Anerkennung einer GdB von 50 im Schwerbehindertenrecht bei Diabetes mellitus
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50.
Der am ... 1968 geborene Kläger beantragte am 4. Oktober 2001 beim Beklagten die Feststellung von Behinderungen wegen eines
insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ I. Der Beklagte holte einen Befundschein der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr.
K. vom 13. Oktober 2001 ein, wonach ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ I beim Kläger vorliege. Nach Beteiligung
seines ärztlichen Dienstes stellte der Beklagte mit Bescheid vom 23. November 2001 beim Kläger einen GdB von 40 aufgrund einer
Zuckerkrankheit fest.
Dagegen erhob der Kläger am 4. Dezember 2001 Widerspruch und trug vor: Er müsse bis zu siebenmal täglich Insulin spritzen,
da er diese Anzahl an Mahlzeiten zu sich nehme. Dadurch sei er in seiner Lebensgestaltung deutlich behindert, da jeder dieser
Spritzvorgänge mit einer Blutzuckermessung verbunden sei. Er könne diese Messungen und das Spritzen wegen Rücksichtnahme auf
andere Personen nicht im öffentlichen Raum bzw. seinem Arbeitszimmer ausführen, sondern sei gezwungen, stets eine Toilette
oder einen separaten Raum aufzusuchen. Die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben sei nur noch eingeschränkt möglich. So habe
er beispielsweise ein Konzertgastspiel wegen einer Unterzuckerung mit ausgeprägten Symptomen nicht entsprechend verfolgen
können. Ebenso behindere der Krankheitsablauf seine berufliche Tätigkeit, weil er einige Tätigkeiten nicht mehr in gleicher
und für den Arbeitgeber befriedigender Weise ausüben könne. So sei es nicht mehr so gut möglich, seinen Vorgesetzten bei dessen
auswärtigen Terminen über einen längeren Zeitraum zu begleiten, da er dann Probleme mit einer geregelten Essenseinnahme und
damit der Insulingabe habe. Zudem lägen erhebliche Schwankungsbereiche der Blutzuckerwerte mit Über- und Unterzuckerungen
vor. Der HbA1c-Wert habe bei der letzten Analyse über 8 % gelegen. Dies spreche nicht für eine gute Einstellung des Diabetes
mellitus.
Der Beklagte holte daraufhin einen Befundschein der Oberärztin Dr. K. der O.Universität-M., Zentrum für Innere Medizin, Klinik
für Endokrinologie und Stoffwechselkrankheiten, vom 30. Januar 2002 ein. Danach sei im August 2001 die Erstmanifestation des
Diabetes mellitus eingetreten. Der Kläger könne unter Alltagsbedingen gut mit der Erkrankung umgehen. Er messe fünf- bis sechsmal
täglich den Blutzucker und passe die Dosis des Kurzeit-Insulins dementsprechend an. Bei der letzten Vorstellung am 6. Dezember
2001 seien folgende Insulindosen benötigt worden: Basalinsulin morgens und zur Nacht sowie Kurzzeitinsulin morgens, mittags
und abends. Die Blutzuckerwerte lägen überwiegend zwischen 4 und 8 mmol/l. Der letzte HbA1c-Wert vom 8. November 2001 habe
bei 8,04 % gelegen (Ziel 7 %). Möglicherweise liege die Ursache dafür in den häufig noch zu hohen morgendlichen Nüchternwerten,
weshalb eine Umstellung auf Lantus-Insulin zur Nacht vorgesehen sei. Folgekomplikationen lägen nicht vor. Hypoglykämien träten
nur in leichter Form auf und würden mit Traubenzucker behandelt.
Mit Schreiben vom 14. Juli 2002 trug der Kläger ergänzend vor, es seien weitere Unterzuckerungen, teilweise sogar mit Blutzuckerwerten
von unter 2,0 mmol/l, aufgetreten. Dadurch sei nicht nur das persönliche Wohlbefinden erheblich gestört, er könne dann auch
die beruflichen Anforderungen nicht erfüllen. Die Einschränkungen bei der Teilnahme am normalen gesellschaftlichen Leben (Besuch
von Veranstaltungen, längere Ausflüge, Treffen mit Freunden) seien wegen der verstärkt und unvorhersehbar auftretenden Unterzuckerungen
noch größer geworden. Außerdem seien Überzuckerungen aufgetreten.
Daraufhin holte der Beklagte nochmals einen Befundbericht von Dr. K. vom 26. August 2002 ein, wonach weiterhin eine sehr gute
Stoffwechseleinstellung vorliege. Die augenärztliche Untersuchung sei ohne pathologischen Befund gewesen. Auch die Vibrationsmessung
habe Normalbefunde an den Extremitäten gezeigt. Trotzdem bestünden eine Neigung zu Hypoglykämien und die Notwendigkeit engmaschiger
Blutzuckermessungen mit Insulindosisanpassungen. In ihrer prüfärztlichen Stellungnahme vom 16. September 2002 führte die Gutachterin
Dipl.-Med. S. dazu aus, es liege eine sehr gute Stoffwechseleinstellung vor. Häufige schwere Hypoglykämien, die eine notärztliche
Versorgung erforderlich machten, seien nicht dokumentiert. Allein die Neigung zu Hypoglykämien rechtfertige keinen GdB von
50. Dem folgend wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. September 2002 den Widerspruch des Klägers zurück.
Der Kläger hat am 23. Oktober 2002 Klage beim Sozialgericht (SG) Magdeburg erhoben und vorgetragen, sein Diabetes mellitus sei nicht gut eingestellt. Auch die Wahrnehmung der häufigen Unterzuckerungen
falle ihm zunehmend schwerer. Der Kläger hat Kopien aus seinem computergestützten Diabetestagebuch vorgelegt. Danach habe
er innerhalb eines Jahres bei 2409 Messungen insgesamt 182 Unterzuckerungen und 75 Überzuckerungen festgestellt. Am 2., 30.
November und 14. Dezember 2002 habe er drei schwere Unterzuckerungen mit Werten von 1,8 mmol/l; 1,7 mmol/l und 1,6 mmol/l
erlitten.
Der SG hat einen Befundbericht von Dr. K. vom 10. Februar 2003 eingeholt. Danach sei der Kläger durch einen labilen Stoffwechsel
mit einer Neigung zu Hypoglykämien im täglichen Leben eingeschränkt. Die Blutzuckerwerte lägen überwiegend zwischen 4 bis
10 mmol/l. Zwei- bis dreimal wöchentlich träten leichte Hypoglykämien bis 2,5 mmol/l auf. Es seien Blutzuckerselbstmessungen
vier- bis sechsmal täglich notwendig. Es läge eine sehr gute Diabeteseinstellung vor, die nur durch eine intensivierte Insulintherapie
habe erreicht werden können (HbA1c-Werte: 1/02: 5,95 %; 5/02: 6,91%; 8/02: 5,82%; 11/02: 5,60 %). Es werde eine intensivierte
Insulintherapie mit zweimal täglich Basalinsulin durchgeführt. Dieses sei wegen der Neigung zur nächtlichen Unterzuckerung
auf Lantus zur Nacht umgestellt worden. Zu den Mahlzeiten erfolge die Einstellung mit Humalog (ca. 1 IE/BE). Damit seien fünf
Injektionen kurzwirksames Insulin täglich notwendig. Beim Kläger handele es sich um einen typischen, vergleichsweise zum Typ
II schwer einstellbaren Typ I Diabetes mellitus, der häufiger Blutzuckermessungen und adäquate Dosisanpassungen erfordere.
Es bestehe eine ausgeprägte Hypoglykämieneigung, wobei diese sehr leicht und durch den Kläger gut beherrschbar sei.
Mit Urteil vom 12. Februar 2004 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Beim Kläger liege ein typischer, gut einstellbarer Diabetes mellitus
Typ I vor, die HbA1c-Werte lägen im Normbereich. Es träten zwar wöchentlich leichte Hypoglykämien auf, diese seien bei einem
Diabetes mellitus Typ I aber krankheitsimmanent. Stärkere Hypoglykämien seien äußerst selten, wobei ausgeprägte Hypoglykämien
mit einem Bewusstseinsverlust nicht aufgetreten seien.
Gegen das ihm am 15. März 2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29. März 2004 Berufung beim Landessozialgericht (LSG)
Sachsen-Anhalt eingelegt. Er ist der Auffassung, das Gesamtbild des Blutzuckerverlaufs folge aus dem Diabetestagebuch, nicht
aus den Momentaufnahmen der behandelnden Ärzte. Auch den Normbereich der HbA1c-Werte, der zwischen 4,3 und 6,1 % liege, erreiche
er nicht. Seit Ende August 2001 seien bei ihm 304 Unterzuckerungen aufgetreten. Hiervon seien im Jahr 2003 zehn schwere Unterzuckerungen
(unter 2,5 mmol/l) und im Jahre 2002 18 schwere Unterzuckerungen aufgetreten, also durchschnittlich eine monatlich. Im Zeitraum
vom 1. Januar bis 17. April 2004 habe er zehn starke Unterzuckerungen erlitten. Von einer gut beherrschbaren Hypoglykämieneigung
könne daher nicht die Rede sein. Am 14. Dezember 2005 hat der Kläger mitgeteilt, seit dem 18. April 2004 sei ein deutlicher
Anstieg der Hypoglykämien zu verzeichnen. Am 27. August 2005 sei eine schwere Unterzuckerung mit Bewusstlosigkeit eingetreten,
aus der er von seiner Ehefrau geholt worden sei. Die HbA1c-Werte der letzten Quartale des Jahres 2005 seien wie folgt gemessen
worden: 5,9%, 6,7%, 6,4%.
Der Senat hat Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers eingeholt. Dr. K. hat am 25. Juli 2006 über gleichbleibende
Befunde berichtet. In Anlage hat sie einen Arztbrief der Dr. K. vom 22. Februar 2005 übersandt, wonach auch im letzten Jahr
die Diabeteseinstellung sehr gut gewesen sei. Schwere Hypoglykämien seien bisher nicht aufgetreten. Zu leichten Hypoglykämien
komme es gelegentlich. Es war empfohlen worden, nochmals gegen 2.00 Uhr die Nachtwerte zu kontrollieren. Der Facharzt für
Augenheilkunde Dr. P. hat mit Befundbericht vom 26. Juni 2006 einen Visus von 1,0 bzw. 1,2 festgestellt und eine diabetische
Netzhauterkrankung ausgeschlossen. Dr. K. hat mit Befundbericht vom 30. Juni 2006 ausgeführt, der Kläger habe keine eigentlichen
Beschwerden, jedoch Beeinträchtigungen durch den hohen Therapieaufwand der Stoffwechselführung bei immer wieder unvorhersehbaren
Hypoglykämien angegeben. Die letzten HbA1c-Werte hätten 5,7 % bzw. 6,2 % betragen, danach liege eine sehr gute Stoffwechseleinstellung
vor. Im Wesentlichen sei der Befund seit 2003 unverändert. Zwischenzeitlich seien jedoch auch schwere Hypoglykämien (März
2004, August 2005) mit Notwendigkeit von Fremdhilfe aufgetreten.
Mit Beschluss vom 13. Juni 2007 hat das LSG auf Antrag der Beteiligten das Verfahren ruhend gestellt, weil beim Bundessozialgericht
(BSG) unter dem Aktenzeichen B 9a SB 10/06 R ein Verfahren zur Bewertung des Behinderungsgrades bei einer Diabetes mellitus-Erkrankung
anhängig war. Auf Antrag des Klägers ist sein Verfahren am 28. Oktober 2010 wieder aufgenommen worden.
Der Beklagte hat nunmehr auf die Zweite Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 14. Juli 2010 hingewiesen und die Diabetestagebücher des Klägers versorgungsärztlich durch Dr. W. am 15. September 2011
auswerten lassen. Auch danach sei die Feststellung eines GdB von 50 nicht gerechtfertigt. Aus den Tagebüchern gehe ein weitgehend
normnaher Blutzucker-Tagesverlauf hervor, der mit meist drei bis fünf Blutzuckerkontrollen und angepassten Insulininjektionen
aufrechterhalten werde. Sehr selten seien hohe Blutzuckerwerte aufgetreten. Auch einfache Unterzuckerungen seien sehr selten
und schwere Unterzuckerungen gar nicht belegt gewesen. Aus dem Blutzuckerverlauf über Monate hinweg sei nicht auf gravierende
Einschnitte in der Lebensführung zu schließen. Die üblichen Einschnitte seien bereits mit einem GdB von 40 berücksichtigt.
Gravierende Einschnitte seien beispielsweise dann festzustellen, wenn häufige ärztliche Notfallbehandlungen und/oder wiederholt
stationäre Neueinstellungen erforderlich seien. Am 11. November 2011 hat Dr. W. ergänzend ausgeführt: Was als erhebliche Beeinträchtigungen
der Lebensführung zu werten sei, gehe im Analogieschluss beispielhaft aus den Beurteilungsvorgaben für Hirnleistungsminderungen
oder psychische Störungen hervor. Danach sei ein GdB von 50 dann gerechtfertigt, wenn mittelgradige sich weiter deutlich auswirkende
Störungen bestehen. Eine Integration in die (also alle) Lebensbereiche sei dabei ohne umfassende Unterstützung, zum Beispiel
durch Eingliederungshilfe, nicht möglich und bei Erwachsenen bestehe in der Regel Erwerbsunfähigkeit. Meist seien auch notwendige
Therapiemaßnahmen nicht selbstständig umzusetzen. Diese Einschränkungen bestünden in jedem Tagesablauf ständig und ohne die
Möglichkeit wenigstens zeitweiliger Besserungen. Vergleichbar schwere Beeinträchtigungen seien im vorliegenden Fall nicht
abzuleiten. Abgesehen von den üblichen Beeinträchtigungen wie dem Therapieaufwand sei dem Kläger eine selbstständige und weitgehend
normale Lebensführung möglich. Rein medizinische Kriterien wie schwere Unter- und/oder Überzuckerungen und wiederholte stationäre
Neueinstellungen seien auch für die Beurteilung gemäß der Zweiten Änderungsverordnung weiterhin maßgeblich, weil deren Auftreten
bzw. Fehlen aussagefähige Hinweise auf die Stoffwechselkompensation gäben.
Am 16. Januar 2012 hat eine nichtöffentliche Sitzung vor dem LSG stattgefunden. In dieser hat der Kläger über die aus seiner
Sicht eingeschränkte Lebensführung berichtet. In seiner Freizeit könne er an Veranstaltungen wie Konzerten nur schwer teilnehmen,
weil es nicht immer möglich sei, einen Sitzplatz am Rand zu bekommen. Er habe schon während einer Veranstaltung wegen einer
Unterzuckerung aufstehen müssen und sich dabei den Unmut von Gästen zugezogen. Er habe auch festgestellt, dass die Zuckerlösungen
aus der Apotheke nicht ausreichend seien, um der Hypoglykämie entgegenzusteuern. An Handballveranstaltungen könne er nicht
mehr teilnehmen, da es nicht möglich sei, eigene Getränke mitzubringen. Auch Urlaubsreisen erforderten einen hohen Planungsaufwand.
Er könne nicht auf die Organisationspläne von Dritten mit festen Essenszeiten zurückgreifen. Bei Reisen müsse er aufpassen,
ob eine Infrastruktur gegeben sei, die das eigene Zubereiten von Mahlzeiten ermögliche. Er könne auch nicht mehr wie vorher
an Restaurantbesuchen teilnehmen. Er habe darüber hinaus auch Einschränkungen in seiner beruflichen Tätigkeit als Referatsleiter
für I. Z. S.-k ... Diese Tätigkeit sei mit Außenkontakten verbunden. Aufgrund der Beratungstermine habe er auch keine regelmäßigen
Essenszeiten. Er habe zum Beispiel schon die Gesprächsführung abgeben müssen, weil er unter einer Hypoglykämie gelitten habe.
Auch mit der Tätigkeit verbundene Auslandsreisen, die nicht unbedingt erforderlich seien, nehme er nicht mehr wahr. In Abstimmung
mit dem Abteilungsleiter müsse er nur noch eingeschränkt an Auslandsreisen teilnehmen. Mittags könne er nicht mit den Kollegen
in der Kantine essen, sondern esse das von zu Hause mitgebrachte Mittagessen. Die HbA1c- Werte seien zurzeit normgemäß, er
nehme abends Langzeitinsulin und Kurzzeitinsulin zu jeder Mahlzeit je nach Blutzuckerwert, den er vorher gemessen habe.
Der Senat hat nochmals einen Befundbericht von Dr. K. vom 10. Mai 2012 eingeholt. Diese hat erneut über stark schwankende
Blutzuckwerte mit deutlicher Neigung zu unvorhersehbaren Hypoglykämien berichtet. Es erfolge eine intensivierte Insulintherapie
(drei- bis viermal täglich kurzwirksames Insulin Humalog nach Broteinheiten sowie Lantus zur Nacht). Ziel sei der Blutzuckerwert
von 6, der Korrekturfaktor betrage zwei. Die Anpassung an den aktuellen Blutzuckerwert sei mit Blutzuckermessungen sechsmal
täglich verbunden. Organkomplikationen bzw. Folgeerkrankungen lägen nicht vor. Wegen des Diabetes mellitus sei der Kläger
seit der stationären Behandlung im Jahr 2001 nicht arbeitsunfähig gewesen. Seit dem Jahr 2003 bestehe unverändert eine sehr
gute Diabeteseinstellung mit der typischen Neigung zu Unterzuckerungen wie bei allen Typ I-Diabetikern mit normnaher Therapie,
um Spätfolgen zu verhindern. Erhöhte Blutzuckerwerte infolge von Infekten, Stress und Fehleinschätzungen von Nahrungsmitteln
seien nie ganz zu vermeiden. Beim Kläger lägen leichte Hypoglykämien zwei- bis dreimal wöchentlich vor. Schwere Hypoglykämien
seien in den letzten zwölf Monaten nicht aufgetreten. In der Anlage hat Dr. K. einen Arztbrief vom 11. Mai 2012 übersandt,
in dem sie über eine sehr gute Diabeteseinstellung in den letzten Jahren mit HbA1c-Werten im langjährigen Verlauf um 7 % berichtet
hat. Trotzdem komme es immer wieder zu Hypoglykämien, die Blutzuckermessungen erfolgten zirka sechsmal täglich mit einer Anpassung
der Insulindosis in Abhängigkeit von Ernährung, Bewegung und Stresssituationen, die einen hohen Therapieaufwand mit Einschränkungen
in der Lebensgestaltung bedeutenden. Die aktuelle Medikation läge bei Humalog 2,5-2-1 IE/BE; Lantus 18 IE zur Nacht und Simvastatin
20 mg.
In ihrer prüfärztlichen Stellungnahme vom 19. Juni 2012 hat Dr. W. ausgeführt: Gravierende Einschnitte im Tagesablauf seien
nicht belegt und auch nicht nachvollziehbar. Bei leichten Unterzuckerungen reiche die Einnahme von Traubenzuckertabletten
vollkommen aus. Zuckerlösungen seien wegen ihrer vergleichsweise geringen Konzentration nicht sinnvoll. Daraufhin hat der
Kläger am 30. Juli 2012 vorgetragen: Er habe die Einschnitte in seine Lebensführung umfangreich dargelegt. Im Übrigen sei
das Verwaltungshandeln des Beklagten nicht nachvollziehbar, da dieser für einen bestimmten Zeitraum nach Erlass der Zweiten
Änderungsverordnung Anerkenntnisse abgegeben habe. Damit dränge sich der Verdacht der Willkür bei der Entscheidung über gleichgelagerte
Sachverhalte auf.
In der mündlichen Verhandlung vom 15. November 2012 hat der Kläger darüber berichtet, dass er während einer Dienstreise nach
Prag wegen einer Unterzuckerung nicht an einer geplanten Veranstaltung habe teilnehmen können. Weiterhin hat er ausgeführt,
dass er sich beim Autofahren nicht besonders eingeschränkt sehe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift
vom 15. November 2012 Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 12. Februar 2004 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 23. November 2001
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. September 2002 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, beim ihm ab
4. Oktober 2001 einen Grad der Behinderung von mindestens 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere
auf die Schriftsätze der Beteiligten, sowie den Verwaltungsvorgang des Beklagten und die vom Kläger vorgelegten Diabetikertagebücher
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerechte eingelegte und nach §
143 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) statthafte Berufung des Klägers ist unbegründet. Die Voraussetzungen für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft
liegen bei ihm nicht vor.
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Antrag des Klägers auf Feststellung eines Behinderungsgrades von mindestens
50 ab dem 4. Oktober 2001. Hierbei handelt es sich um eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, für die bei der Beurteilung
der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgeblich ist (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2000 - B 9 SB 3/99 R = SozR 3-3870 § 3 Nr. 9, S. 22).
Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht in seinen Rechten verletzt, da der festgestellte GdB von 40 rechtmäßig
ist.
Nach §
69 Abs.
1 Satz 1 des
Neunten Buches des Sozialgesetzbuches (
SGB IX) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Diese Regelung
knüpft materiellrechtlich an den in §
2 Abs.
1 Satz 1
SGB IX bestimmten Begriff der Behinderung an. Nach §
2 Abs.
1 Satz 1
SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit
länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft
beeinträchtigt ist. Nach §
69 Abs.
1 Satz 5
SGB IX gelten für den GdB die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Nach der damit in Bezug genommenen Fassung des § 30 Abs. 1 BVG richtet sich die Beurteilung des Schweregrades - dort des "Grades der Schädigungsfolgen" (GdS) - nach den allgemeinen Auswirkungen
der Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen. Die hierfür maßgebenden Grundsätze sind in der am 1. Januar 2009
in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) aufgestellt worden, zu deren Erlass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch den dem § 30 BVG durch das Gesetz vom 13. Dezember 2007 angefügten Absatz 17 ermächtigt worden ist.
Nach § 2 VersMedV sind die auch für die Beurteilung des Schweregrades nach § 30 Abs. 1 BVG maßgebenden Grundsätze in der Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (Anlageband zu BGBl. I Nr. 57 vom 15. Dezember
2008, G 5702) als deren Bestandteil festgelegt.
Soweit der streitigen Bemessung des GdB die GdS-Tabelle der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (Teil A, S. 17 ff.) zugrunde
zu legen ist, gilt Folgendes: Nach den allgemeinen Hinweisen zu der Tabelle (Teil B 1, S. 33) sind die dort genannten GdS-Sätze
Anhaltswerte. In jedem Einzelfall sind alle leistungsmindernden Störungen auf körperlichem, geistigem und seelischem Gebiet
zu berücksichtigen und in der Regel innerhalb der in Nr. 2 e (Teil A, S. 20) genannten Funktionssysteme (Gehirn einschließlich
Psyche; Augen; Ohren; Atmung; Herz-Kreislauf; Verdauung; Harnorgane; Geschlechtsapparat; Haut; Blut und Immunsystem; innere
Sektion und Stoffwechsel; Arme; Beine; Rumpf) zusammenfassend zu beurteilen. Die Beurteilungsspannen tragen den Besonderheiten
des Einzelfalles Rechnung (Teil B, Nr. 1 a, S. 33).
Nach diesem Maßstab ist beim Kläger nur ein GdB von 40 ab dem 4. Oktober 2001 gerechtfertigt. Dabei stützt sich der Senat
auf die eingeholten Befundberichte nebst Anlagen, die versorgungsärztlichen Stellungnahmen, die Arztbriefe sowie die vorgelegten
Diabetikertagebücher des Klägers. Das zentrale Leiden des Klägers betrifft das Funktionssystem "Innere Sekretion und Stoffwechsel"
und wird durch den insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ I geprägt. Auf der Grundlage der Zweiten Verordnung zur Änderung
der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 14. Juli 2010 gilt:
Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann, die mindestens einmal täglich eine dokumentierte
Überprüfung des Blutzuckers selbst durchführen müssen und durch weitere Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind,
erleiden je nach Ausmaß des Therapieaufwands und der Güte der Stoffwechseleinstellung eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung.
Der GdS beträgt 30 bis 40.
Die an Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen,
wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbständig
variiert werden muss, und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden auf Grund
dieses Therapieaufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung. Die Blutzuckerselbstmessungen und Insulindosen (beziehungsweise
Insulingaben über die Insulinpumpe) müssen dokumentiert sein. Der GdS beträgt 50.
Außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen können jeweils höhere GdS-Werte bedingen.
Das BSG hat mit Urteil vom 2. Dezember 2010 (B 9 SB 3/09 R, zitiert nach juris) diese Neufassung der Versorgungsmedizinischen Grundsätze für rechtmäßig erklärt (vgl. BSG aaO. Rdn. 26) und für die Zeit vor Inkrafttreten der Verordnung unter Hinweis auf das Urteil vom 24. April 2008 (B 9/9a SB
10/06 R) bei der Bewertung des Einzel-GdB eines insulineingestellten Diabetes mellitus neben der Einstellungsqualität insbesondere
den jeweiligen Therapieaufwand hervorgehoben, soweit sich dieser auf die Teilhabe des behinderten Menschen am Leben in der
Gesellschaft nachteilig auswirkt. Hierbei ist der GdB eher niedrig anzusetzen, wenn bei geringem Therapieaufwand eine ausgeglichene
Stoffwechsellage erreicht werden kann. Bei einem beeinträchtigenden, wachsenden Therapieaufwand und/oder abnehmendem Therapieerfolg
(instabilere Stoffwechsellage) wird der GdB entsprechend höher zu bewerten sein. Dabei sind - im Vergleich zu anderen Behinderungen
- die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu prüfen (BSG aaO. Rdn. 33). Bei therapiebedingten Einschränkungen in der Lebensführung können z.B. die Planung des Tagesablaufs, die Gestaltung
der Freizeit, die Zubereitung der Mahlzeiten, die Berufsausübung und die Mobilität beachtet werden (vgl. Begründung zur Verordnungsänderung,
BR-Drucksache 285/10 S. 3 zu Nr. 2).
Durch die Neufassung der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zum Diabetes mellitus erfordert die Feststellung eines GdB von
50 nicht nur mindestens vier Insulininjektionen pro Tag und ein selbständiges Anpassen der jeweiligen Insulindosis. Zusätzlich
muss es - sei es bedingt durch den konkreten Therapieaufwand oder die jeweilige Stoffwechselqualität oder wegen sonstiger
Auswirkungen der Erkrankung (z.B. Folgeerkrankungen) - zu einer krankheitsbedingten erheblichen Beeinträchtigung in der Lebensführung
kommen (BSG, Urteil vom 25. Oktober 2012, B 9 SB 2/12 R). Die Formulierung in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen in Teil B Nr. 15.1 "und durch erhebliche Einschnitte gravierend
in der Lebensführung beeinträchtigt sind" ist daher nicht nur therapiebezogen gemeint, sondern dahingehend zu verstehen, dass
neben dem eigentlichen Therapieaufwand durch die notwendigen Insulininjektionen und die selbständige jeweilige Dosisanpassung
eine zusätzliche Wertung notwendig ist, um die Schwerbehinderung zu rechtfertigen. Der am insulinpflichtigen Diabetes mellitus
Erkrankte muss daher wegen des reinen Therapieaufwandes und/oder den durch die Erkrankung eingetretenen weiteren Begleitfolgen
generell gravierende Einschritte in der Lebensführung erleiden (so offenbar auch Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil
vom 25. Juli 2011 - L 4 SB 182/10, zitiert nach juris). Dass zusätzlich ein gravierender Einschnitt in die Lebensführung festgestellt werden muss, ergibt sich
aus den vorhergehenden Formulierungen der Versorgungsmedizinischen Grundsätze für einen GdB von 30 bis 40. Hiernach sind für
die Bewertung der Teilhabeeinschränkung der konkrete Therapieaufwand und die jeweilige Stoffwechselqualität von wertungserheblicher
Bedeutung. Diese beiden Kriterien müssen entsprechend auch bei der höheren Bewertungsstufe eines GdB von 50 noch bedeutsam
sein. Für die besondere Bedeutung der Stoffwechsellage spricht auch, dass nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen außergewöhnlich
schwer regulierbare Stoffwechsellagen allein bereits eine Erhöhung des GdB rechtfertigen können.
Ein GdB von 50 setzt damit mindestens vier Insulininjektionen pro Tag, ein selbständiges Anpassen der Insulindosis und gravierende
und erhebliche Einschnitte in der Lebensführung voraus. Diese Anforderungen für einen GdB von 50 erreicht der Kläger unter
Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nicht. Der Senat folgt insoweit der versorgungsärztlichen Stellungnahmen von
Dipl.-Med. S. vom 16. September 2002 und Dr. W. vom 15. September und 11. November 2011 sowie vom 19. Juni 2012. Zwar führt
der Kläger nach den Angaben von Dr. K. und ausweislich seines Diabetikertagebuchs eine Insulintherapie mit täglich mindestens
vier Insulininjektionen und selbständigen Dosisanpassungen der Insulingabe durch. Neben der täglichen Injektion mit einem
Langzeitinsulin muss der Kläger zu jeder Mahlzeit das kurz wirkende Insulin einsetzen und dabei auch die jeweilige Insulindosis
variieren. Hinzu kommen Blutzuckermessungen zu jeder Mahlzeit und damit bis zu sechsmal täglich. Allerdings fehlt es beim
Kläger an erheblichen Einschnitten, die sich so gravierend auf seine Lebensführung auswirken, dass die Feststellung einer
Schwerbehinderteneigenschaft gerechtfertigt werden kann. Betrachtet man die therapie- und erkrankungsbedingten Einschränkungen
in der konkreten Lebensführung, lässt sich eine gravierende Einschränkung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft aufgrund
der Erkrankung an Diabetes mellitus nicht erkennen. Unter Berücksichtigung der verschiedenen Teilbereiche, in denen sich therapie-
und krankheitsbedingte Einschränkungen in der Lebensführung auswirken können, lässt sich feststellen, dass gravierende Auswirkungen
beim Kläger nicht in den Bereichen der Planung des Tagesablaufs, der Gestaltung der Freizeit, der Zubereitung der Mahlzeiten
und der Mobilität, sondern lediglich im Bereich der Berufsausübung vorliegen. Gravierende Auswirkungen in nur einem Lebensbereich
sind unter Berücksichtigung der weiteren Teilbereiche aber nicht ausreichend, um insgesamt eine gravierende Beeinträchtigung
der Lebensführung annehmen zu können.
Gravierende Einschränkungen sind allerdings im Bereich der beruflichen Tätigkeit als Referatsleiter für I. Z. in der ... festzustellen.
Die krankheitsbedingten Einschränkungen aufgrund des Diabetes mellitus haben auch bereits den beruflichen Kernbereich und
nicht nur punktuelle Einschränkungen bei besonderen beruflichen Belastungen betroffen. Denn die Teilnahme an Dienstreisen
gehört zu den wesentlichen Aufgaben seiner konkret ausgeübten Tätigkeit. So hat er nach seinen glaubhaften Angaben in der
mündlichen Verhandlung während einer Dienstreise nach Prag nicht an einer dort geplanten Veranstaltung teilnehmen können,
sondern wegen einer Unterzuckerung zwei bis drei Stunden im Hotelzimmer bleiben müssen, bis er sich wieder stabilisiert hatte.
An nicht zwingend notwendigen Auslandsreisen nimmt er krankheitsbedingt nicht mehr teil. Außerdem hat der Kläger darüber berichtet,
wegen einer Unterzuckerung im Dienst einmal auch eine Gesprächsführung abgegeben zu haben. Diese Einschränkungen bei der Ausübung
der beruflichen Tätigkeit sind aber nicht so gravierend, dass bereits deshalb von einer erheblichen Einschränkung insgesamt
ausgegangen werden kann, die die Schwerbehinderteneigenschaft rechtfertigt. Denn eine krankheitsbedingte Aufgabe der beruflichen
Tätigkeit bzw. eine Veränderung des Arbeitsbereichs ist beim Kläger nicht notwendig. Beruflich notwendige Reisen führt er
auch weiterhin durch, obgleich sie mit einem erhöhten Planungs- und Organisationsaufwand verbunden sind.
Weitere gravierende Einschränkungen in anderen Lebensbereichen liegen nicht vor. Im Freizeit- bzw. Mobilitätsbereich muss
der Kläger bei Urlaubsreisen zwar einen höheren planerischen Aufwand betreiben und kann nicht auf Organisationspläne von Dritten
zurückgreifen. Doch sind die Einschränkungen nicht so erheblich, dass er überhaupt keine Urlaubsreisen mehr durchführen kann.
Da er selbst auch keine besonderen Einschränkungen beim Autofahren sieht, wird seine Mobilität nicht erheblich durch die Erkrankung
an Diabetes mellitus eingeschränkt. Die Teilhabe an Freizeitmöglichkeiten wie z.B. Konzertbesuchen oder Sportveranstaltungen
ist ihm zwar durch die Neigung zu Hypoglykämien erschwert, jedoch bleibt es ihm - wenn auch mit einem gegenüber einem Gesunden
zusätzlichen Aufwand wie z.B. Randplatzsuche und Bereithalten von Traubenzucker - möglich, diese Freizeitaktivitäten wahrzunehmen.
Auch ist die Teilnahme an Restaurantbesuchen und am Kantinenessen nicht grundsätzlich krankheitsbedingt ausgeschlossen, sondern
ebenfalls unter Beachtung eines gewissen Mehraufwandes möglich. Auch die vom Kläger geschilderten Umstände bei den erforderlichen
Blutzuckermessungen und beim Spritzen (separater Raum bzw. Toilette) sind der Krankheit immanent und können nicht als gesondert
zu berücksichtigende Teilhabeeinschränkung bewertet werden. Die von dem Kläger angegebenen Nachteile durch seine Stoffwechselerkrankung
sind insgesamt zwar einschränkend und belastend, jedoch nicht gravierend im Sinne der Versorgungsmedizinischen Grundsätze.
Der Kläger wird trotz des einschränkenden Therapieaufwandes nicht auch noch zusätzlich durch eine schlechte Einstellungsqualität
in seiner Leistungsfähigkeit und damit in seiner Teilhabefähigkeit am Leben erheblich beeinträchtigt. Zwar besteht bei ihm
eine deutliche Neigung zu Hypoklykämien und auch unvorhersehbar stark schwankenden Blutzuckerwerten. Doch hat Dr. K. anderseits
über eine seit dem Jahre 2003 im Wesentlichen unveränderte sehr gute Stoffwechseleinstellung berichtet. Nach ihren Ausführungen
sind die Hypoglykämien leicht und durch den Kläger gut beherrschbar. Schwere Hypoglykämien mit Fremdhilfe sind nach ihren
Ausführungen (von den Ausnahmefällen in den Jahren 2004 und 2005 abgesehen) nicht aufgetreten. Stationäre Behandlungen aufgrund
des Diabetes mellitus haben seit dem Jahre 2001 nicht mehr stattgefunden und eine auf den Diabetes mellitus zurückzuführende
Arbeitsunfähigkeit hat nicht bestanden.
Der Kläger leidet nach den vorliegenden Befunden und seinem eigenen Sachvortrag an keinen weiteren Erkrankungen, die jedenfalls
einen GdB von 10 rechtfertigen, sodass für eine Erhöhung des GdB aufgrund von Behinderungen in einem weiteren Funktionssystem
kein Raum verbleibt.
Die Grenze zur Schwerbehinderung und eines GdB von 50 ist damit noch nicht erreicht. Letztlich widerspräche die Feststellung
der Schwerbehinderteneigenschaft bei dem voll im beruflichen und gesellschaftlichen Leben integrierten Kläger, der zwar eine
krankheitsbedingt eingeschränkte, aber dennoch eigenständige Lebensführung hat, dem nach Teil A Ziff. 3 (S. 22) der Versorgungsmedizinischen
Grundsätze zu berücksichtigenden Gesamtmaßstab. In Nr. 19 Abs. 2 der Anhaltspunkte, Ausgabe 2008 (S. 25) wird insoweit erläuternd
ausgeführt, dass die Schwerbehinderteneigenschaft nur angenommen werden kann, wenn die zu berücksichtigende Gesamtauswirkung
der verschiedenen Funktionsstörungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft so schwer wie etwa die vollständige Versteifung
großer Abschnitte der Wirbelsäule, der Verlust eines Beins im Unterschenkel oder eine Aphasie (Sprachstörung) mit deutlicher
Kommunikationsstörung beeinträchtigen. Eine derartig schwere Funktionsstörung liegt bei dem Kläger nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Ein Grund für die Zulassung der Revision nach §
160 SGG liegt vor. Das BSG hat zwar zur Frage des Therapieaufwandes in dem Urteil vom 2. Dezember 2010 - B 9 SB 3/09 R (zitiert nach juris) klarstellende Ausführungen gemacht. Die vom Senat vorgenommene Auslegung, wonach eine gravierende Beeinträchtigung
in einem Lebensbereich insgesamt nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung in der Lebensführung führt, ist bislang höchstrichterlich
nicht geklärt. Das gilt auch für die Frage, wann von einer gravierenden Einschränkung der beruflichen Tätigkeit ausgegangen
werden muss und ob dies beispielsweise auf den notwendigen Kernbereich zu beschränken ist.