Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung als Schädigungsfolge im sozialen Entschädigungsrecht
Tatbestand:
Der am ... 1976 geborene Kläger verbüßt eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen mehrfacher Vergewaltigung und Mordes. Am 24.
August 2003 betrat der Strafgefangene D. M. den Haftraum des Klägers in der Justizvollzugsanstalt (JVA) T., wollte von ihm
wissen, weshalb er einsitze und verlangte von ihm die Herausgabe des Haftbefehls. Auf Erklärung des Klägers, dass er nicht
im Besitz des Haftbefehls sei, riss ihm D. M. den Ohrring aus dem Ohr und schlug ihm mit der Faust auf die Nase. Der Kläger
wurde zunächst im H.-krankenhaus B. L. wegen einer verschobenen Nasenbeinfraktur behandelt. Am folgenden Tag erfolgte im H-Klinikum
E. die Reposition der Nasenbeinfraktur und die Einlage einer Nasentamponade. Mit anstaltsärztlicher Stellungnahme vom 26.
Februar 2004 teilte Dr. T. mit, der Kläger habe am 26. und 27. August 2003 die Vorstellung bei ihm verweigert und sich die
Nasentamponade selbst entfernt. Wegen dieser Schädigung habe sich der Kläger auch später nicht mehr vorgestellt. Es seien
auch keine weiteren Hals-Nasen-Ohren-ärztlichen Behandlungen erfolgt. Am 30. Januar 2004 habe ein noch leichter Nasenschiefstand
nach rechts mit einer Behinderung der Nasenatmung vorgelegen.
D. M. wurde mit Urteil vom 12. Juli 2005 wegen vorsätzlicher Körperverletzung, begangen im Zustand der verminderten Schuldfähigkeit,
zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht G.
gab der Kläger an, nach dem Richten der Nase habe es keine Spätfolgen gegeben.
Am 7. April 2006 beantragte der Kläger die Gewährung einer Beschädigtenrente aufgrund der am 24. August 2003 erlittenen Körperverletzung
und trug vor: Er leide weiterhin unter massiven psychischen Beschwerden mit Angstzuständen, einem eingerissenes Ohrläppchen
sowie Atembeschwerden. Der Beklagte zog die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft E. (Aktenzeichen ...) gegen D. M. wegen
Körperverletzung zum Nachteil des Klägers und Verfahrensunterlagen des Landgerichts G. (Aktenzeichen ...) gegen den Kläger
wegen Vergewaltigung in drei Fällen bei. Außerdem lag im Verwaltungsverfahren ein Brief des Klägers an den damaligen Justizminister
T., Dr. G., vom 7. Januar (Jahreszahl nicht lesbar) vor, wonach er ein "Kindheitstrauma" erlebt habe und "am Boden physisch
und psychisch" sei, weil er nicht wisse, ob er seinen Vater noch einmal wiedersehe. Mit dem Brief bat der Kläger um Begnadigung,
weil er schon seine Kindheit verloren habe. Mit versorgungsärztlicher Stellungnahme führte Dipl.-Med. S. am 7. Mai 2008 aus:
Das geltend gemachte eingerissene Ohrläppchen sei in den beigezogenen Befunden nicht dokumentiert. Der weiterhin bestehende
Nasenschiefstand mit Behinderung der Nasenatmung könne nach den vorliegenden Befunden möglicherweise ursächlich auf das schädigende
Ereignis zurückgeführt werden. Es sei aber auch möglich, dass diese Symptomatik bereits vor dem Ereignis bestanden habe. Als
vorübergehende Gesundheitsstörung sei eine Nasenbeinfraktur anzunehmen. Hinsichtlich der psychischen Beschwerden sei festzustellen,
dass unter Berücksichtigung der vorliegenden Unterlagen und in Auswertung des Briefes an Dr. G. bereits vor der hier geltend
gemachten Gewalttat psychische Gesundheitsstörungen bestanden hätten. Das Ereignis vom 24. August 2003 sei nicht geeignet,
psychische Gesundheitsstörungen hervorzurufen, zumal sich der Kläger auch in keiner Behandlung befunden habe.
Mit Bescheid vom 20. Mai 2008 stellte der Beklagte fest, für einen Zeitraum von weniger als sechs Monaten habe eine Nasenbeinfraktur
als Gesundheitsstörung im Sinne des §
1 OEG vorgelegen. Diese sei inzwischen folgenlos abgeheilt, so dass dem Antrag auf Gewährung von Versorgungsbezügen nach dem
OEG nicht entsprochen werden könne. Die geltend gemachten psychischen Beschwerden mit Angstzuständen seien weder durch schädigende
Einwirkungen im Sinne des §
1 Abs.
1 OEG entstanden noch verschlimmert worden. Diese seien im Zusammenhang mit den nach dem tätlichen Angriff erhobenen Befunden nicht
festgestellt worden.
Dagegen legte der Kläger am 12. Juni 2008 Widerspruch ein und trug zur Begründung vor: Er leide unter einem Geruchsverlust
sowie an einer Nasenscheidenwandverengung. Massive Angstzustände und ungeklärte Anfälle müssten medikamentös behandelt werden.
Der Beklagte zog einen Befundschein des Facharztes für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde Dr. W. vom 21. Oktober 2008 über die Behandlung
des Klägers vom 6. Juni 2007 bis 21. September 2008 bei. Am 6. Juni 2007 habe der Kläger geschildert, er leide seit einer
Woche unter wechselnden Ohrgeräuschen. Der am 6. Juni 2007 erhobene Hals-Nasen-Ohren-Befund sei unauffällig und die Nasenatmung
ausreichend gewesen. Eine spezifische Ursache im Hals-Nasen-Ohren-Bereich, im orthopädischen oder stomatologischen Bereich
habe für den Tinnitus nicht nachgewiesen werden können. Da die Beschwerden verstärkt unter Belastungssituationen aufträten,
müsse in Bewertung aller Befunde und Umstände von einem psychosomatischen Krankheitsbild bzw. einer Anpassungsstörung sowie
einer depressiven Episode ausgegangen werden. Außerdem zog der Beklagte einen Befundschein des Facharztes für Nervenheilkunde
Dipl.-Med. S. vom 18. August 2008 über die Behandlungen des Klägers von Mai 2007 bis August 2008 bei. Am 14. Mai 2008 dokumentierte
Dipl.-Med. S., der Kläger sei nach Verlegung aus der Haftanstalt T. nach N. verhaltensauffällig (mit Erregungszuständen) gewesen.
Er habe nach T. zurück gewollt und in der Zelle randaliert. Anamnestisch bestünde möglicherweise eine Epilepsie, die medikamentös
behandelt werde. Nach den Aufzeichnungen vom 3. Dezember 2007 habe der Kläger einen Tinnitus bekommen. Außerdem leide er Platzangst
und Angstzuständen, seitdem ihm die Nase gebrochen worden sei. Er habe die Medikamente abgesetzt und seitdem keine Anfälle
mehr bekommen. Am 11. August 2008 vermerkte Dipl.-Med. S., der Kläger habe angegeben, es gehe halt so und er nehme das Insidon.
Das Riechen rechts sei eingeschränkt, das Fiepen der Ohren sei schlimmer geworden. Er nehme an Freistunden teil und bewege
sich ohne Angst unter Mitgefangenen. Dipl.-Med. S. diagnostizierte im Mai 2007 eine Persönlichkeitsstörung, Zweckreaktionen
und eine fragliche Epilepsie, im Dezember 2007 eine posttraumatische Belastungsstörung und Tinnitus und im August 2008 einen
Tinnitus und eine fragliche posttraumatische Belastungsstörung sowie Angststörungen. In seiner Beurteilung führte er im Mai
2007 aus: Aktuell bestünden Verhaltensstörungen im Rahmen einer Zweckreaktion. Er empfehle eine diskrete Kontrolle (keine
Bühne bieten). Im Dezember 2007 empfahl er eine Gesprächstherapie bei posttraumatischer Belastungsstörung. Im August 2008
dokumentierte Dipl.-Med. S., es bestehe zwar ein zeitlicher Zusammenhang mit den geklagten Beschwerden, so dass im gewissen
Sinne eine posttraumatische Belastungsstörung angenommen werden könne. Es bestehe jedoch ein gewisser Widerspruch mit Klaustrophobie
zum auslösenden Ereignis (Zelle bietet Sicherheit vor Übergriffen), so dass eine endogene Störung und eine Zweckreaktion nicht
ausgeschlossen werden könnten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 2009 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und führte ergänzend aus:
Riechstörungen sowie Atembeschwerden wegen einer Nasenverengung seien ärztlicherseits nicht beschrieben. Es sei auch nicht
nachgewiesen, dass diese geltend gemachten Gesundheitsstörungen durch die Gewalttat verursacht worden seien. Selbst wenn ein
Nachweis geführt werden könne, könne daraus kein Grad der Schädigung (GdS) von wenigstens 25 resultieren, so dass auch keine
Beschädigtenrente gezahlt werden könne. Eine Heilbehandlung sei bei derartigen Gesundheitsstörungen nicht erforderlich, so
dass auch keine Kosten anfielen. Die geltend gemachten psychischen Störungen seien keine Schädigungsfolgen. Der Kläger habe
nach dem tätlichen Angriff keine psychologische bzw. psychotherapeutische Behandlung in Anspruch nehmen müssen. Verhaltensauffälligkeiten
seien einmalig im Mai 2007 beobachtet worden. Aufgrund des großen zeitlichen Abstandes stünden die vorliegenden psychischen
Probleme in keinem ursächlichen Zusammenhang zu dem Tatgeschehen vom 24. August 2003.
Dagegen hat der Kläger am 12. Februar 2009 Klage beim Sozialgericht A. erhoben. Mit Beschluss vom 17. März 2009 hat dieses
den Rechtsstreit an das Sozialgericht (SG) Halle verwiesen, weil der Kläger bei Klageerhebung seinen Wohnsitz in der JVA N. hatte.
Das SG hat die Krankenakte des Klägers und Befundberichte der behandelnden Ärzte beigezogen. Die Anstaltsärztin Dr. W. (JVA T.)
hat am 21. September 2010 berichtet, sie behandele den Kläger seit dem 16. März 2010 wegen eines Halswirbelsäulensyndroms.
Ein Anfallsleiden liege nicht vor, der Kläger nehme auch keine entsprechenden Medikamente. Auch ein Nasenschiefstand bestehe
nicht. Subjektiv liege eine Behinderung der Nasenatmung vor. Infolge des Einrisses des Ohrläppchens bestehe eine sichtbare
Narbe. Auf die gerichtliche Frage nach einem Verlust oder einer Beeinträchtigung des Riechvermögens der Nase und dessen diagnostischer
Sicherung der Erkrankung hat Dr. W. auf eine subjektive Einschränkung des Geruchssinns verwiesen. Mit Befundbericht vom 19.
Oktober 2010 hat die Psychiaterin R. über einen einmaligen Kontakt zum Kläger am 2. Dezember 2009 berichtet. Dabei habe der
Kläger sehr distanziert, unterschwellig gereizt und wenig kooperativ gewirkt. Er habe mehrfach betont, sich nicht auf eigenen
Wunsch in der psychiatrischen Sprechstunde vorzustellen. Auf Nachfrage habe er über einen tätlichen Übergriff im Jahr 2004
und seitdem bestehenden Ängsten vor erneuten Übergriffen berichtet. Nach der Verlegung in eine andere JVA habe ihm ein Arzt
ein Antidepressivum gegen Schlafstörungen verschrieben. Darunter seien diese komplett rückläufig, die Ängste bestünden weiter.
Er habe sich aber mit diesen arrangiert und bedürfe keiner weiteren psychiatrischen oder psychologischen Betreuung. Er wünsche
lediglich die Weiterverschreibung des Antidepressivums. Der Kläger habe jegliche psychiatrische Behandlung abgelehnt, so dass
keine weiteren Befunde erhoben werden konnten. Aufgrund mangelnder Kenntnis des Klägers und dessen fehlender Compliance hätten
keine psychiatrischen Diagnosen gestellt werden können.
Daraufhin hat der Kläger mitgeteilt, bei dem Untersuchungstermin bei Frau R. sei er kooperativ und nicht gereizt gewesen.
Es werde ein falsches Bild von ihm dargestellt. Im Übrigen nehme er weiterhin starke Psychopharmaka. Der Beklagte hat in Auswertung
der Befundberichte auf eine versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. G. vom (undatiert) November 2010 hingewiesen, wonach
auch weiterhin zumindest kein Gesamtgrad von 25 nachzuweisen sei.
Mit Urteil vom 28. September 2011 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die gesundheitlichen Folgen der erlittenen Gewalttat
bedingten keinen GdS in rentenberechtigender Höhe. Der tätliche Angriff sei kein Ereignis gewesen, welches seiner Art nach
allgemein geeignet sei, eine schwere psychische Krankheit hervorzurufen. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass sich der
Angriff in der Haft ereignet habe und der Kläger die JVA nicht verlassen könne. Auch die weiteren geltend gemachten Gesundheitsstörungen
begründeten keinen Rentenanspruch. Für ein schädigungsbedingtes Anfallsleiden fehle bereits der erforderliche Vollbeweis der
Erkrankung. Die geltend gemachte Narbe am rechten Ohr rechtfertige keinen Einzel-GdS. Nach der Reposition der Nasenbeinfraktur
sei nach den von Dr. W. erhobenen Befunden keine bleibende Beeinträchtigung mehr festzustellen. Auch Dr. W. habe lediglich
eine subjektive Behinderung der Nasenatmung angegeben. Wesentliche funktionelle Auswirkungen seien auch deshalb auszuschließen,
weil der Kläger bei seiner Aussage als Zeuge im Prozess gegen den Täter angegeben habe, dass keine Folgen der Gewalttat zurückgeblieben
seien. Jedenfalls sei kein Einzel-GdS von mehr als 10 zu begründen, da eine einseitige Verengung der Nasengänge einen GdS
von 0 bis 10 und eine beidseitige Verengung mit leichter bis mittelgradiger Atembehinderung einen solchen von 10 rechtfertige.
Der vorgetragene Verlust des Riechvermögens sei nicht gesichert, würde aber jedenfalls keinen Einzel-GdS von mehr als 10 bedingen,
da bei einem völligen Verlust des Riechvermögens und einer zugleich bestehenden Beeinträchtigung der Geschmackswahrnehmung
nur ein Einzel-GdS von 15 vorgesehen sei. Ein Gesamt-GdS von wenigstens 25 lasse sich auch bei Zugrundelegung der maximal
denkbaren Einzel-GdS in der Gesamtschau nicht begründen. Der geltend gemachte Anspruch ergebe sich auch nicht aus den Bestimmungen
der sogenannten Kann-Versorgung, denn hier bestehe lediglich Unklarheit über den Krankheitsverlauf im konkreten Fall sowie
über Bestimmung und Gewichtung der mitwirkenden Faktoren.
Gegen das ihm am 21. Oktober 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21. November 2011 Berufung beim Landessozialgericht
(LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt und zur Begründung vorgetragen: Fehlerhaft habe sich das SG auf den Standpunkt zurückgezogen, die einzelnen Beeinträchtigungen im Hinblick auf Geruchssinn und Atmung könnten keinen
rentenberechtigenden GdS von 25 erreichen. Allein die posttraumatische Belastungsstörung führe zur Rentenberechtigung. Es
liege außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit, dass die Belastungsstörungen nicht auf das streitige Ereignis zurückzuführen
seien, denn für andere Umstände oder Vorfälle, die kausal geworden sein könnten, bestünden keine Anhaltspunkte. Es bestehe
auch ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Schädigung und Leidensbeginn. Denn er habe schon immer Schmerzen beklagt, gleich
nach der Misshandlung. Die spätere Antragstellung sei nicht maßgeblich und liege nicht außerhalb medizinischer Erfahrung.
Sofern es außerordentlich schwierig sei, wissenschaftlich fundierte Feststellungen dahingehend zu treffen, ob die posttraumatische
Belastungsstörung auf dem schädigenden Ereignis beruhe, müssten entsprechende Feststellungen schon aufgrund seiner Beweisnot
zu Lasten der Gegenseite gehen. Immerhin sei die Körperverletzung in der Obhut des beklagten Landes erfolgt. Dass Misshandlungen
von Gefangenen zu psychischen Beeinträchtigungen mit nachhaltigen Folgen führen könnten, sei nicht von der Hand zu weisen.
Anhaltspunkte für schadensunabhängige Beziehungsgeflechte oder eine unzureichende psychologische Verarbeitung der Verurteilung
seien als Reserveursachen nicht erkennbar.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 28. September 2011 und den Bescheid des Beklagten vom 20. Mai 2008 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger ab 7. April 2006 eine
Beschädigtenrente nach einem Grad der Schädigung in Höhe von mindestens 25 vom Hundert zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Nach seiner Ansicht liege keine posttraumatische Belastungsstörung vor.
Auf Nachfrage des Senats hat der Kläger am 9. Juli 2012 mitgeteilt: Eine psychiatrische Behandlung werde gegenwärtig nicht
durchgeführt, ebenso wenig eine Verhaltenstherapie. Außerdem hat er ein Schreiben von Dr. W. vom 24. August 2012 vorgelegt,
wonach er weiterhin Medikamente gegen seine psychischen Störungen erhalte.
Der Senat hat die JVA-Krankenakte des Klägers ab 6. Januar 2003 beigezogen. Hinsichtlich psychischer Auffälligkeiten finden
sich Eintragungen erstmals im August 2004. Danach habe der Kläger am 20. August 2004 zum Ausdruck gebracht, dass er sich von
Bediensteten bedroht fühle. Die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. G. hatte am 30. August 2004 ebenfalls dokumentiert,
dass der Kläger sich von Mitgefangenen und dem Personal schikaniert fühlt. Er wolle nur noch seine Ruhe haben und sich auf
seinen Prozess im September vorbereiten. Aktuell ergebe sich aus psychiatrischer Sicht kein Handlungsbedarf. Am 18. Oktober
2004 war ein möglicher Krampfanfall des Klägers und am 25. November 2004 waren Alpträume und Herzrasen, Angst und Gefühl von
Atemnot dokumentiert. Erst unter dem 11. Mai 2007 war wiederum ein Krampfanfall nach vorheriger Verausgabung (Toben in der
Zelle) festgehalten und am 20. April 2007 ein Tinnitus (links). Außerdem hat der Senat von der Staatsanwaltschaft G. das Vollstreckungsheft
des Klägers beigezogen.
Schließlich hat der Senat das Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. B. vom 28. Oktober 2013 nach
Untersuchung des Klägers am 18. Oktober 2013 in der JVA T. eingeholt. Auf Nachfrage des Sachverständigen habe der Kläger Herzrasen
und Panik, etwa zweimal im Monat, wenn er sich besonders stark aufrege, angegeben. Im letzten Jahr sei er einmal umgefallen
(nach einer Auseinandersetzung wegen eines nicht ausgehändigten privaten Radios). Der Sachverständige hat folgende Diagnosen
gestellt: Persönlichkeitsstörung mit schizoid-narzisstisch-destruktiven Anteilen (ICD-10: F 60.8); paroxysmale Panikstörung
in Stress- und beengenden Situationen bei emotional-instabilen Anteilen, sowie einmaliger Ohnmachtsanfall (Krampfanfall eher
unwahrscheinlich - ICD-10: F 40.01); klassische Migräne (ICD 10: G 43/F54 - zweimalig im Pubertätsalter, ca. 13. Lebensjahr).
Bis auf die persönlichkeitsspezifischen Eigenarten mit selbstunsicher-hocherregbarer Persönlichkeit finde sich eine paroxysmale
Panikstörung in Stresssituationen, wenn der Kläger glaube, dass er gedemütigt werde oder meine, Anhaltspunkte hierfür zu haben.
Eine depressive Störung sei nicht erkennbar. Hinweise auf psychotische Inhalte oder hirnorganische Beeinträchtigungen fänden
sich nicht. Der geltend gemachte Krampfanfall entspräche einer eher hochgradigen Erregungssituation mit einem Ohnmachtsanfall,
der phobisch-konversionsneurotischer Art zu werten sei. Hinweise für eine Epilepsie im EEG oder bildgebenden Verfahren seien nicht gefunden worden. Hinsichtlich des Schadensereignisses vom August 2003 sei psychodynamisch
feststellbar, dass der Kläger durch einen Rechtsradikalen gedemütigt worden sei. Bei der Exploration habe unter Berücksichtigung
der posttraumatischen Belastungssymptome nach ICD-10- und DSM-IV-Kriterien weder ein Anhalt für das Vollbild einer posttraumatischen
Belastungsstörung noch für eine Rest- oder Teilsymptomatik gefunden werden können. Der Kläger leide auch nicht unter spezifischen
Angstzuständen. Eine intensive Furcht, Hilflosigkeit und Entsetzen ließen sich als Reaktionen beim Kläger nicht feststellen.
Er reagiere aufgrund seiner impulsiven Destruktivität eher mit Hassgefühlen, nicht mit ohnmächtigen, nach innen gerichteten
Impulsen. Das Trauma werde nicht wiedererlebt in sich aufdrängenden Erinnerungen. Konkrete Alpträume oder Reaktionen auf Hinweisreize
hätten sich nicht feststellen lassen. Der Kläger zeige auch kein Gefühl von Vermeidung und Einengung der emotionalen Reagibilität.
Im Gegenteil, er reagiere mit seinen Hassgefühlen eher in Richtung Vergeltung. Gefühle von Betäubtheit, emotionaler Stumpfheit,
Gleichgültigkeit oder Teilnahmslosigkeit, Freudlosigkeit oder Interessenverlust lägen nicht vor. Er könne weiterhin sein Bodybuilding
und sein tägliches Joggen ausführen. Sein sozialer Rückzug sei seiner schizoiden Persönlichkeit geschuldet, nicht den Folgen
der Tat. Die Übererregbarkeit bzw. Ein- und Durchschlafstörungen seien nicht durch das Trauma, sondern durch die persönlichkeitsimmanenten,
nicht integrierbaren Triebimpulse und die Reizbarkeit ausgelöst worden. Gesteigerte Wachsamkeit oder Schreckhaftigkeit lägen
nicht vor. Das Schadensereignis habe auch keine Symptomatik ausgelöst, die klinisch bedeutsame Beeinträchtigungen für ein
anderes soziales Verhalten im Gefängnis ausgelöst habe. Nach den Angaben des stellvertretenden Abteilungsleiters S., der im
Rahmen der Fremdanamnese am 18. Oktober 2013 befragt worden sei, seien die persönlichkeitsspezifischen Verhaltensweisen des
Klägers bereits bei der Aufnahme im Jahr 2002 vorhanden gewesen. Dr. B. hat weiter ausgeführt, es lägen Willkürimpulse oder
destruktive Impulse vor, die bei Kontakt und Nähe aufträten, wenn der Kläger sich nicht ausreichend beobachtet oder gewürdigt
fühle. Dann entstehe ein hohes destruktives Potential, welches er in der Haft nicht ausagieren könne. Das Haftpersonal sei
auch entsprechend angewiesen, Situationen zu vermeiden, in denen der Kläger explosiv-impulsiv reagieren und tätlich werden
könne. In seinen Fantasien und Träumen lasse sich erkennen, dass der Kläger den Wunsch besitze, destruktive Auseinandersetzungen
zu führen. All dies habe aber nichts mit der Kausalität zum Schadensereignis zu tun, sondern mit persönlichkeitsspezifischen
Besonderheiten. Beim Kläger handele es sich um eine hochempfindliche narzisstische Persönlichkeit und deren fehlender zentraler
Selbstregulation, die aufgrund frühkindlicher oral-narzisstischer Defizite und auch des Missbrauchs vom 6./7. bis 13. Lebensjahrs,
im 24. Lebensjahr nach Trennung und Arbeitslosigkeit keine Integration der destruktiv-fremdaggressiven Impulse mehr ermöglichte
und in den verheerenden Taten endete. Eine Kausalität zum Schadensereignis vom 24. August 2003 könne somit nicht hergestellt
werden. Da Schädigungsfolgen nicht gegeben seien, entfalle auch die Feststellung eines GdS.
Mit Schreiben vom 10. Januar 2014 hat der Kläger eine Bestätigung des medizinischen Dienstes über die medikamentöse Verschreibung
von Antidepressiva vorgelegt. Er ist der Ansicht, es handele sich hier um die Behandlung einer psychischen Erkrankung, die
in keinem anderen Zusammenhang als mit der Gewalttat stehe, da er weder alkohol- noch drogenkrank sei, sondern sich einer
absolut gesunden Lebensführung im Rahmen des Strafvollzuges befleißige.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und
Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den
Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach §
143 SGG statthafte und auch in der von §
151 Abs.
1 SGG vorgeschriebenen Form und Frist eingelegte Berufung des Klägers ist unbegründet. Das beklagte Land hat den Antrag auf Gewährung
einer Beschädigtenversorgung auf der Grundlage des
OEG zu Recht abgelehnt. Das Urteil des SG Halle vom 28. September 2011 sowie der Bescheid des Beklagten vom 20. Mai 2008 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2009 sind rechtmäßig.
Für die vorliegende Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage ist der maßgebliche Zeitpunkt der Beurteilung der Sach-
und Rechtslage die mündliche Verhandlung des Senats. Nach diesem Maßstab hat der Beklagte auch zu Recht die Gewährung einer
Beschädigtenrente des Klägers abgelehnt, weil kein rentenberechtigender GdS vorliegt.
Nach §
1 Abs.
1 Satz 1
OEG erhält derjenige, der im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug in Folge eines
vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr
eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung
in entsprechender Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Die Schädigungsfolge muss danach auf einer Gesundheitsstörung beruhen, die durch einen vom
OEG erfassten Tatbestand (schädigender Vorgang) verursacht worden ist. Die Erfüllung dieser Tatbestandsvoraussetzungen (schädigender
Vorgang, Gesundheitsstörung, Schädigungsfolge) gehört zu den anspruchsbegründenden Tatsachen, die nachgewiesen, d.h. ohne
vernünftige Zweifel oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein müssen. Zwischen den drei Gliedern
dieser Kette muss jeweils ein Kausalzusammenhang bestehen. Der dabei anzuwendende Beweismaßstab der erforderliche Wahrscheinlichkeit
ist dann gegeben, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang
spricht (vgl. BSG, Urteil vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B - SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, S. 14, m.w.N.). Die Tatsachen, auf die sich der Kausalzusammenhang gründet, müssen hingegen im
Sinne des Vollbeweises nachgewiesen sein. Die vom Kläger darüber hinaus begehrte Beweiserleichterung, weil sich die Schädigung
in der Haft ereignet hat, findet keine gesetzliche Grundlage.
Nach §
1 Abs.
1 Satz 1
OEG richtet sich der Anspruch auf Versorgung nach dem BVG in entsprechender Anwendung. Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Beschädigtenrente ist § 31 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 30 Abs. 1 BVG. Diese Vorschriften sind durch das insoweit am 21. Dezember 2007 in Kraft getretene Gesetz vom 13. Dezember 2007 (aaO.) geändert
worden. Da das Gesetz keine Übergangsvorschriften enthält, sind diese Vorschriften vom 21. Dezember 2007 an in der neuen Fassung
(n.F.) und für den vorangegangenen streitgegenständlichen Zeitraum in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Januar 1982 (BGBl.
I S. 21) und der nachfolgenden Änderungen (a.F.) anzuwenden.
Nach § 31 Abs. 1 BVG a.F. erhielten Beschädigte bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 30 v.H. eine monatliche Grundrente.
Nach Abs. 2 der Vorschrift stellten die nach Abs. 1 für die Höhe der Rente maßgeblichen Vomhundertsätze Durchschnittssätze
dar, von denen eine um fünf v.H. geringere MdE mit umfasst wurde. Nach § 31 Abs. 1 BVG n.F. setzt die Gewährung einer Grundrente einen GdS von mindestens 30 voraus. In der bis zum 21. Dezember 2007 geltenden
Fassung des § 30 Abs. 1 BVG waren und in der seitdem geltenden Neufassung der Vorschrift durch das Gesetz vom 13. Dezember 2007 sind die Grundsätze geregelt,
nach denen die MdE zu beurteilen war und nach der Neufassung der GdS zu beurteilen ist. Nach der alten Fassung des § 30 Abs. 1 BVG war die MdE nach der körperlichen und geistigen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen, wobei seelische
Begleiterscheinungen und Schmerzen zu berücksichtigen waren (Satz 1). Für die Beurteilung war maßgebend, um wie viel die Befähigung
zur üblichen, auf Erwerb gerichteten Arbeit und deren Ausnutzung im wirtschaftlichen Leben durch die als Folgen einer Schädigung
anerkannten Gesundheitsstörungen beeinträchtigt waren (Satz 2). Nach der Neufassung ist der GdS nach den allgemeinen Auswirkungen
der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen
bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen (Satz 1). Der GdS ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein
bis zu fünf Grad geringerer GdS wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst (Satz 2). Demnach reicht - wie zuvor nach § 31 Abs. 2 BVG a.F. - ein GdS von 25 zur Rentenberechtigung aus.
Als Grundlage für die Beurteilung der erheblichen medizinischen Sachverhalte dienten der Praxis die jeweils vom zuständigen
Bundesministerium herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und
nach dem Schwerbehindertenrecht" (Anhaltspunkte), die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts als vorweggenommene
Sachverständigengutachten eine normähnliche Wirkung hatten (BSG, Urteil vom 18. September 2003 - B 9 SB 3/02 R - SozR 4-3800 § 1 Nr. 3 Rdnr. 12, m.w.N.). Um verfassungsrechtliche Einwände gegen die Legitimation der "Anhaltspunkte" auszuräumen,
ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in § 30 Abs. 17 BVG, der durch das Änderungsgesetz vom 13. Dezember 2007 (aaO.) angefügt worden ist, zum Erlass einer Rechtsverordnung ermächtigt
worden. Auf Grund des § 30 Abs. 17 BVG hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) erlassen. Nach ihrem § 1 regelt diese Verordnung unter anderem die Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung
ihres Schweregrades im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG. Nach § 2 VersMedV sind die in § 1 genannten Grundsätze und Kriterien in der Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" als deren Bestandteil festgelegt. Die
in den Anhaltspunkten (letzte Ausgabe von 2008) enthaltenen Texte und Tabellen, nach denen sich die Bewertung des Grades der
Behinderung bzw. der Schädigungsfolge bisher richtete, sind in diese Anlage übernommen worden (vgl. die Begründung BR-Drucks.
767/08, S. 3 f.). Die im vorliegenden Fall heranzuziehenden Abschnitte aus den Anhaltspunkten in den Fassungen von 2005 und
2008 bzw. aus den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen sind nicht geändert worden.
Nach diesem rechtlichen Maßstab sind die angegriffenen Bescheide nicht zu beanstanden. Zwischen den Beteiligten ist nicht
streitig, dass der Kläger am 24. August 2003 Opfer einer Körperverletzung geworden ist. Auf Grund der im staatsanwaltlichen
Ermittlungsverfahren festgestellten Körperverletzung durch D. M. wurde der Kläger vorsätzlich, rechtswidrig und tätlich im
Sinne von §
1 Abs.
1 Satz 1
OEG angegriffen. Mit Bescheid vom 20. Mai 2008 hat der Beklagte als vorübergehende Gesundheitsstörungen eine folgenlos ausgeheilte
Nasenbeinfraktur anerkannt und eine Beschädigtenrente ausgeschlossen. Die darüber hinaus vom Kläger als dauerhaft geltend
gemachten Gesundheitsstörungen - insbesondere psychische Gesundheitsstörungen - sind nicht auf die Schädigung zurückzuführen.
Der Senat folgt insoweit dem Gutachten des Dr. B. und den Stellungnahmen des ärztlichen Dienstes des Beklagten. Damit in Einklang
stehen die eingeholten Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers.
Die geltend gemachte psychische Störung betrifft eine Behinderung im Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche". Nach
dem Gutachten des Dr. B. leidet der Kläger an einer Persönlichkeitsstörung mit schizoid-narzisstisch-destruktiven Anteilen
(ICD-10: F 60.8) sowie einer paroxysmalen Panikstörung in Stress- und beengenden Situationen bei emotional-instabilen Anteilen.
Weitere Erkrankungen konnte der Sachverständige nicht feststellen. Hinweise für eine Epilepsie im EEG oder bildgebenden Verfahren konnten nicht gefunden werden. Eine depressive Störung war nicht erkennbar. Hinweise auf psychotische
Inhalte oder hirnorganische Beeinträchtigungen haben sich auch nicht gefunden. Auch die vom Kläger behauptete posttraumatische
Belastungsstörung ist nicht nachgewiesen. Dr. B. hat nach ICD-10- und DSM-IV-Kriterien weder einen Anhalt für das Vollbild
einer posttraumatischen Belastungsstörung noch für eine Rest- oder Teilsymptomatik finden können. Überzeugend hat der Sachverständige
geschildert, der Kläger leide nicht unter spezifischen Angstzuständen. Eine intensive Furcht, Hilflosigkeit und Entsetzen
ließen sich als Reaktionen beim Kläger nicht feststellen. Er reagiere aufgrund seiner impulsiven Destruktivität eher mit Hassgefühlen,
nicht mit ohnmächtigen, nach innen gerichteten Impulsen. Das Trauma der schädigenden Gewalttat werde nicht wiedererlebt in
sich aufdrängenden Erinnerungen. Konkrete Alpträume oder Reaktionen auf Hinweisreize hätten sich nicht feststellen lassen.
Der Kläger zeige auch kein Gefühl von Vermeidung und Einengung der emotionalen Reagibilität. Im Gegenteil, er reagiere mit
seinen Hassgefühlen eher in Richtung Vergeltung. Gefühle von Betäubtheit, emotionaler Stumpfheit, Gleichgültigkeit oder Teilnahmslosigkeit,
Freudlosigkeit oder Interessenverlust lägen nicht vor. Er könne weiterhin sein Bodybuildingtraining und sein tägliches Joggen
ausführen. Diese überzeugende Einschätzung wird auch durch den Umstand gestützt, dass im engen zeitlichen Zusammenhang mit
dem schädigenden Ereignis keine psychischen Auffälligkeiten festgestellt worden seien. Die ersten Eintragungen hinsichtlich
psychischer Auffälligkeiten seien im August 2004, also ca. ein Jahr nach der erlittenen Körperverletzung erfolgt. Am 20. August
2004 habe sich der Kläger von Bediensteten bedroht und am 30. August 2004 von Bediensteten und Mitgefangengen schikaniert
gefühlt. Die Fachärztin für Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. G. hatte zu diesem Zeitpunkt keinen psychiatrischen
Handlungsbedarf erkennen können. Psychische Auffälligkeiten, die eine fachärztliche Behandlung durch Dipl.-Med. S. nach sich
zogen, seien erstmals im Jahr 2007, also vier Jahre nach dem schädigenden Ereignis festgestellt worden. Diese hätten im Zusammenhang
mit dem Wechsel des Klägers von der JVA T. nach N. gestanden und seien von Dipl.-Med. S. als damit zusammenhängende Zweckreaktion
eingeordnet worden. Im Laufe der Behandlung hat auch er trotz des vom Kläger geschilderten zeitlichen Zusammenhangs zur Körperverletzung
Zweifel an einer posttraumatischen Belastungsstörung gesehen, weil ein gewisser Widerspruch mit Klaustrophobie zum auslösenden
Ereignis (Zelle bietet Sicherheit vor Übergriffen) besteht, so dass eine endogene Störung und eine Zweckreaktion nicht ausgeschlossen
werden konnten. Letztlich spricht auch gegen eine posttraumatische Belastungsstörung als Folge der Gewalttat, dass der Kläger
in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht G. am 12. Juli 2005 angegeben hat, nach dem Richten der Nase habe es keine
Spätfolgen gegeben. Über psychische Störungen hat er damals, also auch zwei Jahre nach dem schädigenden Ereignis, nicht berichtet.
Die von Dr. B. festgestellten psychischen Erkrankungen sind nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das schädigende
Ereignis zurückzuführen. Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob die Verletzung überhaupt geeignet war, eine dauerhafte psychische
Gesundheitsstörung auszulösen. Auf diese Bedenken hat bereits das SG hingewiesen. Denn unabhängig davon hat der Sachverständige überzeugend festgestellt, dass der soziale Rückzug des Klägers
seiner schizoiden Persönlichkeit geschuldet und nicht Folge der Tat sei. Auch insoweit schließt sich der Senat den überzeugenden
Ausführungen des Sachverständigen an. Die Übererregbarkeit bzw. Ein- und Durchschlafstörungen, die dauerhaft medikamentös
behandelt werden, sind nach seinen gutachtlichen Feststellungen nicht durch das Trauma, sondern durch die persönlichkeitsimmanenten,
nicht integrierbaren Triebimpulse und die Reizbarkeit ausgelöst worden. Das Schadensereignis hatte nach den überzeugenden
Ausführungen des Sachverständigen keine Symptomatik hervorgerufen, die klinisch bedeutsame Beeinträchtigungen für ein anderes
soziales Verhalten im Gefängnis ausgelöst hat. Diese Einschätzung des Sachverständigen wird durch die Angaben des stellvertretenden
Abteilungsleiters S. bestätigt, wonach die persönlichkeitsspezifischen Verhaltensweisen des Klägers bereits bei der Aufnahme
im Jahr 2002 vorhanden gewesen waren. Dr. B. hat Willkürimpulse oder destruktive Impulse festgestellt, die bei Kontakt und
Nähe aufträten, wenn der Kläger sich nicht ausreichend beobachtet oder gewürdigt fühle. Dann entstehe ein hohes destruktives
Potential, welches er in der Haft nicht ausagieren könne. Der Sachverständige hat ausgeführt, der durch Fantasien und Träumen
erkennbare Wunsch des Klägers, destruktive Auseinandersetzungen zu führen, habe nichts mit der Kausalität zum Schadensereignis
zu tun, sondern mit persönlichkeitsspezifischen Besonderheiten.
Auch die weiteren geltend gemachten Gesundheitsstörungen sind keine Schädigungsfolgen bzw. führen nicht zu einem rentenberechtigenden
GdS. Für die sichtbare Narbe am Ohrläppchen kann kein GdS festgestellt werden. Dr. W. hat am 2. August 2010 einen Nasenschiefstand
ausgeschlossen und lediglich auf eine subjektive Behinderung der Nasenatmung und eine subjektive Einschränkung des Geruchssinns
hingewiesen. Eine diagnostische Sicherung liegt aber nicht vor, sodass die Erkrankungen nicht im Vollbeweis festgestellt werden
können. Dafür spricht auch, dass nach den Ausführungen des Facharztes für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde Dr. W. am 6. Juni 2007
die Nasenatmung ausreichend und auch der weitere erhobene Hals-Nasen-Ohren-Befund unauffällig war. Schließlich hat der Kläger
im zeitlichen Zusammenhang mit dem schädigenden Ereignis keine derartigen Einschränkungen angegeben und keine fachärztliche
Behandlung in Anspruch genommen. Auch vor dem Amtsgericht G. hat er als Zeuge fast zwei Jahre nach der Tat (12. Juli 2005)
angegeben, dass nach dem Richten der Nase keine damit zusammenhängenden Spätfolgen vorliegen.
Da nach alledem keine dauerhaft mit einem GdS zu bewertende Gesundheitsschädigung durch die Gewalttat eingetreten ist, kommt
auch keine Gewährung einer Beschädigtenrente in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.