Höhe einer Beitragsnachforderung in der Sozialversicherung; Geltungsbereich von Entgelttarifverträgen bei Allgemeinverbindlicherklärung
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über eine Beitragsnachforderung in Höhe von 147.144,78 EUR einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe
von 49.241,00 EUR.
Die Antragstellerin (im Weiteren: Ast.) ist im mitteldeutschen Raum mit Sitz der Hauptverwaltung in H. wirtschaftlich tätig.
Sie führt überwiegend Wach- und Sicherheitsdienstleistungen in Form von Objekt- und Werkschutz, Empfangs- und Rezeptionsservice,
Betreuung von Einkaufszentren, Veranstaltungsdienst, Baustellensicherung, Schließdienst, mobiler Streifendienst mit und ohne
Wachbegleitung und Alarmservice durch. Sie verfügt über Niederlassungen in H. und L., über Filialen in D., D., H. und S. sowie
über sogenannte Stützpunkte in W., O., K., B., H. und E.
Nach Anhörung stellte die Antragsgegnerin (Ag.) der Ast. gegenüber mit Bescheid vom 19. August 2013 für den Prüfzeitraum vom
1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2011 eine Beitragsnachforderung in Höhe von 147.144,78 EUR einschließlich Säumniszuschlägen
in Höhe von 49.241,00 EUR fest. Zur Begründung führte sie u.a. aus, bei den bei der Ast. beschäftigten und in Sachsen bzw.
Thüringen eingesetzten Arbeitnehmern sei der in den für allgemeinverbindlich erklärten Entgelttarifverträgen (ETV) für das
Wach- und Sicherheitsgewerbe in den Freistaaten Sachsen und Thüringen festgelegte Mindest- bzw. Grundlohn - für die Arbeitnehmer
der Ast. im Freistaat Sachsen für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis zum 31. März 2010 und im Freistaat Thüringen für die Zeit
vom 1. Juni 2007 bis zum 31. Januar 2010 (jeweils bis dem Ende der Allgemeinverbindlicherklärung) - nicht immer eingehalten
worden. Diese Arbeitnehmer unterlägen dem räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich der o.g. ETV. Der persönliche
Geltungsbereich umfasse alle Arbeitnehmer, die im räumlichen Geltungsbereich dieser ETV eingesetzt würden. Dieses so genannte
Erfüllungsortsprinzip sei durch § 10 des Manteltarifvertrages (MTV) für das Wach- und Sicherheitsgewerbe im Freistaat Sachsen vom 28. Dezember 2005, gültig ab dem 6. September 2006, und im
Freistaat Thüringen vom 21. Mai 2007, gültig ab dem 1. Juli 2007, nochmals dahingehend manifestiert worden, dass sich die
Ansprüche aus dem MTV und dem jeweiligen ETV nach dem Ort der Erbringung der Arbeitsleistung richteten. Gemäß § 1 Nr. 2 ETV für das Wach- und Sicherheitsgewerbe
im Freistaat Thüringen gelte dieser für alle in Thüringen tätigen Betriebe des Wach- und Sicherheitsgewerbes sowie für alle
in Thüringen befindlichen Objekte. Die bei der Ast. beschäftigten Arbeitnehmer, die in Sachsen bzw. Thüringen tätig gewesen
seien, hätten Anspruch auf den in den oben genannten Entgelttarifverträgen festgelegten Lohnsatz. Auf die Differenz zwischen
gezahltem Arbeitsentgelt und geschuldetem Entgelt seien Sozialversicherungsbeiträge nachzuberechnen.
Hiergegen erhob die Ast. am 30. August 2013 Widerspruch.
Sie hat am 16. September 2013 im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Sozialgericht Halle die Anordnung der aufschiebenden
Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid der Ag. vom 19. August 2013 beantragt. Es bestünden ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides. Sie unterliege nicht dem Geltungsbereich der ETV für das Wach- und Sicherheitsgewerbe
im Freistaat Sachsen bzw. im Freistaat Thüringen, soweit durch sie Wach- und Sicherheitsdienstleistungen in diesen Bundesländern
angeboten würden. Denn sie unterhalte dort keine selbstständigen Betriebe oder Betriebsteile. Eine entsprechende (einschränkende)
Auslegung des räumlichen Geltungsbereichs der genannten Tarifverträge folge dabei bereits aus der satzungsmäßigen Zuständigkeit
der die Tarifverträge auf Arbeitgeberseite schließenden Parteien (Landesgruppe Sachsen bzw. Thüringen des Bundesverbandes
des Wach- und Sicherheitsgewerbes (BDWS)). Diese sei auf die Bundesländer Sachsen bzw. Thüringen beschränkt. Deshalb könnten
auf Arbeitgeberseite auch nur solche Arbeitgeber von dem Tarifvertrag erfasst werden, die in den entsprechenden Bundesländern
eine selbstständige Betriebsabteilung vorhielten, die wiederum Voraussetzung für eine Mitgliedschaft in der entsprechenden
Landesgruppe sei. Eine Erstreckung des Anwendungsbereiches der für die Freistaaten Sachsen und Thüringen geltenden Tarifverträge
auf sie - die Ast. - mit Sitz in Sachsen-Anhalt würde die durch Artikel
9 Grundgesetz geschützte negative Koalitionsfreiheit verletzen. Ihr sei die Möglichkeit versagt geblieben, auf die sächsischen oder thüringischen
Tarifverträge Einfluss zu nehmen. In Bezug auf das teilweise tarifvertraglich normierte Erfüllungsortprinzip komme den Tarifvertragsparteien
keine Regelungskompetenz für Unternehmen zu, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des Tarifvertrages ihren Sitz hätten.
Zudem werde durch den ausdrücklichen Hinweis der Sächsischen Staatsregierung im Zusammenhang mit der Bekanntmachung der Allgemeinverbindlichkeitserklärung
des Entgelttarifvertrages 2011 vom 27. April 2012 bestätigt, dass vom Geltungsbereich des Tarifvertrages nur solche Betriebe
oder selbstständige Betriebsabteilungen erfasst würden, die im Freistaat Sachsen ihren Sitz hätten. Ausweislich des Schreibens
des Ministeriums für Wirtschaft, Technologie und Arbeit des Freistaates Thüringen vom 29. August 2007 erfasse der Tarifvertrag
nur solche Arbeitgeber, die in Thüringen eigenständige Betriebsabteilungen unterhielten. Im Übrigen bedürfe es keines Arbeitnehmerentsendegesetzes,
wenn unproblematisch durch die Tarifvertragsparteien das Erfüllungsortprinzip festgeschrieben werden könnte und dies durch
eine anschließende Allgemeinverbindlichkeitserklärung für sämtliche im Geltungsbereich des Tarifvertrages tätige Unternehmen
Geltung erlangen würde. Eine Erstreckung der Geltung eines räumlich begrenzten Tarifvertrages auf Arbeitgeber, die in der
entsprechenden Region weder ihren Sitz hätten noch einen selbstständigen Betrieb unterhielten, wäre nur über den Weg der Aufnahme
des entsprechenden Tarifvertrages in das Arbeitnehmerentsendegesetzes rechtlich zulässig. Eine solche Aufnahme der Branche
des Wach- und Sicherheitsgewerbes in das Arbeitnehmerentsendegesetz sei erstmalig zum 1. Juni 2011 bezüglich des bundesweit
geltenden Tarifvertrages zur Regelung der Mindestlöhne für Sicherheitsdienstleistungen vom 11. Februar 2011 erfolgt, wobei
die sich daraus ergebenden Mindestlohnansprüchen nicht streitgegenständlich seien. Die Existenz des Arbeitnehmerentsendegesetzes
stehe im Übrigen der Rechtsauffassung der Ag. entgegen, aufgrund des im Entgelttarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe
im Freistaat Sachsen geregelte "Erfüllungsortprinzip" unterfiele sie - die Ast. - diesem Tarifvertrag. Ihre sämtlichen Untergliederungen
- Niederlassungen, Filialen und Stützpunkte - seien unter Zugrundelegung des kollektivrechtlichen Betriebsbegriffs nicht als
selbstständige Betriebe oder Betriebsteile zu qualifizieren. Sämtliche personellen und kaufmännischen Angelegenheiten würden
vom Unternehmenssitz in H. aus erledigt. Die personelle Einsatzplanung und -leitung sowie die Buchhaltung einschließlich der
Lohnabrechnungsunterlagenerstellung erfolgten ausschließlich in H. Dort befänden sich zudem sämtliche Personalunterlagen sowie
die für die Erledigung der Lohnbuchhaltung technischen Voraussetzungen. Die einzelnen Stützpunkte und Filialen hätten keine
eigenen Bankkonten und verfügten über keinerlei personalrechtliche Befugnisse in den typischen betrieblichen mitbestimmungspflichtigen
Entscheidungen. Insoweit werde auf die eidesstattlichen Versicherungen der am Sitz in H. tätigen Personalsachbearbeiterin
S. und des Leiters der Niederlassung L. H., jeweils vom 3. September 2013, verwiesen. Des Weiteren stelle die sofortige Vollziehung
bereits aufgrund der Höhe der Beitragsforderung und insbesondere der geltend gemachten Säumniszuschläge in Höhe von 49.241,00
EUR, die eine große wirtschaftliche Belastung für sie - die Ast. - bedeute, eine unbillige Härte dar.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 7. November 2013 den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs
abgelehnt. Da allenfalls Zweifel, nicht aber erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides der Ag. vom 19. August
2013 bestünden, könne kein überwiegendes Interesse der Ast. an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung festgestellt werden.
Die Anwendbarkeit der ETV für das Wach- und Sicherheitsgewerbe im Freistaat Sachsen sowie im Freistaat Thüringen ergebe sich
aus deren Allgemeinverbindlicherklärung. Die Ast. unterfalle auch dem Geltungsbereich der ETV. Es sei jedoch nicht erkennbar
und könne daher nicht abschließend zu beurteilen, ob es sich bei den Niederlassungen, Filialen und Stützpunkten in Thüringen
bzw. Sachsen um Betriebe handele. Die Entscheidung, ob lediglich eine unselbstständige Produktionsstätte vorliege oder ob
es sich um einen selbstständigen Betrieb handele, erfordere die Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls. Eine abschließende
Prüfung hierzu bleibe dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
Gegen den ihr am 14. November 2013 zugestellten Beschluss hat die Ast. am 10. Dezember 2013 Beschwerde beim Sozialgericht
Halle eingelegt, welches diese an das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt weitergeleitet hat. Es bestünden erhebliche Zweifel
an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides. Ihre Rechtsauffassung, dass für den räumlichen Geltungsbereich eines Tarifvertrages
grundsätzlich der Sitz eines Unternehmens maßgeblich sei, werde bestätigt durch das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG)
vom 26. Oktober 1983 (4 AZR 248/81). Nach dieser Entscheidung komme es nicht auf den Ort des Einsatzes des Arbeitnehmers, sondern auf den Ort des Betriebes
an, von dem aus die Entsendung bzw. der Einsatz des Arbeitnehmers erfolge.
Die Ast. beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 7. November 2013 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen
den Bescheid der Ag. vom 19. August 2013 anzuordnen.
Die Ag. beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Ag. Bezug genommen, die vorgelegen haben und
Gegenstand der Beratung des Senats gewesen sind.
II.
Die zulässige Beschwerde der Ast ist unbegründet.
Der Antrag auf Anordnung einer aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ist zulässig. Insbesondere besteht ein Rechtsschutzbedürfnis
für das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz, obwohl die Ast. zuvor keinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei der
Ag. gestellt hat. Die Ast. muss sich zunächst nicht mit dem Begehren einer Entscheidung nach §
86a Abs.
3 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) an die Verwaltung gewandt haben (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 17. Oktober 2007 - B KA 4/07 R - SozR 4-1935 § 17 Nr.1 und Urteil vom 14. Februar 2013 - B 14 AS 62/12 R - SozR 4-1300 §
63 Nr. 19; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG-Kommentar, 11. Aufl., 2014, §
86b Rdnr. 7a).
Das Sozialgericht hat die Voraussetzungen einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Ast. gegen den Bescheid
der Ag. vom 8. Mai 2012 zu Recht verneint.
Nach §
86a Abs.
1 Satz 1
SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt nach §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG bei einer Entscheidung über die Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen
und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. In den Fällen, in denen Widerspruch
oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag nach §
86b Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 und Abs.
4 SGG durch Beschluss die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.
Nach §
86a Abs.
3 Satz 2
SGG soll die Aussetzung in den Fällen des Absatz 2 Nr. 1 erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen
Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende
öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts
bestehen, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlicher ist als der Misserfolg oder nach anderer Auffassung der Erfolg
mindestens ebenso wahrscheinlich wie ein Misserfolg ist. Dabei ist als Erwägung auch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber
in §
86b Abs.
2 Nr.
1 SGG das Vollzugsrisiko bei Abgabebescheiden bewusst auf den Adressaten verlagert hat, um die notwendigen Einnahmen der öffentlichen
Hand zur Erfüllung ihrer Aufgaben sicherzustellen. Diese gesetzliche Risikoverteilung würde unterlaufen, wenn bei offenem
Ausgang des Hauptsacheverfahrens die Vollziehung ausgesetzt würde (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO., §
86a Rdnr. 27). Das Gesetz bringt also zum Ausdruck, dass in den Fällen des §
86a Abs.
2 SGG das Vollziehungsinteresse in der Regel vorrangig ist.
Im Rahmen der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung ist für den Senat nicht erkennbar, dass die Beitragsforderung
der Ag. offensichtlich rechtswidrig ist. Die allgemeinverbindlichen ETV für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in den Freistaaten
Sachsen und Thüringen könnten auf die Arbeitsverhältnisse der in Sachsen bzw. Thüringen eingesetzten Arbeitnehmer Anwendung
finden, so dass der darin festgesetzte Mindest- bzw. Grundlohn der Beitragspflicht unterliegen kann.
Nach § 4 Abs. 1 TVG hängt die Wirkung der Rechtsnormen des Tarifvertrages im Arbeitsverhältnis der beiderseits Tarifgebundenen u.a. davon ab,
ob der Geltungsbereich des Tarifvertrages eröffnet ist. Die Tarifvertragsparteien haben jeweils in § 1 ETV für das Wach- und
Sicherheitsgewerbe sowohl im Freistaat Sachsen und als auch im Freistaat Thüringen den Geltungsbereich des jeweiligen Tarifvertrages
in räumlicher, fachlicher und persönlicher Hinsicht geregelt. Die so bestimmten Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein.
Maßgeblich für den räumlichen Geltungsbereich von Entgelttarifverträgen ist grundsätzlich der Sitz des Unternehmens (vgl.
BAG, Urteil vom 26. Oktober 1983 - 4 AZR 248/81 - juris).
In § 13 des Manteltarifvertrages (MRTV) für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die Bundesrepublik Deutschland vom 1. Dezember
2006 ist im Übrigen das sogenannte Erfüllungsortprinzip geregelt, das besagt, dass für die länderspezifischen Mantel-, Entgelt-,
Lohn- und Gehaltstarifverträge der Anspruch aus den tariflichen Bestimmungen gemäß dem Ort der Erbringung der Arbeitsleistung
gilt. Diese tarifliche Regelung zum "Erfüllungsortprinzip" ist jedoch keine eigenständige Anspruchsgrundlage für die Entlohnung
des Arbeitnehmers. Es handelt sich dabei vielmehr um eine tarifvertraglich festgelegte Kollisionsregel, die dazu dient, eine
eventuell bestehende Tarifkonkurrenz aufzulösen. Die Regelung schafft keinen eigenständigen Anspruch unabhängig von der Geltung
von (ggf. konkurrierenden) Ländertarifverträgen und dem Vorliegen von deren Voraussetzungen (vgl. BAG, Urteil vom 26. September
2012 - 4 AZR 782/10 - juris). Solche konkurrierende Ländertarifverträge liegen dem Senat nicht vor. Eine Kollision mit dem Entgelttarifvertrag
für das Wach- und Sicherheitsgewerbes Sachsen-Anhalt ist für den Senat gegenwärtig nicht feststellbar. Insoweit wäre eine
Geltung für alle Arbeitnehmer nur bei einer Allgemeinverbindlichkeit anzunehmen.
Hier ist dem ETV für das Wach- und Sicherheitsgewerbe im Freistaat Thüringen (§ 1) bei summarischer Prüfung damit eine eigenständige
Tarifregelung mit Allgemeinverbindlichkeit zu entnehmen, die den von der Ag. ihrer Beitragsberechnung zugrunde gelegten Entgelten
eine hinreichende Grundlage bietet. Nach dieser Regelung umfasst der persönliche Geltungsbereich die Betriebe des Wach- und
Sicherheitsgewerbes. Der räumliche Geltungsbereich umfasst das Gebiet Thüringen, der fachliche Geltungsbereich ist auf alle
in Thüringen tätigen Betriebe des Wach- und Sicherheitsgewerbes sowie alle in Thüringen befindlichen Objekte bezogen. Damit
verweist diese Vorschrift hinsichtlich des persönlichen Geltungsbereichs auf den räumlichen und fachlichen Geltungsbereich
und enthält mithin eine Regelung, die den Anwendungsbereich auch in räumlicher Hinsicht nicht auf eigenständige Betriebe mit
Sitz in Thüringen begrenzt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Einsatz von Personal in Objekten, die sich in Thüringen
befinden, für die Anwendung des ETV Wach- und Sicherheitsgewerbes Thüringen ausreichend ist.
Demgegenüber enthält § 1 ETV für das Wach- und Sicherheitsgewerbe im Freistaat Sachsen eine Sonderregelung, die besagt, dass
der persönliche Geltungsbereich alle Arbeitnehmer umfasst, die im räumlichen Geltungsbereich dieses Entgelttarifvertrages
eingesetzt werden. Der räumliche Geltungsbereich erstreckt sich auf das Gebiet Sachsen, der fachliche Geltungsbereich betrifft
alle Betriebe und Betriebsteile des Wach- und Sicherheitsgewerbes sowie alle Betriebe und Betriebsteile, die Kontroll- und
Ordnungsdienste und/oder Geld- und Wertdienste betreiben, alle Bewachungsobjekte und Dienststellen. Der ETV für das Wach-
und Sicherheitsgewerbe im Freistaat Sachsen gilt damit bei summarischer Prüfung für die in Betrieben und Betriebsteilen im
Freistaat Sachsen beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer.
Das Sozialgericht hat zu Recht darauf verwiesen, dass nach dem derzeitigen Sachstand indes in Bezug auf die in Sachsen eingesetzten
Mitarbeiter der Ast. nicht abschließend beurteilt werden kann, ob es sich bei der Niederlassung Leipzig um einen "Betrieb"
handelt. Es ist nicht abschließend geklärt, wo der Schwerpunkt der Arbeitsverhältnisse der im Zuständigkeitsbereich der Niederlassung
L. beschäftigten Arbeitnehmer lag. Feststellungen dazu, wo die Leistungen aus dem Arbeitsvertrag und insbesondere die Arbeitsleistung
dieser Arbeitnehmer faktisch zu erbringen sind, (vgl. BAG, Urteil vom 3. Dezember 1985 - 4 AZR 325/84 - juris) und zu den Verhältnissen in der Niederlassung Leipzig sind nicht erfolgt. Im Übrigen ist bisher nicht hinreichend
glaubhaft gemacht worden, dass das Direktionsrecht für die vor genannten Arbeitnehmer am Unternehmenssitz der Ast. in H. ausgeübt
wird. Das Direktionsrecht des Arbeitsgebers beinhaltet die Bestimmung von Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung. Der eidesstattlichen
Versicherung des Leiters der Niederlassung Leipzig T. H. vom 3. September 2013 ist zwar zu entnehmen, dass sämtliche wesentlichen
Personalentscheidungen, wie Einstellungen, Entlassungen oder arbeitsrechtliche Sanktionen, durch die Geschäftsführung am Unternehmenssitz
in H. getroffen wurden. Insoweit bleibt jedoch offen, ob darüber hinausgehende personenbezogene Entscheidungen, wie z.B. Urlaubsgewährungen,
in der Niederlassung L. erfolgten. Es bestehen auch Anhaltspunkte dafür, dass die Urlaubsanträge an die Niederlassung zu richten
waren [z.B. Bl. 114 der Verwaltungsakte]. Im Übrigen liegen Lohnabrechnungen aus dem streitigen Zeitraum [z.B. Bl. 11, 13,
32, 34 der Verwaltungsakte] vor, die unter Angabe der Niederlassung erstellt worden sind.
Die von der Ast. vorgebrachten Einwendungen sind nur nach Ermittlungen im Hauptsacheverfahren zu verifizieren und begründen
derzeit keinesfalls ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides der Ag.
Schließlich sind keine Gründe ersichtlich, dass die Vollziehung des Bescheides gemäß §
86a Abs.
3 Satz 2
SGG eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte für die Ast. darstellt. Diese hat bislang
nicht dargelegt, dass die Forderung von 147.144,78 EUR einschließlich der Säumniszuschläge sie in eine wirtschaftliche Notlage
bringt, die nur durch die Aussetzung der Vollziehung verhindert werden könnte. Die nur in einem Satz erwähnte wirtschaftliche
Verlustsituation und die ständig drohende Insolvenz der Antragstellerin sind allein durch diesen Vortrag weder belegt noch
glaubhaft gemacht. Diese hat auch nicht dargelegt, worin der abzuwendenden Nachteil bestehe, der es ihr nicht erlaube, die
Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG). Als Grundlage der Festsetzung hat der Senat, abweichend von der Streitwertfestsetzung des Sozialgerichts, ein Viertel der
streitigen Beitragsforderung angesetzt (vgl. z.B. Beschluss des Senats vom 17. Mai 2010 - L 3 R 408/09 B ER - juris, m.w.N.).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§
177 SGG).