Aufhebung von Bewilligungen und Rückforderung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach SGB II
Zufluss von Vermögenswerten durch eine Erbschaft während des Leistungsbezugs nach SGB II (hier Betrag aus der Kontoauflösung)
Rechtsirrtum der Leistungsempfängerin in Bezug auf die grundsicherungsrechtliche Bewertung der Erbschaft
Tatbestand:
Die Klägerin und Berufungsklägerin (im Weiteren: Klägerin) wendet sich gegen die Aufhebung von Bewilligungen und die Rückforderung
von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum von Dezember 2009 bis März 2010.
Die 1959 geborene alleinstehende Klägerin bezog von dem Beklagten und Berufungsbeklagten (im Weiteren: Beklagter) seit 2005
SGB II-Leistungen. Im Weiterbewilligungsantrag für die Zeit ab Juli 2009 unterschrieb sie folgende Erklärung: "Ich versichere, dass
die Angaben zutreffend sind. Künftige Änderungen (insbesondere der Familien-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie
des Umfangs der Erwerbstätigkeit werde ich unaufgefordert und unverzüglich mitteilen." Mit Bescheid vom 27. Mai 2009 bewilligte
der Beklagte für den Zeitraum von Juli bis Dezember 2009 monatliche Leistungen in Höhe von 180,16 EUR. Bei der Leistungsberechnung
berücksichtigte er das von der Klägerin aus einer Arbeitsgelegenheit (Entgeltvariante) erzielte Nettoeinkommen von 557,51
EUR monatlich.
Am 28. September 2009 verstarb die verwitwete Mutter der Klägerin. Die Klägerin war Alleinerbin. Sie teilte dem Beklagten
den Erbfall nicht mit. Im Weiterbewilligungsantrag vom 16. November 2009 gab sie an, ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse
hätten sich nicht geändert. Mit Änderungsbescheid vom 8. Dezember 2009 bewilligte der Beklagte für Dezember 2009 Leistungen
in Höhe von 203,00 EUR. Mit Bewilligungsbescheid vom selben Tag und Änderungsbescheid vom 19. Januar 2010 gewährte er für
den Monat Januar 2010 Leistungen in Höhe von 311,90 EUR und für die Monate Februar bis Juni in Höhe von 545,71 EUR monatlich.
Am 1. Februar 2010 erfuhr der Beklagte durch eine anonyme Anzeige von der Erbschaft. Auf Nachfrage führte die Klägerin unter
dem 12. Februar 2010 aus, sie sei Alleinerbin. Da sie den Wert der Hinterlassenschaft bereits gegenüber dem Nachlassgericht
habe nachweisen müssen, habe sie keine Veranlassung gesehen, das Erbe auch dem Beklagten mitzuteilen. Außerdem dürfe sie laut
Gesetz pro Lebensjahr 750 EUR erben. Für sie ergebe sich ein Gesamtbetrag von 37.500 EUR, den der Wert des Nachlasses nicht
erreiche. Sie verwies auf eine in Kopie beigefügte Kontenübersicht ihrer Mutter mit einem Habensaldo von 13.088,96 EUR am
24. November 2009, der sich aus Guthaben auf dem Girokonto von 12.566 EUR, aus einem Sparbuch und einer weiteren Geldanlage
verteilte. Mit dem Gesamtbetrag habe sie alle mit dem Sterbefall verbundenen Kosten begleichen müssen. Bislang habe sie insgesamt
10.629 EUR ausgegeben für:
Grabstelle kaufen - 20 Jahre
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2.200 EUR,
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Beerdigungskosten
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3.150 EUR,
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Grabstein mit Schrift
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1.300 EUR,
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Miete für drei Monate
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1.000 EUR,
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Todesanzeige
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97 EUR,
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Abschlussrechnung Strom und Gas
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82 EUR,
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Telefonrechnung
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86 EUR,
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Ausstellung Sterbeurkunden
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24 EUR,
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Wohnungsberäumung und Renovierungsarbeiten
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3.860 EUR.
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Ihr verbleibe aus der Kontoschließung noch ein Betrag von 1.937 EUR, den sie in den nächsten Jahren für die Grabpflege aufwenden
wolle. Die Klägerin hat die für das Amtsgericht Bernburg gefertigte Aufstellung zum Wert des Nachlasses vorgelegt, in der
sie das Guthaben bei Banken auf 13.000 EUR und die Nachlassverbindlichkeiten mit insgesamt 7.200 EUR bezifferte. Sie belegte
Aufwendungen über 4.759,37 EUR:
Kostenrechnung Amtsgericht vom 8. März 2009
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30,00 EUR
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Mietzahlung für November und Dezember 2009 (am 17. Dezember 2009)
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689,40 EUR
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Rechnung Steinmetz vom 15. Oktober 2009
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495,04 EUR
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Gebührenbescheid der Stadt B. (Urnenwahlgrabstätte) vom 20. Oktober 2009
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375,25 EUR
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Rechnung Bestattungsinstitut vom 5. Oktober 2009
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1.769,68 EUR
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Rechnung Beräumung Wohnung vom 16. Dezember 2009
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1.400,00 EUR
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Weiter legte sie den Auftrag zur Kontoauflösung vom 26. November 2009 mit einem Auszahlungsbetrag von 11.129,78 EUR vor. Diesem
stellte sie mit einer weiteren Auflistung Ausgaben von 11.218,55 EUR gegenüber, die sie - wie folgt - belegte:
Ablösung Darlehensvertrag Pkw Mutter am 21.12.200
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1.936,00 EUR
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Telefonrechnung Mutter vom 11.11.2009 ...
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12,03 EUR
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Quittung Rückzahlung Privatdarlehen Klägerin am 14.01.2010
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1.700,00 EUR
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Wartung Pkw Mutter vom 15.12.2009
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150,02 EUR
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Rechnung Einlagerung von Reifen vom 29.12.2009
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34,95 EUR
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Mahnung Kfz-Steuer vom 18.03.2010
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97,50 EUR
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Rechnung Kühlschrank vom 04.01.2010
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652,49 EUR
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Rechnung DVD-Player vom 23.01.2010
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155,00 EUR
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Rechnung Fernseher vom 21.10.2009
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242,01 EUR
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Rechnung 2 Hosen vom 7.12.2009
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139,90 EUR
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Rechnung KiK Bekleidung vom 7.12.2009
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30,02 EUR
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Rechnung Lautsprecher, Tintenpatrone vom.10.2009
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88,99 EUR
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Rechnung Pro-Markt Kaffeemasch. u.a. vom 15.10.2009
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212,49 EUR
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Sozialkaufhaus Schrankwand vom 26.02.2010
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220,00 EUR
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Sozialkaufhaus Polster/Elektro/Fracht vom 25.02.2010
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185,00 EUR
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Deichmann Schuhe vom 7.12.2009
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57,85 EUR
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Möbel Boss Teppich vom 21.10.2009
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43,48 EUR
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Pro-Markt Batterien etc. vom 7.01.2010
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26,02 EUR.
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Mit Bescheid vom 30. März 2010 hob der Beklagte die Leistungsgewährung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) ab 1. April 2010 auf. Die Klägerin könne aus dem Zufluss nach Abzug der Beerdigungskosten ihren Lebensunterhalt voraussichtlich
12 Monate bestreiten.
Mit Schreiben vom 8. April 2010 hörte der Beklagte die Klägerin zu einer beabsichtigten Aufhebung der Leistungsbewilligung
und Erstattungsforderung für die Zeit von Dezember 2009 bis März 2010 gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X an. Sie sei ihrer Verpflichtung, alle leistungserheblichen Veränderungen in den persönlichen Verhältnissen mitzuteilen, zumindest
grob fahrlässig nicht nachgekommen. Es seien insgesamt 1.606,32 EUR überzahlt worden. Zugleich führte der Beklagte in einem
Schreiben vom selben Tag aus, von dem Zufluss aus dem Erbe von 11.129,78 EUR könnten Verbindlichkeiten, die aus dem Sterbefall
resultierten, in Höhe von insgesamt 6.332,15 EUR abgezogen werden. Es verbleibe ein Restbetrag von 4.779,63 EUR, der als einmaliges
Einkommen anzurechnen sei. Verteile man diesen Betrag auf den Bedarf, bestehe von Dezember 2009 bis August 2010 keine Hilfebedürftigkeit.
Am 7. April 2010 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Aufhebungsbescheid vom 30. März 2010 ein. Diesen wies der Beklagte
mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2010 als unbegründet zurück und verwies darauf, dass nach Neuantragstellung für den
Zeitraum vom 9. April bis zum 30. September 2010 Leistungen wieder gewährt worden seien. Dagegen ist die Klägerin - soweit
ersichtlich - nicht vorgegangen.
Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 2. September 2010 hob der Beklagte seine Bewilligungsentscheidungen vom 27. Mai
2009 und 8. Dezember 2009 für den Monat Dezember 2009 ganz auf und forderte gemäß § 50 SGB X die Erstattung des überzahlten Betrags von 203,00 EUR. Er stützte die Aufhebung auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X. Die Klägerin sei zumindest grob fahrlässig ihrer Verpflichtung, alle wesentlichen Änderungen in ihren Verhältnissen mitzuteilen,
nicht nachgekommen. Mit weiterem Bescheid vom selben Tag nahm der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 8. Dezember 2009 und
den Änderungsbescheid vom 19. Januar 2010 für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. März 2010 zurück und forderte die ausgezahlten
Leistungen in Höhe von insgesamt 1.403,32 EUR zurück. Unter Auflistung der monatlichen Bewilligungen führte er aus, die Leistungsgewährung
sei rechtswidrig gewesen, weil die Klägerin in ihrem Antrag vom 16. November 2009 zumindest grob fahrlässig falsche Angaben
gemacht habe (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Der Zufluss der Erbschaft am 26. November 2009 sei Einkommen, das gemäß § 11 SGB II anzurechnen sei. Mit dem nach Abzug der Nachlassverbindlichkeiten verbleibenden Betrag bestehe keine Hilfebedürftigkeit.
Gegen beide Bescheide legte die Klägerin am 17. September 2010 Widerspruch ein. Sie führte aus, sie habe die Nachlassverbindlichkeiten
substantiiert dargelegt und belegt. Die Bescheide enthielten lediglich pauschale Behauptungen, ohne nachvollziehbare Berechnungen.
Mit Widerspruchsbescheiden vom 22. Oktober 2010 wies der Beklagte die Widersprüche der Klägerin zurück. Das an sie am 26.
November 2009 ausgezahlte Guthaben aus der Erbschaft sei als einmaliges Einkommen nach § 11 SGB II zu werten. Es sei grundsätzlich ab dem Zufluss zu berücksichtigen. Eine Anrechnung sei auch ab dem folgenden Monat möglich,
wenn für den Zuflussmonat SGB II-Leistungen bereits erbracht worden seien. Einmalige Einnahmen seien auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und monatlich
mit einem entsprechenden Teilbetrag zu berücksichtigen. Vorliegend sei der nach Abzug der Verbindlichkeiten verbleibende Betrag
auf die Monate Dezember 2009 bis März 2010 zu verteilen. In diesen vier Monaten bestehe kein SGB II-Leistungsanspruch. Für Dezember 2009 beruhe die Aufhebung und Erstattung auf § 48 SGB X, weil die Klägerin ihrer Pflicht zur Mitteilung wesentlicher Änderungen nicht nachgekommen sei. Für die Monate Januar bis
März 2010 beruhe die Rücknahme auf § 45 SGB X. Sie habe vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unvollständige Angaben bei der Antragstellung gemacht,
indem sie die Auszahlung am 26. November 2009 nicht mitgeteilt habe. Sie könne sich daher nicht auf Vertrauensschutz berufen.
Da im Fall von § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II nicht anwendbar sei, müsse sie gemäß § 50 Abs. 1 SGB X die gewährten Leistungen vollständig zurückzahlen.
Dagegen hat die Klägerin am 16. November 2010 beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) Klage erhoben, die sie nicht begründet hat. Nach mündlicher Verhandlung hat das SG mit Urteil vom 6. Juli 2011 die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt: Rechtsgrundlage der Rücknahme aller Leistungsbewilligungen
für den Zeitraum von Dezember 2009 bis März 2010 sei § 45 SGB X in Verbindung mit § 40 Abs. 1 SGB II und §
330 Abs.
2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (
SGB III). Denn die ursprüngliche Bewilligung der Leistungen für den Monat Dezember 2009 mit Bescheid vom 27. Mai 2009 sei durch den
Änderungsbescheid vom 8. Dezember 2009 ersetzt worden. Die Bescheide vom 8. Dezember 2009 und 19. Januar 2010 seien anfänglich
rechtswidrig begünstigend gewesen, weil entgegen der Regelung des § 11 SGB II ein zu geringes bzw. ab Februar 2010 gar kein Einkommen berücksichtigt worden sei. Indes sei die Klägerin aufgrund ihrer
Einnahmen aus Erwerbstätigkeit und Erbschaft in den streitigen Monaten nicht hilfebedürftig gewesen. Bei der am 28. September
2009 angefallenen Erbschaft handele es sich um Einkommen und nicht um Vermögen. Das Einkommen sei gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Satz 1 bis 3 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V) als einmalige Einnahme ab dem Zuflussmonat zu berücksichtigen. Eine Berücksichtigung ab dem Folgemonat des Zuflusses sei
zulässig, wenn die Leistungen im Zuflussmonat bereits erbracht worden seien. Die einmalige Einnahme sei, soweit nicht eine
andere Regelung angezeigt sei, auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag
zu berücksichtigen. Vorliegend seien zumindest Teilbeträge in Höhe der bewilligten Leistungen von insgesamt 1.606,32 EUR als
Einkommen anzurechnen gewesen. Der Beklagte habe anhand der vorgelegten Belege den Zufluss um die Nachlasskosten bereinigt.
Die getätigten Ausgaben für Bekleidung und Haushaltsgeräte seien nicht abzuziehen. Dasselbe gelte für die Rückzahlung von
1.700 EUR zur Begleichung eigener Verbindlichkeiten aus einem Darlehen. Auch die Aufwendungen für den Pkw der Erblasserin
seien nicht vom Wert des Nachlasses abzusetzen. Vielmehr hätte konsequenterweise der Wert des im März 2007 erstzugelassenen
Fahrzeugs als weiteres Einkommen aus dem Nachlass berücksichtigt werden müssen. Die weiteren Voraussetzungen von § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X lägen vor. Die Leistungsbewilligung habe darauf beruht, dass die Klägerin zumindest grob fahrlässig unrichtige und unvollständige
Angaben zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen gemacht habe, indem sie bei Stellung des Weiterbewilligungsantrags
am 16. November 2009 sowohl die Frage nach Änderungen in den Vermögensverhältnissen als auch die Frage nach Einkommen, das
nicht regelmäßig erzielt werde, mit "nein" beantwortet habe. Selbst wenn sie rechtlich fehlerhaft die Erbschaft als Vermögen
angesehen hatte, hätte sie eine der Fragen mit "ja" beantworten müssen. Sie habe gewusst, dass Änderungen bei den Einnahmen
und Ausgaben für die Höhe des SGB II-Anspruchs von Bedeutung seien. Denn sie habe regelmäßig Einkommensnachweise vorlegen müssen. Schließlich sei unschädlich,
dass der Beklagte seine Rücknahmeentscheidung für den Monat Dezember 2009 auf § 48 SGB X gestützt habe. Insoweit sei eine Umdeutung möglich.
Gegen das ihr am 28. Juli 2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10. August 2011 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat
sie ausgeführt, die Erbschaft sei kein Einkommen, sondern Vermögen. Vorab sei ein Vermögensfreibetrag von 7.500 EUR analog
§ 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II abzuziehen. Zudem müssten SGB II-Leistungsbezieher und Personen, die nicht im SGB II-Leistungsbezug stehen, gleich behandelt werden.
Eine gerichtliche Nachfrage zum Zeitpunkt des Zuflusses des Betrags aus der Kontoauflösung hat sie trotz Erinnerung nicht
beantwortet. Mit Beschluss vom 17. Dezember 2012 hat der 5. Senat den Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin abgelehnt. Auf
Nachfrage haben sich der Beklagte mit Schriftsatz vom 25. Februar 2013 und die Klägerin mit Schriftsatz vom 9. April 2013
mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen sinngemäß,
das Urteil des Sozialgericht Dessau-Roßlau vom 6. Juli 2011 und die Bescheide des Beklagten vom 2. September 2010 in der Gestalt
der Widerspruchsbescheide vom 22. Oktober 2010 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat ausgeführt, die Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen richte sich nach unterschiedlichen Vorgaben. Grundsicherungsleistungen
dienten dazu, existentielle Bedarfe zu decken. Als bedarfsabhängige Sozialleistungen würden sie nicht gewährt, wenn der Antragsteller
mit seinen Einnahmen den Bedarf selber decken könne. Es bestehe ein sachlicher Grund für die Differenzierung, die nicht zu
einer willkürlichen Ungleichbehandlung führe. Denn erst mit dem Bezug von SGB II-Leistungen bzw. ab Antragstellung unterliege ein Bürger dem Regelungssystem des SGB II.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte
und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen. Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren
Gegenstand der Beratung des Senats.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden gemäß §
151 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG). Sie ist auch statthaft im Sinne von §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG. Der maßgebliche Beschwerdewert von 750 EUR ist überschritten, denn es sind mit Erstattungsforderungen von insgesamt 1.606,32
EUR verbundene Rücknahmen der Leistungsbewilligung für vier Monate streitgegenständlich.
Die Berufung ist unbegründet. Denn die Klägerin hatte in den streitigen Monaten Dezember 2009 bis einschließlich März 2010
keinen SGB II-Leistungsanspruch. Die Aufhebungen der Bewilligungsentscheidungen durch den Beklagten sind nicht zu beanstanden. Sie finden
ihre Rechtsgrundlage in § 40 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit §
330 Abs.
2 SGB III und § 45 Abs. 1, 2 Satz 3 Nr. 2, Abs. 4 Satz 1 SGB X. Danach wird ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen,
soweit er von Anfang an rechtswidrig begünstigend ist. Voraussetzung ist weiter, dass der Begünstigte sich nicht auf schutzwürdiges
Vertrauen berufen kann, weil der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher
Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.
Zutreffende Ermächtigungsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligungsbescheide ist - wie das SG zutreffend ausgeführt hat - § 45 SGB X, denn im Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids vom 8. Dezember 2008, der die vorherige Leistungsbewilligung ersetzte,
war der Klägerin das Einkommen aus der Erbschaft bereits zugeflossen. Insoweit ist der Umstand, dass der Beklagte seinen Bescheid
auf § 48 SGB X gestützt hat, alleine nicht klagebegründend (vgl. BSG, Urteil vom 21. Juni 2011, Az.: B 4 AS 22/10 R. juris RN 26; Urteil vom 16. Dezember 2008, Az.: B 4 AS 48/07 R, juris). Denn das "Nachschieben von Gründen" - oder richtigerweise das Stützen der Entscheidung auf eine andere Rechtsgrundlage
- ist zulässig, soweit der Verwaltungsakt dadurch nicht in seinem Regelungsumfang oder seinem Wesensgehalt verändert oder
die Rechtsverteidigung des Betroffenen in nicht zulässiger Weise beeinträchtigt oder erschwert wird. Da die §§ 45, 48 SGB X auf dasselbe Ziel, die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, gerichtet sind, ist das Auswechseln dieser Rechtsgrundlagen grundsätzlich
zulässig.
Die angefochtenen Bescheide vom 2. September 2010 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 22. Oktober 2010 sind formell
nicht zu beanstanden. Die Anhörung der Klägerin mit Schreiben vom 8. April 2010 mit dem nicht genau zutreffenden Verschuldensvorwurf
(zumindest grob fahrlässige Nichtanzeige der Erbschaft als wesentliche Änderung in den leistungserheblichen Verhältnissen,
§ 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB X) war noch ausreichend. Zwar bezieht sie sich auf eine unzutreffende Ermächtigungsgrundlage, indes ist der Kern des maßgeblichen
Verschuldensvorwurfs nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X, vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht zu haben, enthalten.
Da der Leistungsträger jedoch nur auf die aus seiner Sicht maßgeblichen, d.h. die den beabsichtigten Eingriff tragenden Haupttatsachen,
darlegen muss (vgl. Siefert in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 24 RN 7; BSG, Urteil vom 29. November 2012, Az.: B 14 AS 6/12 R, juris RN 21 m. weit. Nachw.; BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011, Az.: B 13 R 9/11 R, juris RN 14), genügte die Anhörung zur beabsichtigten Rückforderung wegen der wesentlichen Änderung in den Verhältnissen
durch den Zufluss der Erbschaft und das Unterlassen der Mitteilung der Änderung gegenüber dem Beklagten trotz Mitteilungspflicht
den Anforderungen des § 24 Abs. 1 SGB X.
Die Rücknahme- und Erstattungsbescheide sind in der Fassung, die sie durch die Widerspruchsbescheide erhalten haben, auch
hinreichend bestimmt im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB X. Als materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung verlangt das Bestimmtheitserfordernis, dass ein Verwaltungsakt nach seinem Regelungsgehalt
in sich widerspruchsfrei ist. Dies bezieht sich sowohl auf den Verfügungssatz als auch auf den Adressaten. Der Betroffene
muss bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers unter Berücksichtigung der Einzelumstände
in die Lage versetzt werden, die in dem Bescheid getroffene Rechtsfolge vollständig, klar und unzweideutig zu erkennen und
sein Verhalten danach auszurichten (vgl. BSG, Urteil vom 10. September 2013, Az.: B 4 AS 89/12, juris RN 15). Der Beklagte hat in den angegriffenen Bescheiden unmissverständlich die frühere Leistungsgewährung vollständig
aufgehoben und gesondert durch eine Gegenüberstellung des monatlich bewilligten Leistungsbetrags und des jeweiligen Aufhebungsbetrags
deutlich gemacht, dass die gewährten Leistungen für den streitigen Viermonatszeitraum insgesamt zurückgefordert werden.
Die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X ist eingehalten. Der Beklagte hatte erst auf der Grundlage der anonymen Anzeige Hinweise auf das weitere Einkommen der Klägerin.
Hinreichend sichere Kenntnis hatte er erst nach Durchführung des Anhörungsverfahrens mit Schreiben vom 8. April 2010.
Die Rücknahmeentscheidungen sind auch im Übrigen materiell rechtmäßig. Denn die Bewilligungsbescheide für die streitbefangenen
Monate waren von Anfang an vollständig rechtwidrig. Die Klägerin hatte keinen Leistungsanspruch nach dem SGB II. Zwar lagen die Grundvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II vor, denn sie hatte im streitigen Zeitraum das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht, war erwerbsfähig und hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Indes war
sie nicht hilfebedürftig im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit § 9 Abs. 1 SGB II. Danach ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen
oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere Angehörigen oder von Trägern anderer
Sozialleistungen, erhält.
Die Klägerin konnte ihren Bedarf vollständig aus ihrem Erwerbseinkommen und den Zuflüssen aus der Erbschaft - insbesondere
dem Betrag aus der Kontoauflösung im November 2009 - decken, denn der Zufluss dieser Vermögenswerte stellt - entgegen ihrer
Rechtsansicht - Einkommen im Sinne von § 11 SGB II dar. Die Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen nimmt das SGB II selbst zwar nicht vor. Wie das BSG in ständiger Rechtsprechung (Urteil vom 30. September 2008, Az.: B 4 AS 29/07 R, juris; Urteil vom 13. Mai 2009, Az.: B 4 AS 49/08 R, juris; Urteil vom 30. Juli 2008, Az.: B 14 AS 26/07 R, juris) betont, ist Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II grundsätzlich alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung
bereits hatte. Auszugehen ist vom tatsächlichen Zufluss, es sei denn, rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt.
Insoweit ist zwischen Wertungen des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (
BGB) und grundsicherungsrechtlichen Anrechnungsvorgaben zu unterscheiden. Da die Klägerin als Alleinerbin die Gesamtrechtsfolge
nach ihrer Mutter angetreten hat, ist gemäß §
1922 Abs.
1 BGB das Vermögen der Mutter mit deren Tod auf sie übergegangen. Der Alleinerbe kann bereits mit dem Erbfall über den Nachlass
bzw. einzelne Vermögenswerte verfügen, ohne dass es auf die Durchsetzung von Ansprüchen ankommt. Insoweit ist nicht relevant,
dass wegen des Ausschlagungsrechts ein Erbe erst mit Annahme erworben wird. Bereits diese Verfügungsmöglichkeit stellt einen
Zufluss im Sinne der dargestellten Rechtsprechung dar. Maßgeblich muss bei der Gesamtrechtsnachfolge der Erbfall bereits vor
der ersten SGB II-Antragstellung eingetreten sein, damit der Zuwachs grundsicherungsrechtlich als Vermögen angesehen werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 28. Oktober 2009, Az.: B 14 AS 62/08 R, juris RN 22; BSG Urteil vom 24. Februar 2011, Az.: B 14 AS 45/09 R, juris RN 21).
Tritt hingegen der Erbfall erst während des Leistungsbezugs nach dem SGB II ein, handelt es sich um einen Wert, der dem SGB II-Leistungsberechtigten erst nach Antragstellung zuwächst. Er ist als Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 SGB II zu qualifizieren (so zuletzt ausdrücklich: BSG, Urteil vom 29. April 2015, Az.: B 14 AS 10/14 R, juris RN 29; vgl. auch: BSG, Urteil vom 17. Februar 2015, Az.: B 14 KG 1/14 R, juris RN 17; BSG, Urteil vom 25. Januar 2012, Az.: B 14 AS 101/11 R, juris RN 20). Da die Klägerin im Jahr 2009 ohne Unterbrechungen (ergänzende) SGB II-Leistungen bezog und die Erblasserin im September 2009 verstarb, handelt es sich bei der Erbschaft um Einkommen.
Dieses Einkommen ist indes erst mit dem tatsächlichen Zufluss am 26. November 2009 zu berücksichtigen. Denn auch eine Erbschaft
kann dem Bedarf als Einkommen erst in dem Zeitpunkt gegenüber gestellt werden, in dem es tatsächlich als bereites Mittel zur
Deckung des Bedarfs zur Verfügung steht (BSG, Urteil vom 25. Januar 2012, Az.: B 14 AS 101/11 R, juris RN 22). Dies war im November 2009 der Fall, als der Klägerin das Guthaben nach der Kontoauflösung ausgekehrt wurde.
Vorliegend gibt es keinen Anlass, vom einem anderen Zuflussdatum auszugehen. Dieses hätte sich ergeben können, wenn ihr der
Auszahlungsbetrag nach der Kontoschließung nicht bar ausgezahlt, sondern auf ihr Girokonto überwiesen worden wäre. Die Form
der Abwicklung der Kontoauflösung (Barauszahlung oder Überweisung) ist aus den vorliegenden Unterlagen nicht erkennbar. Die
Klägerin hat diesbezügliche Anfragen der Berichterstatterin (mit Schreiben vom 2. März, 24. Juli und 17. Oktober 2012) nicht
beantwortet.
Der zugeflossene Betrag ist - bereinigt um die hieraus zu bestreitenden Nachlassverbindlichkeiten - als einmalige Einnahme
im Sinne von § 11 Abs. 3 SGB II zu berücksichtigen. Die vom Beklagten vorgenommene Bereinigung ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Er hat (nach seinen
Ausführungen im Schreiben vom 8. April 2010) Nachlassverbindlichkeiten von insgesamt 6.332,15 EUR anerkannt und ist zu einem
anrechenbaren Betrag von 4.797,63 EUR gelangt.
Er hat - letztlich zu Gunsten der Klägerin - höhere Verbindlichkeiten berücksichtigt, als der Klägerin entstanden waren. Denn
sie hat entsprechende Aufwendungen (Gerichtsgebühren, Miete, Steinmetz, Friedhofsgebühren, Bestattungsunternehmen, Beräumung
Wohnung) nur in Höhe von 4.759,37 EUR belegt. Der Beklagte hat den Betrag, den die Klägerin zur Ablösung des Pkw-Finanzierung
aufwandte, in Höhe von 1.936 EUR anerkannt, was rechtlich nicht geboten war, denn der Pkw war ein weiterer Bestandteil des
Nachlasses, den sie dem Beklagten ebenfalls nicht mitgeteilt hatte. Der Wert des darlehensfinanzierten Pkw (Zeitwert abzüglich
valutierender Darlehensbelastung) stellt einen weiteren Zufluss aus dem Erbfall dar. Die Klägerin war mit dem Erbfall, d.h.
ab September 2009, Eigentümerin des Pkw F. (amtl. Kennzeichen ..., Erstzulassung 9. März 2007, Kilometerstand am 15. Dezember
2009 17.245), den sie in der Folgezeit nutzte. Soweit sie das Finanzierungsdarlehen abgelöst hat, wäre dies als Nachlassverbindlichkeit
nur dann abzuziehen, wenn zuvor der Zeitwert des Pkw als Bestandteil des Nachlasses berücksichtigt worden wäre.
Es ist daher zumindest der vom Beklagten angerechnete Betrag von 4.797,63 EUR aus der Kontoauflösung als Einkommen - grundsätzlich
ab dem Zuflussmonat - zur Bedarfsdeckung einzusetzen. Soweit der Beklagte das Einkommen als bedarfsdeckend für den Zeitraum
von Dezember 2009 bis einschließlich März 2010 angesehen hat, ist das nicht zu beanstanden. Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (ALG II-V) in der ab dem 1. Januar 2008 geltenden Fassung sind einmalige Einnahmen von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem
sie zufließen. Abweichend von Satz 1 ist eine Berücksichtigung der Einnahmen ab dem Monat, der dem Monat des Zuflusses folgt,
zulässig, wenn Leistungen für den Zuflussmonat bereits erbracht worden sind (Abs. 3 Satz 2). Der Beklagte hat zu Recht als
Beginn des Anrechnungszeitraums den Monat Dezember 2009 gewählt, weil am 26. November 2009 die Leistungen für November 2009
bereits ausgezahlt waren. Nach § 2 Abs. 3 Satz 3 ALG II-V sind einmalige Einnahmen, soweit nicht im Einzelfall eine andere Regelung angezeigt ist, auf einen angemessenen Zeitraum
aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag anzusetzen. Es handelt sich dabei um eine reine Rechenvorschrift,
welche die Art und Weise der Berücksichtigung einmaliger Einmaleinnahmen über einen längeren Zeitraum regelt. Die Rechtsgrundlage
für die Anrechnung findet sich in den §§ 9 und 11 SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 25. Januar 2012, aaO., juris RN 24). Die Aufteilung der Anrechnung des zugeflossenen Einkommens vorliegend auf
einen Zeitraum von vier Monaten ist nicht zu beanstanden. Denn die Klägerin war in der Lage, ihren Hilfebedarf in dieser Zeit
vollständig aus dem zugeflossenen Erbe zu decken. Insoweit kann der Senat offen lassen, ob die Anrechnung von Erwerbseinkommen
in den Monaten Dezember 2009 und Januar 2010 den tatsächlichen Lohnzahlungen entsprach. Bei vollständiger Außerachtlassung
des Erwerbseinkommens ergab sich ein monatlicher Hilfebedarf von gerundet 546 EUR (Regelbedarf von 359 EUR und KdU von 186,71
EUR = 545,71 EUR). Der angerechnete Einkommensbetrag reichte zur Deckung dieses Bedarfs aus sowie zur Entrichtung von Beiträgen
zur Kranken- und Pflegeversicherung in den Monaten Januar bis März 2010, in denen die Klägerin nicht mehr erwerbstätig war.
Der Beklagte war auch nicht verpflichtet, der Klägerin zur Aufrechterhaltung des Kranken- und Pflegeversicherungsschutzes
gemäß §
5 Abs.
1 Nr.
2a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (
SGB V) bzw. §
20 Abs.
1 Nr.
2a Elftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Pflegeversicherung (
SGB XI) einen geringen SGB II-Leistungsbetrag zu belassen. Insbesondere in Fällen, in denen das anzurechnende monatliche Einkommen den Bedarf weit übersteigt,
ist den Leistungsberechtigten zuzumuten, durch eine eigene Entrichtung von (freiwilligen) Beiträgen in der gesetzlichen Kranken-
und Pflegeversicherung ihren Versicherungsschutz selbst sicher zu stellen. Als unbestimmter Rechtsbegriff ist der einzelfallbezogen
zu bestimmende "angemessene Zeitraum der Verteilung" ausfüllungsbedürftig und unterliegt uneingeschränkter richterlicher Kontrolle.
Zulässige Sachgesichtspunkte, die für die Angemessenheit einer Verteilung, die Belassung eines (geringfügigen) Anspruchs auf
SGB II-Leistungen bei der Anrechnung und die zeitliche Dauer des Verteilzeitraumes maßgebend sein können, sind die Höhe der einmaligen
Einnahme, der mögliche Bewilligungszeitraum sowie der Umstand, ob der Leistungsberechtigte durch die Höhe des festgesetzten
monatlichen Teilbetrags seinen Krankenversicherungsschutz behalten kann (vgl. BSG, Urteil vom 10. September 2013, Az.: B 4 AS 89/12 R, juris RN 22). Zwar liegt grundsätzlich ein Regelfall mit dem Erfordernis zur Aufteilung nach § 2 Abs. 3 Satz 3 Alg II-V vor, wenn der über den SGB II-Bezug vermittelte Krankenversicherungsschutz bei voller Berücksichtigung der Einnahme für mindestens einen Monat entfallen
würde. Sind indes - wie hier - höhere Beträge im Streit, welche die Hilfebedürftigkeit des Leistungsbeziehers bei prognostischer
Betrachtung auf längere Dauer entfallen lassen, ist eine vollständige Anrechnung ohne Belassung von SGB II-Leistungen grundsätzlich nicht zu beanstanden.
Der vollständigen Aufhebung der Bewilligungsbescheide für die Monate Dezember 2009 bis März 2010 steht auch nicht entgegen,
dass die Klägerin erhebliche Beträge aus der Erbschaft für Anschaffungen (Möbel, Kleidung, Elektrogeräte) verwendet hat. Insoweit
ist aufgrund der rechtlichen Ausgangslage bei § 45 SGB X zu prüfen, ob im Zeitpunkt des Erlasses der aufgehobenen Bewilligungsbescheide, d.h. am 8. Dezember 2009, die Zuflüsse aus
der Erbschaft noch als "bereite Mittel" zur Deckung des Bedarfs zur Verfügung standen. Wenn nicht, wären insoweit die zugrundeliegenden
Bewilligungsbescheide für die hier streitigen Monate nicht anfänglich rechtswidrig im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X gewesen (vgl. zum Vorst.: BSG, Urteil vom 10. September 2013, aaO., juris RN 31). Hierauf könnte die von der Klägerin bei erneuter Leistungsantragstellung
am 9. April 2009 erklärte Mittellosigkeit hindeuten. Wenn bereits zu Beginn des hier streitigen Zeitraum (Dezember 2009 bis
März 2010) die Mittel aus der Erbschaft tatsächlich und unwiederbringlich verbraucht waren, standen sie nicht zur Bedarfsdeckung
für diese Monate zur Verfügung.
Dies lässt sich jedoch nicht feststellen. Im Zeitpunkt des Erlasses der hier streitbefangenen Bescheide vom 8. Dezember 2009
waren folgende, von der Klägerin im Verfahren geltend gemachte Aufwendungen noch nicht getätigt:
Aufwendung
|
Zeitpunkt
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Betrag
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Ablösung Pkw-Darlehen
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21.12.09
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1.936,00 EUR
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Durchsicht Pkw
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15.12.09
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150,00 EUR
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Reifeneinlagerung
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29.12.09
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30,00 EUR
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Kfz-Steuer
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März 2010
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94,50 EUR
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Kühlschrank
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04.01.10
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652,00 EUR
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PC-Zubehör
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23.01.10
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155,00 EUR
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Darlehensrückzahlung
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14.01.10
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1.700,00 EUR
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Schrank
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26.02.10
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220,00 EUR
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Möbel
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25.02.10
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185,00 EUR
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Elektronik
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07.01.10
|
19,00 EUR
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5.141,50 EUR
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Daher lag insoweit noch kein Verbrauch aus der Erbschaft zugeflossenen Einkommens vor. Dies gilt auch für die mit Bescheid
vom 8. Dezember 2009 geregelten Folgemonate. Zwar steht nicht fest, in welcher Höhe zu Beginn des Monats März 2010 noch "bereite
Mittel" aus der Kontoauflösung vorhanden waren. Die Klägerin selbst hatte im Schreiben vom 12. Februar 2010 erklärt, sie besitze
aus dem Erbe noch einen Betrag in Höhe von 1.937 EUR. Es dürfte naheliegen, dass jedenfalls bis einschließlich März 2010 noch
Beträge vorhanden waren. Zudem besaß die Klägerin im gesamten streitigen Zeitraum als weiteren Zufluss aus der Erbschaft noch
den Pkw, der als Einkommen anzurechnen und ebenfalls zur Bedarfsdeckung einzusetzen gewesen wäre. Dessen Wert, der im Zeitpunkt
der Entscheidung des Senats noch bei ca. 4.000 EUR läge (vgl. Internetrecherche), dürfte im streitigen Zeitraum deutlich höher
gewesen sein und bei ca. 8.000 EUR gelegen haben. Abzüglich der bei Zufluss noch valutierenden Darlehensbelastung von 1.936,00
EUR ist von einem Sachwert von 6.000 EUR auszugehen, der im gesamten streitigen Zeitraum zur Verfügung stand und kurzfristig
(durch einen Verkauf) verwertbar und somit zur Sicherung des Lebensunterhalts einzusetzen war. Der Wert des Pkw ist auch ein
sog. "bereites Mittel", denn Gebrauchtwagen lassen sich - ggf. unter Inkaufnahme von Mindererlösen an gewerbliche Händler
- kurzfristig verkaufen.
Mithin waren die aufgehobenen Bewilligungsbescheide anfänglich rechtswidrig. Ursächlich für die rechtswidrige Leistungsbewilligung
war das Unterlassen von Angaben (zum Einkommen aus der Erbschaft), die die Klägerin als Begünstigte vorsätzlich oder grob
fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hatte. Dem gleichzustellen ist eine vorsätzliche
oder grob fahrlässig unterlassene Mitteilung von wesentlichen Änderungen in den Verhältnissen, welche kausal zu der Leistungsbewilligung
geführt haben (vgl. BSG, Urteil vom 10. September 2013, aaO., RN 33; Urteil vom 28. März 2013, Az.: B 4 AS 59/12 R, juris RN 22). Denn vorliegend hat die Klägerin weder den Anfall der Erbschaft noch den Zufluss des Einkommens aus der
Kontoauflösung oder den Zufluss des Pkw dem Beklagten vor Erlass der Bewilligungsbescheide mitgeteilt. Dazu wäre sie jedoch
verpflichtet gewesen, weil die genannten Zuflüsse erkennbar eine wesentliche Veränderung in den Verhältnissen bewirkt haben.
Kenntnis vom Erbfall hat der Beklagte erst aufgrund einer anonymen Anzeige erhalten. Insoweit ist der Klägerin zumindest der
Schuldvorwurf eines grob fahrlässigen Handelns zu machen. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen
Urteil des SG verwiesen, die sich der Senat zu eigen macht. Den dortigen Ausführungen ist die Klägerin im Berufungsverfahren auch nicht
entgegengetreten. Sie hat in Kenntnis ihrer Mitteilungspflicht keine Angaben zur Veränderung gemacht, da sie nach den Angaben
im Schreiben vom 12. Februar 2010 rechtsirrig davon ausging, sie könne einen Betrag von 37.500 EUR "anrechnungsfrei" erben.
Der Rechtsirrtum in Bezug auf die grundsicherungsrechtliche Bewertung der Erbschaft lässt jedoch den Verschuldensvorwurf,
leistungserhebliche Tatsachen nicht angegeben zu haben, nicht entfallen. Unabhängig davon, ob die Klägerin davon ausging,
dass es sich bei der Erbschaft um Einkommen oder Vermögen handelt, hätte sie im Rahmen ihres Weitergewährungsantrags den Anfall
der Erbschaft nicht verschweigen dürfen. Es liegt für jeden vernünftig denkenden SGB II-Leistungsbezieher auf der Hand, dass der Zufluss eines erheblichen Geldbetrags sich auf bedürftigkeitsabhängige Sozialleistungen
auswirken kann. Das Unterlassen der Angabe war daher zumindest grob fahrlässig. Es war ursächlich für die unveränderte Leistungsgewährung
mit den Bescheiden vom 8. Dezember 2009 (Änderungsbescheid für Dezember 2009 und Bewilligungsbescheid für Januar bis März
2010).
Der Beklagte hat die Leistungsbewilligung für den Zeitraum vom 1. Dezember 2009 bis zum 31. März 2010 zu Recht gemäß den §§
40 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB II, 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X und 330 Abs. 3
SGB III im Wege einer gebundenen Entscheidung vollständig aufgehoben.
Aufgrund der rechtmäßigen vollständigen Leistungsaufhebungen für die streitbefangenen Monate konnte der Beklagte die gewährten
Leistungen nach § 50 SGB X zurückfordern. Die Berechnung des Erstattungsbetrags begegnet keinen Bedenken. Eine Reduzierung des zu erstattenden Betrags
nach § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II scheidet nach Satz 2 der Vorschrift aus. Die Klägerin hat daher Beträge von 203,00 EUR für Dezember 2009 und von 1.403,32
EUR für Januar bis März 2010, insgesamt 1.606,32 EUR, zu erstatten.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf geklärter Rechtsgrundlage.