Arbeitslosengeld II - Unterkunft und Heizung - Einpersonenhaushalt im Landkreis Börde in Sachsen-Anhalt - Angemessenheitsprüfung
- schlüssiges Konzept - Vergleichsraumbildung - Datenerhebung und -auswertung - Repräsentativität
Tatbestand
Umstritten sind allein die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) für den Monat März 2014, nachdem die Beteiligten in der
mündlichen Verhandlung vom 30. Januar 2019 vor dem Bundessozialgericht (BSG) einen entsprechenden Unterwerfungsvergleich für die Monate Oktober 2013 bis Februar 2014 sowie April bis September 2014
abgeschlossen hatten.
Der 1964 geborene Kläger bezieht seit Januar 2005 vom Beklagten Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten
Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II).
Er bewohnte eine 68,4 qm große, zentral mit Gas beheizte Zwei-Zimmer-Wohnung. Das Warmwasser bereitete er mit einem Elektroboiler.
Hierfür hatte er ab 1. Januar 2014 eine Grundmiete in Höhe von 318 €/Monat, eine Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 61
€/Monat und eine Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 33 €/Monat (zusammen 412 €/Monat) zu zahlen. Für einen Stellplatz waren
12,50 €/Monat fällig.
Bereits mit Schreiben vom 7. Dezember 2004 hatte der Beklagte den Kläger darauf hingewiesen, dass die KdUH unangemessen hoch
seien. Die tatsächlichen KdUH würden längstens für sechs Monate anerkannt. Die Absenkung der Leistungen für die KdUH erfolgte
ab Juli 2005. Weitere Hinweise auf die Unangemessenheit der KdUH erfolgten durch Übersendung des Merkblatts vom 20. März 2013,
das der Kläger unterzeichnete. Die angemessene monatliche Bruttokaltmiete betrage 271,50 €/Monat. Die unangemessenen Kosten
würden nur bis 30. September 2013 übernommen.
Zum 1. März 2013 war die am 20. Februar 2013 auf der Homepage des Landkreises B veröffentlichte „Sechste Änderung der Richtlinie
1/2008 über die Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung bei der Hilfe zum Lebensunterhalt, der Grundsicherung
im Alter und bei Erwerbsminderung und bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Unterkunftsrichtlinie)" in Kraft getreten.
Mit Bescheid vom 10. Oktober 2013 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 29. November 2013 und vom 19. Dezember 2013 bewilligte
der Beklagte dem Kläger vorläufig Leistungen nach dem SGB II u.a. für März 2014. Die KdUH übernahm er in Höhe von 304,50 €/Monat. Die Vorläufigkeit begründete der Beklagte mit der fehlenden
Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2012.
Unter dem 20. November 2013 legte der Kläger dagegen Widerspruch ein. Die KdUH würden in zu geringer Höhe übernommen. Es fehle
auch der Mehrbedarf für die Kosten der Warmwasserbereitung.
Mit Änderungsbescheid vom 18. März 2014 bewilligte der Beklagte dem Kläger endgültig Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für die Wassererwärmung in Höhe von 8,99 €/Monat u.a. für März 2014.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18. März 2014 wies der Beklagte den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Die KdUH seien
monatlich nur in Höhe einer angemessenen Grundmiete von 217,50 €, kalter Betriebskosten in Höhe von 54 € sowie Heizkosten
in Höhe von maximal 79 € angemessen. Die Heizkosten seien in voller Höhe gewährt worden.
Mit der am 17. April 2014 beim Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage hat der Kläger sein Ziel der Übernahme der KdUH in
tatsächlicher Höhe weiterverfolgt (S 7 AS 1304/14). Er hat das Konzept des Beklagten für unschlüssig gehalten. Er habe sich im Ort und in der näheren Umgebung nach Wohnraum
umgeschaut. In seinem Wohngebiet gehöre seine Wohnung schon zu den kleineren Zwei-Zimmer-Wohnungen. Die Ein-Zimmer-Wohnungen
seien vollständig vermietet und praktisch nicht frei anmietbar. Es bestehe eine längere Warteliste. In der Nähe befinde sich
das Wohngebiet H2. Die Grundrisse der Wohnungen seien ähnlich wie in H1, die Nebenkosten jedoch höher.
Mit Urteil vom 2. Mai 2017 hat das Sozialgericht den Beklagten unter Abänderung der entgegenstehenden Bescheide u.a. verurteilt,
dem Kläger für März 2014 weitere 107,50 €/Monat zu gewähren. Im Wesentlichen hat es zur Begründung ausgeführt, es sei ein
Bedarf des Klägers für die KdUH in Höhe von 412 €/Monat zu berücksichtigen, da das vom Beklagten vorgelegte Konzept unschlüssig
sei.
Gegen das ihm am 29. Mai 2017 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 8. Juni 2017 Berufung eingelegt und sein Konzept verteidigt.
Der Senat hat mit Urteil vom 24. April 2018 das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 2. Mai 2017 aufgehoben und die Klage
abgewiesen. Er hat den Landkreis B. in 13 Vergleichsräume aufgeteilt und auf dieser Grundlage das Konzept als schlüssig erachtet
( L 5 AS 408/17 ).
Auf die vom Kläger eingelegte Revision hat das BSG mit Urteil vom 30. Januar 2019 (B 14 AS 24/18 R) die Entscheidung aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Die Gerichte seien
nicht zur eigenen Festlegung eines Vergleichsraums befugt. Ein Konzept mit mehreren Wohnungsmarkttypen und unterschiedlichen
Angemessenheitswerten in einem Vergleichsraum sei nicht schlüssig. Dem Beklagten sei Gelegenheit zu Nachermittlungen zum Vergleichsraum
und zur Erstellung eines schlüssigen Konzepts zu geben.
Der Beklagte hat die „Korrektur des Konzepts zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft 2012 sowie 2014 (Fortschreibung)“ sowie
das dort in Bezug genommene „Konzept zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft“ - Bericht vom 31. Mai 2017 zu den Akten gereicht.
Der Landkreis sei nunmehr in drei Vergleichsräume (VR) H, M und O aufzuteilen. Diese entsprächen den vom Bundesinstitut für
Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) in der Regionalplanung gebildeten Mittelbereichen. Der Wohnort des Klägers gehöre zum
Vergleichsraum M. Nach dem Konzept beträgt die angemessene Bruttokaltmiete für die Wohnung des Klägers 264 €/Monat.
Der Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Magdeburg vom 2. Mai 2017 die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Berufung zurückzuweisen
Er bezieht sich u.a. auf eine Auskunft der Bundesagentur für Arbeit, Statistik-Service Ost. Im hier streitgegenständlichen
Zeitraum habe danach der Anteil der Bedarfsgemeinschaften mit teilweise nicht anerkannten Bedarfen für die KdU 35,3% betragen.
Daraus könne nur der Schluss gezogen werden, dass das Konzept zur Ermittlung angemessenen Wohnkosten nicht richtig sein könne,
da in dem Preisrahmen der KdU-Richtiinie schlicht nicht ausreichend Wohnraum zur Verfügung gestanden habe. Dies gelte auch
für das nachträglich gefertigte Konzept.
Die Nachfrage des Senats betreffend das nachgebesserte Konzept hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 29. März 2021 beantwortet
und eine Stellungnahme der Firma A vom 26. März 2021 vorgelegt.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Der Senat hat ferner die der Mietwerterhebung der Firma A zu Grunde liegenden Rohdaten als pdf-Datei beigezogen. Wegen der
weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der
Verwaltungsakten ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte in der mündlichen Verhandlung vom 15. April 2021 eine Entscheidung über den Rechtsstreit treffen. Der Kläger
und seine Prozessbevollmächtigten sind in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden. Letztere haben ausdrücklich
dieser Option im Schriftsatz vom 14. April 2021 zugestimmt.
I.
Die Berufung ist form- und fristgerecht nach §
151 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) eingelegt worden und zulässig. Das Sozialgericht hat die Berufung nach §
144 Abs.
2 SGG zugelassen. Daran ist der Senat gebunden (§
144 Abs.
3 SGG).
II.
Die Berufung des Beklagten ist begründet. Er war berechtigt, im März 2014 die Aufwendungen für die Bruttokaltmiete nur in
der bewilligten Höhe zu gewähren.
1.
Die Beteiligten haben zulässigerweise den Streitgegenstand auf die KdUH im Monat März 2014 begrenzt (vgl. BSG, Urteil vom 6. April 2011, B 4 AS 119/10 R [32], Juris m.w.N.).
2.
Der Kläger ist Berechtigter i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB II gewesen. Er hatte das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze von § 7a noch nicht erreicht, hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland, war erwerbsfähig und hilfebedürftig.
Er verfügte über kein bedarfsdeckendes Einkommen oder ein die Hilfebedürftigkeit ausschließendes Vermögen.
3.
Der Kläger hatte im Monat März 2014 keinen Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen Bruttokaltmiete in voller Höhe.
Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.
Soweit die Aufwendungen den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach § 22 Abs. 2 Satz 3 SGB II als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten
oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.
Der unbestimmte Rechtsbegriff der Angemessenheit i.S.v. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist unter Zugrundelegung der sog. Produkttheorie zu ermitteln. Dabei ist die Prüfung der Bedarfe für Unterkunft und der für
die Heizung grundsätzlich getrennt vorzunehmen. Dies gilt ungeachtet der Wirtschaftlichkeitsprüfung bei Kostensenkungsaufforderungen
(§ 22 Abs. 1 S. 4 SGB II) und der nach dem streitigen Zeitraum eingeführten Gesamtangemessenheitsgrenze nach § 22 Abs. 10 SGB II (dazu und zum folgenden: BSG, Urteil vom 30. Januar 2019, B 14 AS 11/18 R; Urteil vom 3. September 2020, B 14 AS 40/19 R, Juris). In einem ersten Schritt sind die abstrakt angemessenen Aufwendungen für die Bruttokaltmiete festzulegen. Dabei
muss das Produkt aus Wohnfläche und -standard eine insgesamt angemessene Wohnungsmiete ("Referenzmiete") ergeben (vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 2009, B 4 AS 30/08 R, [13], Juris). Der Quadratmeterpreis für entsprechende Wohnungen und die angemessene Wohnungsgröße ergibt die angemessene
Miete. In einem zweiten Schritt ist die konkrete (= subjektive) Angemessenheit der Aufwendungen, insbesondere im Hinblick
auf die Zumutbarkeit notwendiger Einsparungen einschließlich eines Umzugs, zu prüfen. Abschließend ist zu klären, ob der Leistungsberechtigte
eine abstrakt angemessene Wohnung hätte anmieten können (vgl. dazu etwa BSG, Urteil vom 17. September 2020, B 4 AS 22/20 R [23], Juris).
a.
Die für eine Absenkung der KdUH vorgeschriebene Kostensenkungsaufforderung mit Fristsetzung ist ordnungsgemäß erfolgt. Bereits
mit Schreiben vom 7. Dezember 2004 war der Kläger unter Hinweis auf die aus Sicht des Beklagten angemessenen KdUH auf die
Unangemessenheit der tatsächlichen Kosten hingewiesen worden. Es folgte die weitere Kostensenkungsaufforderung in dem Merkblatt
vom 20. März 2013. Der Kläger erhielt Gelegenheit, die Kosten bis 30. September 2013 zu senken bzw. Eigenbemühungen nachzuweisen.
Dies geschah nicht.
Die Kostensenkungsaufforderungen sind inhaltlich nicht zu beanstanden. Notwendig ist nur die Benennung des aus Sicht des Beklagten
für angemessen gehaltenen Höchstmietpreises (BSG, Urteil vom 1. Juni 2010, B 4 AS 78/09 R [15], Juris). Es ist also an dieser Stelle nicht entscheidend, ob der genannte Höchstpreis nach einem Konzept ermittelt
wurde, das schon seinerzeit schlüssig war.
Die im September 2019 erfolgte Korrektur des Konzepts stellt kein unzulässiges Nachschieben von Gründen für das Kostensenkungsverfahren
dar; vielmehr hat der Beklagte die seinerzeit gewonnenen Erkenntnisse lediglich anders bewertet (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010, B 14 AS 65/09 R [28], Juris). Ein Nachschieben von Gründen mag dann unzulässig sein, wenn zunächst noch gar kein Konzept existierte (vgl.
BSG, Urteil vom 30. Januar 2019, B 14 AS 11/18 R [33], Juris). Dies ist vorliegend nicht der Fall, denn die ursprüngliche Richtlinie basierte auf dem Konzept der Firma
Firma A vom Februar 2013. Eine in unzulässiger Weise beeinträchtigte oder erschwerte Rechtsverteidigung des Klägers ist darin
ebenfalls nicht zu sehen. Er hatte Gelegenheit, sich im Berufungsverfahren zu dem neuen Konzept zu äußern.
b.
Bei der Bestimmung der angemessenen KdUH hat der Beklagte zu Recht auf eine Wohnfläche von 50 qm für den Ein-Personen-Haushalt
abgestellt.
Zur Bestimmung der angemessenen Größe ist im Land Sachsen-Anhalt auf die Wohnungsbauförderungsbestimmungen (RdErl. des Ministeriums
für Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen [MRS] vom 23. Februar 1993, MBl. LSA Nr. 27/1993, S. 1281) und die dazu erlassenen
Richtlinien zurückzugreifen (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 9. Mai 2012, L 5 AS 2/09 [37 f.]; vgl. auch BSG, Urteil vom 14. Februar 2013, B 14 AS 61/12 R [21], Juris).
Eine Erhöhung der abstrakt angemessenen Wohnfläche kommt hier nicht in Betracht. Nur objektive Umstände wie zum Beispiel Rollstuhlpflichtigkeit
oder die Notwendigkeit der angemessenen Wahrnehmung des Umgangsrechts mit Kindern können eine Abweichung von der als angemessen
anzusehenden Wohnfläche rechtfertigen (vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 2012, B 4 AS 44/12 R [14]; Urteil vom 16. April 2013, B 14 AS 28/12 R [29], Juris; § 22b Abs. 3 SGB II zum möglichen Inhalt von Satzungen). Der Kläger hat keine Gründe vorgetragen, die eine Erhöhung der Wohnfläche rechtfertigen
könnten. Die Größe der Wohnung lag demnach um 18,4 qm über der Angemessenheitsgrenze.
c.
Der Begriff der „Angemessenheit“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Dies
gilt auch für dessen Konkretisierung durch die Verwaltung (BSG, Urteil vom 30. Januar 2019, B 14 AS 24/18 R [17, 25], Juris). Allerdings ist die gerichtliche Überprüfung auf eine nachvollziehende Kontrolle im Sinne einer Verfahrenskontrolle
beschränkt (BSG, Urteil vom 30. Januar 2019, B 14 AS 24/18 R [26], Juris).
Die gerichtliche Verpflichtung zur Amtsermittlung ist begrenzt durch die Mitwirkungslast der Beteiligten. Eine ins Einzelne
gehende Überprüfung bestimmter Detailfragen - wie etwa Einzelheiten der Repräsentativität und Validität der erhobenen Daten
- verlangt, dass fundierte Einwände erhoben werden. Diese müssen insbesondere über ein bloßes Bestreiten der Stimmigkeit der
Daten hinausgehen, oder aber auf eine Verletzung der in § 22c SGB II für eine Satzungsregelung enthaltenen Vorgaben hindeuten (BSG, Urteil vom 17. September 2020, B 4 AS 22/20 R [30], Juris).
Der Kläger hat weder im Ausgangsverfahren noch im wieder eröffneten Berufungsverfahren fundierte Einwände zur Datenerhebung
und -auswertung erhoben. Daher hatte der Senat über die nachvollziehende Verfahrenskontrolle hinaus keine ins Einzelne gehende
Überprüfung bestimmter Detailfragen vorzunehmen.
d.
Die Bestimmung von drei VR im Landkreis in der Korrektur 2019 ist nachvollziehbar und nicht zu beanstanden.
Beim maßgeblichen örtlichen VR handelt es sich nach der Rechtsprechung des BSG um „ausgehend vom Wohnort der Leistungsberechtigten ausreichend große Räume der Wohnbebauung aufgrund räumlicher Nähe, mit
zusammenhängender Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit, die insgesamt betrachtet einen homogenen
Lebens- und Wohnbereich darstellen“ (BSG, Urteil vom 30. Januar 2019, B 14 AS 24/18 R [22]).
a.a.
Entsprechend der gesetzlichen Vorgaben in § 22b Abs. 1 Satz I SGB II ist zunächst das Zuständigkeitsgebiet eines Jobcenters ein Vergleichsraum. Dieser kann indes - aufgrund örtlicher Gegebenheiten
- in mehrere VR zu unterteilen sein, für die jeweils eigene Angemessenheitswerte bestimmt werden können. Dabei ist zu vermeiden,
(allzu) kleinteilige VR zu bilden (BSG, Urteil vom 30. Januar 2019, B 14 AS 24/18 R [22,33]).
Es ist nicht als zwingend anzusehen, den Landkreis B als Ganzes als einheitlichen, homogenen Lebensraum zu betrachten. Es
ist daher nicht zu beanstanden, dass der Beklagte ausgehend von der Korrektur 2019 drei VR entsprechend den Mittelzentren
und den Verflechtungsbereichen im Landkreis sowie dem Stadt-Umland-Bereich der Stadt M gebildet hat. Die angewendeten Maßstäbe
sind in sich schlüssig und nachvollziehbar.
Die für eine Unterscheidung maßgeblichen Kriterien wie räumliche Nähe, infrastrukturelle Verbundenheit und ausreichend große
Räume der Wohnbebauung können anhand der Kriterien für die sog. Verflechtungsbereiche abgebildet werden. Die drei VR entsprechen
den vom BBSR definierten Mittelbereichen für die umliegenden Gemeinden. Es handelt sich dabei um die Verflechtungsbereiche
um ein Mittelzentrum herum im Hinblick auf Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, der Infrastrukturen und Einrichtungen
der Daseinsvorsorge sowie der beruflichen Mobilität für die politische Regionalplanung. Für das Land Sachsen-Anhalt sind die
Mittelzentren im Landesentwicklungsplan 2010 (LEP 2010) bestimmt worden. Im Rahmen der Raumordnung sind sog. Zentrale Orte als Versorgungskerne für die Gemeinden ihres Einzugsbereichs
zur Sicherung der Daseinsvorsorge definiert worden (LEP 2010, Punkt 2.1, Z. 24). Dies gewährleistet, dass in allen Landesteilen ein räumlich ausgeglichenes und gestuftes Netz an
Ober-, Mittel- und Grundzentren besteht (LEP 2010, Punkt 2.1, Z. 27). Ein Mittelzentrum soll i.d.R. in 30 Minuten mit dem Pkw und in 60 Minuten mit dem Öffentlichen Personennahverkehr
(ÖPNV) erreichbar sein (LEP 2010, Punkt 2.1, Z. 35). Zu den in der Landesplanung definierten Mittelzentren des Landkreises B gehören H und O (LEP 2010, Punkt 2.1, Z. 37). Das Umland M (bestehend aus den Gemeinden W1, B1, B2, B3, W2 und S) bildet einen engeren Stadt-Umland-Bereich
der Stadt M (vgl. LEP 2010 Z 9). Die Städte W1 und W2 haben zudem eine besondere Bedeutung für die Versorgung im ländlichen Raum und waren bis
1999 nach damaligem Gebietszuschnitt Grundzentren mit Teilfunktion eines Mittelzentrums (LEP 2010 G 17).
Insoweit besteht keine Differenz der definierten Mittelbereiche und Verflechtungsbereiche zu der VR-Bestimmung des Beklagten.
Nach dem Korrekturbericht von Firma A von September 2019 ist auch die Erreichbarkeit der jeweiligen Mittelzentren mit dem
Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) gegeben. So ist die Stadt W2 als Grundzentrum festgelegt worden, weil es in der Regel
in 15 Minuten mit dem PKW erreichbar ist (LEP 2010 Z 39). Nach den Feststellungen des Beklagten betragen die PKW-Fahrzeiten 15 bis 24 Minuten nach W2 bzw. zwischen 7 und
24 Minuten zur Stadt W1.
c.c.
Bedenken hinsichtlich der Neubestimmung des VR Umland M gegenüber dem früheren Wohnungsmarkttyp I ergeben sich auch nicht
aus den daraus folgenden, niedrigeren Angemessenheitswerten. Denn die Ermittlung der Angemessenheitswerte für Wohnkosten hat
nicht nach dem Günstigkeitsprinzip zu erfolgen und soll nicht den Leistungsberechtigten eine höchstmögliche Miete zukommen
zu lassen. Die Ermittlung von Angemessenheitswerten hat nämlich auch den Zweck, grundsicherungsrechtlich induzierte Mietpreissteigerungen
zu verhindern. Das System des schlüssigen Konzepts hat somit auch eine begrenzende Wirkung (BSG, Urteil vom 17. September 2020, B 4 AS 22/20 R [33]). Deshalb sind für die Definition eines VR die Miethöhen auf dem festzulegenden örtlichen Wohnungsmarkt kein maßgebliches
Kriterium.
e.
Die Mietwerterhebung aus dem Jahr 2012 in der Fassung der Korrektur aus September 2019 beruht für den hier streitigen Zeitraum
auf einem schlüssigen Konzept.
Dieses soll gewährleisten, dass die aktuellen Verhältnisse des Mietwohnungsmarkts im VR für die Angemessenheitsgrenze zugrunde
gelegt werden. Die Grundsicherungsträger können im Rahmen der Methodenfreiheit ein Konzept zur empirischen Ableitung der angemessenen
Bruttokaltmiete wählen. Auch nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll eine „Vielfalt an Konzepten“ zur Festsetzung der angemessenen
Bedarfe für Unterkunft und Heizung möglich sein (vgl. BT-Drs. 17/3404, S. 101 zur Satzung nach § 22b SGB II). Es kann also verschiedene Methoden geben, ein solches Konzept zu erstellen. Jedoch müssen bestimmte methodische Voraussetzungen
erfüllt und nachvollziehbar sein. Erforderlich ist insbesondere eine nachvollziehbare Definition der untersuchten Wohnungen
nach Größe und Standard.
Angaben über die Art und Weise der Datenerhebung.
Angaben über den Zeitraum, auf den sich die Datenerhebung bezieht.
Repräsentativität und Validität der Datenerhebung.
Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze bei der Datenauswertung.
Vermeidung von Brennpunkten durch soziale Segregation.
Eine Begründung, in der die Ermittlung der Angemessenheit aus den Daten dargelegt wird (BSG, Urteil vom 3. September 2020, B 14 AS 34/19 R [19]).
Das Konzept des Beklagten ist als Verwaltungsgutachten und somit als Urkundenbeweis eine geeignete Entscheidungsgrundlage.
Denn es erscheint überzeugend und es ist im gerichtlichen Verfahren nicht schlüssig infrage gestellt worden (BSG, Urteil vom 3. September 2020, B 14 AS 34/19 R [24]). Der Beklagte hat die Beanstandungen des ursprünglichen Konzepts aus dem Jahr 2013 durch die Nachbesserung im September
2019 ausgeräumt. Dies ermöglicht dem erkennenden Senat die Überzeugungsbildung von der Schlüssigkeit des Inhalts des Konzepts.
Die zur Ermittlung der angemessenen Kosten gewählten Methoden sind plausibel. Es lässt sich nicht feststellen, dass die Datenerhebungen
und -auswertungen der Firma A „unschlüssig“, also willkürlich oder widersprüchlich wären oder auf fehlerhaften Prämissen beruhten.
Ein Verstoß gegen die vom BSG aufgestellten verallgemeinerbaren und entwicklungsoffenen Grundsätze ist nicht erkennbar.
a.a.
Den Gegenstand der Beobachtung hat die Firma A im Einzelnen nachvollziehbar definiert. Es wurden zunächst Daten aus dem gesamten
Landkreis B zugrunde gelegt. Die Datenerhebung der Bestandsmieten erfolgte in der Zeit von April bis September 2012 (Bericht
2013, S. 12), die der Angebotsmieten im Zeitraum von Januar bis Juli 2012 (Bericht 2013, S. 28). Als Neuvertragsmieten wurden
die bis zu neun Monate vor dem Erhebungsstichtag tatsächlich realisierten Mietverträge gewählt. Die Metadaten wurden unabhängig
vom Erhebungsdatum in Einklang mit den Hinweisen zur Erstellung von Mietspiegeln des BBSR jeweils zum Stichtag 1. Juli 2012
erhoben (Bericht 2013, S. 12).
Dass der Beklagte - anders als andere Grundsicherungsträger - für die Erhebung der Netto-kalt-Bestandsmieten keine Datensätze
des Jobcenters über die Leistungsberechtigten herangezogen hat, ist insoweit nicht schädlich. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers
sollen die Leistungsträger unter verschiedenen Datenerhebungen und -auswertungen sowie Erhebungen Dritter einzeln oder kombiniert
entscheiden können. Dabei sollen sowohl neue Vertrags- als auch Bestandsmieten einfließen (§ 22 c Abs. 1 SGB II), was aber auch nicht zwingend ist (BSG, Urteil vom 17. September 2020, B 4 AS 22/20 R [32]). Dies ist hier erfolgt, die Einbeziehung weiterer Datenerhebungen war nicht erforderlich.
b.b.
Die Art und Weise der Datenerhebung in den VR ist hinreichend deutlich von Firma A dargestellt worden und stößt nicht auf
Bedenken.
Die Mietwerterhebung für den Landkreis B im Jahr 2012 basierte auf einer umfangreichen Vermieterbefragung. Im ersten Schritt
wurden von Firma A die größeren Vermieter und Verwalter angeschrieben. Es konnten insbesondere die großen Wohnungsunternehmen
für die Erhebung gewonnen werden. Für die Mieten kleinerer Vermieter wurden die Adressdaten des Eigenbetriebes Abfallentsorgung
Landkreis B genutzt. Es wurden diejenigen Adressen herausgefiltert, für die schon Mietdaten zur Verfügung standen. Insgesamt
wurden etwa 2.300 kleinere Vermieter angeschrieben. Es wurden dabei u.a. folgende Daten erhoben: Datum des Mietvertragsbeginns,
Datum der letzten Mietänderung, Wohnungsgröße, Netto-Kaltmiete, Vorauszahlungsbetrag der kalten Betriebskosten, Enthalten
die kalten Betriebskosten Wasserkosten?, Heiz- und Warmwasserkosten (Vorauszahlungsbetrag), Beinhalten die Heizkosten die
Kosten zur Erstellung von Warmwasser?
Für die Angebotsmieten (745 nach der Extremwertkappung, davon Umland M390) wurden folgende Quellen ausgewertet: Immoscout
24, Immonet, Immowelt (jeweils Internet-Immobiliensuch-Portale), örtliche Tagespresse, Anzeigenblätter, Internetseiten der
großen Wohnungsanbieter im Kreisgebiet (Bericht 2013, S. 23).
Um die Angebotsmieten zu verifizieren, wurden die Bestandmieten zusätzlich danach ausgewertet, welche Mieten bis zu neun Monate
vor dem Erhebungsstichtag als Neuvertragsmieten (631 nach der Extremwertkappung) realisiert wurden (Korrekturbericht 2019,
S. 24).
c.c.
Der Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten für den hier maßgeblichen VR Umland M liegt eine Datenerhebung zugrunde,
die in diesem VR stattgefunden und die sich auch über den gesamten Vergleichsraum erstreckt hat.
Es hat ein somit breites Spektrum an Mietwohnungen in die Datenerhebung Eingang gefunden. Wohnraum, der keinen Aufschluss
über die örtlichen Gegebenheiten gibt, ist unberücksichtigt geblieben.
Firma A hatte hierfür zunächst im Landkreis B relevante Mietdaten flächendeckend erhoben. Diese trug sie in eine Liste ein
(Rohdaten), die die Spalten „Kommune“, „Wohnfläche“, „NKM/qm“, „Wohnungsgrößenklasse“ „Wohnungsmarkttyp“ und „Neuvertrag“
umfasste. Aus diesen Rohdaten lassen sich die in den einzelnen o.g. neu definierten Vergleichsräumen ermittelten Daten bestimmen.
Dass die Bruttokaltmiete als Beobachtungsgegenstand der Datenerhebung gewählt wurde, ist nicht zu beanstanden (BSG, Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R [31]; Beschluss vom 2. April 2014, B 4 AS 17/14 B [6], Juris).
Zum relevanten Bestand für die Mietwerterhebungen gehörten neben frei finanzierten Mietwohnungen auch solche, die öffentlichen
Mietpreisbindungen unterliegen (Sozialwohnungen). In nicht zu beanstandender Weise wurden Wohnungen herausgenommen, die das
Ergebnis der Mietwertermittlung verfälschen könnten. Von den insgesamt im Landkreis B 7.673 erhobenen Mietwerten fielen 518
Mietverhältnisse durch die sog. Filterfragen weg. Weitere 83 Ausschlüsse ergaben sich aufgrund unvollständig ausgefüllter
Fragebögen und 10 mit unplausiblen Werten (Bericht 2013, S. 14). Dabei blieb Wohnraum, der keinen Aufschluss über die örtlichen
Gegebenheiten gibt, unberücksichtigt. So wurden keine Wohnungen mit Substandard (ohne Bad und Sammelheizung) oder im Luxussegment
(z.B. mit Sauna) einbezogen. Ebenfalls nicht in die Datenerhebung aufgenommen wurden Wohnungen mit weniger als 30 qm. Nicht
berücksichtigt wurden ferner Wohnungen in Wohn- und Pflegeheimen, gewerbliche oder teilgewerblich genutzte Wohnungen (mit
Gewerbemietvertrag), mietpreisreduzierte Wohnungen sowie Wohnungen zu Freundschaftsmieten und auch möblierte Wohnungen. Dieses
Vorgehen der Selektion ist nicht zu beanstanden. Die Beschreibungen im Fragenkatalog waren insoweit eindeutig.
d.d.
Auch war der Umfang der erhobenen Daten ausreichend repräsentativ. Der Senat hat zunächst keine Zweifel an der vollständigen
Erfassung der statistischen Werte.
Insgesamt ist im Landkreis B von einem Mietwohnungsbestand von ca. 55.300 in Zwei- und Mehrfamilienhäusern (einschließlich
der von Eigentümern bewohnten Wohnungen) eine Datengrundlage von 7.673 vor der Extremwertkappung; von 6.626 Mietwerten nach
der Extremwertkappung - wobei 7.062 vollgültige Mietwerte ermittelt worden waren - gebildet worden (Korrekturbericht 2019,
S. 22).
Auf den VR Umland M entfielen dabei 3.408 relevante (Bestands-)Mietwerte, was einem Anteil am relevanten Mietbestand von ca.
25% entspricht (Korrekturbericht 2019, Seite 23). Es wäre im Übrigen entgegen einer in der Rechtsprechung verbreiteten Auffassung
nicht erforderlich gewesen, mindestens 10% des Gesamtdatenbestands des in Betracht zu ziehenden Wohnungsmarkts zugrunde zu
legen. Eine solche generelle Anforderung an ein schlüssiges Konzept lässt sich nicht herleiten (BSG, Urteil vom 3. September 2020, B 14 AS 34/19 R [21], Juris).
Für die Auswertung der Bestandsmieten sind die Mietdaten auf die Nettokaltmiete pro Quadratmeter umgerechnet und den drei
VR in Tabellenraster mit fünf unterschiedlichen Wohnungsgrößen zugeordnet worden. Diese Vorgehensweise ist methodisch nicht
zu beanstanden. Insgesamt sind für jedes Tabellenfeld der relevanten Wohnungsgrößen im VR Umland M mindestens 153 Mietwerte
erhoben worden (Korrekturbericht 2019, S. 23, Tab. 4). Auf die Größenklasse für eine Person entfielen 962 Datensätze.
Ob die erhobenen Daten proportional von institutionellen Vermietern und sog. „Klein- oder Privatvermietern“ stammen, bedarf
mangels fundierter Einwendungen des Klägers keiner näheren Untersuchung.
Nach Mitteilung von Firma A vom 26. März 2021 stammen 10,95 % der Daten im Landkreis von Privatvermietern; im VR Umland M
sind es 10,46 %. Es begegnet jedoch keinen Bedenken, die Erhebungen dennoch als Datengrundlage heranzuziehen. Es ist nicht
allgemeinkundig, dass die Vermietereigenschaft ein relevanter mietpreisbestimmender Faktor wäre. Der Gesetzgeber hat für die
Erstellung eines Mietspiegels in §
558 BGB abschließend die mietpreisrelevanten Wohnmerkmale bestimmt: Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage einer Wohnung
(vgl. Börstinghaus/Clar, Mietspiegel - Aufstellung und Anwendung, 2. Aufl., Seite 47). Auch in den „Hinweisen zur Erstellung
von Mietspiegeln“ des BBSR (Stand 2002, S. 16, 40 f) ist ausdrücklich angeführt, dass eine Datenbeschaffung durch Rückgriff
auf die am Ort vertretenen Wohnungsunternehmen möglich ist, aber verknüpft werden kann mit Erhebungen über von kleineren Anbietern
gehaltenen Beständen. Den Hinweisen lässt sich gerade nicht entnehmen, dass eine proportionale Berücksichtigung von Daten
institutioneller und Kleinvermieter sein muss.
Es ist nicht davon auszugehen, dass Wohnungen von institutionellen Vermietern im Allgemeinen günstiger angeboten würden. Der
Senat hat keinerlei Erkenntnisse dafür, dass deren Wohnungsbestand hinsichtlich der mietpreisbildenden Kriterien von dem Gesamtmietbestand
- grundsätzlich - nach unten abweicht. Mangels Einwände des Klägers auf diesbezügliche Mängel der Repräsentativität hatte
der Senat der Frage auch nicht weiter nachzugehen (vgl. BSG, 17. September 2020, B 4 AS 11/20 R [24], Juris).
e.e.
Die gewonnenen Daten wurden nach den VR getrennt aufgelistet und in der Folge ausgewertet. Diese Auswertung der Daten ist
schlüssig und unter Beachtung mathematisch-statistischer Grundsätze erfolgt.
Die Basis für die Auswertung bildet ein Tabellenraster, das die in Sachsen-Anhalt geltenden Wohnflächengrenzen in den VR erfasst.
Für die Auswertung der Bestandsmieten sind zur Erstellung einer einheitlichen Datenbasis die Mietdaten auf die Nettokaltmiete
pro Quadratmeter umgerechnet und die Mieten den jeweiligen Wohnungsgrößenklassen im Tabellenraster zugeordnet worden. Diese
Vorgehensweise ist methodisch nicht zu beanstanden.
Beanstandungsfrei sind auch die Daten im Wege der Extremwertkappung bereinigt und so besonders hohe Werte für die Bestimmung
des Nettokaltmietpreises herausgenommen worden. Diese Extremwertkappung ist eine wissenschaftlich anerkannte statistische
Methode (vgl. v. Malottki, Schlüssiges Konzept und Statistik, info also, 99, 104). Sie wurde auf Basis des 95%-Konfidenzintervalls
über alle mietwerterhebungsrelevanten Mieten vorgenommen. Die Repräsentativität wird hierdurch nicht beeinflusst, denn es
wurden nur 436 von 7.062 Werten ausgenommen, mithin nur 6,1% (Korrekturbericht 2019, S. 22).
Da die Datenerhebung über alle Wohnungsbestände mit einfachem, mittlerem und gehobenem Wohnungsstandard erfolgte, war noch
eine Ableitung für das einfache Wohnungssegment vorzunehmen.
Die erhobenen Angebotsmieten wurden dabei berücksichtigt unter Anwendung eines iterativen Annäherungsverfahrens. Dies ist
ein geeignetes Mittel um festzustellen, ob mit dem ermittelten Angemessenheitswert auch Wohnungen tatsächlich angemietet werden
können (BSG, Urteil vom 3. September 2020, B 14 AS 34/19 R [27]. Juris).
Dabei wurde geprüft, wie hoch der Anteil der angebotenen Wohnungen sein muss, um eine ausreichende Versorgung der Nachfragergruppen
im Marktsegment des einfachen Wohnungsstandards sicherzustellen. Dabei handelt es sich um Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II und dem SGB XII, Wohngeldbezieher sowie sonstige Nachfragergruppen wie Geringverdiener (Korrekturbericht 2019, S. 26). Dem wurden die erhobenen
Angebotsmieten innerhalb des vorläufig ermittelten Richtwerts gegenübergestellt. Deren Einbeziehung war zur Wahrung der Aktualität
der Daten erforderlich, da auch ältere Bestandsmieten erhoben wurden. Die so erfassten Angebotsmieten wurden den Perzentilgrenzen
angenähert und nochmals in Beziehung zu den Neuvertragsmieten gesetzt (Korrekturbericht 2019, Tab. 10; Stellungnahme von vom
26. März 2021, Abb. 1-6).
Als Nachfragerperzentil ermittelte Firma A für den VR Umland M 35% für Ein-Personen-Haushalte. Um die Qualität der Angebotsmieten
beurteilen zu können, wurden die Bestandsmieten zusätzlich danach ausgewertet, welche Mieten bis zu neun Monaten vor dem Erhebungsstichtag
als Neuvertragsmieten tatsächlich realisiert werden konnten. Hierzu wurden die im VR Umland M ermittelten 334 Neuvertragsmieten
herangezogen (vgl. Korrekturbericht, 2019, S. 24).
f.f.
Für eine Gefahr der sozialen Segretation innerhalb des VR Umland M gibt es keinen Anhaltspunkt. Zwar wurden die Datensätze
der Bestandsmieten anonymisiert, weshalb Angaben zur konkreten Lage der erfassen Wohnungen im VR fehlen. Jedoch sind Kennzeichen
von großen Wohnblocks eine identische Größe und hohe Anzahl der einzelnen Wohnungsklassen. In den vorliegenden Rohdaten finden
sich neben gleich großen Wohnungen auch eine Vielzahl solcher, die hiervon signifikante Unterschiede aufweisen.
g.g.
Im Korrekturbericht 2019 wird auf der Grundlage der dargestellten Berechnungsschritte im Einzelnen die Ermittlung der Angemessenheitswerte
dargestellt. Dem Gericht ist es anhand des Konzepts möglich gewesen, die Überlegungen von der Datenerhebung bis zum Ergebnis
eines angemessenen Mietpreises nachzuvollziehen.
Soweit der Kläger die Schlüssigkeit des Konzepts deswegen bezweifelt, weil nach einer Auskunft der Bundesagentur für Arbeit,
Statistik-Service Ost, der Anteil der Bedarfsgemeinschaften mit teilweise nicht anerkannten Bedarfen für die KdU 35,3% betrage,
folgt der Senat dieser Ansicht nicht. Die in Bezug genommene Statistik trifft keine Aussage über die Gründe der nur unvollständig
übernommenen KdU. Eine Wohnung kann unangemessen teuer sein, weil sie - wie hier - zu groß ist. Auch der Standard der Wohnung
kann nach oben abweichend vom Leistungsberechtigten gewählt worden sein. Entgegen der Ansicht des Klägers lässt sich deswegen
nicht der einzige Schluss aus der o.g. Statistik ziehen, dass die vom Beklagten ermittelten Mietwerte nicht angemessen seien.
f.
Zur Festlegung der Bruttokaltmiete waren neben der Nettokaltmiete noch die Betriebskosten zu ermitteln. Auch hier wendete
Firma A anerkannte mathematisch-statistische Grundsätze an.
a.a.
Die Ermittlung des Quadratmeterpreises erfolgte auf der Basis der konkret erfassten Wohnungen aus den Bestandsmieten und nicht
abstrakt anhand der maximalen zulässigen Wohnungsgröße des jeweiligen Tabellenfelds. Nach dem Korrekturbericht aus 2019 wurden
die ermittelten Betriebskosten zusätzlich einer Günstigkeitsberechnung auf den höheren Wert aus einem Jobcenter-Datensatz
unterzogen (Tab. 7, 8, S. 25).
b.b.
Das Abstellen auf den Durchschnitt der Abschlagszahlungen für die Betriebskosten begegnet keinen Bedenken. Die ermittelten
Werte wurden im gesamten Wohnungsmarkt erhoben. Für die kalten Betriebskosten ist es zulässig, wie hier auf die Durchschnittswerte
aus allen Mietverhältnissen zurückzugreifen. (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010, B 14 AS 50/10 R [34]; Urteil vom 22. August 2012, B 14 AS 13/12 R [27], Urteil vom 17. September 2020, B 4 AS 22/20 R [41], beide Juris). Da es sich hierbei um eine Günstigkeitsprüfung handelt, war es auch nicht erforderlich zu ermitteln,
ob diese Datensätze des Beklagten Wohnungen des unteren Segments betreffen (anders: BSG, Urteil vom 17. September 2020, B 4 AS 22/20 R [41], Juris für den Fall, dass nicht festgestellt ist, ob die Bestandsdaten von einem repräsentativen Datensatz oder von
Wohnungen des einfachen Standards stammen).
c.c.
Der Auswertung kann auch nicht entgegengehalten werden, dass nur die Vorauszahlungen der Betriebskosten erfasst worden sind,
nicht dagegen die Betriebskostenabrechnungen. In der Regel werden die Vorauszahlungen den tatsächlichen Gegebenheiten angepasst.
Steigen die Kosten, werden auch die Vorauszahlungen höher festgesetzt und umgekehrt. In der Gesamtheit der Datenerhebung spiegeln
diese mithin realistische Werte wider.
d.d.
Desgleichen ist die Extremwertkappung auf Basis eines 95 %-Konfidenzintervalls nicht zu beanstanden (Bericht5 2013, S. 25).
4.
Ein Fall einer vorübergehenden oder dauerhaften subjektiven Unzumutbarkeit eines Umzugs oder einer Kostensenkung lässt sich
nicht feststellen. Dies würde zwar nicht zur Angemessenheit der tatsächlichen Mietkosten führen, könnte jedoch eine Verlängerung
der Frist für eine Kostensenkung erforderlich machen (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009, B 4 AS 530/08 R [32], Juris). Die Darlegungslast für eine fehlende Möglichkeit und/oder die Unzumutbarkeit der geforderten Kostensenkung
liegt beim Leistungsberechtigten. Nur bei schlüssiger Darlegung vergeblicher Suchaktivitäten liegt die Beweislast für eine
zumutbare Kostensenkung bei der Behörde. Es müssen daher stets Einwände zur Unmöglichkeit eines Wohnungswechsels vorgebracht
werden (BSG, Urteil vom 19. März 2008, B 4 AS 43/06 R [15], Urteil vom 13. April 2011, B 14 AS 32/09 R [13], Juris).
a.
Gründe dafür, dass die Regelfrist von sechs Monaten unzureichend gewesen und eine abweichende Festlegung der Kostensenkungsfrist
erforderlich gewesen wäre, sind nicht ersichtlich. Der Kläger hat jedoch bis zuletzt nicht einmal behauptet, in der gesetzten
Frist von sechs Monaten - oder danach - trotz intensiver Suche keine andere Wohnung gefunden zu haben. Soweit er darauf abstellt,
die Wohnungen seien alle ungefähr gleich groß gewesen, bedeutet dies nicht, dass keine preiswerte Wohnung anmietbar war. Auch
der Einwand, er zahle wegen der Lage der jetzigen Wohnung wenig Heizkosten, ist kein erhebliches Argument, denn die Gesamtangemessenheitsgrenze
liegt über den Werten der KdU-Richtlinie des Beklagten einschließlich der Heizkosten. Es liegt daher kein Fall der subjektiven
Unzumutbarkeit einer Kostensenkung vor.
b.
Es kann dahinstehen, ob eine subjektive Unzumutbarkeit der Kostensenkung auch im Hinblick auf eine Gesamtangemessenheitsgrenze
begründet werden kann. Denn auch eine solche Prüfung hätte keine Auswirkungen für den Leistungsanspruch. Die abstrakt für
eine angemessene Unterkunft im Vergleichsraum zu zahlende Bruttowarmmiete hätte deutlich unter den tatsächlichen Gesamtaufwendungen
der Kläger gelegen.
Es ist in § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II zu prüfen, ob die ermittelten angemessenen Aufwendungen im Vergleich mit den tatsächlichen Aufwendungen, insbesondere im
Hinblick auf die Zumutbarkeit notwendiger Einsparungen einschließlich eines Umzugs, konkret angemessen sind. Dies gilt sowohl
für eine zu hohe Bruttokaltmiete als auch für zu hohe Heizkosten (BSG, Urteil vom 12. Juni 2013, B 14 AS 60/12 R [30], Juris). Ein Wohnungswechsel ist unzumutbar, wenn in einer alternativ zu beziehenden Wohnung insgesamt keine höheren
Brutto-Warmkosten als bisher anfielen. Soweit die tatsächlichen Gesamtaufwendungen die Vergleichskosten nicht übersteigen,
sind Kostensenkungsmaßnahmen nicht zumutbar. Übersteigen jedoch die tatsächlichen Gesamtkosten die Vergleichswerte, ist eine
Kostensenkung durch Wohnungswechsel im Grundsatz zumutbar (BSG, Urteil vom 12. Juni 2013, B 14 AS 60/12 R [33], Juris).
a.a.
Die tatsächlichen Gesamtkosten betrugen hier 412 €. Der angemessene Vergleichswert (unter Berücksichtigung der Heizkosten
nach dem zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides gültigen Bundesweiten Heizkostenspiegels 2013) hätte 339 €
im März 2014 betragen. Er hätte deutlich unter den tatsächlichen Mietkosten gelegen und führt daher nicht zur Unzumutbarkeit
von Kostensenkungen.
b.b.
Der Beklagte war auch nicht im Wege der Ermessensausübung verpflichtet, wegen des Wirtschaftlichkeitsvergleichs der gesamten
Bruttowarmkosten zu prüfen, ob von einer Kostensenkungsaufforderung abzusehen ist (§ 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II).
Zum einen ist § 22 Abs. 10 SGB X, der eine Gesamtangemessenheitsgrenze ausdrücklich regelt, erst zum 1. August 2016 in Kraft getreten. Zum anderen geht das
Konzept des Beklagten ausdrücklich nicht von einer Gesamtangemessenheitsgrenze aus (BSG, Urteil vom 17. September 2020, B 4 AS 11/20 R [27]).
5.
Die Heizkosten hat der Beklagte in der geschuldeten Höhe übernommen. Gesondert zu zahlende Stromkosten für den Betrieb der
Heizung fielen nicht an. Diese waren in den Heizkostenabrechnungen enthalten.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen. Die Frage der Anforderungen an ein schlüssiges Konzept beruht auf einer ständigen Rechtsprechung
des BSG.