Bewilligung von Leistungen der Sozialen Pflegeversicherung nach einer bestimmten Pflegestufe
Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Rückstufung von Pflegestufe III auf Pflegestufe II
Auswertung von Gutachten und ärztlichen Befunden im Hinblick auf eine objektive wesentliche Änderung des Pflegebedarfs des
Betroffenen
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte dem Kläger zu Recht Leistungen nach der Pflegestufe III nach dem
Elften Buch Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung (
SGB XI) ab dem 1. März 2011 entzogen und nur noch nach der Pflegestufe II bewilligt hat.
Der am ... 1939 geborene Kläger ist bei der Beklagten pflegeversichert. Er ist als schwer behinderter Mensch mit einem Grad
der Behinderung von 100 sowie den Merkzeichen B, RF, aG und H anerkannt. Bei dem Kläger bestanden 2010 und 2011 ein Zustand
nach Knochentuberkulose mit Entfernung des linken Kniegelenks, Verkürzung des linken Beines um 21 cm sowie starker Fehlbildung
des linken Fußes, Arthrose mit Knickfußbildung des rechten Fußes, Zustand nach Clavikulafraktur rechts mit Arthrose beider
Schultergelenke, Cox- und Gonarthrose, degenerative Wirbelsäulenveränderungen mit chronischem cervikalen Schmerzsyndrom, periphere
arterielle Verschlusskrankheit, tuberkuloses Spätsyndrom, Zustand nach mehreren Magen-ulcera, Eisenmangelanämie, Osteoporose,
Epilepsie, starke Sehschwäche, Innenohrschwerhörigkeit beidseits sowie Zustand nach Alkoholabusus.
Der Kläger hatte von der Beklagten seit Mai 2008 Leistungen nach der Pflegestufe I und ab Februar 2009 nach der Pflegestufe
II bezogen.
Er hatte am 2. Dezember 2009 einen Antrag auf Höherstufung mittels eines Formulars der Firma S. gestellt. Die bei dieser Firma
beschäftigte Frau R. hatte in einem - dem Antrag nicht beigefügten - Privatgutachten vom 16. Dezember 2009 einen Gesamtpflegebedarf
von 317 min/Tag im Bereich der Grundpflege (Körperpflege 147 min, Ernährung 59 min, Mobilität 111 min) angenommen.
Die Beklagte hatte die Pflegefachkraft H. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt e.V. (MDK) das Gutachten
vom 12. Januar 2010 erstatten lassen. Anamnestisch sei seit mehreren Monaten ein rapider körperlicher Abbau und eine deutliche
Verschlechterung der Mobilität eingetreten. Die als Hilfsmittel verordneten zwei Unterarmgehstützen seien unbenutzt (anders
als noch im Gutachten des MDK vom 25. Februar 2009). Der Gutachter hatte einen deutlich reduzierten Kräftezustand beschrieben.
Der Kläger liege am Tag meist auf dem Sofa im Wohnzimmer. Als Schädigungen/Beeinträchtigungen der Aktivitäten/Ressourcen im
Bereich der oberen und unteren Extremitäten nannte der Gutachter: Der Positionswechsel sei allein nicht möglich, Hilfe sei
beim Lagewechsel im Bett und auf dem Sofa, beim Ein- und Ausstieg des Bettes und bei Transfers notwendig. Das Sitzen sei ohne
Einschränkungen möglich, das Stehen nur kurz und mit Hilfsperson. Ein Hand-/Fußkontakt sei beidseits nicht möglich; beide
Hände erreichten nur die Mitte der Unterschenkel. Der Nackenschürzengriff sei beidseits nicht möglich; beide Hände erreichten
nur die Stirn und die Nierenflanken. Der Faustschluss sei beidseits komplett, die grobe Kraft beidseits fehle. Die Greiffunktion
sei beidseits erhalten bei gestörter Feinmotorik. Es bestehe zeitweise ein Tremor beider Hände. Die deutliche Gangstörung
erlaube nur ein bis zwei Schritte in der Wohnung mittels Hilfsperson, ansonsten werde der Rollstuhl genutzt. Als Pflegebegründende
Diagnosen hatte der Gutachter genannt: Senilität und sonstige erworbene Deformitäten der Extremitäten. Der Zeitaufwand für
die Grundpflege betrage 245 min täglich (Körperpflege 95 min, Ernährung 76 min, Mobilität 74 min). Im Bereich der Körperpflege
bestehe ein Hilfebedarf in Form der vollen Übernahme aller Einzelverrichtungen. Die Körperpflege im Bad am Waschbecken sowie
das Duschen einschließlich Haare waschen, Zahnprothesen- und Mundpflege werde vollständig von der Ehefrau übernommen. Im Bereich
der Ernährung bestehe ebenfalls ein Hilfebedarf in Form der vollen Übernahme aller Verrichtungen. Der Kläger kaue sehr langsam.
Im Bereich der Mobilität seien Hilfen beim Lagewechsel im Bett und auf dem Sofa, dem Kleiden einschließlich an- und ablegen
von Wirbelsäulen- und Kniebandage, im Rollstuhl zur Körperpflege, zur Toilette und zu Tisch fahren einschließlich Hilfe bei
Transfers hierzu notwendig.
Die Beklagte hatte mit Bescheid vom 21. Januar 2010 Leistungen nach der Pflegestufe III ab 1. Dezember 2009 bewilligt.
Am 7. Dezember 2010 ging bei dieser eine anonyme Anzeige an. Danach benötige der Kläger lediglich Krücken und begleite die
Ehefrau bei allen Behördengängen. Auf den Rollstuhl sei er nicht angewiesen.
Die Beklagte ließ daraufhin die externe Gutachterin. S. für den MDK das Gutachten vom 27. Januar 2011 erstatten. Zur aktuellen
Anamnese wurde ausgeführt: Der Allgemeinzustand habe sich nicht gebessert, Krampfanfälle träten wöchentlich bis alle zehn
Tage auf. Der Kläger benötige rund um die Uhr Hilfe bei allen relevanten Verrichtungen. Die Gutachterin nannte bei den Schädigungen/Beeinträchtigungen
im Bereich der oberen und unteren Extremitäten (abweichend zum Vorgutachter): die grobe Kraft der Hände sei beidseits gemindert,
der Händedruck aber wenig abgeschwächt und bei der Verabschiedung normal. Hinsichtlich der erhaltenen Greiffunktion mit gestörter
Feinmotorik bestehe ein wechselnder Zustand. Der angegebene zeitweise Tremor der Hände sei zu keiner Zeit erkennbar gewesen,
jedoch bei Demonstration des Trinkens aus einer Schnabeltasse. Die übrigen Funktionsbeschreibungen decken sich mit der Beschreibung
im Gutachten vom 11. Januar 2010. Als pflegebegründende Diagnosen nannte die Gutachterin neben den bereits bekannten noch
Mobilitätsminderung und Verdacht auf Polyneuropathie. Der Zeitaufwand für die Grundpflege betrage 200 min täglich (Körperpflege
110 min, Ernährung 48 min, Mobilität 42 min). Im Bereich der Körperpflege sei eine Verbesserung zum Vorgutachten eingetreten.
Bei ausreichender Handkraft beidseits sei die Mithilfe des Klägers möglich, auch durch Aktivität der oberen, weniger aber
der unteren Extremitäten. Im Bereich der Ernährung sei ebenfalls eine Verbesserung eingetreten. Brote könnten überwiegend
selbstständig gegessen und Getränke mit Schnabeltasse teilweise selbstständig eingenommen werden. Im Bereich der Mobilität
sei eine Verbesserung durch aktive Mithilfe der oberen Extremitäten möglich. Insgesamt seien hinsichtlich Handkraft und Beweglichkeit,
besonders bei den oberen Extremitäten, verbesserte Mobilitätsmöglichkeiten festzustellen. Der klägerische Hilfebedarf sei
etwas rückläufig und entspreche seit Januar 2011 der Pflegestufe II.
Nach Anhörung des Klägers unter dem 1. Februar 2011 legte die Beklagte mit Bescheid vom 17. Februar 2011 die Leistungen ab
dem 1. März 2009 neu fest und hob den Bescheid vom 21. Januar 2010 gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) auf. Der Pflegeumfang habe sich wesentlich verändert und die Voraussetzungen der Pflegestufe III lägen nicht mehr vor.
In dem dagegen gerichteten Widerspruch machte der Kläger vielfältige Einwände gegen das Gutachten vom 27. Januar 2011 geltend.
Die Beklagte holte daraufhin ein weiteres Gutachten der externen Pflegefachkraft N. für den MDK vom 25. Mai 2011 ein. Anwesend
war auch Frau R. Zur aktuellen Anamnese war ausgeführt: Im Dezember 2010 sei ein stationärer Aufenthalt wegen einer Phimose
und im Februar 2011 wegen eines Suizidversuchs erfolgt. Der Kläger benötige rund um die Uhr Hilfe bei den pflegerelevanten
Verrichtungen. Der Gutachter verwendete bei der Beschreibung der Schädigungen/Beeinträchtigungen im Bereich der oberen und
unteren Extremitäten praktisch wortgleich die Ausführungen im Gutachten vom 27. Januar 2011. Als pflegebegründende Diagnosen
nannte er: Sonstige Arthrose, Gelenkkontraktur. Der Zeitaufwand für die Grundpflege betrage 167min täglich (Körperpflege 85
min, Ernährung 48 min, Mobilität 34 min). Im Bereich der Körperpflege liege ein wechselnder Zustand des Klägers vor. Es bestehe
ein Hilfebedarf beim Toilettengang, Intimhygiene und Vorlagenwechsel. Im Bereich der Ernährung liege häufig ein ausgeprägter
Tremor vor und Unterstützung bei der Nahrungsaufnahme sei notwendig. Im Bereich der Mobilität erwähnt er, der Kläger könne
allein am Bettrand sitzen und ein Rollstuhltransfer sei notwendig. Der klägerische Hilfebedarf entspreche seit Januar 2011
der Pflegestufe II. Durch die gelaufene Physiotherapie könne der Kläger jetzt besser mithelfen und der Tremor sei nicht mehr
so ausgeprägt.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 2011 als unbegründet zurück. Der Hilfebedarf im Grundpflegebereich
habe sich gegenüber der Begutachtung von 11. Januar 2010 von 245 min auf 200 bzw. 167 min reduziert. Die Verringerung des
Hilfebedarfs wirke sich pflegestufenrelevant aus. Daher sei die Rückstufung die Pflegestufe II zum 1. März 2011 nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X gerechtfertigt.
Dagegen hat der Kläger am 19. Juli 2011 Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau erhoben, diese jedoch nicht begründet.
Das Sozialgericht hat zunächst Befundberichte eingeholt. Der Facharzt für Augenheilkunde DM M. hat am 26. Oktober 2011 von
Blindheit des Klägers berichtet. Die Fachärztin für HNO-Heilkunde/Allergologie Dr. K. hat am 9. November 2011 eine Hörverschlechterung
seit Anfang 2011 und einen häufigeren Schwindel seit Mitte 2010 angegeben. De Fachärztin für Orthopädie Dr. K. hat unter dem
9. November 2011 eine deutliche kontinuierliche Verschlechterung seit 2004 mit ab 2009 erheblich eingeschränktem Gehen und
Rollstuhlpflicht ab 2010/2011 angegeben. Laufen sei auch mit den Hilfsmitteln nicht mehr möglich; der Kläger könne auch nicht
allein aus dem Rollstuhl aufstehen.
Das Sozialgericht hat sodann die Pflegefachkraft U. das Gutachten vom 22. Januar 2012 nach Untersuchung des Klägers am 14.
Januar 2012 erstatten lassen. Die Sachverständige hat - unter teilweiser Abweichung von dem Katalog der pflegerelevanten Verrichtungen
- einen Zeitaufwand für die Grundpflege von 208 min täglich ermittelt (Körperpflege 142 min, Ernährung 39 min, Mobilität 27
min). Zur Begründung der Zeiteinschätzung hat sie jeweils "Bewegungsdefizite" genannt. Zum Gutachten des MDK vom 11. Januar
2010 hat sie ausgeführt: Dieses sei nicht ganz plausibel und nachvollziehbar. Statt Teilhilfe beim Stuhlgang wäre mangels
Schürzengriff voller Hilfebedarf angezeigt gewesen. Bei erhaltener Greiffunktion der Hände mit zeitweisem Tremor hätte eine
Teilhilfe bei der Nahrungsaufnahme ausgereicht. Diese habe während der aktuellen Begutachtung nur 10 min gedauert. Die Zeit
beim Gehen sei wegen der kurzen Wegstrecken in der Wohnung zu hoch angenommen worden. Die ermittelte Zeit beim Transfer sei
nicht nachvollziehbar.
In der mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits hat der Kläger eine Stellungnahme der Frau R. vom 13. März 2012 zur Begutachtung
von 14. Januar 2012 vorgelegt.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 18. April 2012 abgewiesen. Die Herabstufung der Pflegestufe sei rechtmäßig
gemäß § 48 SGB X. Es sei eine Reduzierung des Pflegebedarfs im tatsächlichen Bereich festzustellen. Die gesundheitliche Situation habe sich
zum Teil geändert. Durch die Physiotherapie sei es dem Kläger besser möglich mitzuhelfen. Nach der Gutachterin. S. bestehe
beidseits ausreichende Handkraft und es sei durch Aktivität der oberen Extremitäten nunmehr eine Mithilfe möglich. Auch die
Sachverständige U. habe nachvollziehbar dargelegt, dass die Greiffunktion der Hände bei zeitweisem Tremor erhalten sei.
Gegen das ihm am 27. April 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, dem 29. Mai 2012 Berufung eingelegt. Zur Begründung
hat er vorgetragen: im Gutachten des MDK vom 27. Januar 2011 seien die pflegebegründenden Diagnosen nicht vollständig berücksichtigt
worden. Durch das verminderte Sehvermögen lägen auch pflegeerschwerende Umstände vor. Aus dem Umstand, dass er seine Ehefrau
im Jahr 2010 zum Jobcenter begleitet habe, lasse sich keine Verbesserung des Gesundheitszustands entnehmen. Der Hilfebedarf
für die Grundpflege habe für März 2011 nach eigenen Ermittlungen 317 min täglich betragen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 18. April 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 17. Februar 2011 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juni 2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Während des Berufungsverfahrens ist eine weitere Begutachtung durch die Pflegefachkraft Z. für den MDK am 5. Oktober 2012
erfolgt. Grundlage ist eine Beschwerde vom 24. August 2008 gewesen. Der Kläger hat mittlerweile im März 2012 einen Schlaganfall
erlitten. Der Zeitaufwand für die Grundpflege betrage 178 min täglich (Körperpflege 98 min, Ernährung 63 min, Mobilität 17
min).
Der Senat hat eine Auskunft des Jobcenter D.-R. vom 7. November 2013 eingeholt. Danach ist eine Vorsprache der Ehefrau des
Klägers mit seiner Begleitung am 7. September 2010 dokumentiert. Ferner sind verschiedene Berichte über stationäre Aufenthalte
des Klägers, u.a. des St.J. Krankenhauses vom 11. Februar 2011 beigezogen worden.
Schließlich hat der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie DM Z. im Befundbericht vom 25. März 2015 angegeben, zwischen September
2007 und April 2011 sei der Kläger dort nicht in Behandlung gewesen.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und
der Verwaltungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die gemäß §§
143,
144 SGG statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§
151 SGG). Gegen das ihm am 27. April 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger fristgerecht am Montag, dem 19. Mai 2012 Berufung per
Telefax eingelegt. Sie ist auch im Übrigen zulässig, da es um laufende Leistungen für mehr als ein Jahr geht (§
144 Abs.
1 Satz 2
SGG).
II.1.a.
Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist eine isolierte Anfechtungsklage gemäß §
54 Abs.
1 SGG gegen einen belastenden Verwaltungsakt. Der Aufhebungsbescheid der Beklagten vom 17. Februar 2011 beruht auf § 48 SGB X i.V.m. §§
15,
14 SGB XI. Daher bezieht sich die Prüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt
der Erlasses des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 22. Juni 2011 (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 18. September 2003, B 9 SB 6/02 R).
Die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen der Sozialen Pflegeversicherung nach einer bestimmten Pflegestufe ist
ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (BSG, Urteil vom 7. Juli 2005, B 3 P 8/04 R). Es geht um eine Dauerleistung, die sich auf einen voraussichtlich mindestens sechs Monate andauernden, die Pflegebedürftigkeit
auslösenden Gesundheitszustand bezieht (§
14 Abs.
1 SGB XI). Sie ist bei unveränderten Umständen monatlich als Geldleistung (§
37 SGB XI), als Sachleistung (§§
36,
43 SGB XI) oder als kombinierte Sach- und Geldleistung (§
38 SGB XI) zu erbringen.
Gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen
haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Zu vergleichen
sind nach § 48 Abs. 1 SGB X stets die zum Zeitpunkt des Widerrufs bestehenden tatsächlichen Verhältnisse mit jenen, die zum Zeitpunkt der letzten Leistungsbewilligung,
bei der die Anspruchsvoraussetzungen vollständig geprüft worden waren, vorhanden gewesen sind (BSG, Urteil vom 7. Juli 2005, B 3 P 8/04 R, aaO.). Maßgebend sind daher die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Bescheides vom 21. Januar 2010 und zum Zeitpunkt der Aufhebung
zum 1. März 2011 bzw. des Widerspruchsbescheids vom 22. Juni 2011. In diesem maßgeblichen Zeitraum muss eine wesentliche Änderung
in den Verhältnissen eingetreten sein, die die Beklagte zur Rückstufung in die Pflegestufe II berechtigte.
b.
Es kommt hingegen nicht darauf an, ob der Bescheid vom 21. Januar 2010, soweit die Beklagte Leistungen nach der Pflegestufe
III bewilligt hatte, rechtmäßig oder rechtswidrig war.
Die Regelung des § 48 SGB X über die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei wesentlicher Änderung der Verhältnisse unterscheidet nach
ihrem Wortlaut nicht danach, ob der Verwaltungsakt rechtmäßig oder rechtswidrig war. Zwar ist nach Sinn und Zweck der Regelung
die Anwendung auf rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte mit Dauerwirkung ausgeschlossen, soweit dadurch der Vertrauensschutz
eines Betroffenen, wie er sich aus der Regelung des § 45 SGB X ergibt, unterlaufen würde. Bei einer Änderung der Verhältnisse zugunsten des Betroffenen lässt dann § 48 Abs. 3 SGB X lediglich die "Abschmelzung" des zu Unrecht erlangten Vorteils zu. Im Übrigen ist § 48 Abs. 1 SGB X aber auch auf von Anfang an rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte anwendbar. Das ist insbesondere bei einer wesentlichen
Änderung der maßgebenden tatsächlichen Verhältnisse der Fall. Dann muss der Begünstigte sowohl bei rechtmäßiger als auch bei
rechtswidriger Leistungsbewilligung damit rechnen, dass eine Überprüfung des Leistungsbezugs erfolgt (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 7. Juli 2005, aaO.).
c.
Das Vorliegen einer "wesentlichen" Änderung setzt voraus, dass zunächst überhaupt eine Änderung der Verhältnisse feststellbar
ist. Das ist im Hinblick auf die besonderen Umstände der Ermittlung eines zeitlichen Pflegebedarfs schwierig, weil ihr in
der Regel keine exakten Messungen vorausgehen. Vielmehr wird im Rahmen einer zeitlich beschränkten medizinisch-pflegerischen
Begutachtung ein Gesamtpflegebedarf durch Addition einer Reihe von einzelnen zeitlich geschätzten Hilfeleistungen festgestellt.
Der Gutachter greift dabei auf seine ärztliche oder pflegerische Berufserfahrung zurück, unterstützt durch Richtzeitwerte
und Zeitkorridore in den Begutachtungsrichtlinien. In hohem Maße muss er auch die Angaben des Pflegebedürftigen und/oder der
jeweiligen Pflegeperson berücksichtigen und - soweit glaubhaft - seiner Begutachtung zu Grunde legen. Unabhängig davon hat
der Sachverständige zu prüfen, ob der tatsächliche Pflegeaufwand dem entspricht, was von einer durchschnittlichen, nicht professionellen
Pflegekraft erwartet werden kann. Im Zweifel hat er dann den angemessenen Pflegebedarf zu schätzen. Unter diesen Umständen
liegt es in der Natur der Sache, dass das Ergebnis dieser Schätzungen nur innerhalb einer gewissen Bandbreite nachvollziehbar
ist. Das bedeutet in der Praxis, dass bei der Überprüfung von Gutachten andere Sachverständige kaum jemals zu exakt demselben
Ergebnis kommen, obwohl sich an den Verhältnissen objektiv nichts geändert hat.
Wo die Grenzen für die sichere Feststellung einer objektiven wesentlichen Änderung des Pflegebedarfs verlaufen, lässt sich
im Bereich der Pflegeversicherung nicht allgemeingültig beantworten. Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung und der
sozialen Entschädigung werden Abweichungen in der Einschätzung des MdE/GdB-Grades um nicht mehr als 5 v.H. als nicht "wesentlich"
angesehen, weil Schätzungen mit Unsicherheiten behaftet sind (§
73 Abs.
3 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VII); BSG SozR 3-3100 § 31 Nr. 5). Eine bloße Übertragung dieser prozentualen Mindestabweichung wird den anders gelagerten Bedingungen der Pflegebedarfsermittlung
nicht gerecht. Hier kommt es in erster Linie auf die jeweilige Genauigkeit der Einzelschätzungen sowie auf die Schwankungsbreite
der Zeitwerte in den verschiedenen Sachverständigengutachten an. Letztendlich ist es Sache des Tatsachengerichts, sich im
Rahmen der freien Beweiswürdigung (§
128 Abs.
1 SGG) von einer Änderung der Verhältnisse hinreichende Überzeugung zu verschaffen (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 7. Juli 2005, aaO.).
d.
Die Beweislast für das Vorliegen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse trägt im vorliegenden Fall die Beklagte. Nach
den allgemeinen Grundsätzen hat derjenige die Folgen der Nichterweislichkeit von Gesetzesvoraussetzungen zu tragen, der daraus
Rechte für sich ableiten will.
Nur ausnahmsweise findet eine Beweislastumkehr Anwendung, etwa wenn der Gegner den Beweis vereitelt oder erschwert hat, oder
wenn die Beweisführung unmöglich ist, weil sich die tatsächlichen Ereignisse ausschließlich im Bereich des Gegners abgespielt
haben (BSG, Urteil vom 7. Juli 2005, aaO. (30)). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, da der Kläger nicht zur Überzeugung des Senats
anlässlich der Nachprüfung des Hilfebedarfs ab Januar 2011 durch Verweigerung einer Begutachtung oder Vortäuschung von Funktionseinschränkungen
eine Feststellung des tatsächlich Hilfebedarfs erschwert oder unmöglich gemacht hätte. Vielmehr hatte er sich im Rahmen der
Nachbegutachtungen jeweils bereit erklärt, die Gutachter des MDK ihrer Untersuchungen im Rahmen der häuslichen Pflegesituation
durchführen zu lassen. Er hatte auch jeweils anamnestische Angaben zum Gesundheitszustand gemacht.
2.
Die Berufung ist begründet. Das Sozialgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil vom 18. April 2012 zu Unrecht abgewiesen.
Der Bescheid vom 17. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2011 ist rechtswidrig und verletzt
den Kläger in seinen Rechten.
a.
Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig. Insbesondere hat die Beklagte in ihrem Schreiben vom 1. Februar 2011 den
Kläger nach § 24 SGB X zur Herabstufung von der Pflegestufe III auf die Pflegestufe II angehört.
b.
Eine wesentliche, pflegerelevante Verringerung des maßgeblichen Hilfebedarfs zum 1. März 2011 bzw. bis spätestens zum Abschluss
des Widerspruchsverfahrens am 22. Juni 2011 ist jedoch nicht nachweisbar. Der Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass
eine wesentliche Reduzierung der Pflegebedürftigkeit infolge von durchgeführten physiotherapeutischen Maßnahmen und eine dadurch
verbesserte Mithilfe des Klägers im Bereich der oberen Extremitäten eingetreten war.
Grundvoraussetzung für eine Leistungsgewährung ist, dass Pflegebedürftigkeit im Sinne des §
14 Abs.
1 SGB XI vorliegt. Pflegebedürftig sind danach Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung
für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich
für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen. Die Höhe des Pflegegeldes richtet sich danach,
welcher Stufe der Pflegebedürftigkeit die pflegebedürftige Person zuzuordnen ist. Die Voraussetzungen für die einzelnen Stufen
der Pflegebedürftigkeit sind in §
15 SGB XI definiert. Pflegebedürftige der Pflegestufe III (Schwerstpflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung
oder der Mobilität täglich rund um die Uhr, auch nachts, der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei
der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Für diese Pflegestufe muss der oben beschriebene für die Pflege benötigte Zeitaufwand
mindestens fünf Stunden (300 min) betragen, wobei auf die Grundpflege mindestens vier Stunden (240 min) - auch nachts - entfallen
müssen (§
15 Abs.
3 Nr.
3 SGB XI). Ein Anspruch auf Leistungen nach der Pflegestufe II setzt nach §
15 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGB XI voraus, dass der Pflegebedürftige bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen
Tageszeiten der Hilfe bedarf und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt.
Der hierfür erforderliche Zeitaufwand muss nach §
15 Abs.
1 Satz 1 Nr.
3 SGB XI mindestens drei Stunden täglich betragen, wobei auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden (=120 Minuten) entfallen müssen.
Dies zugrunde gelegt ist der Senat nach Auswertung der vorliegenden Gutachten und ärztlichen Befunden nicht zur Überzeugung
gelangt, dass im Zeitraum vom 21. Januar 2010 bis zum 1. März 2011 oder längstens bis zum 22. Juni 2011 eine wesentliche Änderung
in den Pflegebedarf des Klägers eingetreten ist.
a.a.
Aus dem Vergleich der Gutachten des MDK vom 11. Januar 2010, 27. Januar und 25. Mai 2011 ergibt sich keine wesentliche Minderung
der Funktionseinschränkungen mit einem verringerten Hilfebedarf in den pflegerelevanten Verrichtungen.
Schon die dort enthaltenen anamnestischen Angaben weisen nicht auf eine Verbesserung des Gesundheitszustands hin. In dem Gutachten
vom 11. Januar 2010 hatte der Kläger einen rapiden Abbau des Körperzustands und eine deutliche Verschlechterung der Mobilität
angegeben. Die beiden Gutachten vom 27. Januar und 25. Mai 2011 enthalten jeweils die Angabe eines nicht gebesserten Gesundheitszustands.
Unverändert wurde angegeben, dass Hilfen rund um die Uhr benötigt würden. Der einzig auffällige Unterschied ist die Angabe
der epileptischen Anfälle, die sich von täglich (MDK 11. Januar 2010) auf wöchentlich bis zehntägig (MDK 27. Januar 2011)
änderte. Die Epilepsie ist aber ausweislich aller Gutachten keine pflegebegründende Diagnose gewesen und hat auch erkennbar
keine Rolle bei der Schätzung des Hilfebedarfs gespielt. Daher kommt dieser geänderten Anamnese keine rechtliche Bedeutung
zu.
Die Beschreibungen der Schädigungen/Beeinträchtigungen der Aktivitäten/Ressourcen im Bereich der oberen und unteren Extremitäten
sind in den drei MDK-Gutachten praktisch unverändert geblieben.
Verändert hat sich die Beschreibung des Kräftezustands von "deutlich reduziert" auf "abgeschwächt". Eine Verbesserung des
Gesundheitszustands lässt sich daraus jedoch nicht ableiten. Die beiden Begriffe lassen sich nicht in ein Abstufungsverhältnis
setzen (größerkleiner).
Bei der Beschreibung von Positions- und Lagewechsel, Stehen, Radius der Hände, Faustschluss und Gehen ist lediglich im Bereich
der groben Kraft eine Unterscheidung erkennbar. Im Gutachten vom 11. Januar 2010 war diese als "fehlend" beschrieben worden,
in den Folgegutachten als "gemindert" bei abgeschwächtem/uneingeschränktem Händedruck. Die Greiffunktion war nach allen Gutachten
erhalten, jedoch war die Feinmotorik gestört. Der Tremor wurde übereinstimmend als zeitweise auftretend beschrieben. In den
beiden Folgegutachten war dieser bei der Nutzung der Schnabeltasse auch erkennbar gewesen.
Anhand der sonstigen Beschreibungen im Gutachten vom 27. Januar 2011 ist nicht erkennbar, inwieweit sich hinsichtlich der
oberen Extremitäten eine Besserung ergeben haben sollte. Im Gutachten vom 25. Mai 2011 wurden darüber hinaus die Funktionsbeschreibungen
fast 1:1 aus dem Gutachten vom 27. Januar 2011 übernommen. Welche Beobachtungen der letztgenannte Gutachter selbst anstellte,
lässt sich daher anhand seines Gutachtens nicht nachvollziehen.
Der allgemeine Verweis, dass sich gegenüber Januar 2010 verbesserte Mobilitätsmöglichkeiten der oberen Extremitäten und ein
rückläufiger pflegerischer Hilfebedarf infolge von durchgeführten Physiotherapien ergeben hätten, ist nicht überzeugend. Es
finden sich in den Gutachten vom 27. Januar und 25. Mai 2011 keine relevanten Feststellungen zu einer wesentlichen Besserung
der Funktion der oberen Extremitäten. Es ist auch nicht schlüssig, dass sich durch Physiotherapie die grobe Kraft der Hände
von "fehlt" zu "weitgehend vorhanden" verbessert haben sollte. Vielmehr drängt sich dem Senat die Vermutung auf, dass das
Gutachten vom 11. Januar 2010 von den Folgegutachtern als fehlerhaft angesehen wurde.
b.b.
Auch ein Vergleich der ermittelten Zeitwerte für die Grundpflege in den drei MDK-Gutachten weist auf eine Fehlgewichtung der
Funktionseinschränkungen im Ausgangsgutachten vom 11. Januar 2010, aber gerade nicht auf eine wesentliche Verbesserung des
Gesundheitszustands hin.
Im Bereich der Körperpflege enthält das Gutachten vom 11. Januar 2010 einen Zeitaufwand von 95 min unter Hinweis auf eine
erforderliche volle Übernahme der Körperpflege. Die beiden Folgegutachten vom 27. Januar und 25. Mai 2011 gehen hingegen von
einer möglichen Teilübernahme der Körperwäsche durch aktive Nutzung beider Hände aus. Sie kommen jedoch zu gänzlich unterschiedlichen
Zeiteinschätzungen (110 bzw. 85 min). Diese erheblichen Differenzen sind mit den üblichen Schätzabweichungen nicht mehr zu
erklären. Insbesondere lassen sie keinen Rückschluss auf eine Verbesserung gegenüber dem Ausgangsgutachten (95 min) zu. Ob
die gerichtliche Sachverständige U. am 22. Januar 2012 zu Recht - ohne Nennung einer wesentlichen Verschlechterung seit Anfang
2011 - sogar einen Hilfebedarf von 142 min angenommen hat, kann hier offen bleiben. Denn der Zeitpunkt ihrer Begutachtung
ist für vorliegenden Rechtsstreit ohne Relevanz.
Im Bereich der Ernährung ist die Einschätzung im Gutachten vom 11. Januar 2010 einer vollständigen Übernahme der Nahrungsaufnahme
mit 76 min nicht nachvollziehbar begründet worden. Die Argumentation, der Kläger "kaue langsam", lässt keinen Rückschluss
auf den angenommenen vollständigen Hilfebedarf bei der Nahrungsaufnahme zu. Die zeitlich reduzierte Einschätzung von 48 min
in den beiden Folgegutachten vom 27. Januar und 25. Mai 2011 folgt aus der Annahme, dass geschmierte Brote und das Trinken
teilweise allein erfolgen könnten. Dass sich aber der Hilfebedarf im Bereich der Nahrungsaufnahme verringert hätte, ist den
Folgegutachten nicht zu entnehmen. Insbesondere ist der zeitweise auftretende Tremor mit Auswirkungen auf die Gebrauchsfähigkeit
der Hände zum Essen in beiden Gutachten bestätigt worden.
Im Bereich der Mobilität ergeben sich die erheblichen Differenzen insbesondere durch die unterschiedlichen Auffassungen zum
notwendigen Gehen bzw. Transfer. Im Gutachten vom 11. Januar 2010 sind für 9 mal Gehen und 18 mal Transfer insgesamt 36 min
täglich für erforderlich gehalten worden. In den Folgegutachten vom 27. Januar und 25. Mai 2011 sind hingegen für 6 mal Gehen
und 2 mal Transfer insgesamt nur 8 min täglich angesetzt. Es kann sich hierbei nicht um differierende Einschätzungen wegen
eines mittlerweile verringerten Hilfebedarfs handeln. Denn hinsichtlich der Funktionsstörungen in den Bereichen Positions-
und Lagewechsel, Aufstehen, Stehen und Gehen haben alle drei Gutachter vollständig übereinstimmende Feststellungen getroffen.
c.c.
Auch die Ermittlungen des Sozialgerichts und des Senats haben keinen Beleg für eine Verbesserung der Funktion der oberen Extremitäten
und eine Verringerung des Hilfebedarfs durch Mithilfemöglichkeiten ergeben.
Die behandelnden Ärzte haben in ihren Befundberichten für das Sozialgericht übereinstimmend eine kontinuierliche Verschlechterung
beschrieben. Hinweise für eine Verbesserung der Funktion der Hände ergeben sich insbesondere aus dem orthopädischer Befundbericht
vom 9. November 2011 nicht. Es liege eine deutliche kontinuierliche Verschlechterung seit 2004 mit ab 2009 erheblich eingeschränktem
Gehen und Rollstuhlpflicht ab 2010/2011 vor. Laufen sei auch mit den Hilfsmitteln nicht mehr möglich und der Kläger könne
auch nicht allein aus dem Rollstuhl aufstehen.
Die vom Sozialgericht bestellte Sachverständige U. hat in ihrem Gutachten eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sie die Einschätzung
des MDK-Gutachtens vom 11. Januar 2010 nicht teilt. Die Beweisfrage, welche Veränderungen seit dem Antrag auf Pflegeleistungen
im Hilfebedarf eingetreten sind, und in welchem Umfang und für welchen Zeitraum sie sich ausgewirkt haben, hat sie nicht nicht
ausdrücklich beantwortet. Sie hat vielmehr ausgeführt, das Gutachten vom 11. Januar 2010 sei nicht ganz plausibel und nachvollziehbar.
Im Einzelnen hat sie kritisiert, statt Teilhilfe beim Stuhlgang wäre mangels Schürzengriff voller Hilfebedarf angezeigt gewesen.
Bei erhaltener Greiffunktion der Hände mit zeitweisem Tremor hätte eine Teilhilfe bei der Nahrungsaufnahme ausgereicht. Die
Nahrungsaufnahme habe während ihrer Begutachtung nur 10 min gedauert. Die Zeit beim Gehen sei zu hoch angegeben worden und
die ermittelte Zeit beim Transfer nicht nachvollziehbar.
c.
Der Senat kann offen lassen, ob die Einstufung nach der Pflegestufe III ab dem 1. Dezember 2009 von Anfang an fehlerhaft gewesen
war.
Denn der streitige Bescheid vom 17. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juni 2011 lässt sich nicht
durch Umdeutung gemäß § 43 SGB X (BSG, Urteil vom 24. Februar 2011, B 14 AS 45/09 R (17)) oder Austausch der Rechtsgrundlage (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008, B 4 AS 48/07 R (17)) in einen rechtmäßigen Bescheid nach § 45 SGB X korrigieren. In beiden Fällen wäre Voraussetzung, dass der Bescheid auch nach der Umdeutung oder dem Austausch der Rechtsgrundlage
noch rechtmäßig wäre.
Die Anwendung von § 45 SGB X setzt auch bei Rücknahme einer Leistungsbewilligung nur mit Wirkung für die Zukunft die Ausübung von Ermessen und die Prüfung
von Vertrauensschutz voraus. Beides hat die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid nicht geprüft.
3.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil es sich um die Entscheidung eines Einzelfalls auf gesicherter rechtlicher Grundlage
handelt.