Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende; Rechtmäßigkeit der Aufforderung zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente
Gründe:
I.
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Aufforderung
des Antrags- und Beschwerdegegners, vorzeitig einen Altersrentenantrag zu stellen.
Die am ... 1951 geborene Antragstellerin steht beim Antragsgegner im laufenden Bezug von Leistungen der Grundsicherung für
Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Zuletzt bewilligte der Antragsgegner mit Bewilligungsbescheid vom 14. Oktober 2014 vorläufige Leistungen für den Zeitraum
von November 2014 bis April 2015 iHv 482 EUR monatlich, bzw. 583 EUR für Dezember 2014. Dabei berücksichtigte er die Regelleistung
von 391 EUR und Abschlagszahlungen auf die Heizkosten von 91 EUR. Im Dezember 2014 waren noch Zahlungen für die Wasserver-
und die Abwasserentsorgung von 101 EUR fällig. Weitere Betriebskosten für das von der Antragstellerin bewohnte Eigenheim gewährte
der Antragsgegner zunächst nicht, da ihm keine aktuellen Belege vorlagen.
Zuletzt im April 2014 schloss der Antragsgegner mit der Antragstellerin eine Eingliederungsvereinbarung mit einer Geltungsdauer
von sechs Monaten ab. Mit Renteninformation vom 29. April 2014 teilte die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland (im
Weiteren: DRV) der Antragstellerin mit, sie könne bei Eintritt die Regelaltersrente im Januar 2017 mit einer ungekürzten Altersrente
iHv 496,36 EUR rechnen. Ab August 2014 bestehe für sie die Möglichkeit, eine vorzeitige Altersrente für langjährige Versicherte
mit 8,7 % Abschlägen in Anspruch zu nehmen.
Mit Bescheid vom 4. Juni 2014 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin auf, umgehend einen entsprechenden Rentenantrag
zu stellen. Sie legte dagegen Widerspruch ein und nahm vorläufigen Rechtsschutz beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) in Anspruch. Mit Beschluss vom 21. Juli 2014 (Az.: S 3 AS 1662/14 ER) ordnete das SG die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs an. Die Aufforderung sei rechtswidrig, da die Antragstellerin erst am 23. Juli
2014 das 63. Lebensjahr vollende. Zudem sei die Aufforderung ermessensfehlerhaft, weil sich der Antragsgegner wegen der noch
gültigen Eingliederungsvereinbarung widersprüchlich verhalte. Daraufhin nahm der Antragsgegner den Bescheid vom 4. Juni 2014
zurück.
Mit Bescheid vom 21. Oktober 2014 forderte er die Antragstellerin erneut zur Rentenantragstellung auf und nannte als Termin
den 1. Dezember 2014. Er wies darauf hin, er sei berechtigt, den Antrag anstelle der Antragstellerin zu stellen, wenn diese
der Aufforderung nicht nachkomme (§ 5 Abs. 3 SGB II). Die Verpflichtung zur Antragstellung ergebe sich aus § 12a SGB II. Die hierzu geregelten Ausnahmetatbestände griffen nicht ein. Die Antragstellerin habe bis einschließlich 2004 Arbeitslosenhilfe
und danach SGB II-Leistungen erhalten und seither keine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt ausgeübt. Sie habe auch keine Leistungen
aus dem Vermittlungsbudget zur Anbahnung oder Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung in Anspruch genommen.
Ihr habe kein passgenaues Stellenangebot unterbreitet werden können. Unter Berücksichtigung des bisherigen Werdegangs könne
eine Integration auf dem Arbeitsmarkt nicht prognostiziert werden. Nach den Rentenauskünften der DRV ergebe sich eine Regelaltersrente
iHv 528,39 EUR ab Januar 2017; nach Abzug der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge verblieben 474,23 EUR. Ihr aktueller
monatlicher SGB II-Leistungsanspruch betrage 482 bzw. 583 EUR. Da die zu erwartende Nettorente unter diesem Betrag liege, sei sie sogar beim
Bezug der ungeminderten Altersrente voraussichtlich auf Sozialhilfeleistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) angewiesen, sodass der vorzeitige Rentenantrag keine unbillige Härte bedeute.
Nach der Rentenauskunft der DRV vom 16. September 2014 beträgt die ab Januar 2017 zahlbare Regelaltersrente 528,39 EUR. Im
Schreiben vom 23. Oktober 2014 wird ein Rentenbetrag von 528,61 EUR genannt.
Die Antragstellerin hat unter dem 4. November 2014 Widerspruch eingelegt und am 6. November 2014 bei dem SG die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs beantragt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, sie sei vor Erlass
des Bescheides nicht angehört worden. Die Ermessensausübung sei rechtswidrig, denn überwiegend bestehe die Begründung des
Bescheids aus Textbausteinen. Zudem seien die Angaben zum zukünftigen SGB II-Leistungsanspruch fehlerhaft. Der Antragsgegner könne nur sicher von der Regelsatzhöhe ausgehen; bei den Unterkunftskosten
sei aufgrund der fallenden Rohölpreise mit einer wesentlichen Verringerung der Heizkosten ab dem Jahr 2015 zu rechnen. Daher
werde ihr Bedarf voraussichtlich unter dem Rentenbetrag liegen. Zudem sei die Rentenhöhe fehlerhaft prognostiziert, denn der
Monat Januar 2011 sei für die Rentengewährung noch ungeklärt. Zudem sei bis zum Jahr 2017 mit Rentenerhöhungen um etwa 6 %
zu rechnen. Damit liege die zu erwartende Altersrente weit über ihrem Bedarf. Ihre Eingliederung in den Arbeitsmarkt sei nicht
gescheitert; allein habe der Antragsgegner ihr sei seit dreieinhalb Jahren kein Arbeitsangebot vorgelegt. Zudem sei zu berücksichtigen,
dass im Fall des Bezugs von Sozialhilfe ihr Eigenheim nicht mehr zum Schonvermögen zähle.
Mit Anhörungsschreiben vom 21. November 2014 gab der Antragsgegner der Antragstellerin Gelegenheit, sich zum Bescheid vom
21. Oktober 2014 ergänzend zu äußern, bevor er eine Entscheidung im Widerspruchsverfahren treffen werde.
Mit Beschluss vom 12. Januar 2015 hat das SG den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt. Es hat zur Begründung ausgeführt, der angegriffene Bescheid
stelle sich nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung als rechtmäßig dar. Der Antragsgegner
habe die vor Erlass des Bescheides versäumte Anhörung mit Schreiben vom 21. November 2014 nachgeholt. Das Fehlen der Rechtsbehelfsbelehrung
im angegriffenen Bescheid mache diesen nicht rechtswidrig, sondern wirke sich - zu Gunsten der Antragstellerin - auf den Lauf
der Rechtsbehelfsfristen aus. Auch inhaltlich sei der Bescheid nicht zu beanstanden. Gemäß § 12a Satz 1 SGB II seien Leistungsberechtigte verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen
Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich
ist. Vor Vollendung des 63. Lebensjahres seien Leistungsberechtigte nicht verpflichtet, eine Rente wegen Alters vorzeitig
in Anspruch zu nehmen. Nach Vollendung des 63. Lebensjahres müsse diese unbillig sein im Sinne der auf Grundlage von § 13 Abs. 2 SGB II mit Wirkung ab dem 1. Januar 2008 erlassenen Unbilligkeitsverordnung. Da die Antragstellerin bereits im Juli 2014 das 63.
Lebensjahr vollendet habe, finde § 12a SGB II auf sie Anwendung. Unbilligkeitsgründe nach den §§ 1 bis 5 Unbilligkeitsverordnung lägen nicht vor. Die Inanspruchnahme der Rente führe nicht zum Verlust von Alg I-Leistungen. Die
Antragstellerin könne auch nicht in nächster Zukunft abschlagsfrei die Altersrente in Anspruch nehmen (§ 3 Unbilligkeitsverordnung).
Mit dem Begriff "in nächster Zukunft" sei ein Zeitraum von längstens drei Monaten gemeint; die reguläre Altersrente beginne
für sie erst im Januar 2017. Zudem übe sie keine Erwerbstätigkeit iSv § 4 Unbilligkeitsverordnung aus und habe auch die Aufnahme
einer Erwerbstätigkeit in nächster Zukunft nicht iSv § 5 Unbilligkeitsverordnung durch Vorlage eines Arbeitsvertrags oder
auf andere Weise glaubhaft gemacht. Die Prognoseentscheidung des Antragsgegners zu den Vermittlungsaussichten in ein sozialversicherungspflichtiges
Beschäftigungsverhältnis sei nicht zu beanstanden. Es seien auch im Übrigen keine Gründe für eine Unbilligkeit der Inanspruchnahme
der vorzeitigen Altersrente ersichtlich. Da die Antragstellerin auch bei einem regulären Altersrentenbeginn voraussichtlich
auf ergänzende Leistungen nach dem SGB XII angewiesen sei, sei die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente nicht unbillig. Der durchschnittliche monatliche SGB II-Leistungsanspruch habe im Jahr 2012 524,90 EUR, im Jahr 2013 581,21 EUR, im Jahr 2013 581,21 EUR und im Jahr 2014 593,28
EUR betragen und liege damit deutlich über dem in der Auskunft der DRV vom 23. Oktober 2014 mitgeteilten Wert der regulären
Altersrente ab Januar 2017 iHv 528,61 EUR. Bereinigt um die Abzüge für die Kranken- und Pflegeversicherung ergebe sich eine
Nettozahlung von 475 EUR. Dieser Betrag sei für eine Vergleichsberechnung heranzuziehen. Der in der Auskunft in Aussicht gestellte
Rentenbetrag von 553,74 EUR - ohne Rentenanpassungen - komme nur dann zur Auszahlung, wenn bis zum Rentenbeginn Beiträge wie
im Durchschnitt der letzten fünf Kalenderjahre gezahlt würden. Damit sei jedoch nicht zu rechnen. Ebenso müssten sowohl zukünftige
Rentenanpassungen als auch Regelleistungserhöhungen unberücksichtigt bleiben, weil diese noch nicht feststünden und sie sich
zudem voraussichtlich aufheben würden. Selbst wenn von einer Bruttorente von 553,74 EUR auszugehen wäre, ergäbe sich ein Nettobetrag
von unter 500 EUR, der unter den bisherigen SGB II-Leistungsbewilligungen liege. Der Umstand, dass der Monat Januar 2011 hinsichtlich seiner Berücksichtigungsfähigkeit für
die Rente noch nicht abschließend geklärt sei, könne dahinstehen, weil sich daraus keine gravierende Änderung des monatlichen
Zahlbetrages ergebe. Die Feststellung, sie habe voraussichtlich auch bei einem regulären Rentenbezug einen ergänzenden SGB XII-Hilfebedarf, sei daher nicht zu beanstanden. Dies gelte auch, wenn man berücksichtige, dass sich bei Eigenheimbesitzern -
wie der Antragstellerin - die Aufwendungen für die Unterkunft zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschließend feststellen ließen.
Weil in den letzten drei Kalenderjahren monatlich durchschnittlich höhere KdU-Leistungen angefallen seien, sei auch zukünftig
mit entsprechenden Kosten zu rechnen, die Prognose der künftig geringeren KdU-Aufwendungen werde nicht geteilt. Auch bei einem
ergänzenden Bezug von Leistungen nach dem SGB XII sei das Eigenheim der Antragstellerin gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII geschützt, soweit es sich um ein angemessenes, selbstbewohntes Hausgrundstück handele. Entgegen den Ausführungen der Antragstellerin
zu Art.
1 Abs.
1 bzw. Art.
14 Grundgesetz (
GG) bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Soweit zwischenzeitlich der 1. Dezember 2014 bereits verstrichen sei, mache
dies die Aufforderung nicht rechtswidrig. Insoweit habe der Antragsgegner zutreffend auf die ihm mögliche ersatzweise Vornahme
der Antragstellung (§ 5 Abs. 3 SGB II) hingewiesen. Im Übrigen könne sie immer noch umgehend den Rentenantrag stellen.
Gegen den ihr am 14. Januar 2015 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 12. Februar 2015 Beschwerde eingelegt.
Zu deren Begründung hat sie vorgetragen, die Anhörung könne nicht als nachgeholt gelten, da sie das Schreiben des Antragsgegners
erst am 27. November 2014 erhalten habe, jedoch bereits bis zum 1. Dezember den Rentenantrag habe stellen müssen. Nach Ablauf
der Frist müsse sie den Bescheid nicht mehr befolgen. Mit der Zwangsverrentung würden ihr 8,7 % ihrer Lebensleistung aberkannt.
Dies erachte sie als Enteignung. Zugleich werde sie zum Bittsteller auf Sozialhilfe degradiert. Das SG habe nicht berücksichtigt, dass die Vermögensfreibeträge bei einem Leistungsbezug nach dem SGB XII geringer seien als diejenigen für SGB II-Leistungsberechtigte. Dies sei eine weitere Enteignung. Sie rechne nach Erhalt der Jahresabrechnung der Heizkosten im März
2015 mit einer weiteren Absenkung der monatlichen Vorauszahlungen wegen der gefallenen Ölpreise. Zudem hätten sich auch die
Beiträge zur Krankenversicherung verringert.
Die Antragstellerin beantragt schriftlich sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Dessau vom 12. Januar 2015 aufzuheben, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen
den Bescheid des Antragsgegners vom 21. Oktober 2014 anzuordnen, und dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung
vorläufig zu untersagen, für sie beim zuständigen Rentenversicherungsträger die vorzeitige Altersrente zu beantragen.
Der Antragsgegner beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er bezieht sich auf die Ausführungen im angegriffenen Beschluss. Der Verfahrensfehler der mangelnden Anhörung sei durch die
Nachholung im Widerspruchsverfahren nach § 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) geheilt. Die Antragstellerin habe dem angegriffenen Bescheid alle für die Verwaltungsentscheidung maßgeblichen Tatsachen
entnehmen und sich umfassend äußern können. Er habe das ihm zustehende Ermessen den gesetzlichen Grenzen entsprechend ausgeübt
und eingehalten. Die geringere Höhe der vorgezogenen Altersrente sei kein gesondert zu berücksichtigender Aspekt. Zwar sei
die Anwartschaft auf eine Altersrente eine durch Art.
14 Abs.
1 GG geschützte Vermögensposition. Diese werde jedoch durch die gesetzlichen Regelung in § 12a SGB II, die das dem SGB II immanente Prinzip der Subsidiarität umsetze, eingeschränkt. Die Pflicht, vor der Inanspruchnahme steuerfinanzierter Transferleistungen
zunächst Eigenmittel in Form von Einkommen oder Vermögen einzusetzen, sei eine dem Gemeinwohl dienende Schranke, die dem Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit entspreche. Dies werde vom BSG nicht beanstandet (Urteil vom 28. Oktober 2009, Az.: B 14 AS 64/08 R, juris RN 23 ff.; Urteil vom 11. Dezember 2013, Az.: B 4 AS 29/12 R, juris RN 31). Auch die fehlende Möglichkeit, Rentenanwartschaften zukünftig noch erhöhen zu können, stellen keinen Verstoß
gegen Art.
14 GG dar. Der Umstand, dass die zu erwartende Rente mit Abschlägen versehen sei, treffe jeden Versicherten, der ab dem 63. Lebensjahr
die Altersrente vorzeitig in Anspruch nehme. Auch diese Regelung sei mit dem
Grundgesetz vereinbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge
des Antragsgegners ergänzend Bezug genommen. Die genannten Unterlagen waren Gegenstand der Beratung des Senats.
II.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG ist zulässig iSv §
172 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG). Der Beschwerdeausschluss nach §
172 Abs.
3 iVm §
144 Abs.
1 SGG greift nicht, weil der angegriffene Bescheid des Antragsgegners keine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf
gerichteten Verwaltungsakt betrifft. Zudem handelt es sich nicht um einen Erstattungsstreit iSv §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht den Antrag der Antragstellerin abgelehnt. Sie hat keinen Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres
gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 21. Oktober 2014 eingelegten Widerspruchs. Nach §
86b Abs.
1 Nr.
2 SGG kann das Gericht auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben,
die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Vorliegend hat der Widerspruch gegen den Bescheid des Antragsgegners
mit der Aufforderung zur vorzeitigen Beantragung der Altersrente gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 4 iVm § 39 Abs. 1 Nr. 3 SGB II keine aufschiebende Wirkung. Die Voraussetzungen für deren Anordnung liegen nicht vor, denn es bestehen keine ernsthaften
Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids.
Im Rahmen der Entscheidung über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hat das Gericht das öffentliche Interesse
am sofortigen Vollzug des Verwaltungsakts und das private Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung gegeneinander
abzuwägen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Gesetz mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in § 39 SGB II dem öffentlichen Interesse am sofortigen Vollzug grundsätzlich dem Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub
der Vollziehung eingeräumt hat. Bei der Abwägung sind neben den Folgen der Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutz auch die
Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Vorliegend bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit
des angegriffenen Bescheids vom 21. Oktober 2014, sodass das private Interesse der Antragstellerin an der Außervollzugsetzung
das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung nicht überwiegt.
Der Senat verweist insoweit zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des SG im angegriffenen Beschluss, denen er sich nach eigener Prüfung anschließt (§142 Abs. 2 S. 3
SGG), und sieht insoweit von einer Begründung ab. Auch die im Beschwerdeverfahren von der Antragstellerin weiter vorgebrachten
Gründe rechtfertigen keine andere Entscheidung: Entgegen ihrer Auffassung ist die zunächst vor Erlass des Bescheids vom 21.
Oktober 2014 unterlassene Anhörung (§ 24 SGB X) im Verlauf des noch anhängigen Widerspruchsverfahrens mit dem Anhörungsschreiben vom 21. November 2014 nachgeholt worden.
Der angefochtene Bescheid selbst enthält alle Tatsachen, auf die es nach der Rechtsansicht des Antragsgegners für seine Entscheidung
objektiv ankam, die Antragstellerin hatte daher im Widerspruchsverfahren hinreichend Gelegenheit, sich zu den für die Entscheidung
maßgeblichen Tatsachen zu äußern. Hierauf ist sie zudem mit dem Anhörungsschreiben nochmals hingewiesen worden. Insoweit ist
der anfängliche Verfahrensfehler durch die Äußerungsmöglichkeiten der Antragstellerin im Widerspruchsverfahren geheilt worden
(§ 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X).
Der Bescheid vom 21. Oktober 2014 mit der neuerlichen Aufforderung zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente ist nach
summarischer Prüfung nicht zu beanstanden. Gemäß § 12a Satz 1 SGB II sind Leistungsberechtigte verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen
Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich
ist. Nach Satz 2 der Vorschrift sind Leistungsberechtigte nicht verpflichtet, vor Vollendung des 63. Lebensjahrs eine Rente
wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen. Nach § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II können die Leistungsträger, wenn die Leistungsberechtigten trotz Aufforderung einen erforderlichen Antrag auf Leistungen
eines anderen Trägers nicht stellen, den Antrag stellen sowie Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einlegen. Damit beinhaltet §
12a Satz 1 SGB II eine Konkretisierung von § 3 Abs. 3 Satz 1 SGB II. Danach werden SGB II-Leistungen nur erbracht, soweit die Bedürftigkeit nicht anderweitig beseitigt werden kann. Nach § 2 Abs. 1 SGB II müssen erwerbsfähige Leistungsberechtigte alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit im
Sinne des SGB II ausschöpfen. Nach § 2 Abs. 2 SGB II haben sie in eigener Verantwortung alle Möglichkeiten zu nutzen, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu
bestreiten. Dazu gehört auch die Inanspruchnahme von im Laufe des Erwerbslebens erarbeiteten Rentenversicherungsanwartschaften.
Nach Vollendung des 63. Lebensjahres muss die Rente ausnahmsweise nur dann nicht vorzeitig in Anspruch genommen werden, wenn
dies eine "Unbilligkeit" im Sinne der Unbilligkeitsverordnung darstellt. Hiernach ist die Verpflichtung zur Inanspruchnahme
der vorzeitigen Altersrente nach Vollendung des 63. Lebensjahrs der Grundsatz und die Freistellung von dieser Pflicht wegen
Unbilligkeit die Ausnahme. Die Antragstellerin hat bereits am 23. Juli 2014 ihr 63. Lebensjahr vollendet und ist grundsätzlich
zur vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente verpflichtet.
Der Antragsgegner hat im angegriffenen Aufforderungsbescheid das ihm eingeräumte Ermessen erkannt und zutreffend ausgeübt,
insbesondere hat er umfangreiche und zutreffende Erwägungen angestellt. Er hat insbesondere den Bedarf der Antragstellerin
sowie die voraussichtliche Höhe der Altersrente bei regulärer und bei vorzeitiger Inanspruchnahme ermittelt und ausgehend
von diesen Werten - unter Beachtung der Besonderheiten des Einzelfalls - entschieden, dass die Aufforderung im Fall der Antragstellerin
nicht unbillig ist.
Die Ausnahmetatbestände der Unbilligkeitsverordnung (§§ 1 bis 5) greifen nicht ein. Insbesondere ist die Prognoseentscheidung
des Antragsgegners hinsichtlich der Vermittlungsmöglichkeiten der Antragstellerin in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis
nicht zu beanstanden. Eine über die in der Unbilligkeitsverordnung genannten Sachverhalte hinausgehende Unbilligkeit hat der
Antragsgegner zu Recht verneint. Eine solche ist nicht gegeben, weil auch bei regulärer Altersrentenantragstellung zum 1.
Januar 2017 voraussichtlich eine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB XII nicht vermieden werden kann, weitere Gesichtspunkte, die für eine Unbilligkeit im Einzelfall sprechen könnten, nicht vorliegen
und aus Sicht des Senats auch keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen.
Auch bei einem regulären Eintritt in die Altersrente im Januar 2017 ist voraussichtlich ein ergänzender Hilfebedarf, der durch
den Bezug von Leistungen nach dem SGB XII zu decken sein wird, nicht zu vermeiden. Zutreffend hat das SG ausgeführt, dass der durchschnittliche monatliche Leistungsbetrag der letzte Jahre deutlich über der zu erwartenden Nettorentenzahlung
liegt. Weder der geminderte noch der reguläre Altersrentenbetrag wird demzufolge ausreichen, um den Bedarf der Antragstellerin
zu decken. Sie wird auf ergänzende Sozialleistungen angewiesen sein.
Die Notwendigkeit von ergänzenden Sozialhilfeleistungen begründet jedoch keine Unbilligkeit. Soweit die Antragstellerin ausführt,
im Sozialhilferecht sei ein Eigenheim nicht geschützt, ist ihr die Regelung von § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII entgegenzuhalten. Danach darf eine Sozialhilfegewährung nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder von der Verwertung
eines angemessenen Hausgrundstücks, das vom Antragsteller bewohnt wird. Anhaltspunkte dafür, dass das von der Antragstellerin
bewohnte Eigenheim nicht als angemessenes Hausgrundstück anzusehen sein könnte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Mangels
konkreter Angaben zu Größe, Zuschnitt, Ausstattung und Wert des Anwesens ist (weiterhin) von dessen Angemessenheit auszugehen.
Soweit die Antragstellerin auf die geringeren Vermögensfreigrenzen nach dem SGB XII verweist, ist dieser Einwand dem Grunde nach zutreffend. Gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII sind nur kleinere Barbeträge und sonstige Geldwerte nicht einzusetzen. Dabei handelt es sich regelmäßig um einen Betrag von
2.600 EUR gemäß § 1 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII. Da die Antragstellerin jedoch nicht dargelegt hat, wie hoch derzeit ihr als Schonvermögen anrechnungsfreies Geldvermögen
ist, kann nicht beurteilt werden, ob sich für sie bei einem vorzeitigen Renteneintritt und gleichzeitigem Bezug von ergänzenden
Sozialhilfeleistungen eine Verpflichtung zum Einsatz übersteigenden Vermögens ergeben wird. Insoweit kann dahinstehen, ob
die geringere Vermögensfreigrenze im SGB XII zur Unbilligkeit der vorzeitigen Rentenantragstellung führt.
Schließlich ist mit der Aufforderung zur vorzeitigen Rentenantragstellung auch keine Verletzung verfassungsrechtlich geschützter
Rechte verbunden. Nach der dem zugrunde liegenden gesetzlichen Systematik ist die Einschränkung des Dispositionsrechts der
Antragstellerin, den Zeitpunkt ihrer Rentenantragstellung frei zu wählen, verfassungsrechtlich hinreichend gerechtfertigt
und stellt mithin keinen unzulässigen Eingriff in ihre allgemeine Handlungsfreiheit dar. Insoweit ist der gesetzlich normierte
Grundsatz der Nachrangigkeit von Sozialleistungen und die Obliegenheit zur Selbsthilfe nach den §§ 3 Abs. 1, 5, 7 Abs. 1 Nr. 3, 9 SGB II die konkrete Rechtfertigung des Eingriffs.
Auch wenn das Anwartschaftsrecht auf eine Altersrente eine durch Art.
14 Abs.
1 GG geschützte vermögenswerte Rechtsposition ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 16. Juli 1985, Az.: 1 BvL 5/80 u.a., juris), hat die Antragstellerin als Bezieherin von Sozialleistungen die Verpflichtung, vorrangig ihr Vermögen zur Bestreitung
des eigenen Lebensunterhalts einzusetzen. Insoweit sind ihre Rentenanwartschaften Vermögenswerte, die sie durch den (vorzeitigen)
Rentenantrag aktivieren kann. Das Eigentumsrecht ist jedoch nicht verletzt, wenn grundsicherungsrechtlich eine Verwertung
von Vermögensgegenständen gefordert wird (vgl. zur Verwertung eines Lebensversicherungsguthabens: BSG, Urteil vom 11. Dezember 2013, Az.: B 4 AS 29/12 R, juris). Insoweit gebietet es das der Grundsicherung immanente Prinzip der Subsidiarität, zunächst Eigenmittel in Anspruch
zu nehmen. Diese Verpflichtung gehört zu den verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Grundsätzen bei der Inanspruchnahme
von steuerfinanzierten Transferleistungen, die vom BVerfG im Hinblick auf den weiten Spielraum des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung
von Sozialleistungen gebilligt worden sind (BVerfG, Beschluss vom 8. November 2011, Az.: 1 BvR 2007/11, juris).
Dem entsprechend stellt auch die bei einem vorzeitigen Altersrentenbeginn wegfallende Möglichkeit, Altersrentenanwartschaften
noch zu erhöhen, keinen Verstoß gegen Art.
14 GG dar. Es handelt sich um eine zulässige Schrankenbestimmung, die dem Gemeinwohl dient und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
entspricht (vgl. BSG, Urteil vom 28. Oktober 2009, Az.: B 14 AS 64/08 R, juris).
Schließlich führt auch der Umstand, dass das vom Antragsgegner im Bescheid genannte Datum für die Stellung des Rentenantrags
genannte Datum (1. Dezember 2014) bereits abgelaufen ist, weder zur Unwirksamkeit noch zur Rechtswidrigkeit des angegriffenen
Bescheids. Eine Erledigung und damit Unwirksamkeit des Bescheids iSv § 39 Abs. 2 SGB X ist nicht eingetreten, weil das genannte Datum bei Erlass des Bescheids lediglich ein Beispiel zur Erläuterung des Begriffs
der "umgehenden Rentenantragstellung" sein sollte. Ersichtlich war das genannte Datum nicht als Wirksamkeitsvoraussetzung
für den Aufforderungsbescheid gemeint. Das mit dem Bescheid der Antragstellerin abverlangte Verhalten der vorzeitigen Rentenantragstellung"
ist auch nach der Beschwerdeentscheidung des Senats noch möglich.
Da nach den vorstehenden Ausführungen der angegriffene Aufforderungsbescheid aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist, besteht
auch kein Grund, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, anstelle der Antragstellerin den geforderten
Antrag zu Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente bei der DRV zu stellen, soweit diese auch nach der Zugang des Beschlusses
des Senats der Aufforderung nicht nachkommt.
Die Beschwerde der Antragstellerin war daher insgesamt zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.