Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende; Rechtmäßigkeit der Aufforderung des Leistungsträgers zur Beantragung einer
vorzeitigen Altersrente nach Vollendung des 63. Lebensjahres
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer und Antragsteller (im Folgenden: Antragsteller) erstrebt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer
Anfechtungsklage sowie die Verpflichtung des Beschwerdegegners und Antragsgegners (im Folgenden: Antragsgegner), einen für
ihn bei der D. R. M. gestellten Rentenantrag zurückzunehmen.
Der am ... 1950 geborene Antragsteller bezieht mit seiner Ehefrau laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach
dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Nach einem vorläufigen Bewilligungsbescheid vom 24. Oktober 2013 gewährte der Antragsgegner einen monatlichen Gesamtbetrag
in Höhe von 771,63 EUR (Antragsteller: 185,52 EUR Regelbedarf; 200,29 EUR Kosten der Unterkunft [KdU]; Ehefrau: 185,52 EUR
Regelbedarf; 200,30 EUR Kosten der Unterkunft [KdU]). Bereits mit Schreiben vom 9. September 2013 hatte der Antragsgegner
den Antragsteller aufgefordert, einen Antrag auf Altersrente bei der zuständigen D. R. M. zu stellen. Den dagegen gerichteten
Widerspruch vom 10. Oktober 2013 wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 24 Oktober 2013 zurück. Dagegen hatte
der Antragsteller Klage am 22. November 2013 vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) erhoben (S 7 AS 2797/13) und gleichzeitig einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt (S 7 AS 2781/13 ER). In dem Verfahren S 7 AS 2781/13 ER hatte das SG Ermittlungen bei der D. R. M. eingeholt. Dieser bezifferte den aktuellen Anspruch des Antragstellers auf Altersrente auf
690,58 EUR brutto (abzüglich Sozialversicherungsbeiträge) und bei einem Rentenbeginn am 1. Mai 2016 auf 741,85 EUR. Mit Beschluss
vom 22. Januar 2014 hatte das SG die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet und den Antragsgegner verpflichtet, den für den Antragsteller gestellten Antrag
auf Altersrente zurückzunehmen. Dagegen hatte der Antragsgegner kein Rechtsmittel eingelegt und den für den Antragsteller
gestellten Rentenantrag beim Rentenversicherungsträger mit Schreiben vom 5. Februar 2014 zurückgenommen. Das Hauptsacheverfahren
S 7 AS 2797/13 endete mit einem rechtskräftigen Anerkenntnisgerichtsbescheid zu Lasten des Antragsgegners.
Mit Bescheiden vom 5. Februar 2014 und 12. Februar 2014 forderte der Antragsgegner den Antragsteller erneut auf, bis zum 1.
März 2014 einen Antrag auf geminderte Altersrente bei der D. R. M. zu stellen, und führte zur Begründung aus: Die Aufforderung
zur Beantragung einer geminderten Altersrente sei eine Ermessensentscheidung. Nach einer Auskunft der D. R. betrage die geminderte
Rente 690,58 EUR, was zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Antragsteller ausreiche. Seine Eingliederung in den Arbeitsmarkt
sei gescheitert. Umfangreiche Bemühungen um eine Beschäftigung seien erfolglos geblieben. Eine Aussicht auf die Aufnahme einer
versicherungspflichtigen Beschäftigung innerhalb der kommenden drei Monate bestehe nicht. Die geminderte Rentenhöhe führe
nicht zu einem Ausnahmefall nach der sog. Unbilligkeitsverordnung (UnbilligkeitsV). Es lägen auch keine Ausnahmetatbestände
zur Vermeidung unbilliger Härten vor. Gegen beide Bescheide legte der Antragsteller jeweils am 24. Februar 2014 Widerspruch
ein und führte zur Begründung aus: Der Antragsgegner lasse den Beschluss des SG außer Acht. Die Wiederholung des Verfahrens durch den Antragsgegner sei weder fair noch nachvollziehbar und laufe dem Sinn
und Zweck der gerichtlichen Entscheidung zuwider. Von der ermittelten geminderten Altersrente seien allein ca. 76 EUR an die
gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung abzuführen. Der verbleibende Betrag genüge nicht zur Existenzsicherung. Im Übrigen
sei das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre erhöht worden, so dass er weiterhin Interesse an einer Beschäftigung habe.
Der Antragsgegner zahlte die Leistungen für März 2014 zunächst nicht aus, verfügte mit Bescheid vom 28. März 2014 die vorläufige
Leistungseinstellung und führte zur Begründung aus: Der Antragssteller habe keinen Antrag auf Gewährung einer geminderten
Altersrente gestellt, was nun vom Antragsgegner nachgeholt worden sei. Der erstmalige Bezug der geminderten Rente werde daher
im laufenden Monat April 2014 erfolgen. Hiergegen legte der Antragsteller am 4. April 2014 Widerspruch ein und wiederholte
seine Rechtsauffassung zur rechtswidrigen Leistungseinstellung. Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2014 wies der Antragsgegner
die Widersprüche vom 24. Februar 2014 gegen die Aufforderung zur Beantragung einer vorrangigen Altersrente als unbegründet
zurück und führte zur Begründung aus: Die vorzeitige Altersrente unter Abschlägen sei eine vorrangig in Anspruch zu nehmende
Leistung im Sinne des § 12a SGB II. Der Fall des § 65 Abs. 4 SGB II sei beim Antragsteller nicht gegeben, da er nicht am 1. Januar 2008 das 58. Lebensjahr vollendet habe, sondern dies erst
am 5. Dezember 2008 eingetreten sei. Auch die weiteren Einschränkungen gemäß § 13 Abs. 2 SGB II in Verbindung mit der UnbilligkeitsV seien nicht gegeben, so dass eine unbillige Härte nicht festgestellt werden könne. Die
Differenz zwischen einer geminderten Altersrente zum 1. Januar 2014 (690,58 EUR) und einer Rente bei einem Rentenbeginn am
1. Mai 2016 (741,85 EUR) betrage 51,27 EUR. Der Antragsteller könne seinen Grundsicherungsbedarf daher aus der geminderten
Altersrente vollständig decken. Zudem reduziere sich auch der Leistungsanspruch der anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft,
weil die den Bedarf des Antragstellers übersteigende Rentenzahlung auf deren Bedarf anzurechnen sei. Schließlich bestehe zwischen
der geminderten und ungeminderten Altersrente nur eine geringe monatliche Differenz. Der Antragsteller sei seit 1993 mit kurzen
Unterbrechungen von geförderten Weiterbildungen und Beschäftigungen auf dem zweiten Arbeitsmarkt arbeitslos. Eine Integration
auf dem ersten Arbeitsmarkt sei bislang nicht gelungen. Es bestehe diesbezüglich auch zukünftig keine Erfolgsaussicht.
Am 25. Februar 2014 hat der Antragsteller vom SG im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs und die Auszahlung der für
März 2014 bewilligten Leistungen begehrt. Die Leistungseinstellung für März 2014 sei rechtswidrig. Der Antragsgegner habe
sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt, da die vorzeitige Altersrente nicht zur Existenzsicherung ausreiche.
Der Antragsgegner hat sein Vorgehen verteidigt und ausgeführt: Die Auszahlung der für den Monat März 2014 bewilligten SGB II-Leistungen sei zwischenzeitlich veranlasst worden. Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 12a SGB II seien dagegen gegeben. Eine Unbilligkeit nach § 13 Abs. 2 SGB II liege nicht vor. Der tatsächliche Bedarf des Klägers betrage 545,29 EUR (Regelbedarf: 345,00 EUR; hälftige KdU: 200,29 EUR).
Dieser Bedarf könne einschließlich der zu zahlenden Sozialversicherungsbeiträge aus der zu erwartenden Altersrente voll gedeckt
werden. Erhebliche finanzielle Nachteile seien mit Eintritt in die Altersrente nicht verbunden.
Mit Beschluss vom 26. März 2014 hat das SG den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Der Beschluss vom 22. Januar
2014 im Verfahren S 7 AS 2781/13 ER entfalte keine Wirkungen mehr, da der Antragsgegner nach der Entscheidung neue Bescheide erlassen habe. Die Anordnung
der aufschiebenden Wirkung sei nicht vorzunehmen, da nach summarischer Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit
der angegriffenen Bescheide bestünden. Die Voraussetzungen des § 12a Satz 1 SGB II seien gegeben. Der Kläger habe das 63. Lebensjahr vollendet. Die Verpflichtung zur Antragstellung beim Rentenversicherungsträger
entfalle auch nicht nach Prüfung der UnbilligkeitsV. Es liege kein Fall des § 3 UnbilligkeitsV vor, da der Antragsteller nicht
demnächst eine abschlagsfreie Altersrente in Anspruch nehmen könne. Die ungekürzte Regelaltersrente beginne für den Antragsteller
erst am 1. Mai 2016. Eine absehbare Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit sei
weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Antragsgegner habe die notwendigerweise vorzunehmende Ermessensentscheidung erkannt
und dieses Ermessen nach Sinn und Zweck des § 12a SGB II ausgeübt. Er habe die UnbilligkeitsV berücksichtigt, ohne diese rechtsfehlerhaft als abschließend zu bewerten. Zwar habe
der Antragsgegner versäumt, die Ehefrau des Antragstellers bei der Prüfung einer Hilfebedürftigkeit nach dem Sozialgesetzbuch
Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) einzubeziehen. Dies wirke sich jedoch nicht aus. Zunächst habe der Antragsgegner zutreffend darauf hingewiesen, dass der
Antragsteller mit seiner geminderten Altersrente seinen existenzsichernden Grundsicherungsbedarf selbst abdecken könne. Dies
gelte auch unter Zugrundelegung der für 2014 zu gewährenden Regelleistung. Das Eintreten einer Hilfebedürftigkeit nach dem
SGB XII sei weder erkennbar noch glaubhaft gemacht. Auch unter Betrachtung der Bedarfsgemeinschaft gelte nichts anderes. Unter Einbeziehung
des Einkommens der Ehefrau verringere sich ihre Hilfebedürftigkeit durch die geminderte Altersrente. Auch für die Ehefrau
sei keine Hilfebedürftigkeit im Fall des Eintritts der eigenen Altersrente zu erwarten. Die vorläufige Leistungseinstellung
im Bescheid vom 28. März 2014 sei jedoch rechtswidrig, da hierfür keine Rechtsgrundlage bestehe. Aktuell habe der Antragsteller
noch keine Zahlungsansprüche gegen den Rentenversicherungsträger. Solange keine "bereiten Mittel" zur Verfügung stünden, seien
die Leistungen nach dem SGB II weiter auszuzahlen.
Der Antragsteller hat gegen den am 27. März 2014 zugestellten Beschluss am 3. April 2014 Beschwerde beim SG eingelegt und ergänzend ausgeführt: Das SG hätte die Prüfung nicht nur auf die Leistung für März 2014 beziehen dürfen, sondern entsprechend des Bescheides vom 24. Oktober
2013 die Leistungen bis zum 30. April 2014 zusprechen müssen. Die Auswirkungen der geminderten Altersrente seien nicht hinreichend
deutlich und das Ermessen damit nicht vollständig ausgeübt worden. Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung seien überzogen
hoch. Die geforderten Berechnungen, in welcher Weise sich die vorzeitige Altersrente prognostisch auswirken könne, seien für
ihn nicht absehbar. So könne die zukünftige Entscheidung des zuständigen Sozialhilfeträgers im Falle des Hilfebedarfs nicht
eingeschätzt werden. Auch das Selbstbestimmungsrecht werde verletzt, wenn ein Arbeitswilliger durch die Zwangsverrentung vom
Arbeitsmarkt ausgeschlossen werde. Die Vorschrift des § 12a SGB II unterliege auch verfassungsrechtlichen Bedenken. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zu dieser Norm stehe noch
aus.
Der Antragsteller beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,
1. den Beschluss des SG Dessau-Roßlau vom 26. März 2014 aufzuheben, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Bescheide
vom 5. und 12. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2014 anzuordnen,
2. den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, den Rentenantrag bei der D. R. M. vom 28. März 2014 zurückzunehmen.
Der Antragsgegner beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Senat hat eine Stellungnahme der D. R. M. vom 15. Mai 2014 eingeholt. Hiernach habe es der Rentenversicherungsträger gegenüber
dem Antragsgegner abgelehnt, ein Rentenverfahren für den Antragsteller einzuleiten, da die Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung
S 7 AS 2797/13 noch immer fortwirke.
Der Antragssteller hat vorgetragen, er habe für die Monate April/Mai 2014 keine Leistungen erhalten. Der Antragsgegner hat
geltend gemacht, dass Hauptsacheverfahren S 7 AS 2797/13 sei mittels Anerkenntnisgerichtsbescheid rechtskräftig abgeschlossen worden. Mit Schreiben vom 26. Mai 2014 habe er der Rechtsauffassung
der D. R. M. widersprochen und gehe von der Zulässigkeit seines für den Antragsteller gestellten Rentenantrages aus.
Zwischenzeitlich hat der Antragsgegner mit Bescheiden vom 20. Mai 2014 und vom 16. Mai 2014 gegen die Bedarfsgemeinschaft
die Leistungsbewilligung für April 2014 aufgehoben und den Leistungsanspruch für den Bewilligungszeitraum 1. Mai bis 31. Oktober
2014 beschieden. Die dagegen gerichteten Widersprüche hat der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2014 zurückgewiesen.
Dagegen hat der Kläger Klage sowie einen Antrag auf einstweiligen Rechtschutz gestellt. Das SG hat im Verfahren S 11 AS 1328/14 ER dem Begehren mit Beschluss vom 14. Juli 2014 teilweise stattgegeben. Auf Nachfrage hat der Antragsteller eingeführt, dass
er gegen diesen Beschluss keine Beschwerde eingelegt habe.
Wegen weiter Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsakten des Antragsgegners verwiesen.
II.
Die zulässigen Anträge sind unbegründet.
Gemäß §
86b Abs.
1 Nr.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs oder einer Klage ganz oder teilweise anordnen, wobei eine
Anordnung der aufschiebenden Wirkung nur dann in Betracht kommt, wenn die in Streit stehenden Bescheide des Antragsgegners
offensichtlich rechtswidrig sind oder aber hinsichtlich deren Rechtmäßigkeit zumindest ernsthafte Zweifel bestehen bzw. eine
Vollziehung der angefochtenen Entscheidungen des Antragsgegners eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen
gebotene Härte für den Antragsteller darstellt. Die Tatsachen sind vom jeweiligen Antragsteller glaubhaft zu machen, §
86b SGG i.V.m. §§
920 Abs.
2,
294 Zivilprozessordnung (
ZPO). Eine Tatsache ist dann glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen überwiegend wahrscheinlich ist. Die bloße Möglichkeit des
Bestehens einer Tatsache reicht noch nicht aus, um die Beweisanforderung zu erfüllen. Es genügt jedoch, dass diese Möglichkeit
unter mehreren relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit
spricht (Bundessozialgericht, Beschluss vom 8. August 2001, B 9 V 23/01 B, juris)
Der Klage des Antragstellers gegen die Bescheide vom 5. und 12. Februar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.
Mai 2014, mit dem der Antragsteller sich gegen die Verpflichtung zur Stellung eines vorzeitigen Rentenantrages wendet, hat
gem. § 39 Nr. 3 SGB II keine aufschiebende Wirkung. Die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung liegen nicht vor, denn es bestehen
keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide vom 5. und 12. Februar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 6. Mai 2014.
Der Senat verweist hierzu zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts Dessau-Roßlau im Beschluss vom 26.
März 2014, denen er sich nach eigener Prüfung anschließt (§
142 Abs.
2 Satz 3
SGG).
Auch die im Beschwerdeverfahren vorgebrachten Gründe rechtfertigen keine andere Entscheidung. Bei der Anordnung der aufschiebenden
Wirkung hat das Gericht eine Abwägung des Interesses des Antragstellers, die Wirkung des angefochtenen Bescheides (zunächst)
zu unterbinden (Aussetzungsinteresse), mit dem Vollzugsinteresse des Antragsgegners vorzunehmen. Die aufschiebende Wirkung
des Widerspruchs ist anzuordnen, wenn das Aussetzungsinteresse höher als das Vollzugsinteresse einzuschätzen ist. Bei der
vorzunehmenden Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber durch den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung
eines Bescheides gemäß § 39 SGB II für den Regelfall von einem vorrangigen Vollzugsinteresse ausgegangen ist. Nur ausnahmsweise kann die aufschiebende Wirkung
angeordnet werden, wenn ein überwiegendes Interesse des Antragstellers an einer Aussetzung des Vollzuges besteht (vgl. BSG, Beschluss vom 29. August 2011, B 6 KA 18/11 R; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22. Mai 2013, L 14 AS 291/13 B ER, jeweils juris; vgl. auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Aufl. 2012, §
86b Rn 12c).
Diese erforderliche Abwägung geht zu Lasten des Antragstellers aus, da die angefochtenen Bescheide keinen durchgreifenden
Bedenken begegnen.
Rechtsgrundlage für die hier streitige Aufforderung des Antragsgegners an den Antragsteller, eine vorzeitige Altersrente in
Anspruch zu nehmen, ist § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II. Danach können die Leistungsträger einen Antrag auf Leistungen eines anderen Trägers stellen sowie Rechtsbehelfe und Rechtsmittel
einlegen, wenn der Leistungsberechtigte einen solchen Antrag trotz Aufforderung nicht selbst stellt. Auch die Aufforderung
zur Stellung des Rentenantrags steht im Ermessen des Leistungsträgers (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22. Mai
2013, aaO.). § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II setzt dabei eine Pflicht des Leistungsberechtigten zur Inanspruchnahme vorrangiger Leistungen - hier der Rente - voraus.
Diese bereits zuvor in §§ 5, 7 und 9 SGB II vorausgesetzte Pflicht, vorrangige Leistungen in Anspruch zu nehmen, wird durch § 12a SGB II nochmals konkretisiert (vgl. BT-Drs 16/7460 S 12 zu § 12a). § 12a SGB II ist dabei in Zusammenhang mit § 65 Abs. 4 SGB II zu prüfen. Dies bedeutet, dass gemäß § 65 Abs. 4 SGB II alle Leistungsberechtigten, die nach dem 1. Januar 2008 das 58. Lebensjahr vollendet haben, nicht mehr in den Genuss der
sog. 58er-Regelung kommen können (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen aaO.). Gemäß § 12a Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB II sind Leistungsberechtigte verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen
Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich
ist. Bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres gilt dies aber nicht für eine vorzeitige Inanspruchnahme einer Altersrente. Nach
Vollendung des 63. Lebensjahres muss eine Rente ausnahmsweise dann nicht vorzeitig in Anspruch genommen werden, wenn dies
eine ""Unbilligkeit"" gemäß § 13 Abs. 2 SGB II in Zusammenhang mit der ab dem 1. Januar 2008 erlassenen UnbilligkeitsV darstellt. Nach der gesetzlichen Konzeption stellt
die Verpflichtung zur Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente den Grundsatz und die fehlende Pflicht bis zur Vollendung
des 63. Lebensjahres bzw. bei Unbilligkeit die Ausnahme dar (vgl. zu letzterem BT-Drs. 16/7460 S. 12 zu § 13; LSG Nordrhein-Westfalen
aaO.).
Der Antragsteller hat - wie der Antragsgegner im Widerspruchsbescheid zutreffend ausführte - erst am 5. Dezember 2008 das
58. Lebensjahr und am 5. Dezember 2013 das 63. Lebensjahr vollendet. Nach den unbestrittenen Darlegungen des Antragsgegners
ist die Eingliederung in den Arbeitsmarkt gescheitert. Es liegt auch erkennbar kein Fall von §§ 2 - 5 UnbilligkeitsV vor.
Das gilt auch für § 3 UnbilligkeitsV, nach dem die Inanspruchnahme einer Rente dann unbillig ist, wenn der Hilfebedürftige
in nächster Zukunft die Altersrente abschlagsfrei in Anspruch nehmen kann. Ausweislich der Verordnungsbegründung ist ein Zeitraum
von längstens drei Monaten gemeint (vgl. Referentenentwurf zur Unbilligkeitsverordnung Seite 8 unter http://www.bmas.de).
Der Antragsteller wird die Regelaltersrente erst ab dem 1. Mai 2016 beziehen können.
Insbesondere hat der Antragsgegner das ihm zustehende Ermessen pflichtgemäß ausgeübt. Nach der Begründung der Bescheide vom
5. und 12. Februar 2014 und des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2014 war ihm die Notwendigkeit der Ermessensausübung bekannt.
Zudem hat er alle relevanten Gesichtspunkte in die Ermessensabwägungen einbezogen. So hat der Antragsgegner in nachvollziehbarer
Weise begründet, warum im vorliegenden Fall durch die vorzeitige geminderte Altersrente für den Antragsteller keine unzumutbare
Härte entsteht.
Der Senat kann offen lassen, ob neben den in der Unbilligkeitsverordnung ausdrücklich geregelten Fällen auch weitere Fallgruppen,
in denen die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente möglicherweise eine besondere Härte für den Betroffenen darstellt,
im Rahmen des § 12a Satz 2 Nr. 1 SGB II zu berücksichtigen sein können (so Geiger in: Münder, LPK-SGB II, 5. Auflage § 12 a Rn. 6; SG D., Beschluss vom 21. Februar 2014, S 28 AS 567/14 ER) oder nicht (so wohl Knickrehm in: Eicher, SGB II, 3. Auflage § 12a Rdn. 4; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22. Mai 2013, L 19 AS 291/13 B ER). Jedenfalls liegen weder nach der UnbilligkeitsV noch nach möglichen atypischen Umständen außerhalb des Anwendungsbereichs
der UnbilligkeitsV Gründe vor, die eine besondere Härte hätten rechtfertigen können.
Nach dem vom zuständigen Rentenversicherungsträger ermittelten Vergleich zwischen der vorzeitigen geminderten Altersrente
sowie der Regelaltersrente am 1. Mai 2016 (741,85 EUR) ergibt sich nur ein geringer Unterschied von 51,27 EUR. Auch die verminderte
vorzeitige Altersrente des Antragstellers in Höhe von 690,58 EUR überschreitet den vom Antragsgegner zutreffend ermittelten
tatsächliche Bedarf in Höhe von 545,29 EUR (Regelbedarf: 345,00 EUR; Hälftige Kosten der Unterkunft: 200,29 EUR). Dies gilt
selbst dann, wenn hiervon die Sozialversicherungsbeiträge abgezogen werden würden, was einem Nettobetrag von ca. 620,00 EUR
entsprechen würde. Erhebliche finanzielle Nachteile sind im Fall des Antragstellers daher nicht zu erwarten. Der Antragsgegner
hat zudem auch die möglichen finanziellen Folgen für die Ehefrau des Antragstellers, die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft
lebt, mit in die Ermessensscheidung einbezogen (vgl. Begründung im Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2014). Rechtsnachteile
für die Ehefrau sind weder zu erwarten noch vom Antragsteller glaubhaft gemacht. Die vom Antragsteller geäußerte Vermutung,
zukünftig möglicherweise von der Sozialhilfe abhängig zu werden, die nicht mit Tatsachen untermauert ist, genügt hierfür nicht.
Auch die vom Antragsteller vertretene Rechtsauffassung zur Verfassungswidrigkeit des § 12a SGB II hält der Senat für nicht überzeugend. So hat sich das BSG in seinem Urteil vom 16. Mai 2012, B 4 AS 105/11 R, juris, eingehend mit § 12a SGB II auseinandergesetzt und keine Hinweise für eine Verfassungswidrigkeit gefunden. Der Senat sieht keinen Grund, von dieser zutreffenden
Bewertung des BSG abzuweichen.
Die Leistungseinstellung ab April 2014 ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Insoweit hat der Antragsteller ein gesondertes
Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes beim SG gestellt, das zumindest teilweise erfolgreich war. Dagegen ist der Antragsteller auch nicht weiter vorgegangen. Ein Zahlungsanspruch
für April 2014 und spätere Zeiträume kann daher auch nicht mehr in zulässiger Weise im Wege der Antragserweiterung zum Gegenstand
des anhängigen Beschwerdeverfahrens gemacht werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des §
193 SGG. Der Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§
177 SGG).