des Klägers in der Verordnung einer Lutschtablette
im Rahmen einer Hausstaubmilben-Immuntherapie.
Die Beklagte ist auch nicht verpflichtet, einen konkreten Arbeitsplatz zu benennen. Denn das Restleistungsvermögen des Klägers
reicht noch für leichte körperliche Verrichtungen wie z.B. Zureichen, Abnehmen, leichte Reinigungsarbeiten ohne Zwangshaltungen,
Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen aus (vgl. die Aufzählungen in dem Beschluss des Großen Senats des
Bundessozialgerichts [BSG] vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 -, SozR 3-2600 § 44
SGB VI Nr. 8 = BSGE 80, 24, 33f.; in der Anwendbarkeit auf die aktuelle Rechtslage bestätigt in den Urteilen des BSG vom 19. Oktober 2011 - B 13 R 78/09 R - und vom 11. Dezember 2019 - B 13 R 7/18 R -, beide juris). Insbesondere Büroarbeiten sind dem Kläger mindestens sechs Stunden täglich zumutbar. Der Kläger hat als
Bürohilfskraft langjährig versicherungspflichtig geringfügig gearbeitet. Zudem verfasst er nach seinen Angaben wissenschaftliche
Artikel im Internet. Mit diesen Fähigkeiten und Vorkenntnissen kann er auch im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses auf
dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig werden, zumal in dem hier maßgeblichen Zeitraum ab Januar 2014 zunehmend Tätigkeiten im
Rahmen von Homeoffice angeboten werden, was dem Bestreben des Klägers, im Rahmen seiner Häuslichkeit zu arbeiten, entgegenkommt.
Beim Kläger besteht darüber hinaus kein Katalog- oder Seltenheitsfall, der zu einer Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes
führen könnte. Der Arbeitsmarkt gilt auch dann als verschlossen, wenn einem Versicherten die so genannte Wegefähigkeit fehlt;
zur Erwerbsfähigkeit gehört auch das Vermögen, einen Arbeitsplatz aufsuchen zu können (vgl. GS BSG, Beschluss vom 19. Dezember 1996, a.a.O., zu Katalogfall 2). Dabei ist ein abstrakter Maßstab anzuwenden. Ein Katalogfall
liegt nicht vor, soweit ein Versicherter täglich viermal Wegstrecken von knapp mehr als 500 m mit einem zumutbaren Zeitaufwand
von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten unter Berücksichtigung
aller ihm zur Verfügung stehenden Mobilitätshilfen benutzen kann. H1. und S2 haben übereinstimmend eine rentenrelevante Einschränkung
der Wegefähigkeit verneint.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von
einer Entscheidung der in §
160 Abs.
2 Nr.
2 SGG genannten Gerichte abweicht.