Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Verletztenrente der Klägerin vom 1. August 2002 an, insbesondere darüber, ob die
Beklagte die Rente als vorläufige Entschädigung durch eine niedrigere Rente auf unbestimmte Zeit ablösen durfte.
Die damals knapp 33 Jahre alte Klägerin erlitt am 15. Juli 1999 in ihrer versicherten Tätigkeit als Postzustellerin einen
Autounfall.
Mit Bescheid vom 20. Dezember 2001 über eine "Rente als vorläufige Entschädigung" stellte die Beklagte den Anspruch der Klägerin
auf Verletztenrente unter Bezugnahme auf §
62 Abs.
1 SGB VII vom 30. Oktober 2001 an fest; bis zum Vortag hatte die Klägerin Verletztengeld bezogen. Die maßgebliche Minderung der Erwerbsfähigkeit
stellte die Beklagte mit 70 v. H. fest. Als Folgen des Versicherungsfalles erkannte sie an:
(Zustand) nach Polytrauma mit distalem Oberschenkelknochenbruch links mit Gelenkkopfbeteiligung
trimalleoläre Sprunggelenkfraktur links
Leberruptur
Thoraxkontusion mit Rippenserienfraktur rechts Nr. 4-11 und Bruch der zweiten Rippe links mit Hämatothorax rechts
Oberarmbruch links
Schädelhirntrauma mit passagerem Horner-Syndrom links
Verschmächtigung des linken Schultergelenks mit Zeichen eines subakromialen Impingement-Syndroms
Verschmächtigung der Ober- und Unterschenkelmuskulatur links
anteromediale Instabilität des linken Kniegelenkes
axonale motorische Nervus axillaris-Läsion
Hirnleistungsminderung
posttraumatische Belastungsreaktion.
Weitere Hinweise auf den Inhalt der Vorläufigkeit finden sich in dem Bescheid nicht; in der beigefügten Anlage mit "sonstigen
Hinweisen" wies die Beklagte nur auf ihre Möglichkeit zur Bescheidaufhebung im Falle einer wesentlichen Änderung hin.
Zuvor hatte die Beklagte ein erstes Rentengutachten des Chefarztes der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie
des Klinikums E., Prof. Dr. W., vom 8. August 2001 eingeholt, der noch eine Verschmächtigung der Schultermuskulatur links,
eine Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenkes mit Zeichen eines suba-kromialen Impingement-Syndroms, eine Verschmächtigung
der Ober- und Unterschenkelmuskulatur links und eine anteromediale Instabilität des linken Kniegelenkes als wesentliche Unfallfolgen
mitteilte. Deren Folgen schätzte er für den Untersuchungszeitpunkt am 26. Juli 2001 und das folgende Jahr mit einer Minderung
der Erwerbsfähigkeit um 40 v. H., danach voraussichtlich mit 30 v. H. ein. Aus den beigefügten Messblättern ergab sich eine
Einschränkung im linken Schultergelenk in der Bewegung seitwärts/körperwärts auf 70/0/30 Grad, rückwärts/vorwärts auf 20/0/60
Grad, bei der Drehung auswärts und einwärts mit anliegendem Oberarm auf 20/0/60 Grad und bei der Drehung mit um 90 Grad abgehobenem
Oberarm auswärts/einwärts auf 20/0/40 Grad. Die sonstigen Maße zeigten sich weitgehend seitengleich; das linke Bein um zwei
Zentimeter verkürzt. Die Klägerin hatte als Beschwerden geäußert, im linken Arm leide sie unter starken Schmerzen insbesondere
beim Liegen auf der linken Seite. Sie könne ihn nicht richtig einsetzen. Die Beweglichkeit sei höchstgradig eingeschränkt.
Nach längerem Stehen käme es zu einer Schwellung des linken Sprung- und Kniegelenkes. Längere Fußmärsche könne sie schmerzbedingt
nicht mehr ausüben. Der Lachman-Test und das Pivot-shift-Zeichen waren zweifach positiv. Die Hocke konnte nur zur Hälfte eingenommen
werden. Zehenspitzen- und Hackenstand waren unsicher vorführbar.
In einem neurologischen Zusatzgutachten vom 19. September 2001 vertrat der Chefarzt der Klinik für Neurologie und klinische
Neurophysiologie des Klinikums W., Priv.-Doz. Dr. M. die Auffassung, von seinem Fachgebiet aus sei unter Einbeziehung der
Ergebnisse eines neuropsychologischen Zusatzgutachtens die Minderung der Erwerbsfähigkeit mit 50 v. H., davon 40 v. H. auf
Grund neuropsychologischer Befunde, einzuschätzen. Er stellte die Diagnosen einer traumatischen Läsion des Nervus axillaris
links mit Reinnervation, eines Horner-Syndroms rechts ungeklärter Ursache, eines Oberarmkopfbruches links, eines körperfernen
Oberschenkelschaftbruches links mit Condylenbeteiligung und Sprunggelenksbruch links, eines Leberrisses, eines Rippenserienbruchs
rechts der vierten bis elften Rippe, eines Schädel-Hirn-Traumas Grad II und einer posttraumatischen Belastungsreaktion mit
Panikattacken. Zusammenfassend führte er aus, führend aus neurologischer Sicht sei derzeit eine Schwäche im Bereich des linken
Oberarmes mit erschwerten Haltetätigkeiten oberhalb des Kopfes sowie erschwertem Heben. Weiterhin träten während Autofahrten
wiederkehrende Angstattacken mit vegetativer Begleitsymptomatik auf. Zudem berichte die Klägerin über eine Verkleinerung des
rechten Auges sowie eine Störung der Schweißabsonderung, die sie am ehesten als vermehrtes Schwitzen der linken Gesichtsseite,
Arm- und Schultergegend empfinde. Schließlich gebe sie Beeinträchtigungen der Konzentrations- und Merkfähigkeit sowie der
Gedächtnisleistungen an. Der Kraftgrad sei bei der Oberarmabführung und -vorstreckung sowie bei der Rückbeugung auf vier gemindert.
Dies sei einer motorischen Nervus axillaris-Schädigung zuzurechnen, wobei eine höhergradige Atrophie des Deltoideusmuskels
nicht nachweisbar gewesen sei. Das Horner-Syndrom rechts müsse im Zusammenhang mit der Quadrantenanhidrose der Klägerin gesehen
werden und deute auf eine Grenzstrangläsion des sympathischen Nervensystems mit Einbeziehung des Ganglion stellatum. Die Ursache
dieser Läsion müsse als ungeklärt angesehen werden. Das zeitliche Auftreten direkt nach dem Unfall lege aber eine traumatische
Verursachung - z. B. durch einen Bluterguss - nahe. Eine funktionelle Beeinträchtigung von Bedeutung liege dabei nicht vor.
Für die geklagte Konzentrations- und Gedächtnisproblematik habe sich in der neurologischen Begutachtung kein sicherer Anhalt
gefunden. Das neuropsychologische Gutachten habe aber insgesamt leichte bis mittelschwere Hirnleistungsminderungen unter Berücksichtigung
des prämorbiden Leistungsniveaus ohne Anhalt für eine Aggravationstendenz aufgezeigt. Ein craniales Computertomogramm habe
einen unauffälligen Befund ergeben, womit die Hypothese einer postcontusionellen Hirnleistungsminderung weder gestärkt noch
widerlegt worden sei. Die wiederkehrenden Panikattacken der Klägerin beim Autofahren seien als posttraumatische Belastungsreaktion
zu deuten. Hier sei eine deutliche Besserungstendenz bei angemessener psychotherapeutischer Behandlung zu erwarten. Aus dem
neuropsychologisch-hirnleistungsdiagnostischen Zusatzgutachten geht hervor, die festgestellte Hirnleistungsminderung sei typisch
für Verletzungen bei Schädel-Hirn-Traumen gleichen Grades. Die vorliegende leichte bis mittelschwere Leistungsminderung stehe
mit dem Unfall vom 15. Juli 1999 ursächlich in Verbindung. Aus neuropsychologischer Sicht betrage die Minderung der geistigen
Leistungsfähigkeit im Vergleich zur prämorbiden Leistungsfähigkeit 40 Prozent. Ebenso sei die Minderung der Erwerbsfähigkeit
unter dem Gesichtspunkt der geistigen Leistungsfähigkeit zur Zeit zu beziffern.
In einer zusammenfassenden Stellungnahme vom 14. November 2001 schätzte der Gutachter Prof. Dr. W. die Minderung der Erwerbsfähigkeit
insgesamt mit 70 v. H. ein.
Gegen den Bescheid legte die Klägerin mit Eingangsdatum bei der Beklagten vom 17. Januar 2002 nur vorsorglich Widerspruch
mit dem Ziel ein, einen Schwerverletztenzuschlag nach §
57 SGB VII zu erreichen. Dies lehnte die Beklagte mit gesondertem Bescheid vom 14. August 2002 ab.
Die Beklagte holte weitere Gutachten zur Feststellung der Rente auf unbestimmte Zeit ein. In dem Gutachten vom 29. April 2002
gelangte der Direktor der Universitätsklinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie der B. K. B. in H., Prof. Dr. O.,
im Zusammenwirken mit dem Oberarzt Dr. W. zu dem Ergebnis, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit von ihrem Fachgebiet aus
sich jetzt auf 35 v. H. belaufe. Es bestünden noch eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung der linken Schulter, belastungsabhängige
Beschwerden des linken Beins, eine Beinverkürzung links von zwei Zentimetern, eine endgradige Bewegungseinschränkung des linken
Kniegelenkes, belastungsabhängige Sprunggelenksbeschwerden links und eine geringe, teilweise muskulär kompensierte anteromediale
Kniegelenksinstabilität links. Ausweislich des Messblattes erhoben die Ärzte am linken Bein eine um 20 Grad auf 120 Grad verminderte
Beugefähigkeit des linken Kniegelenkes gegenüber rechts. Die Schultergelenksbeweglichkeit betrug in der Führung seitwärts/körperwärts
100/0/20 Grad, in der Rückbeugung und Vorstreckung 30/0/90 Grad und in der Ein- und Auswärtsdrehung bei anliegendem Oberarm
40/0/40 Grad. Ansonsten ergaben sich keine Differenzen zur jeweils gesunden Seite. Die Klägerin äußerte als Beschwerden, sie
leide unter einem ständigen stechenden Knieschmerz links beim Laufen und nach längerem Sitzen, beim Aufstehen sowie beim Treppensteigen.
Zunehmend steche es auch im linken Knöchel. Die linke Schulter könne sie nicht mehr richtig bewegen. Bei ruckartigen Bewegungen
träten sofort heftige Schulterschmerzen auf. Sie habe vermehrtes Schwitzen in der linken Hand, so dass die Hand gelegentlich
kalt und feucht sei. An der linken Schultergelenksvorderseite sei ein lokaler, umschriebener Druckschmerz auslösbar. Zeichen
eines Impingement-Syndroms oder einer Schultergelenksinstabilität seien nicht nachweisbar. Am linken Knie war ein diskretes
vorderes Schubladenphänomen mit fehlendem festen Anschlag des vorderen Kreuzbandes zu erheben.
In einem weiteren Gutachten gab der Direktor der Klinik für Neurologie der Kliniken B. Prof. Dr. M., am 7. Juni 2002 die Einschätzung
ab, von neurologischem Gebiet ergebe sich keine Minderung der Erwerbsfähigkeit. Es habe sich kein Anhalt für eine funktionell
bedeutsame Läsion am zentralen oder peripheren Nervensystem ergeben. Dies gelte zunächst für das diskrete Horner-Syndrom.
Die sensible Störung über der linken Schulter könne einer Läsion des Nervus axillaris entsprechen. Die Bewegungseinschränkung
im Schulterbereich sei jedoch am ehesten knöchern-mechanisch zu verstehen. Ein sicherer Anhalt für eine motorische Störung
nervlicher Ursache habe nicht bestanden. Im noch gegebenen Restumfang der Schulterbeweglichkeit sei die Entfaltung voller
Kraft möglich gewesen. Den sensiblen Störungen im Bereich des linken Fußes komme kein erwerbsmindernder Effekt zu. Eine funktionelle
und erwerbsmindernde Bedeutung fehle gleichfalls den von der Klägerin angegebenen sensiblen Störungen im Bereich der rechten
Gesichtshälfte. Zudem sei hier eine nicht nervliche Ursache wahrscheinlich. Klinisch habe sich für eine hirnorganische Leistungsminderung
keinerlei Anhalt ergeben. Aus der Dokumentation ergebe sich kein sicherer Anhalt für eine strukturelle Läsion am Hirn. Die
nachfolgenden bildgebenden Untersuchungen sprächen gegen eine solche. Er könne die Auffassung des Vorgutachters des Klinikums
W. nicht nachvollziehen. Er halte neuropsychologische Untersuchungen für vielfältig störanfällig. Auch eine Ursachenbeziehung
zwischen jetzt geklagten Kopfschmerzen und dem seinerzeit erlittenen Unfall halte er für unwahrscheinlich. Es sei eher an
einen medikamenten- und nikotininduzierten Kopfschmerz zu denken.
In einem neuropsychologischen Zusatzgutachten vom 11. Juni 2002 - am 13. Juni 2002 bei der Beklagten eingegangen - gelangte
Dipl.-Psych. H. zu dem Ergebnis, es hätten sich leichtgradige Auffälligkeiten im Bereich der Aufmerksamkeitsfunktionen und
im Bereich exekutiver Funktionen ergeben. Zusätzlich zu den kognitiven Funktionsbeeinträchtigungen habe die Klägerin einen
psychischen Beschwerdekomplex beschrieben, der schwerpunktmäßig mit den Symptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung
bzw. einer Angststörung zu vereinbaren sei. Eine psychiatrische Zusatzbegutachtung dazu sei anzuraten, zumal die Beeinträchtigung
der Konzentrationsleistung auch damit in Zusammenhang stehen könne. Eine psychotherapeutische Behandlung habe die Klägerin
noch nicht aufgenommen.
Mit Schreiben vom 12. Juni 2002 hörte die Beklagte die Klägerin zu ihrer Absicht an, die Rente von "70 v. H. auf 35 v. H."
herabzusetzen. Die jetzt vorgenommene Bewertung der Folgen des Versicherungsfalles zur Beurteilung einer Rente auf unbestimmte
Zeit habe diese Minderung der Erwerbsfähigkeit ergeben. Eine Besserung sei dazu nicht Voraussetzung.
Es lägen als Folgen des Versicherungsfalles vor:
Schmerzhafte Bewegungseinschränkung der linken Schulter
belastungsabhängige Beschwerden linkes Bein
die Beinverkürzung links
endgradige Bewegungseinschränkung des linken Kniegelenkes
belastungsabhängige Sprunggelenksbeschwerden links
geringe, teilweise muskulär kompensierte anteromediale Knigelenksinstabilität links.
Mit am 14. Juni 2002 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben schätzten Prof. Dr. O./Dr. W. die Minderung der Erwerbsfähigkeit
insgesamt mit 35 v. H. ein.
Mit Schreiben vom 17. Juni 2002 beantragte die Klägerin wegen des bis zum 7. Juli 2002 dauernden Urlaubs ihres Prozessbevollmächtigten
Fristverlängerung bis zum 31. Juli 2002.
Unter dem 12. Juni 2002 hatte die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie
Prof. Dr. M. angefordert, die dieser am 21. Juni 2002 telefonisch abgab. Darin stimmte er der Auffassung zu, von neurologischem
Fachgebiet ergebe sich keine Minderung der Erwerbsfähigkeit.
Mit am 28. Juni 2002 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben beanstandete die Klägerin, die in den Kliniken B. in H. erstellten
Gutachten lägen ihr nicht vor. Sie bestreite die ordnungsgemäße Begutachtung. Sie sei nicht hinreichend untersucht worden
und beantrage die Einholung neuer Gutachten.
Mit der am 2. Juli 2002 bei der Beklagten eingegangenen schriftlichen Stellungnahme führte Prof. Dr. M. aus, er stimme dem
Gutachten von Prof. Dr. M. zu. In diesem Gutachten sei lediglich eine peripher-motorische (schlaffe) Parese (Teillähmung)
des vom Nervus axillaris innervierten Schulterkappenmuskels (Muskulus deltoideus) links und ein Horner-Syndrom rechts als
wahrscheinliche Folge einer Grenzstrang-Läsion des sympathischen Nervensystems bei erheblicher Thoraxkontusion mit Rippenserienfrakturen
rechts angesehen worden. Hierfür wäre schon zum Zeitpunkt der Erstbegutachtung allenfalls eine Minderung der Erwerbsfähigkeit
um 20 v. H. zu begründen gewesen. Im übrigen sei kritisch anzumerken, dass ein Schädelhirntrauma von Art und Ausmaß, die nachfolgende
psychische Beeinträchtigungen und Störungen begründen würden, also eine gedeckte Hirnverletzung und/oder traumatische intracranielle
Komplikationen (Schädel-Hirn-Trauma Grad II und III) sich aus den mitgeteilten Begutachtungen und Befunden der behandelnden
Ärzte und auch der Gutachter nicht begründen lasse. Die Klägerin sei bei der Klinikaufnahme etwa eine Stunde nach dem Unfall
ansprechbar und orientiert gewesen. Auch in der Folgezeit seien keine Symptome einer wesentlichen und anhaltenden traumatischen
Hirnfunktionsstörung beobachtet worden. Bei der neurologischen Erstbegutachtung seien das EEG und das CT des Schädels regelrecht gewesen. Die neuropsychologisch gefundenen leichten Störungen von Aufmerksamkeit und Konzentration
müssten nicht zwangsläufig hirnorganisch bedingt sein. Sie könnten, wie zum Zeitpunkt der Erstuntersuchung noch durchaus anzunehmen,
emotional bedingt sein. Nicht statthaft sei aus solchen psychologischen Befunden rückwirkend auf ein Schädel-Hirn-Trauma mit
Hirngewebsverletzung zu schließen, wenn sich dafür keine übrigen Anhaltspunkte ergäben. Für die später aufgetretene mehrtägige
Erinnerungslücke bedürfte es einer solchen Erklärung nicht. Die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung sei nicht
begründet. Die nach der ICD-10 und dem DSM-IV zu fordernden Symptome seien von der Klägerin nie angegeben worden. Allenfalls
habe es sich um eine spezifische (isolierte) Phobie gehandelt, die von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. mit
umfasst sei. Entsprechende Probleme seien bei der erneuten Untersuchung am 6. Juni 2002 nicht mehr geklagt worden. Auch sei
die Teillähmung der vom Nervus axillaris innervierten Schultermuskulatur nicht mehr nachgewiesen worden. Lediglich vereinzelte
umschriebene Sensibilitätsstörungen seien noch nachweisbar gewesen. Zutreffend gingen die Gutachter davon aus, dass nunmehr
keine erwerbsmindernden Folgen des Unfalles auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet mehr vorlägen.
Mit Bescheid vom 11. Juli 2002 über eine Rente auf unbestimmte Zeit entschied der Rentenauschuss der Beklagten, die Beklagte
gewähre "anstelle der Rente als vorläufige Entschädigung" nach §
62 Abs.
2 SGB VII eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer um 35 v. H. verminderten Erwerbsfähigkeit. Die neue Leistung beginne am 1. August
2002, also dem Tag nach Ablauf des Monats, in dem die Änderung wirksam geworden sei. Als Folgen des Versicherungsfalles erkannte
die Beklagte an:
(Zustand) nach Polytrauma mit körperfernem Oberschenkelknochenbruch links mit Gelenkkopfbeteiligung
trimalleoläre Sprunggelenksfraktur links
Leberriss
Thoraxkontusion mit Rippenserienfraktur rechts Nrn. 4-11
Bruch der zweiten Rippe links mit Hämatothorax rechts
Oberarmbruch links
Schädelhirntrauma mit passagerem Horner-Syndrom rechts
schmerzhafte Bewegungseinschränkung der linken Schulter
belastungsabhängige Beschwerden linkes Bein
Beinverkürzung links
endgradige Bewegungseinschränkung des linken Kniegelenkes
geringe, teilweise muskulär kompensierte anteromediale Kniegelenksinstabilität links
belastungsabhängige Sprunggelenksbeschwerden links.
Weiterhin lehnte die Beklagte ab, geklagte Kopfschmerzen als Unfallfolgen anzuerkennen. Sie verwies darauf, die Gutachten
der Berufsgenossenschaftlichen Kliniken B. vom 29. April und 6. Juni 2002 begründeten eine Minderung der Erwerbsfähigkeit
um 35 v. H. schlüssig und nachvollziehbar. Der Einschätzung seien Untersuchungen vorausgegangen, die eine weitere medizinische
Sachverhaltsaufklärung nicht geboten erscheinen ließen.
Der Bescheid enthält als Anlage Erläuterungen zum Verhältnis der Rente als vorläufige Entschädigung zur Rente auf unbestimmte
Zeit, die insoweit den Text des §
62 SGB VII wiedergeben. Einen Ausspruch oder eine sonstige Aussage zur Aufhebung eines früheren Verwaltungsaktes - insbesondere etwa
desjenigen vom 20. Dezember 2001 - enthält der Bescheid nicht.
Der Bescheid wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 12. Juli 2002 zugestellt. Dieser hatte der Beklagten eine Vollmacht
vom 24. Oktober 2001 in der Angelegenheit "wegen Unfallrente" übersandt, wonach Zustellungen nur an die Bevollmächtigten erbeten
wurden.
Mit Datum vom 22. Juli 2002 berichtete die Klinik für Allgemein-, Unfall- und Gefäßchirurgie des Krankenhauses am R. S. über
eine Arthroskopie vom 19. Juli 2002. Dazu sei die Klägerin wegen eines anhaltenden Instabilitätsgefühls im linken Kniegelenk
stationär aufgenommen worden. Intraoperativ hätten sich das laterale Seitenband sowie das vordere Kreuzband etwas gelockert
gezeigt; sie seien aber insgesamt noch ausreichend fest, um auf eine Bandplastik verzichten zu können. Die Diagnose lautete
auf eine muskulär kompensierte antero-laterale Instabilität des linken Kniegelenks.
Mit dem am 8. August 2002 bei der Beklagten eingegangenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, die ursprünglich festgestellten
Unfallfolgen lägen in unveränderter Form vor. Es sei sogar eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes eingetreten. Zudem
sei die vorläufige Rente nach §
62 Abs.
2 SGB VII als Rente auf unbestimmte Zeit weiter zu leisten, weil sie über den Zeitpunkt des Ablaufs von drei Jahren nach dem Versicherungsfall
gezahlt worden sei. Eine Änderung des früheren Bescheides sei jetzt nur noch nach § 45 SGB X möglich, wozu es aber an einer entsprechenden Anhörung fehle.
Mit Bescheid vom 29. August 2002 stellte die Beklagte den der Rentenberechnung zu Grunde liegenden Jahresarbeitsverdienst
unter entsprechender Zurücknahme des Bescheides vom 20. Dezember 2001 höher fest.
Die Beklagte holte eine beratende Stellungnahme des Facharztes für Orthopädie Dr. B. vom 27. November 2002 ein, der die Auffassung
vertrat, die Entscheidung der Beklagten sei richtig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie vertrat zur Begründung die Auffassung,
die Verletzungsfolgen auf neurologischem Gebiet seien gegenüber den ersten Rentengutachten ohne wesentliche Folgen ausgeheilt.
Nach gutachterlicher Feststellung sei der Unfallfolgezustand gegenüber den früheren Befunden rückläufig. Auf neurologischem
Gebiet bestehe nach dem Gutachten von Prof. Dr. M. kein Anhaltspunkt für eine Erwerbsminderung. Dieser habe keine Störung
der Konzentration und Aufmerksamkeit feststellen können, sondern sie abweichend vom ersten neurologischen Gutachten als unauffällig
eingestuft.
Mit der am 27. Februar 2003 beim Sozialgericht Halle erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Anliegen weiter verfolgt.
Das Gericht hat Unterlagen der Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt beigezogen. Es hat einen Befundbericht des Chirurgen
Dipl.-Med. D. vom 30. April 2003, Bl. 86 - 103 d. A., eingeholt. Im Wesentlichen hat er mitgeteilt, es seien im Behandlungsverlauf
nach dem Unfall zusätzliche Beschwerden im Wirbelsäulenbereich aufgetreten. Die Belastbarkeit und Funktion des linken Beines
sei eingeschränkt. Tätigkeiten im Hocken oder Knien seien auf Dauer fast nicht möglich. Alle Arbeiten über der Horizontalebene
des Schultergelenkes links seien nicht möglich. Auch im häuslichen Bereich bestünden Einschränkungen durch den fehlenden Nacken-
und Schürzengriff.
Die Beklagte hat ein elektroencephalographisches Gutachten vom 12. Juni 2002 von Prof. Dr. M., Bl. 122 - 124 d. A., nachgereicht,
das nicht zur Verwaltungsakte gelangt war.
Das Sozialgericht hat ein orthopädisch-traumatologisches Gutachten von dem Orthopäden Dr. Sch. vom 4. März 2004 eingeholt,
wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf Bl. 141 - 171 d. A. Bezug genommen wird. Es hat weiterhin ein Zusatzgutachten des Arztes
für Neurologie und Psychiatrie Dr. Sch. vom 18. März 2004, Bl. 172 - 197 d. A. eingeholt. Dr. Sch. hat im Wesentlichen die
Diagnosen eines Horner-Syndroms und einer leichtgradigen isolierten Phobie gestellt und die Beurteilung abgegeben, auf seinem
Fachgebiet liege keine unfallbedingte messbare Minderung der Erwerbsfähigkeit seit dem 1. August 2002 mehr vor. Für von der
Klägerin angegebene Sensibilitätsstörungen der rechten Gesichtsseite fände sich kein anatomisch pathologisches Korrelat. Klagen
über Kopfschmerzen habe die Klägerin nicht mehr vorgebracht. Die früher festgestellte Lähmung im Bereich des Nervus axillaris
habe nicht mehr nachgewiesen werden können. Auch ein funktionelles Defizit habe nicht mehr vorgelegen. Ein Hinweis auf eine
Hirnleistungsstörung habe sich während der gesamten Exploration und klinischen Untersuchung nicht finden lassen. Es sei auch
bei dem Unfall zu keiner Hirnsubstanzverletzung gekommen, so dass ein hirnorganisches Psychosyndrom durch den Unfall ausgeschlossen
werden könne. Die Angst der Klägerin vor dem Autofahren erfülle die Voraussetzungen des DSM-IV für eine isolierte Phobie.
Weitere Klagen hätten aus dem psychiatrischen Querschnittsbefund nicht nachvollzogen werden können. Die früher gestellte Diagnose
einer posttraumatischen Belastungsstörung sei nicht plausibel. Die dafür typischen Symptome, insbesondere die unmittelbare
Reaktion auf ein traumatisches Ereignis, hätten bei der Klägerin nicht vorgelegen.
Dr. Sch. hat die Minderung der Erwerbsfähigkeit insgesamt mit 30 bis maximal 35 v. H. eingeschätzt. Der Bruch am linken knienahen
Oberschenkel sei mit einer leichten X-Achsenstellung und einer eben angedeuteten Rekurvation ausgeheilt. Eine Sekundärarthrose
von Belang habe sich noch nicht entwickelt; die erkennbare beginnende arthrotische Reaktion mache sich funktionell noch nicht
bemerkbar. Es liege aber eine muskulär nicht voll kompensierbare antero-laterale Instabillitätskomponente vor, so dass sich
bei freier Neueinschätzung eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Unfallfolgen des linken Beines um 20 v. H. ergebe. Der
linksseitige Schulter-Arm-Befund mit einer verkippten knöchernen Heilung des Oberarmkopfes am Schaft und Verformungen am Oberarmkopf
selbst mit Merkmalen einer Frozen shoulder bei ausgedünnter Rotatorenmanschette erkläre eine recht erhebliche Bewegungsstörung
im linken Schulterbereich. Hier sei die Minderung der Erwerbsfähigkeit mit 20 v. H. zu bemessen.
Das Gericht hat dann auf Antrag der Klägerin nach §
109 SGG ein Gutachten von Prof. Dr. W. vom 7. Februar 2005 eingeholt, wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf Bl. 211 - 232 d. A. verwiesen
wird. Auch Prof. Dr. W. hat die Minderung der Erwerbsfähigkeit von unfallchirurgischem Gebiet ohne Abweichung von den vorangehenden
Gutachten mit 35 v. H. eingeschätzt.
Die Klägerin hat schriftsätzlich darauf hingewiesen, seit etwa Anfang Oktober 2005 habe sich ihr Gesundheitszustand durch
starke Rückenschmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule verschlechtert. Vor diesem Hintergrund habe eine Computertomographie
vom 17. Januar 2006 eine alte Deckplattenimpressionsfraktur mit leichter Einmuldung des ventralen Anteils der Deckplatte des
ersten Lendenwirbelkörpers ergeben.
Das Gericht hat weiterhin auf Antrag der Klägerin gemäß §
109 SGG ein Gutachten von Priv.-Doz. Dr. M. vom 30. Mai 2006 eingeholt, wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf Bl. 285 - 324 d. A.
verwiesen wird. Das Gutachten schließt ein neuropsychologisch-hirnleistungsdiagnostisches Zusatzgutachten des Dipl.-Psych.
O. vom 5. April 2006, Bl. 325 - 352 d. A., ein. Der Sachverständige hat im Wesentlichen ausgeführt, die von ihm und Prof.
Dr. W. früher abgegebene Beurteilung sei über den 1. August 2002 hinaus weiterhin zutreffend gewesen. Etwa seit Mitte 2005
sei aber von einer höheren Minderung der Erwerbsfähigkeit auszugehen, weil seit dieser Zeit bereits eine Depression mit Hirnleistungsminderung
allein eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 70 v. H. bedinge. Unfallfolgen seien:
Horner-Syndrom rechts
Anhidrose des rechten oberen Körperquadranten
Inkomplette Nervus axillaris-Läsion links
anhaltende depressive Störung im Rahmen einer chronischen posttraumatischen Belastungsstörung mit mittelschwerer Hirnleistungsminderung
bei Schädel-Hirn-Trauma
axonale Läsion des Nervus trigeminus 2. Ast rechts.
Priv.-Doz. Dr. M. hat darauf hingewiesen, die Erfüllung der Kriterien der posttrau-matischen Belastungsstörung ergebe sich
bereits aus dem neuropsychologischen Zusatzgutachten von Frau H. vom 11. Juni 2002, ohne dass dort diese Diagnose gestellt
werde.
Die Klägerin hat mitgeteilt, bei ihr bestehe jetzt auch der Verdacht auf eine medikamentös-toxische Leberkrankheit wegen der
Schmerzmitteleinnahme aufgrund der Unfallfolgen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht des Krankenhauses am R. vom 16.
Mai 2006, Bl. 357 d. A. Bezug genommen. Die Beklagte hat eine gutachtliche Stellungnahme von Prof. Dr. Dr. M. vom 19. Juli
2006 vorgelegt, wegen deren Inhalt im Einzelnen auf Bl. 361 - 380 d. A. verwiesen wird. Prof. Dr. Dr. M. hat sich im Wesentlichen
gegen die Ergebnisse im Gutachten von Priv.-Doz. Dr. M. gewandt und den Verdacht eines Medikamentenmissbrauchs der Klägerin
geäußert. Zudem bedürfe der Lendenwirbelbruch weiterer Aufklärung.
Die Beklagte hat weiterhin den Kurentlassungsbericht der Medianklinik II Flechtlingen vom 23. Mai 2005 über eine vom 20. April
bis 11. Mai 2005 durchgeführte Kur vorgelegt. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 382 - 392 d. A. verwiesen.
Die Klägerin hat sozialmedizinische Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt eingereicht,
wegen deren Inhalt auf Bl. 408 - 515 d. A. Bezug genommen wird.
Das Gericht hat eine ergänzende nervenärztliche Stellungnahme des Sachverständigen Dr. Sch. vom 4. Januar 2007 eingeholt,
wegen deren Inhalt im Einzelnen auf Bl. 419 - 426 d. A. verwiesen wird. Im Wesentlichen ist Dr. Sch. bei seiner Auffassung
geblieben und hat der Beurteilung Priv.-Doz. Dr. M. widersprochen.
Mit Bescheid vom 25. Mai 2007 hat die Beklagte den Bruch des ersten Lendenwirbelkörpers als weitere Unfallfolge anerkannt,
die Anerkennung von Bandscheibenprotrusionen bei L 4 bis S 1 und einer Bandscheibendegeneration L 5/S 1 als Unfallfolge abgelehnt
und festgestellt, eine aus den als Unfallfolgen anerkannten Gesundheitsschäden resultierende Behandlungsbedürftigkeit und
Arbeitsunfähigkeit bestehe nicht. Nach der Bescheidbegründung bezieht sich die letzte Feststellung allein auf Gesundheitsschäden
im Bereich der Wirbelsäule.
Die Klägerin hat einen MRT-Befund des radiologischen Zentrums M. L.-S. vom 31. August 2007 vorgelegt, wonach die Verdachtsdiagnose
einer medialen Meniskopathie rechts gestellt worden ist. Weiterhin hat sie den Bericht des Krankenhauses am R. vom 20. September
2007 vorgelegt, wonach ein Lappenriss des Innenmeniskus-Hinterhornes und ein kleiner Knorpeldefekt am medialen Femurcondylus
rechts athroskopisch behandelt worden sind.
Das Gericht hat ein psychiatrisches Gutachten von Priv.-Doz. Dr. Sch., Leitender Oberarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
des Universitätsklinikums J., vom 16. Dezember 2008 eingeholt, wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf Bl. 510 - 564 d. A. Bezug
genommen wird. Wegen des weiterhin eingeholten testpsychologischen Zusatzgutachtens der Dipl.-Psych. Dr. K. wird auf Bl. 565
- 573 d. A. verwiesen. Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gelangt, der Symptomkomplex bei der Klägerin könne nicht als
eine posttraumatische Belastungsstörung eingeordnet werden. Insgesamt sei evident, dass die Klägerin als unmittelbare Unfallfolge
eine Veränderung ihrer Stimmungslage zu beklagen gehabt habe. Es fänden sich keinerlei Hinweise für andere Faktoren zur Entwicklung
einer depressiven Störung. Weiterhin hätten die körperlichen Beeinträchtigungen und Schmerzen, der lange Rechtsstreit und
die finanzielle Belastung zur Veränderung der Stimmungslage beigetragen. Hier sei zu vermuten, dass anfängliche Schwierigkeiten
bei der Verarbeitung des Geschehens in eine Anpassungsstörung mit lang andauerndem depressiven Syndrom als verzögertem Krankheitsverlauf
gemündet seien. Dies sei eine mittelbare Unfallfolge. Für die ausweislich der neuropsychologischen Leistungsüberprüfung weiter
fortgeschrittene kognitive Beeinträchtigung ließen sich unmittelbare organische Unfallfolgen auch durch eine durchgeführte
cranielle Kernspintomographie nicht finden. Es sei zum Einen zu diskutieren, dass die kognitiven Defizite in die affektive
Erkrankung eingebettet seien. Zum anderen sei der Einfluss der Medikamente nicht von der Hand zu weisen. Es sei ein mittelbarer
Zusammenhang zum Unfallgeschehen herzustellen. Die für den Medikamentenmissbrauch ursprünglich ursächlichen Schmerzen seien
Unfallfolge; insofern sei auch die Medikamentenabhängigkeit als mittelbare Unfallfolge einzuordnen. Unklar blieben die Anteile
tatsächlicher Schmerzen in Abgrenzung zu einer somatoformen Schmerzstörung. Aus der Anamnese und der Schilderung der prämorbiden
Persönlichkeit ergäben sich keine Hinweise auf Somatisierungstendenzen vor dem Unfall.
Der Sachverständige hat als Diagnosen gestellt:
Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion
spezifische Phobie
Abhängigkeit von Opiaten
Missbrauch von nicht Abhängigkeit erzeugenden Substanzen - Antidepressiva und nicht psychotrope Analgetika
schwere kognitive Beeinträchtigung.
Seit 2006 sei auch eine medikamentös-toxische Lebererkrankung dokumentiert. Spätestens ab April 2006 sei ein mutmaßlicher
Beginn der Medikamentenabhängigkeit festzulegen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit dafür sei mit 50 v. H. einzuschätzen.
Eine spezifische Phobie sei dem neurologischen Gutachten aus dem Jahre 2001 zu entnehmen. Der Eindruck einer Verarbeitungsstörung
werde auch nachfolgend von verschiedenen Ärzten geteilt. Eine tatsächliche depressive Symptomatik sei erst durch das neurologische
Gutachten vom 30. Mai 2006 beschrieben. Die Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion sowie die spezifische Phobie
seien ab Juni 2002 mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H., ab April 2006 mit Hinzutreten klarer depressiver
Symptome mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 30 v. H. zu bewerten. Mit Bestehen der Hirnleistungsminderung ab September
2001 müsse von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v. H. ausgegangen werden, ab der dokumentierten Befundverschlechterung
vom April 2005 um 50 v. H. und mit 70 v. H. nach der aktuellen Diagnostik vom Oktober 2008. Die unfallbedingte Minderung der
Erwerbsfähigkeit auf psychiatrischem Fachgebiet sei insgesamt ab 2002 mit 40 v. H., ab 2006 mit 70 v. H. und ab 2007 mit 80
v. H. einzuschätzen.
Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf eine beratungsärztliche Stellungnahme von Prof. Dr. St. vom 25. Mai 2009 das Gutachten
für unverwertbar erklärt. Wegen der Einzelheiten der beratungsärztlichen Stellungnahme wird auf Bl. 552 - 586 d. A. Bezug
genommen.
In der mündlichen Verhandlung vom 17. März 2010 hat die Klägerin beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2002 in
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2003 teilweise aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr für den Zeitraum
vom 1. August 2002 bis 31.Dezember 2006 aufgrund des Schadensereignisses vom 15. Juli 1999 eine Unfallrente nach Maßgabe einer
Minderung der Erwerbsfähigkeit von 70 v. H. und ab 1. Januar 2007 nach Maßgabe einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 80
v. H. zu gewähren.
Mit Urteil vom gleichen Tag hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat den Bescheid der Beklagten vom 25. Mai 2007
in entsprechender Anwendung von §
96 Abs.
1 SGG in die Entscheidung einbezogen. Es hat ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Fortzahlung der Verletztenrente
nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 70 v. H. über den 31. Juli 2002 hinaus.
Die Neufeststellung der Rente sei gemäß §
62 Abs.
2 S. 2
SGB VII abweichend von der vorher geleisteten vorläufigen Entschädigung möglich, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert hätten.
Die Dreijahresfrist nach Ablauf des Versicherungsfalles am 15. Juli 1999 ende entsprechend § 26 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit §§
187 f.
BGB am 15. Juli 2002. Maßgebend für die Einhaltung der Frist sei der Zeitpunkt der wirksamen Bekanntgabe gegenüber der Versicherten
und nicht der Beginn der Rente auf unbestimmte Zeit. Die Bekanntgabe sei hier wirksam gegenüber dem Bevollmächtigten erfolgt,
weil er umfassend für das gesamte Verwaltungsverfahren bevollmächtigt gewesen sei. Die erteilte Vollmacht habe auch die Entgegennahme
von Zustellungen umfasst.
Die körperlichen Unfallfolgen seien dem Gutachten von Dr. Sch. folgend mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 30 v. H.
einzuschätzen. Die Bewegungseinschränkung im Schultergelenk bedinge eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H., ebenso
der ausgeheilte Oberschenkelbruch mit der Folge einer Instabilität. Der Bruch des ersten Lendenwirbelkörpers führe zu keiner
Erhöhung der Minderung der Erwerbsfähigkeit. Insofern folge das Gericht der beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. V. vom
15. Mai 2006, wonach der Deckplatteneinbruch nur eine geringfügige keilförmige Verformung des Wirbelkörpers bedingt habe.
Weder liege eine Einengung des Spinalkanals vor, noch zeigten die übrigen Wirbel mehr als nur leichte Veränderungen. Allerdings
lägen an der Lendenwirbelsäule weitere, unfallunabhängige Veränderungen vor.
Auch die geltend gemachten Veränderungen des rechten Kniegelenkes rechtfertigten keine andere Berurteilung, weil sie bereits
in die Bewertung eingeflossen seien. Eine weitere Begutachtung sei dazu nicht erforderlich gewesen, zumal die Klägerin selbst
Schmerzen und neurologische Beschwerden in den Vordergrund rücke. Dies bestätige der Befundbericht des Orthopäden Dr. P. vom
25. April 2008, der die Beschwerden auf das subjektive Empfinden zurückführe. Die Schmerzen seien bei der vorgenommenen Beurteilung
bereits berücksichtigt.
Psychische Störungen als Unfallfolge mit der Folge einer Erhöhung der Minderung der Erwerbsfähigkeit lägen nicht vor. Eine
posttraumatische Belastungsstörung habe nach dem Gutachten von Dr. Sch. nicht bestanden, weil es an einer entsprechenden ursprünglichen
Belastung fehle. Eine Erinnerung an den Unfall habe die Klägerin nicht. Gelegentliche bruchstückhafte Bilder ließen sich nicht
sicher auf solche eigenen Erinnerungen zurück führen. Damit setzten sich die Gutachten von Dr. M. nicht auseinander. Selbst
die behandelnde Psychologin Dr. W. komme in ihrem Befundbericht nicht zu der Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung,
sondern führe die psychischen Störungen eher auf eine fehlende Krankheitsverarbeitung zurück. Die von Dr. Sch. diagnostizierte
Anpassungsstörung sei jedenfalls keine Unfallursache. Auch insofern fehle das unmittelbare bewusste Erleben des Unfallereignisses,
das eine Anpassungsstörung hätte bewirken können. Zudem seien weitere Symptome nicht vorhanden. Weiterhin sei diese Diagnose
nur innerhalb von zwei Jahren nach Eintritt des maßgeblichen Ereignisses zulässig. Innerhalb dieser Zeit nach dem Unfall habe
die Klägerin aber entsprechende Probleme überhaupt nicht geschildert. Zudem überzeuge der Einwand des Beratungsarztes Prof.
Dr. St., eine Anpassungsstörung könne nur bis zu sechs Monaten dauern.
Die spezifische Phobie gegenüber Autofahrten begründe allenfalls eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 v. H., weil sie
nur einen eng begrenzten Lebensbereich betreffe. Die weiter gestellte Diagnose unspezifischer Ängste sei nicht hinreichend
durch entsprechende Untersuchungsergebnisse abgesichert.
Eine Medikamentenabhängigkeit sei nicht nachgewiesen. Die gegenteilige Feststellung Dr. Sch. sei nicht nachvollziehbar. Schon
die Einnahme der gegenüber Dr. Sch. erwähnten Medikamente sei nicht nachzuweisen, weil dafür kein Beleg existiere. Die Klägerin
selbst habe noch mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2006 einen Medikamentenmissbrauch bestritten. Eine Entzugsbehandlung sei nur
einmal für das Jahr 2006 behauptet, aber nicht belegt. Zudem sei eine solche Medikamentenabhängigkeit für den Fall ihres Vorliegens
keine Unfallfolge. Dr. D., der später von einer Abhängigkeit ausgegangen sei, habe noch in seinem Befundbericht vom 30. April
2003 dazu keinerlei Angaben gemacht. Auch die behandelnde Psychologin Dr. W. habe in ihrem Befundbericht vom 29. August 2005
nicht auf eine Abhängigkeit hingewiesen.
Eine Leistungsminderung aufgrund kognitiver Beeinträchtigungen liege ebenfalls nicht vor. Dr. Sch. habe nicht berücksichtigt,
dass die Klägerin objektiv keine solchen Leistungseinschränkungen zeige. Er habe sie in der Untersuchungssituation als wach
und orientiert beschrieben, sowie fähig, Fragen angemessen zu beantworten. Die Klägerin habe einen normalen Tagesablauf geschildert,
der lediglich gewisse Einschränkungen durch die orthopädischen Unfallfolgen erkennen lasse. Auf einen Zusammenhang mit Nebenwirkungen
von Medikamenten gehe Dr. Sch. nicht ausreichend ein. Auch Dr. M. gebe keine hinreichende Begründung für seine Annahme schwerer
kognitiver Beeinträchtigungen, zumal er ausdrücklich Anhaltspunkte für Merkfähigkeitsstörungen hinsichtlich Kurz- und Altgedächtnis
verneine. Auch Dr. W. sehe keine Hinweise auf Denk- und Wahrnehmungsstörungen. In der mündlichen Verhandlung seien die beschriebenen
schweren kognitiven Beeinträchtigungen nicht aufgefallen. Ein Schädel-Hirn-Trauma als mögliche Ursache einer kognitiven Leistungseinschränkung
liege nicht vor. Darauf liefere etwa das CT von 2001 keinen Hinweis. Dr. Sch. habe dies eindeutig festgestellt.
Gegen das ihr am 15. April 2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 12. Mai 2010 Berufung eingelegt. Sie trägt zunächst
vor, die von der Beklagten eingeholten Stellungnahmen hätten nicht verwertet werden dürfen, weil ihr vorher nicht das gesetzlich
geregelte Auswahlrecht zugestanden worden sei. Entsprechend unterlägen die Stellungnahmen einem Verwertungsverbot. Das Sozialgericht
sei ihrer Medikamentenabhängigkeit nicht ausreichend nachgegangen. Im Übrigen seien die Gutachten von Priv.-Doz. Dr. M. und
Dr. Sch. entgegen der Auffassung des Sozialgerichts überzeugend.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 17. März 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2002 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2003 aufzuheben,
hilfsweise,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 17. März 2010 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2002 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2003 und des Bescheides vom 25. Mai 2007 teilweise aufzuheben und die Beklagte zu
verurteilen, ihr für den Zeitraum vom 1. August 2002 bis 31. Dezember 2006 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit
um 70 v. H. und ab 1. Januar 2007 um 80 v. H. zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, die von der Klägerin beanstandeten Einschätzungen seien beratungsärztliche Stellungnahmen zu einzelnen Gesichtspunkten
des Verfahrensgegenstandes. Es handele sich nicht um Gutachten, die durch eine umfassende wissenschaftliche Bearbeitung gekennzeichnet
seien.
Nachdem das Gericht darauf hingewiesen hat, der angefochtene Bescheid vom 11. Juli 2002 habe erst nach Ablauf der Dreijahresfrist
des §
62 Abs.
2 SGB VII materielle Wirksamkeit erlangt und könne auf Grund der Jahresschutzfrist des §
74 Abs.
1 SGB VII sowie mangels ersichtlicher Änderung möglicherweise auch nicht auf § 48 Abs. 1 SGB X zu stützen sein, führt sie aus, § 48 Abs. 1 SGB X sei nicht anwendbar. Das Bundessozialgericht sei in seiner Entscheidung vom 5. Februar 2008 nicht konkret auf die Abgrenzung
zwischen §
62 SGB VII und § 48 SGB X eingegangen. Die Aussagen in dem Urteil seien aus ihrer Sicht vor dem Hintergrund der dort umstrittenen Anhörungsproblematik
zu sehen. Eine Nachholung der Anhörung sei auch noch im gerichtlichen Verfahren möglich. Es werde nicht ausdrücklich erörtert,
ob die Dreijahresfrist trotz Nachholung noch eingehalten sei. Dies sei augenscheinlich nach dem Abstellen auf § 48 SGB X aus der Sicht des Bundessozialgerichts nicht der Fall. Für den vorliegenden Fall besage dies aber nichts. Bei der Frage der
Fristeinhaltung nach §
62 Abs.
2 Satz 1
SGB VII sei auf die Abgrenzung zwischen dem Stammrecht und dem Einzelleistungsanspruch abzustellen. Der Einzelleistungsanspruch unterliege
der besonderen Regelung des §
73 Abs.
2 S. 1
SGB VII, wonach dem Rentenempfänger Leistungen noch für eine Übergangszeit belassen werden sollten. Dabei handele es sich um die
Einzelleistungen, die den Rentenanspruch als solchen unberührt ließen. Die materielle Wirksamkeit des Stammrechts trete unmittelbar
mit Bekanntgabe an den Empfänger ein.
Im Übrigen sei auch eine wesentliche Besserung zu erkennen. Diese ergebe sich aus den neuropsychologischen Gutachten. Die
Testergebnisse der neuropsychologischen Zusatzbegutachtung vom 27. September 2000 wiesen auf eine leichte bis mittelschwere
Leistungseinschränkung hin. Demgegenüber zeigten sich im neuropsychologischen Zusatzgutachten von Prof. Dr. M. vom 11. Juni
2002 nur noch leichtgradige Auffälligkeiten. Dr. M. habe in seinem Gutachten vom 19. September 2001 eine posttraumatische
Belastungsreaktion mit Panikattacken diagnostiziert. Prof. Dr. M. finde bei seiner Begutachtung keinen Anhalt für gravierende
Verletzungen am Hirn. Auch die von Dr. M. festgestellten Leistungseinschränkungen habe er nicht feststellen können. Den psychischen
Befund beschreibe er als unauffällig. Auch eine Teillähmung der vom Nervus axillaris innervierten Schultermuskulatur habe
nicht mehr nachgewiesen werden können.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einholung von Befundberichten. Wegen des Berichts des Chirurgen Dr. L. vom 12. April
2011 wird auf Bl. 729 - 731 d. A. Bezug genommen. Das Gericht hat weiterhin Auszüge aus der Akte des Sozialgerichts Halle
S 3 R 405/07 wie den zu Grunde liegenden Verwaltungsakten der Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt beigezogen und als Beiakte geführt.
Neben dieser Akte und den Gerichtsakten hat die Akte der Beklagten über die Klägerin - Az.: 19990024503 - in der mündlichen
Verhandlung und bei der Beratung vorgelegen.
Der Klagebefugnis einer reinen Anfechtungsklage steht nicht entgegen, dass die Klägerin mit der nur hilfsweise erhobenen Anfechtungs-
und Leistungsklage teilweise - nämlich für Zeiten ab 1. Januar 2007 - sogar höhere Leistungen nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit
um 80 v. H. geltend macht. Darüber kann der Senat nämlich nur entscheiden, wenn er gegen die Rechtsauffassung der Klägerin
unterstellt, die Beklagte sei im Rahmen einer noch möglichen Teilentziehung der vorläufigen Entschädigung auch zur Ablehnung
höherer Leistungen für die Zukunft ermächtigt gewesen. Nur dann läge eine ablehnende Entscheidung der Beklagten vor, der zulässig
(auch) mit einer Leistungsklage begegnet werden könnte, über die nach den Verhältnissen bis zur letzten mündlichen Verhandlung
zu entscheiden wäre. Denn eine spätere Entscheidung über eine Ablehnung höherer Leistungen hat die Beklagte nicht getroffen.
Die vorangehende Aufhebung der vorläufigen Entschädigung will die Klägerin aber nicht in Bestandskraft erwachsen lassen, weil
sie sich von einer erweiterten Wirkung des Bescheides vom 20. Dezember 2001 im Rahmen der gesetzlichen Umwandlung in eine
Rente auf unbestimmte Dauer eine leichtere Durchsetzung ihrer Ansprüche verspricht.
Die frühere Bescheiderteilung über eine spätere Rentenänderung reicht nicht aus, um diese gesetzliche Wirkung zu beseitigen.
Abgesehen davon, dass eine Grundlage im Gesetzestext fehlt, entspräche eine andere Auslegung auch nicht dem Anliegen, innerhalb
von drei Jahren eine verlässliche Leistung zu erbringen. Nur dieses kommt aber im Gesetztestext zum Ausdruck, nicht hingegen
die Sicherstellung einer möglichst nah an drei Jahren liegenden Prüfungsfrist der Beklagten. Das Abstellen auf die Feststellung
würde ein Umgehen der gesetzlichen Umwandlung und der nachfolgenden Sicherung des Verletzten gegen Änderungen ermöglichen,
indem eine Rentenänderung für eine fernere Zukunft allein auf Grund medizinisch-prognostischer Überlegungen zulässig wäre,
ohne dass selbst die Änderung der tatsächlichen Grundlagen nach den allgemeinen Grundsätzen des § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X nachzuweisen wäre. Denn ein vorangegangener Bescheid mit der Bestandskraft, die die Anwendbarkeit des § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X voraussetzt, läge dann nicht vor.
Schließlich ist aber auch der Eintritt einer wesentlichen Änderung im Sinne von § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X vor Erlass des Bescheides vom 11. Juli 2002 oder weiter bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens mit Bescheid vom 29.
Januar 2003 gegenüber den Verhältnissen bei Erlass des Bescheides vom 20. Dezember 2001 nach den erschöpfenden Beweisergebnissen
nicht festzustellen.
Die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach dem Bescheid vom 20. Dezember 2001 mit 70 v. H. ergibt sich nach den zu Grunde liegenden
Gutachten aus Einzelbewertungen mit 50 v. H. auf neurologisch-neuropsychologischem Gebiet und 40 v. H. auf unfallchirurgischem
Gebiet.
Die abweichende Bewertung auf neurologisch-neuropsychologischem Gebiet bei Erlass des Bescheides vom 11. Juli 2002 beruht
auf dem Gutachten von Prof. Dr. M. vom 6. Juni 2002, der gegenüber den Vorgutachtern keine Änderung behauptet, sondern deren
Auffassung für verfehlt hält. Er erklärt ausdrücklich die von den Vorgutachtern im Wesentlichen - nämlich nach dem damaligen
neuropsychologischen Zusatzgutachten allein mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 40 v. H. - auf eine hirnorganische
Leistungsminderung gestützte Einschätzung für nicht nachvollziehbar, weil kein Anhalt für eine gravierende Hirnverletzung
vorliege. Aber auch soweit eine psychische Grundlage für eine Leistungsminderung in Frage käme, hält er das Vorgutachten für
methodisch nicht tragfähig. So verweist er auf eine nach seiner Meinung geringe Aussagekraft neuropsychologischer Zusatzgutachten,
die vielfältig störanfällig seien und unter Hinzuziehung der klinisch-neurologischen Hauptuntersuchung zu würdigen seien.
Diese, dem Gutachten von Priv.-Doz. Dr. M. gegenüber gestellten Aussagen geben keinen Hinweis auf die Einschätzung einer Besserung.
Dass umgekehrt auch Priv.-Doz. Dr. M. darin ausschließlich eine abweichende Beurteilung erkennt, zeigt seine spätere Einschätzung.
Denn er erachtet die Befundergebnisse von Prof. Dr. M. gegenüber den ersten Erhebungen anlässlich seines Gutachtens vom 19.
September 2001 für unerheblich, wie seine Beurteilung im Gutachten vom 30. Mai 2006 zeigt, es liege durchgängig auch ab 1.
August 2002 eine unfallbedingte mittelschwere Hirnleistungsminderung vor, und die 2001 empfohlene Bewertung von Unfallfolgen
treffe auch über den 1. August 2002 hinaus zu. Soweit auch Prof. Dr. Dr. M. in seiner am 2. Juli 2002 bei der Beklagten eingegangenen
Stellungnahme u. a. die Auffassung vertritt, vermeintliche Unfallfolgen lägen nicht mehr vor, verkennt er die Befundlage.
Mit seiner Behauptung, bei der maßgeblichen Untersuchung seien keine psychischen Beeinträchtigungen geklagt und geschildert
worden, bezieht er sich allein auf die Wiedergaben im Hauptgutachten von Prof. Dr. M., die von den Schilderungen im neuropsychologischen
Zusatzgutachten markant abweichen, wie auch Priv.-Doz. Dr. M. in seinem späteren Gutachten vom 30. Mai 2006 verdeutlicht.
In dem Zusatzgutachten finden sich schon außerhalb der Testung fünf Seiten mit Klagen und Beobachtungen im Zusammenhang des
psychischen Befindens wie Verlangsamung, Ermüdung, Erschöpfung, leicht gedrückte Stimmungslage, Antriebsminderung, Gedächtnisverschlechterung,
Aufmerksamkeitsmängel, Ablenkbarkeit, Wortfindungsstörungen, Aggressivität, Ängste verschiedener Art und Unruhegefühl.
Soweit Priv.-Doz. Dr. M. auch eine posttraumatische Belastungsreaktion für funktionseinschränkend erachtet, geht Prof. Dr.
M. darauf nicht ein. Ein Zeichen für eine Besserung ist dies aber nicht, zumal in dem neuropsychologischen Zusatzgutachten
vom 11. Juni 2002 ein psychischer Beschwerdekomplex weiter beschrieben und mit der Anregung eines psychiatrischen Zusatzgutachtens
verbunden ist und Priv.-Doz. Dr. M. in seinem Gutachten vom 30. Mai 2006 von einem durchgehenden Fortbestehen ausgeht.
Bezüglich der Nervus axillaris-Schädigung zeigt sich an der Beurteilung von Priv.-Doz. Dr. M. in seinem Gerichtsgutachten
vom 30. Mai 2006, wonach diese unverändert vorhanden sei, dass jedenfalls keine Änderung eingetreten ist, sondern allenfalls
eine abweichende Beurteilung von Prof. Dr. M. vorliegen kann. Es ist auch nicht nachvollziehbar, woraus Prof. Dr. M. seine
Beurteilung ableitet, die Schädigung des Nervus axillaris sei - ggf. inzwischen - sensibler Art. Weder ergibt sich aus seiner
Befunderhebung die Ermittlung von Kraftgraden, die Priv.-Doz. Dr. M. vorgenommen hat, noch liegt ein elektrophysiologisches
Gutachten mit Messergebnissen vor, aus denen sich Schlüsse auf eine Besserung gegenüber dem elektrophysiologischen Befund
im Gutachten vom 19. September 2001 ergeben könnten, aus dem Priv.- Doz. Dr. M. auf eine axonale Schädigung des Nervus axillaris
geschlossen hatte. Dass dazu eine neue Befunderhebung fehlt, übergeht auch Prof. Dr. Dr. M. bei seinen Andeutungen, das Krankheitsbild
sei nicht mehr nachweisbar. Demnach muss es bei der Einschätzung Priv.-Doz. Dr. M. in seinem Gutachten vom 30. Mai 2006 sein
Bewenden haben, in dem er unverändert von einer inkompletten Nervus axillaris-Läsion mit leichten Paresen ausgeht.
Zu den Auswirkungen des Horner-Syndroms vertreten beide Gutachter die Auffassung eine "funktionell relevante Beeinträchtigung
(liege) dabei nicht vor" (Formulierung von Priv.-Doz. Dr. M.). Eine wesentliche Änderung der Minderung der Erwerbsfähigkeit
ist auch im Hinblick auf alle weiteren, von den Gutachtern als unfallbedingt angesehenen neurologischen Befunde ausgeschlossen,
weil die Gutachter sie übereinstimmend als funktionell bedeutungslos ansehen.
Im Bereich der linken Schulter unterscheiden sich die Messungen von Prof. Dr. W. und Prof. Dr. O. dadurch, dass nach Prof.
Dr. O. die horizontale Ebene bei der Vorwärtsbewegung mit 90 Grad erreicht und bei der Seitwärtsbewegung mit 100 Grad überschritten
wird. Da nach der zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses üblichen Bewertung eine Beschränkung (nur) der Vorhebung "bis 90 Grad"
(Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, S. 604) eine Minderung der Erwerbsfähigkeit
um 20 v. H. rechtfertigte, ergibt sich zwischen den Messungen kein bewertbarer Unterschied. Auch aus der neueren Fassung der
Bewertungstabellen lässt sich nichts Anderes ableiten, weil jedenfalls für Beurteilungen der Minderung der Erwerbsfähigkeit
mit unter 20 v. H. eine freie Rotation vorausgesetzt wird (Schönberger u.a., 8. Aufl. 2010, S. 523), die bei der Klägerin
nach beiden Gutachten nicht vorgelegen hat.
Die Unfallfolgen im Bereich des linken Beines werden mit einer Beinverkürzung um 2 cm, einer Umfangsdifferenz von etwa 1-2
cm und einer anteromedialen Instabilität des Kniegelenkes im Hinblick auf die Funktionsbeeinträchtigungen gleich beschrieben.