Unfallversicherung - Ellenbogengelenksarthrose; Risikofaktor; Befallsmuster; Nachweis der Erkrankung; Arbeitshinweise; berufliche
Belastung; gefährdende Tätigkeit; Ursachenzusammenhang; Plausibilitätsprüfung; besondere Einwirkung; bealstungsadaptiv; Dosismodell;
Berufskrankheit; BK Nr 2103
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob arthrotische Veränderungen im Armbereich, insbesondere eine Ellenbogengelenksarthrose
beiderseits, als Berufskrankheit nach Nr. 2103 der Anlage 1 zur
Berufskrankheitenverordnung (BK 2103) festzustellen sind.
Der 1945 geborene Kläger absolvierte von September 1959 bis August 1962 eine Lehre als Maurer im VEB B. Z. und arbeitete anschließend
als solcher. Von April 1963 bis Januar 1965 war er Soldat im Wachregiment B ... Sodann arbeitete er von Januar 1965 bis April
1971 als Maurer und Maurerbrigadier im VE BMK Chemie Z. und anschließend bis August 1971 als Feuerungsmaurer im VEB Spezialbaukombinat
M ... Von September 1971 bis Dezember 1982 war er als Kraftfahrer im VEB Ziegelwerk Z., von Januar 1983 bis Juni 1990 als
Straßenbauer im VEB BDS H. und sodann bis Ende 1991 als Straßenbauarbeiter/Vorarbeiter im Betrieb Straßenbau und Instandsetzung
H. tätig. Von Januar 1992 bis Dezember 1995 war er in derselben Funktion bei verschiedenen privaten Gesellschaften beschäftigt.
Ab Januar 1996 war er mit einer Firma im Garten-, Landschafts- und Wegebau selbständig tätig.
Nach den Angaben des Klägers zu Beginn des Verwaltungsverfahrens arbeitete er in der Zeit vom 1. September 1962 bis 30. März
1963 ca. 18 Stunden pro Woche mit Presslufthämmern. Die Zeit ab 18. Januar 1965 bis April 1971 wurde von ihm mit bis zu acht
Stunden solcher Arbeit pro Tag eingeschätzt. Vom 13. April bis 22. August 1971 fielen wiederum Tätigkeiten mit einem Presslufthammer
von 18 Stunden pro Woche an. In der Zeit vom 23. August 1971 bis 31. Dezember 1982 waren zehn Stunden Arbeiten mit einem Elektrorüttler
pro Woche durchzuführen. Anschließend führte der Kläger fünf Stunden pro Woche Pressluftarbeiten durch und vom 1. Juli 1990
bis zum 31. Oktober 1993 wieder 10 Wochenstunden. Der danach vom 1. November 1993 bis zum 31. Dezember 1995 eingesetzte Boschhammer
fand nur an 2 Std./Woche Verwendung.
Nach einem Bericht der fachinternistischen Praxis Dr. S. vom 26. November 2002 litt der Kläger u. a. unter einer Ellenbogengelenksarthrose.
Die Ellenbogen waren beidseits nicht auf 180° streckbar. Eine Röntgenaufnahme von Oktober 2002 zeigte eine schwerste Ellenbogengelenksarthrose
mit schweren Randzackenbildungen, verschmälertem Gelenkspalt und Knochenappositionen.
Am 1. Juni 2005 ging bei der Beigeladenen die ärztliche Anzeige ein, die Ellenbogengelenksarthrose des Klägers könne Folge
einer BK 2103 sein. Beigefügt war ein Bericht der Orthopädischen Gemeinschaftspraxis Dr. M ... R./Dr. M. vom 22. April 2005,
wonach der Kläger über seit ca. sechs Jahren zunehmende Ellenbogen- und Kniebeschwerden ohne entsprechendes Trauma berichte.
Auf den Röntgenbildern zeigte sich rechts und links eine deutliche Verschmälerung des Humeroulnargelenkes mit multiplen periartikulären
Verkalkungen.
Im Weiteren wurde der Sozialversicherungsausweis des Klägers beigezogen und eine beratungsärztliche Stellungnahme des Facharztes
für Chirurgie/Unfallchirurgie W. vom 17. Januar 2006 eingeholt. Dieser bestätigte ein ausgeprägtes Verschleißleiden an beiden
Ellenbogengelenken, das grundsätzlich mit der BK 2103 vereinbar sei und dem aus ärztlicher Sicht eine adäquate Belastung zu
Grunde liege. Röntgenaufnahmen der Hand- und Schultergelenke könnten zu einem noch schlüssigeren Bild führen. Der Kläger leide
unter degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule und des linken Kniegelenkes. Beschwerden oder Affektionen im Bereich
der oberen Gliedmaßen, die als konkurrierende Ursache zu werten wären, gingen aus vorliegenden Vorerkrankungsverzeichnissen
nicht hervor.
In einer Stellungnahme vom 17. Februar 2006 führte die Präventionsabteilung der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Weiteren:
einheitlich Beklagte) aus, der Kläger sei in ihrem Zuständigkeitsbereich gefährdet im Sinne der BK 2103 tätig gewesen. Gleichwohl
lägen die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Tätigkeit als selbständiger Unternehmer ab 1996 nicht vor. In einer weiteren
Stellungnahme führte die Präventionsabteilung der Beigeladenen aus, der Kläger sei seit Juli 1990 bis einschließlich Dezember
1995 zwar exponiert gewesen. Da er die Werkzeuge/Maschinen aber nicht arbeitstäglich (220 Tage pro Jahr) mehrstündig (mehr
als zwei Stunden pro Arbeitstag) bedient habe, lägen die arbeitstechnischen Voraussetzungen mit Sicherheit nicht vor. In einer
weiteren Expositionsbewertung wurde der Zeitraum von September 1959 bis Juni 1990 im Ergebnis ähnlich bewertet. Unter dem
21. Juni 2006 führte der Landesgewerbearzt Dr. S. aus, angesichts der Ermittlungen der Präventionsabteilung sei nicht von
einer Berufskrankheit auszugehen.
Mit Bescheid vom 7. August 2006 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Erkrankung als BK 2103 ab. Den hiergegen am 10. August
2006 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 9. November 2006 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 27. November 2006 Klage am Sozialgericht Halle erhoben.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von dem Orthopäden Prof. Dr. R ... Dieser hat unter dem 27.
Juni 2007 ausgeführt, eine neu angefertigte Röntgenaufnahme der Handgelenke zeige rechts eine eben beginnende Arthrose im
distalen Radioulnargelenk. Dies sei ein reiner Röntgenbefund und hinterlasse keine messbare Funktionsstörung. Das Radiokarpalgelenk
und die Handwurzelknochen seien unauffällig. Die Schultergelenke zeigten keinen Anhalt für degenerative Veränderungen. Hingegen
liege rechts eine beginnende Acromioclaviculararthrose vor. Es bestehe eine hochgradige Ellenbogengelenkarthrose. Der Sachverständige
hat weiter ausgeführt, zu unterscheiden sei eine Hauptform mit Arthrose der Gelenke von Sonderformen mit der Betroffenheit
anderer Bereiche. Bei der Hauptform sei mit knapp 70 % das Ellenbogengelenk am häufigsten betroffen, in etwa 25 % der Fälle
bestehe eine Arthrose im körperfernen Drehgelenk zwischen Elle und Speiche. In etwa 5 % der Fälle liege außerdem eine Betroffenheit
des Schultereckgelenks vor, während das Schulterhauptgelenk und das Handgelenk bei der Hauptform nicht miterkrankten. Diese
Hauptform sei aber häufig über Jahre asymptomatisch, so dass die erste Symptomatik unter Umständen erst Jahre nach Aufgabe
der Tätigkeit eintreten könne. Der sogenannte Andruckarm bei der Bedienung von Pressluftgeräten sei in der Regel wesentlich
stärker betroffen, wenn nicht sogar ausschließlich im Vergleich zum Haltearm. Auch diese Besonderheit könne im vorliegenden
Fall bestätigt werden. Nach den Vorbemerkungen zu den Beweisfragen solle er als Sachverständiger die entsprechende Exposition
unterstellen. Dann lägen im vorliegenden Fall sowohl die haftungsbegründende als auch die haftungsausfüllende Kausalität vor.
Die Beklagte hat Kopien eines Fachaufsatzes von Dupuis/Hartung/Konietzko, Arbeitsmedizin/Sozialmedizin/Umweltmedizin 1998,
S. 490 ff. sowie aus Dupuis/Hartung, Handbuch der Arbeitsmedizin, Stand April 1999, vorgelegt. In einer weiteren Stellungnahme
vom 4. September 2007 wiederholte und vertiefte die Präventionsabteilung der Beklagten ihre bisherige Auffassung. Die arbeitstechnischen
Voraussetzungen seien eindeutig zu verneinen.
Mit weiterer Stellungnahme vom 27. November 2007 hat die Präventionsabteilung für die gesamten Zeiträume als Maurer (9/1959
- 3/1963, 1/1965 - 8/1971), als Kraftfahrer in einer Ziegelei (8/1971 - 12/1982), als Straßenbauer (1/1983 - 10/1993) sowie
für die nachfolgenden Zeiträume festgestellt, der Kläger habe in der gesamten Zeit eindeutig nicht in jeder Arbeitswoche und
nicht arbeitstäglich Stemmarbeiten ausgeführt. Wenn wochenweise solche Arbeiten angefallen seien, habe sich die Stemmzeit
auf ca. 10 Std./Woche, teilweise (1983 - 1990) auf 8 - 10 Std./Woche belaufen. Ab 1993 sei nur noch gelegentlich eine Stemmzeit
von ca. 2. Std./Woche aufgetreten.
Auf weitere Nachfrage hat die Präventionsabteilung der Beigeladenen unter dem 5. Januar 2010 ausgeführt, der Kläger habe im
Zeitraum von September 1959 bis August 1971 als Maurer gearbeitet und dabei nach Arbeitsauftrag und Baustellengegebenheiten
zwischen acht und 18 Stunden pro Woche Umgang mit Abbruch- und Stemmwerkzeugen gehabt. Insgesamt hätten die Schwingungsbelastungen
nur in zwei Zeiträumen (August 1971 bis September 1982 - ohne Umgang mit Vibrationswerkzeugen - und November 1993 bis Dezember
1995 - zeitlich geringer Einsatz eines Elektrohammers) eine Tagesbelastung von weniger als 5,0 Meter/Sekunde2 verursacht.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung einer schriftlichen Zeugenaussage vom 22. April 2011, Bl. 287 d. A ...
und am 3. Mai 2011 durch Vernehmung verschiedener Zeugen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll Bezug genommen.
Mit Urteil vom 3. Mai 2011 hat das Sozialgericht Halle den angefochtenen Bescheid der Beklagten aufgehoben und die Beklagte
antragsgemäß verurteilt, die bei dem Kläger bestehende Ellenbogengelenksarthrose mit einer MdE von 20 vH ab dem 1. Oktober
2005 anzuerkennen und ab diesem Datum eine Verletztenrente aufgrund der MdE an den Kläger zu zahlen. Zur Begründung hat es
sich auf das eingeholte Gutachten von Prof. Dr. R. gestützt und weiter ausgeführt, nach dem einschlägigen Merkblatt könnten
arbeitsbedingte arthrotische Veränderungen an den Gelenken in der Regel nicht vor Ablauf einer zweijährigen, täglich wiederholten
mehrstündigen Arbeit mit hoher Schwingungsintensität auftreten. Bei der Unterschreitung von einer Stunde regelmäßiger Expositionszeit
und 2500 Gesamtexpositionsstunden als Orientierungswerte sei die Wahrscheinlichkeit einer gesundheitlichen Schädigung nicht
mehr gegeben. Insgesamt könne nach der einschlägigen Literatur davon ausgegangen werden, dass bei geringer Intensität und
täglicher Expositionsdauer in Verbindung mit längerer Gesamteinwirkungsdauer ein gesundheitliches Risiko bestehe. Hier habe
der Kläger ab Februar 1965 bis Ende des Jahres arbeitstäglich ca. acht Stunden in D. mit luftbetriebenen Eisenhämmern gearbeitet.
Er sei darüber hinaus sein ganzes Erwerbsleben immer wieder Vibrationsgefährdungen ausgesetzt gewesen, so dass die arbeitstechnischen
Voraussetzungen beim Kläger gegeben seien. Dieses Ergebnis werde durch das medizinische Schadensbild bestätigt. Man könne
nicht von vorliegenden medizinischen Voraussetzungen auf eine stattgehabte berufliche Belastung schließen, ohne dass diese
bewiesen wäre. Jedoch bestätigten die erfüllten medizinischen Voraussetzungen das Ergebnis der Feststellung der arbeitstechnischen
Voraussetzungen. Zudem spreche für das gefundene Ergebnis das späte Datum der medizinischen Feststellungen, auch wenn der
Kläger glaubhaft angebe, bereits 1979 Schmerzen in den Ellenbogengelenken gehabt zu haben. Alternative Ursachen seien nicht
feststellbar.
Gegen das ihr am 1. Juli 2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte noch im gleichen Monat Berufung eingelegt. Zur Begründung
hat sie ausgeführt, die Exposition sei vom Gericht unrichtig festgestellt werden. So habe das Gericht ausgeführt, der Kläger
habe an sechs Tagen in der Woche über acht Stunden lang Stemmarbeiten ausgeführt. Dies hätten die Zeugen nicht bestätigt,
wie die Beklagte ausführlich dargelegt hat. Schließlich lägen nach dem amtlichen Merkblatt die Voraussetzungen der BK 2103
nicht vor. Bezüglich der Klage auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung haben die Beteiligten in der mündlichen
Verhandlung vom 8. Dezember 2016 einen Teilvergleich geschlossen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 3. Mai 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass eine Ellenbogengelenksarthrose rechts mehr als links, eine beidseitige Arthrose
der distalen Radioulnargelenke und eine Arthrose beider Acromioclaviculargelenke als Berufskrankheit nach Nr. 2103 der Anl.
1 zur
Berufskrankheiten-Verordnung festgestellt werden.
Er hat seinerseits ausführlich den Ausführungen der Beklagten widersprochen.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Im Auftrag des Senats hat der Bereich Prävention der Beklagten eine ergänzende Stellungnahme abgegeben. Darin hat er nochmals
betont, er könne keine Grenze für eine Belastungsdosis ermitteln. Dies ergebe sich aus den letzten Änderungen des ärztlichen
Merkblattes der streitigen Berufskrankheit. Gleichwohl hat er die Belastung des Klägers noch einmal eingehend dargelegt.
Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr. S. - Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie - ein Gutachten vom 21. April 2015 nach
einer ambulanten Untersuchung des Klägers erstellt. Dieser hat die Diagnosen Ankylose beider Ellenbogengelenke durch destruierende
Arthrose (rechts > links), Arthrose des distalen Radio-Ulnargelenkes (rechts > links) sowie Impingementsyndrom beider Schultergelenke
bei mäßiger Arthrose des AC-Gelenkes beiderseits gestellt. Weiter hat der Sachverständige ausgeführt, insgesamt erscheine
es plausibel, dass der Kläger in dem Zeitraum von 1961 bis 1967 mindestens zwei bis vier Stunden arbeitstäglich und dies an
mehr als 220 Tagen pro Jahr einer Exposition ausgesetzt gewesen sei, die der Orientierungshilfe für die Ermittlung der Gesamtbelastungsdosis
von Bergleuten entspreche. Im Jahre 2002, also knapp 40 Jahre nach der in Frage kommenden beruflichen Belastung, sei bei dem
Kläger erstmals ein aktenkundiges Röntgenbild der Ellenbogengelenke angefertigt worden. Bereits in diesem Bild habe sich eine
ausgesprochen schwere Arthrose beider Ellenbogengelenke gezeigt. Auch wenn sich der zeitliche Verlauf retrospektiv nur schwer
abschätzen lasse, so könne nach allgemeiner fachärztlicher Erfahrung gesagt werden, dass die Entwicklung solcher schweren
Veränderungen eines langen, gegebenenfalls auch 20 Jahre und längeren Zeitraums bedürfe. Damit ließen sich diese Veränderungen
mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die Tätigkeit des Klägers zurückführen. Mögliche konkurrierende Faktoren, wie Verletzungen
oder entzündliche Erkrankungen des Ellenbogengelenkes, lägen nicht vor.
Der Sachverständige hat weiter ausgeführt, Arthrosen der Ellenbogengelenke hätten etwa 2 % Prävalenz im Vergleich zu anderen
Arthrosen (z.B. Gonarthrose mit bis zu 60 bis 80 % innerhalb der älteren Bevölkerung); diese seien also ausgesprochen selten.
Neben Verletzungsfolgen (z.B. nach Frakturen oder Verrenkung) oder entzündlichen Systemerkrankungen (z.B. Rheuma) könne als
gesichert gelten, dass die berufliche Belastung des Ellenbogengelenkes - insbesondere eine chronische Vibrationsbelastung
- ein Risikofaktor für eine Ellenbogenarthrose sei. Andere Gesundheitsstörungen seien nicht festgestellt worden. Insgesamt
sei ein ursächlicher Zusammenhang wahrscheinlich.
Bei seiner eigenen Untersuchung habe sich eine deutliche Zunahme der Funktionsstörungen im Bereich der Ellenbogengelenke gezeigt.
Es bestehe auch eine zunehmende Arthrose des distalen Radio-Ulnargelenkes. Diese und Veränderungen beider Acromioclaviculargelenke
seien ebenfalls als Folge der beruflichen Exposition zu bewerten.
In einer beratenden ärztlichen Stellungnahme kam der Orthopäde Dr. T. zu dem Ergebnis, dass die grundsätzliche Problematik
in dem Gutachten gut herausgearbeitet sei und man der medizinischen Argumentation keine objektiv begründete Gegenposition
entgegenstellen könne. Er habe bereits in seiner vorherigen Stellungnahme darauf hingewiesen, dass hier wahrscheinlich eine
so genannte Abnutzungsform dieser Berufserkrankung vorliege. Dem Gutachten könne inhaltlich und im Ergebnis "ohne wenn und
aber" gefolgt werden. Schicksalhafte Arthrosen in den Ellenbogengelenken seien eher selten und meistens nicht in dieser Ausprägung
und Verteilung vorhanden, wie dies bei dem Kläger der Fall sei. Auch dies spreche für eine wesentliche Ursächlichkeit der
beruflichen Belastungen. Aus medizinischer Sicht rate er nochmals dazu, die Berufskrankheit anzuerkennen.
Die Beklagte hat kritisiert, der Sachverständige lege eine unrichtige Exposition zugrunde. Zutreffend sei hier die siebte
Stellungnahme der Präventionsabteilung, die hier genauer differenziere. In der beigefügten Stellungnahme hat die Präventionsabteilung
nochmals betont, dass der Kläger im Zeitraum von September 1959 bis Ende 1964 nicht arbeitstäglich Stemmarbeiten mit Pressluftwerkzeugen
ausgeführt habe. Dies sei von den jeweiligen Baustellen abhängig gewesen. Nur wenn wochenweise derartige Arbeiten erforderlich
gewesen seien, habe die Stemmzeit ca. zehn Stunden/Woche betragen. Für den anschließenden Zeitraum bis Ende 1965 (Baustelle
D.) sei eine Belastung an 300 Tagen in einem zeitlichen Umfang von gegebenenfalls maximal sieben Stunden/Tag von einer Tagesschwingbeschleunigung
von ca. 16 Meter/Sekunde2 auszugehen. In dem anschließenden Zeitraum bis Mitte/Ende 1967 (ca. 1,5 bis 2 Jahre, Baustelle L.)
habe der Kläger in ca. fünf Tagen/Monat "ganztägig" Stemmarbeiten durchgeführt. Insgesamt sei hier von einer Belastung an
40 Tagen/Jahr im zeitlichen Umfang von maximal sieben Stunden/Tag bei einer Tagesschwingbeschleunigung A (8) von ca. 16 Meter/Sekunde2
auszugehen. Im Zeitraum von Mitte/Ende 1967 bis August 1971 (ca. 3,66 Jahre) sei der Kläger ebenfalls nicht wöchentlich bzw.
arbeitstäglich mit Stemmarbeiten beschäftigt gewesen. Sofern Stemmarbeiten durchgeführt worden seien, sei von einer Belastung
von zwei Stunden/Tag auszugehen. Von September 1971 bis Dezember 1982 (11,75 Jahre) sei nur von einer geringen Belastung auszugehen.
Diese sei mit zwei Stunden/Tag mit einer Tagesschwingbeschleunigung A (8) von 8 Meter/Sekunde2 anzusetzen. Ähnliches gelte
sodann für den Zeitraum von Januar 1983 bis Juni 1990 (7,5 Jahre) sowie von Juli 1990 bis Oktober 1993 (ca. 3,3 Jahre). Für
den anschließenden Zeitraum bis Dezember 1995 sei von einer noch geringeren Belastung auszugehen. Von einer Gefährdung im
Sinne der streitigen Berufskrankheit sei nach dem geltenden Merkblatt aber erst auszugehen, wenn diese mehrjährig arbeitstäglich
und dann mehrstündig ausgeführt werde. Dies sei hier nur in dem Zeitraum von Ende 1964 bis Ende 1965 der Fall gewesen.
Der Senat hat Prof. Dr. S. auf die umstrittene Exposition hingewiesen und erneut eine Stellungnahme von diesem eingeholt.
Dieser hat ausgeführt, dass das Ellenbogengelenk anders als viele andere Gelenke des Körpers nur sehr gering oder gar keine
primären Arthrosen ausbilde. Sowohl nach seiner eigenen Untersuchung als auch in der Literatur seien weitestgehend alle Arthrosen
des Ellenbogengelenkes plausibel auf einen oder mehrere Faktoren (berufliche, sportliche Belastung, Unfall, entzündliche Gelenkserkrankungen
oder Fehlbildung) zurückgeführt worden. Im Hinblick darauf, dass der Kläger einer erheblichen, potentiell schädigenden beruflichen
Belastung ausgesetzt gewesen sei und andere konkurrierende Faktoren fehlten, sei aus medizinischer Sicht hinreichend wahrscheinlich,
dass die jetzige Erkrankung auf diese berufliche Belastung zurückzuführen sei. Eine Ellenbogengelenksarthrose falle zunächst
nicht durch Schmerzen auf. Sie führe zunächst auch zu nur mäßigen Bewegungseinschränkungen. Im Hinblick auf den großen Bewegungsradius
und die Anpassungsfähigkeit der gesamten oberen Extremitäten führe diese Erkrankung bei den Betroffenen oftmals erst in der
Spätphase zu einer Behandlungsbedürftigkeit. Ein solcher Prozess könne sich über Jahrzehnte kontinuierlich hinziehen. Damit
spreche auch der zeitliche Verlauf keineswegs gegen eine Kausalität. Zudem habe bereits im Jahre 1970 Arbeitsunfähigkeit aufgrund
von Gelenkproblemen bestanden. Zusammenfassend hat der Sachverständige ausgeführt, dass der Kläger einer gefährdenden Exposition
ausgesetzt gewesen sei. Damals sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Schädigung des Gelenkes erfolgt. Der Sachverständige
hat in seiner Stellungnahme einen Fachaufsatz "Risikofaktoren für Knorpelschaden und Arthrose des Ellenbogengelenkes - Fallkontrollstudie
und systematisches Literaturreview" beigefügt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten
und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung
und der Entscheidungsfindung des Senats.
Entscheidungsgründe:
Die nach §
143 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthafte, form- und fristgerecht erhobene (§
151 Abs.
1 SGG) und auch ansonsten zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
Denn der Kläger hat einen Anspruch auf Feststellung der geltend gemachten Erkrankungen als BK 2103, wie das Sozialgericht
zutreffend ausgeführt hat. Der ablehnende Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides beschwert ihn im
Sinne der §§
157,
54 Abs.
2 Satz 1
SGG.
Die vom Kläger verfolgten Ansprüche richten sich nach den Vorschriften des
Siebten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung (
SGB VII). Denn der geltend gemachte Versicherungsfall, zu dessen Vorliegen insbesondere der Nachweis einer Erkrankung im Sinne der
BK 2301 gehört, ist hier erst nach dem In-Kraft-Treten des
SGB VII am 1. Januar 1997 eingetreten (vgl. Art. 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I, 1254 ff., §§
212 ff.
SGB VII).
Für den Versicherungsfall zuständig ist die Beklagte, wie bereits ihre Präventionsabteilung in der Stellungnahme vom 15. September
2005 dargelegt hat. Der Kläger war zuletzt in ihrem Zuständigkeitsbereich im Sinne des §
134 SGB VII hinsichtlich der hier strittigen Berufskrankheit gefährdet. Diese Exposition bestätigt auch die jüngste Einschätzung der
Präventionsabteilung der Beklagten vom 3. September 2015. Darin wird ausgeführt, der Kläger habe im Zeitraum von 1996 bis
2005 (9,75 Jahre) im Zuständigkeitsbereich der Beklagten im Durchschnitt an ca. 10-12 Tagen/Jahr Stemmarbeiten durchgeführt.
Für diese Tage sei von einem zeitlichen Umfang von ca. 1,5 h/Tag mit einer Tagesschwingbeschleunigung von ca. A(8) = 6 m/s2
auszugehen.
Nach 6.1 und 6.2.1. der Arbeitshinweise zur Vereinbarung (der Mitglieder der gesetzlichen Unfallversicherung unter Beitritt
der Beklagten) über die Zuständigkeiten bei Berufskrankheiten in der Fassung vom 1. Januar 1997 liegt eine gefährdende Tätigkeit
vor, wenn Tätigkeiten mit einem auf 8 Stunden bezogenen Tages-Vibrationsexpositionswert A(8) von mindestens 2,5 m/s2 verrichtet
wurden. Diese Belastung muss in insgesamt mindestens 60 Arbeitsschichten bestanden haben, so wie es beim Kläger in seiner
bei der Beklagten versicherten selbständigen Tätigkeit der Fall war.
Die Arbeitshinweise sind eine sinnvolle Konkretisierung der §§
133,
134 SGB VII. Die bei dem Kläger im Zuständigkeitsbereich der Beklagten vorliegende berufliche Belastung überschreitet den angegebenen
Wert und stellt eine "gefährdende Tätigkeit" im Sinne des §
134 Abs.
1 SGB VII dar.
Gemäß §
9 Abs.
1 Satz 1
SGB VII sind BKen Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung (
BKV) mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit erleidet. Die näheren Einzelheiten zum Erlass der
BKV regelt §
9 Abs.
1 Sätze 2 und 3 sowie Abs.
6 SGB VII. Der Versicherungsfall einer in der Anlage 1 zur
BKV aufgelisteten BK setzt voraus, dass die Verrichtung der versicherten Tätigkeit eine belastende berufliche Einwirkung auf
die Gesundheit bewirkt (Einwirkungskausalität) und diese Einwirkung die vom jeweiligen Berufskrankheiten-Tatbestand erfasste
Erkrankung wesentlich verursacht hat (vgl. BSG, 2. April 2009 - B 2 U 9/08 R, juris).
Die vom Kläger geltend gemachte BK 2103 ist vom Verordnungsgeber in der Anlage 1 zur
BKV wie folgt bezeichnet worden: "Erkrankungen durch Erschütterung bei Arbeit mit Druckluftwerkzeugen oder gleichartig wirkenden
Werkzeugen oder Maschinen." Als gefährdend im Sinne der BK 2103 wird die Arbeit mit handgeführten Geräten angesehen, die im
tiefen Frequenzbereich (8 - 50 Hz) Schwingungsenergie erzeugen und über die Handgriffe auf das Hand-Arm-Schulter-System übertragen,
etwa Presslufthämmer, Schlagbohrer oder Rüttelgeräte. Keine gleichartig wirkenden Werkzeuge oder Maschinen sind solche, bei
denen rhythmische Rückstoßerschütterungen fehlen. Der Schädigungsmechanismus an den Knochen und Gelenken beruht vorwiegend
auf gradlinigen und gleichförmigen oder auch mechanischen Vibrations- und Stoßbewegungen, wobei eine starke Ankopplung der
Hände durch hohe Greif-, Andruck- und Haltekräfte am vibrierenden Griff sich auf die Arme insgesamt schädigend auswirkt (vgl.
Merkblatt zur BK 2103 in der Bekanntmachung des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziales, BArbBI. 2005, 51 - im Weiteren
Merkblatt; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, 1171).
Ausgehend von diesen Grundsätzen war der Kläger als jeweils Versicherter in seinem Tätigkeitsfeld als Maurer, Maurerbrigadier,
Feuerungsmaurer, Straßenbauer und selbständiger Landschaftsgärtner in relevantem Umfang der Einwirkung Druckluft betriebener
Werkzeuge ausgesetzt, die wegen der von ihnen entfalteten Druck- bzw. Schlagkräfte gefährdend im Sinne der BK 2103 sind und
deren Handhabung eine erhöhte Greif-, Andruck- und Haltekraft der Hände voraussetzt.
Der Gesamtumfang der Exposition beim Kläger genügt für die Entstehung einer Erkrankung (dazu 1). Es liegen unter Berücksichtigung
des medizinischen Krankheitsbildes ausreichende Tatsachen für eine Wahrscheinlichkeit des wesentlichen ursächlichen Zusammenhanges
zwischen Exposition und Erkrankung vor (dazu 2).
1) Die nach medizinischwissenschaftlicher Erkenntnis zur Verursachung einer BK 2103 erforderliche Exposition des Klägers liegt
vor.
Die Ermächtigungsgrundlage des §
9 Abs.
1 Satz 2
SGB VII setzt besondere berufliche Einwirkungen voraus, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich
höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Insoweit lässt sich die im Merkblatt enthaltene Zweijahresgrenze
(a.a.O. S. 7 unten) als allgemeiner Erfahrungswert des Inhalts verstehen, dass zumindest nach zweijähriger täglich mehrstündiger
Druckluftarbeit ein Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkung und Erkrankung generell wahrscheinlich ist (in diesem Sinne Schönberger/Mehrtens/Valentin,
a.a.O., S. 1170; Mehrtens/Brandenburg, Die
Berufskrankheitenverordnung, Stand November 2008, M 2103, Rn. 4; vgl. LSG Sachsen-Anhalt, 17. Februar 2010 - L 6 U 95/05, juris Rn. 8). Eine notwendige arbeitstechnische Voraussetzung wird damit im Merkblatt schon sprachlich nicht formuliert
und keine Aussage dazu getroffen, inwieweit nicht nur mehrstündige, sondern nahezu vollschichtige Tagesdosen sich in kürzerer
Gesamtzeit auswirken und inwieweit über Jahrzehnte einwirkende niedrigere Dosen sich auswirken können. Insoweit bleibt es
bei einer Plausibilitätsprüfung im Einzelfall, wie der Hinweis im Merkblatt auf ein fehlendes anerkanntes Dosismodell hinreichend
verdeutlicht.
Der Tatbestand der BK 2103 bietet auch nach seinem Wortlaut keinen Ansatz dafür, die Anerkennung dieser Berufskrankheit von
einer bestimmten Mindestarbeitszeit abhängig zu machen. Es gibt im Rahmen der BK 2103 kein "Abschneidekriterium" hinsichtlich
der Schwingungsbelastungsdosis des Hand-Arm-Systems. Hier ist die Rechtsprechung zu beachten, nach der eine rechnerisch exakte
Mindestexposition zur Bejahung eines ausreichenden Maßes an Einwirkungen bei Berufskrankheiten bei der BK 2103 nicht gefordert
werden kann (BSG, 2. April 2009 - B 2 U 9/08 R, SozR 4-2700 § 9 Nr. 14, Rn. 22. f.). Das BSG hat insofern unter Verweis auf ältere Entscheidungen (27.06.2006 - B 2 U 20/04 R, SozR 4-2700 § 9 Nr. 7, Rn. 19; 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 5) ausgeführt, dass der Wert einer Mindestdosis so niedrig bemessen sein muss, dass bei
seiner Unterschreitung auch in besonders gelagerten Fällen ein rechtlich relevanter Kausalzusammenhang ohne weitere medizinische
Untersuchung ausgeschlossen ist. Andererseits ist zu beachten, dass beim Überschreiten einer Mindestdosis die haftungsbegründende
Kausalität nicht automatisch zu bejahen ist, weil die Art und das Ausmaß der Einwirkungen nur ein Kriterium zur Beurteilung
dieses Ursachenzusammenhangs ist. Dosiswerte haben vielmehr die Funktion, Größenordnungen oder Orientierungswerte anzugeben,
aus denen Rückschlüsse auf die Verursachung der Erkrankung durch Einwirkungen möglich sind, weil bei Dosis-Wirkungs-Beziehungen
höhere Einwirkungen eher für und niedrigere eher gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen. Auch in der Literatur (Schönberger/Mehrtens/Valentin,
a.a.O., S.1170) wird mittlerweile davon ausgegangen, dass zweijährige Druckluftarbeit zur Bejahung eines Kausalzusammenhangs
zwischen dieser Tätigkeit und der Erkrankung nicht erforderlich ist. Vielmehr steht die Bedeutung der arbeitstechnischen Voraussetzung
im Vordergrund, eine Abgrenzung beruflicher Einflüsse, die eine Überschreitung der Grenze von anlagebedingten Bindegewebsschwächen
zu einem klinischen Krankheitsbild bewirken, von nicht wesentlichen Einflüssen zu ermöglichen.
Die von Dupuis/Hartung/Konietzko sowie Dupuis/Hartung (a.a.O.) hinsichtlich einer Gesamtexposition aufgestellte Mindestgrenze
von 2500 Stunden hat der Kläger deutlich erfüllt und bereits mit seiner Tätigkeit in D. und L. überschritten. Hierbei ist
berücksichtigt, dass der Kläger die Beweislast für eine entsprechende Exposition trägt. Grundsätzlich ist die Exposition im
Vollbeweis zu belegen, d. h. es dürfen keine Zweifel an einer entsprechenden Belastung einschließlich des Umfangs bestehen.
Allerdings ist hier auch der Beweisnot des Klägers Rechnung zu tragen; unter Umständen können sogar plausible eigene Darlegungen
genügen.
Nach den Angaben des Klägers zu Beginn des Verwaltungsverfahrens hat er in der Zeit vom 1. September 1962 bis 30. März 1963
ca. 18 Stunden pro Woche mit Presslufthämmern gearbeitet. Demgegenüber geht der Präventionsdienst in den Stellungnahmen vom
3. Januar 2015 und 3. September 2015 davon aus, dass es "immer wieder" Wochen mit 10 Stunden belastender Tätigkeit gab, woraus
sich für solche Wochen auch notwendig eine regelmäßig mehr als einstündige tägliche Belastung errechnet. Denn der Bezug auf
Wochen ist nur dadurch sinnvoll, dass die Tätigkeit nicht an einzelnen Tagen mit extremer Exposition bei einem ansonsten expositionsfreien
Wochenrest stattgefunden hat. Allerdings bleibt unklar, wie häufig solche Wochen anfielen. Dem Senat ist allerdings nicht
deutlich, wie es zu der Verringerung und Relativierung der Angaben des Klägers in den arbeitstechnischen Stellungnahmen der
Beklagten gekommen ist. Dies gilt umso mehr, als die differenzierteren Angaben des Klägers durch die Stellungnahme vom 19.
April 2006 über die gesamte Maurertätigkeit bis August 1971 auf das genannte Maß vereinheitlicht worden sind. Auch geht der
Präventionsdienst der Beigeladenen in seiner Stellungnahme vom 5. Januar 2010 von einem Umgang mit Vibrationswerkzeugen über
8 - 18 Stunden pro Woche aus. Für den Zeitraum vom 1. September 1962 bis 30. März 1963 erscheint dies nachvollziehbar.
Die Angaben des Zeugen W. beruhen - soweit sie diesen Zeitraum zum Gegenstand haben - ersichtlich auf einem Irrtum, da sie
sachlich die spätere Tätigkeit in D. wiedergeben.
Für die Zeit der Tätigkeit in D. hält der Senat eine Exposition von rund 7 Stunden an 275 Arbeitstagen (nach Abzug der im
Sozialversicherungsausweis eingetragenen Arbeitsunfähigkeitszeiten, der verbleibenden Sonntage bei einer Sechs-Tage-Woche
und von Feiertagen, verbleiben zusammen rd. 1900 Stunden) für erwiesen. Die Angabe des Klägers, er habe vom 18. Januar 1965
- ausweislich des Sozialversicherungsausweises Beginn seiner Tätigkeit beim VE Bau- und Montagekombinat Chemie - bis zum Jahresende
1965 nahezu arbeitstäglich und vollschichtig Stemmarbeiten mit einem Abbruchhammer ausgeübt, steht zur Überzeugung des Gerichts
fest, die sich daraus ergebende Gefährdung durch die Stellungnahmen der Beigeladenen ebenfalls. Die Feststellung dieser Belastung
stützt sich vorrangig auf die Aussage des Zeugen G., der als Vorarbeiter die Tätigkeit des Klägers aus im Wesentlichen täglicher
Beobachtung kennen muss. Er hat angegeben, bis zum Jahresende habe auf dieser Baustelle die neben den Stemmarbeiten zweite
Tätigkeit der Schuttbeseitigung nur eine geringe Rolle gespielt. Diese Einschätzung ist mit einem Verhältnis von 7 täglichen
Arbeitsstunden für Stemmarbeiten nach der Einschätzung des Klägers zu eineinhalb weiteren Arbeitsstunden pro Tag für Räumarbeiten
schlüssig umgesetzt. Auch der Zeuge M. bestätigt den Vortrag des Klägers und - mittelbar - eine zumindest geringe Rolle der
Räumarbeiten, indem er sogar eine ganztägige Stemmarbeit angibt. Die Aussage des Zeugen W. belegt jedenfalls keinen geringeren
Einsatz bei Stemmarbeiten, zumal der Zeuge nach eigener Aussage keine deutliche Erinnerung an die Arbeiten mehr hat. Während
er sich bezüglich eines Anteils von Stemmen und Räumen auf Befragen nicht mehr konkret festlegen will, folgt auch aus seiner
zwanglosen Mitteilung, die Brigade des Klägers habe die Abbruch- und Stemmarbeiten ganz in Handarbeit durchgeführt, ein Übergewicht
gegenüber den Räumarbeiten, die "manchmal" angefallen seien.
Für die nachfolgende Tätigkeit in L. sieht der Senat über einen Zeitraum von 1966 bis 1969 eine Belastung mit 1400 Stunden
an Stemmarbeiten als erwiesen an. Dies folgt aus der Angabe des Zeugen G. über einen Zeitraum bis "ca. 1970", offenbar bezogen
auf den Zeitraum, in dem der Zeuge der Vorarbeiter des Klägers war. Dies war jedenfalls bis Ende 1969 der Fall; erstmals für
das Jahr 1970 ist der Kläger - üblicherweise rückwirkend am Jahresende - selbst als Maurerbrigadier im Sozialversicherungsausweis
eingetragen. Soweit der Präventionsdienst der Beklagten hier zwischen einer Zeit von 1966 bis ca. Mitte/Ende 1967 und einer
nachfolgenden Zeit bis August 1971 differenziert, hält der Senat dies für unzutreffend. Zwar trifft es zu, dass der Zeuge
G. zunächst - vor einer entsprechenden Richtigstellung - von eineinhalb bis zwei Jahren in L. gesprochen hat. Dies erscheint
aber falsch. Denn eine andere Tätigkeit als die in L. hat für die Zeit bis 1970 nie in Rede gestanden. Auch war der Kläger
während der gesamten Zeit beim Betriebsteil Industriebau L. beschäftigt, wie sich aus seinem Sozialversicherungsausweis ergibt.
Zu der fraglichen Zeit habe - so der Zeuge G. - jeder Mitarbeiter etwa 5 Tage im Monat über einen ganzen Tag hinweg Stemmarbeiten
verrichtet. Dies führt zu einer Belastung von 50 Tagen im Jahr nach Abzug von Urlaubs- und Krankheitszeiten, wobei sich letztgenannte
wiederum aus dem Sozialversicherungsausweis ergeben. Bei einem Ansatz von auch hier 7 Stunden arbeitstäglich errechnet sich
die o.a. Gesamtsumme.
Wegen der weiteren Ansammlung von Expositionsstunden kommt es auf Einzelheiten vor dem genannten Hintergrund nicht mehr an;
angesichts des Wegfalls einer Exposition im Zeitraum von August 1971 bis September 1982 und November 1993 bis Dezember 1995
- so der Präventionsdienst der Beigeladenen - sind Expositionen über insgesamt mehr als 28 Jahre mit monatlicher Belastung
nachgewiesen.
2. Die vom Kläger im Rahmen dieser versicherten Tätigkeit durchgeführten Arbeiten mit Druckluftwerkzeugen oder gleichartig
wirkenden Geräten sind nach dem insoweit einschlägigen Beweismaßstab als wesentliche (Mit)-Ursache der als BK 2103 geltend
gemachten Arthrosen hinreichend wahrscheinlich.
Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände mehr für als gegen den geltend gemachten
Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der
Auffassung des praktischen Lebens über die besonderen Beziehungen der Ursache zum Eintritt des Erfolges (hier der Erkrankung)
wertend abgeleitet werden. Gesichtspunkte hierfür sind insbesondere die Art und das Ausmaß der versicherten Einwirkung sowie
der konkurrierenden Ursachen, der zeitliche Verlauf und die Krankheitsgeschichte unter Berücksichtigung der aktuellen medizinischen
Erkenntnisse sowie ergänzend auch der Schutzzweck der Norm (siehe BSG, 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 15; 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
Das Gericht folgt dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. S ... Dieses unterscheidet sich hinsichtlich aller medizinischen
Erwägungen von dem Gutachten von Prof. Dr. R. und den Stellungnahmen der Beratungsärzte W. und Dr. T. nur insoweit, als ein
Krankheitsfortschritt erkennbar wird, der angesichts des Zeitablaufs zwischen den Beurteilungen zu erwarten war. Der Senat
hält das Gutachten von Prof. Dr. S. trotz der nicht völlig zutreffenden Erfassung der Exposition für schlüssig. Entgegen der
Auffassung der Beklagten legt Prof. Dr. S. seiner Beurteilung von vornherein keine feststehenden Lehrsätze zur erforderlichen
Exposition zu Grunde. So betont er in seinem Gutachten und der ergänzenden Stellungnahme, auch ein Orientierungswert zum Ausschluss
eines Zusammenhangs bei Unterschreitung einer Stunde arbeitstäglicher Exposition und 2500 Gesamtbelastungsstunden lasse sich
aus wissenschaftlicher Sicht nicht festlegen. Dieser Betonung bedarf es nur, weil es dem Sachverständigen offenbar nicht auf
seine höhere Einschätzung der konkreten Exposition im Falle des Klägers ankommt. Vielmehr verknüpft er eine "zumindest erhebliche,
potentiell schädigende berufliche Belastung" mit der medizinischen Erkenntnis, dass primäre Formen einer Ellenbogengelenksarthrose
nicht bekannt sind. Diese Erwägungen sind für das Gericht überzeugend, zumal auch das Gericht Zeiten einer erheblichen Belastung
als nachgewiesen erachtet.
Die lange Zeit zwischen dem Großteil der Exposition und dem Beginn der Erkrankung steht nach Auffassung des Sachverständigen
einer Anerkennung nicht entgegen. Zunächst ist der Beginn der Arthrose schwer bestimmbar. Zwar hat der Kläger im Laufe des
Verwaltungsverfahrens auf bereits 1970 vorhandene Ellenbogen-/Schulterbeschwerden hingewiesen. Diesbezüglich hat er sogar
konkrete Krankheitszeiträume benannt. Diese betreffen aber andere Erkrankungen. Hinweise auf Erkrankungen des Ellenbogens
finden sich im Sozialversicherungsausweis, abgesehen von einem einmaligen Röntgen des Ellenbogens, nicht. Die Ursache der
Röntgenaufnahme ist aber nicht erkennbar.
Eine Ellenbogengelenksarthrose fällt nach der überzeugenden Darstellung von Prof. Dr. S. zunächst nicht durch Schmerzen auf
und ist auch nur mit mäßigen Bewegungseinschränkungen verbunden. Im Hinblick auf den großen Bewegungsradius und die Anpassungsfähigkeit
der gesamten oberen Extremitäten ist für den Senat mit Prof. Dr. S. nachvollziehbar, dass es bei dieser Erkrankung oftmals
erst in der Spätphase zu einer Behandlungsbedürftigkeit kommt. Ein solcher Prozess kann sich nach Prof. Dr. S. über Jahrzehnte
kontinuierlich hinziehen. Dies steht in Übereinstimmung mit den Ausführungen von Dr. T ... Im Hinblick darauf, dass schon
die erste bekannte Röntgenaufnahme aus dem Jahre 2002 nach ihrem Erstbefund "schwerste" Veränderungen darstellt, ist die beschriebene
Entwicklung gerade im Falle des Klägers gut nachvollziehbar.
Auch das Merkblatt der BK 2103 (a.a.O. S. 8) und der Aufsatz von Dupuis/Hartung/Konietzko (Arbeitsmedizin/Sozialmedizin/Umweltmedizin
1998, S. 490 ff.) führen aus, dass die arthrotischen Gelenkschäden auch noch nach Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit in Erscheinung
treten oder sich verschlimmern können (so auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 1170).
Die Kausalität der Belastung als Wirkursache für die Erkrankung ist beim Kläger wahrscheinlich. Denn die bei ihm aufgetretenen
Veränderungen geben das Bild wieder, das bei einer Belastungsaufnahme im Sinne der BK 2103 zu erwarten ist. Dies ergibt sich
bereits aus dem Gutachten von Prof. Dr. R. vom 27. Juni 2007, der eine Tropfenform des Radiusköpfchens im Ellenbogengelenk
und knöcherne Überbrückungen im Bereich der Ellenbeuge als klassische Röntgenzeichen der Vibrationseinwirkung bezeichnet hat.
Weiterhin zählen dazu nach seiner Einschätzung die beginnende Arthrose im Acromioclaviculargelenk rechts und die beginnende
Arthrose im distalen Radioulnargelenk. Typisch sei auch die vorrangige Betroffenheit des rechten Armes als Andruckarm. Dass
diesen Zeichen für die Beurteilung der naturwissenschaftlichen Kausalität Bedeutung zukommt, folgte bereits aus der Stellungnahme
des Beratungsarztes W. vom 17. Januar 2006, der die Anfertigung von Röntgenaufnahmen der Schulter- und Handgelenke aus eben
diesem Grund für wünschenswert hielt. Bereits dem Gutachten von Prof. Dr. R. hat sich auch Dr. T. als Beratungsarzt mit seiner
Stellungnahme vom 28. Juli 2007 angeschlossen. In seiner Stellungnahme zum Gutachten von Prof. Dr. S. vom 28. Mai 2015 hat
er überzeugend näher ausgeführt, eine gewisse Belastungskonformität ergebe sich aus der bevorzugten Betroffenheit der Ellenbogengelenke
und der Mitbeteiligung der Handgelenke.
Die berufliche Vibrationseinwirkung ist auch für den Krankheitseintritt wesentlich. Es fehlt schon am Nachweis weiterer einwirkender
Ursachen. Der Senat schließt sich dem Gutachten von Prof. Dr. S. an, dass die primäre Ellenbogengelenkserkrankung so selten
ist, dass sie als konkurrierende Ursache nicht in Betracht kommt; der Sachverständige spricht insoweit sogar von an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit der unfallbedingten Ursache. Den medizinischen Sachverhalt hat Dr. T. ausdrücklich bestätigt.
Prof. Dr. S. hat überzeugend dargelegt, sowohl nach seiner eigenen Untersuchung als auch in der Literatur seien weitestgehend
alle Arthrosen des Ellenbogengelenkes plausibel auf einen oder mehrere Faktoren (berufliche, sportliche Belastung, Unfall,
entzündliche Gelenkerkrankungen oder Fehlbildung) zurückgeführt worden. Davon liegt hier nur die berufliche Belastung vor;
konkurrierende Ursachen schließt der Sachverständige ausdrücklich aus. Prof. Dr. S. äußert insoweit nicht nur seine persönliche
Ansicht, sondern hat mit dem beigefügten Aufsatz "Risikofaktoren für Knorpelschaden und Arthrose des Ellenbogengelenkes -
Fallkontrollstudie und systematisches Literaturreview" dargelegt, dass er den neuesten Stand der Forschung berücksichtigt.
Damit entspricht sein Gutachten den diesbezüglichen Anforderungen der Rechtsprechung (vgl. BSG, 23. April 2015 - B 2 U 10/14 R, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 6 Rn. 20). Schon der beratende Arzt W. hatte in seiner Stellungnahme vom 17. Januar 2006
differenziert einerseits degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule und der Kniegelenke nicht für beachtlich gehalten,
andererseits aber von Seiten der oberen Gliedmaßen keinen Hinweis auf konkurrierende Ursachen gefunden. Für diese Sichtweise
spricht auch die vom Sachverständigen dargestellte völlig unterschiedliche Häufigkeit eines Auftretens von Kniegelenksarthrosen
im Alter des Klägers einerseits und von Ellenbogengelenksarthrosen andererseits.
Zudem hat Prof. Dr. S. bei dem Kläger neben der Ellbogengelenksarthrose eine Arthrose der distalen Radioulnargelenke und eine
mäßige Arthrose des AC-Gelenkes beidseits festgestellt und hierzu ausgeführt, auch diese Gesundheitsstörungen ständen im Zusammenhang
mit der beruflichen Exposition des Klägers. Dies ist überzeugend; auch diese Erkrankungen sind im Merkblatt ausdrücklich als
Folge dieser Berufskrankheit genannt. Prof. Dr. R. bewertet das Zusammentreffen sogar als einen Beleg für die berufliche Verursachung.
Prof. Dr. S. stimmt zudem mit seiner Bewertung auch im Übrigen mit der Einschätzung durch den für das Sozialgericht tätigen
Sachverständigen Prof. Dr. R. und den Beratungsarzt der Beklagten Dr. T. überein. Beide Mediziner sind dem Senat aus vielen
Verfahren als kompe-tente Sachverständige bekannt. Ihre Argumente sind weitgehend deckungsgleich mit denen von Prof. Dr. S
...
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.