Erstattungsstreit; Erstattungsforderung; erstangegangener Leistungsträger; zweitangegangener Leistungsträger; Jugendhilfe;
Eingliederungshilfe; Dauerpflege; Heimerziehung; Erstattung; Gasteltern; junge Volljährige; gewöhnlicher Aufenthalt; Pflegefamilie;
Sozialhilfeträger; überörtlicher Sozialhilfeträger; Leistungsklage; unzuständiger Leistungsträger; Rehabilitationsträger;
Rücksendung; Zuständigkeitsbereich; abschließende Entscheidung; zeitliche Zäsur; stationäre Einrichtung; Familienpflegestelle;
WfbM; ambulant betreutes Wohnen; Kostenfreiheit; vorläufige Zuständigkeit; Sozialhilfe; Grundsicherung
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Aufwendungen des Klägers nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) für S. S. (im Weiteren: S.S.) seit dem 22. Mai 2007.
Die am ... 1986 geborene S.S. wurde ab September 1986 in dem Säuglingsheim "M." in B. aufgenommen. B. befindet sich im heutigen
S. in S., der am 1. Juli 2007 im Rahmen der Kreisgebietsreform durch Zusammenlegung der Landkreise A.-St. (ohne F./H.), B.
und Sch. gebildet wurde. Mit Beschluss des Rates des Kreises Sch. - Jugendhilfeausschuss - vom 2. Juli 1986 wurde für S.S.
die Heimerziehung angeordnet, da ihre damals in B. wohnende Mutter auf Grund der persönlichen Entwicklung nicht in der Lage
gewesen sei, "eine normgerechte Betreuung, Versorgung, Erziehung und Entwicklung des Säuglings zu sichern". Die Mutter befand
sich zu diesem Zeitpunkt in einem Krankenhaus in H., die beiden Geschwister von S.S. in einem Heim. Am 2. Oktober 1989 wurde
S.S. in das Kinderheim der Arbeiterwohlfahrt in Sch. aufgenommen.
Seit dem 8. August 1996 lebt S.S. in O. im LK Sch., Baden-Württemberg. Unter dem 15. Oktober 1996 schloss der Landkreis Sch.
mit R.S. (Pflegemutter) und G.S. (Pflegevater) einen "Pflege- und Erziehungsvertrag" für die Dauerpflege von S.S. Das Pflegeverhältnis
endete nach Abschnitt III Nr. 1 Buchst. b) des Vertrages, wenn die Voraussetzungen der Gewährung öffentlicher Jugendhilfe
nicht mehr vorlägen. Die Dauerpflege von S.S. erfolgte in der Folgezeit durch die Pflegeeltern, wobei die Familie in einem
Eigenheim (Einfamilienhaus) - nach der Auskunft des Einwohnermeldeamtes O. vom 23. Mai 2007 - im Übrigen mit den beiden leiblichen
Kindern und, seit dem 3. Juli 2000, einer weiteren Pflegetochter lebt. Nach den Angaben des Pflegevaters handelt es sich um
eine "Sonderpflegefamilie", eine "heilpädagogische" bzw. "sonderpädagogische" Pflegefamilie, in der seit 1994 dreizehn "sehr
schwierige Kinder" erzogen worden seien. Die Pflegemutter sei ausgebildete Kinderpflegerin und Kinderkrankenschwester. Er,
der Pflegevater, habe eine Ausbildung zum Heilerziehungspfleger begonnen und sei in H. für geistig behinderte oder schwer
erziehbare Menschen und vor seiner Pensionierung im Jahr 2004 17 Jahre als technischer Lehrer an einer Sonderschule für geistig
behinderte Menschen tätig gewesen. Die Pflegemutter wirke seit 1975 zu Hause in der Betreuung der eigenen Kinder und der Pflegekinder.
Bei S.S. ist seit dem 23. Dezember 1997 ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 mit den Merkzeichen "G", "H" und "B" anerkannt.
Sie schloss die Sonderschule für geistig behinderte Menschen ab. Die Ärztin Dr. L. stellte in ihrem ärztlichen Zeugnis für
das Gesundheitsamt des Landratsamtes S.-H. vom 9. September 1998 auf Grund der Untersuchung von S.S. am 8. September 1998
fest, bei dieser liege eine mentale Retardierung auf Grund einer Deprivation im Kleinkindes- und Kindesalter vor. Beeinträchtigt
seien bei ihr die Beschäftigung, die funktionalen Schulleistungen und die sozialen und zwischenmenschlichen Fähigkeiten. Es
liege vorrangig eine seelische Behinderung mit einer zusätzlichen geistigen Behinderung vor. In ihrem für die ARGE SoziAl
S.-H. erstellten Gutachten vom 7. Mai 2009 kam die Medizinaldirektorin des ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit Sch.
Dr. G. zu dem Ergebnis, bei S.S. liege auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein Leistungsvermögen von täglich weniger als drei
Stunden (wöchentlich unter 15 Stunden) auf Dauer vor.
Nach Erreichen der Volljährigkeit wurde S.S. weiterhin von ihren vormaligen Pflegeeltern (nun: Gasteltern) versorgt. S.S.
erteilte ihrem Gastvater unter dem 1. November 2006 eine Vorsorgevollmacht für die Angelegenheiten Gesundheitssorge/Pflege
und Aufenthalt sowie Wohnungsangelegenheiten. Falls eine gesetzliche Vertretung ("rechtliche Betreuung") erforderlich sein
sollte, bitte die Unterzeichnerin, S.S., den Gastvater als Betreuer zu bestellen. Im November 2008 wurde der Gastvater mit
Beschluss des Notariats II G. - Betreuungsgericht - zu ihrem Betreuer bestellt und die Betreuung mit Beschluss vom 20. Januar
2012 bis zum 20. Januar 2019 verlängert.
S.S. nahm von 2004 bis zum 31. August 2007 an einem Förderlehrgang Hauswirtschaft für geistig behinderte Menschen teil. Sie
war vom 5. September bis zum 4. Dezember 2007 im Eingangsverfahren und im Anschluss daran bis zum 4. Dezember 2009 im Berufsbildungsbereich
einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) tätig und ist dort seit dem 5. Dezember 2009 im Arbeitsbereich beschäftigt.
Die Kosten des Aufenthaltes von S.S. in der Pflegefamilie übernahm für die ersten beiden Jahre durch Bewilligung von Leistungen
der Kinder- und Jugendhilfe der Landkreis Sch. Auf Antrag der S.S. vom 28. März 2004 wurden ihr Leistungen für junge Volljährige
nach den § 41 i.V.m. § 35a Achtes Buch Sozialgesetzbuch (Kinder- und Jugendhilfe - SGB VIII) vom 22. Mai 2004 bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, d.h. mit einer Befristung bis zum 21. Mai 2007, vom Jugendamt
S.-H. bewilligt. Den Antrag von S.S. auf Bewilligung dieser Hilfe über die Vollendung des 21. Lebensjahres hinaus lehnte diese
Behörde mit Bescheid vom 8. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2007 bestandskräftig mit der
Begründung ab, weitere Entwicklungsfortschritte seien bei S.S. nicht mehr zu erwarten. Ihre Verselbstständigung sei nicht
absehbar.
Am 16. Mai 2007 erkundigte sich der Gastvater von S.S. telefonisch bei dem Landkreis Sch. über eine mögliche Leistungsgewährung
im Anschluss an die Leistungen nach dem SGB VIII. Am 24. Mai 2007 beantragte S.S. auf diese Beratung hin unter Verwendung des ihr von dem Landkreis Sch. übersandten Vordrucks
jeweils schriftlich bei dem Landkreis Sch. die Bewilligung von Eingliederungshilfe und Leistungen der Grundsicherung im Alter
und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII. Sie reichte in der Anlage eine Kopie der Vorsorgevollmacht für ihren Gastvater vom 1. November 2006 ein.
Der Landkreis Sch. leitete den Antrag mit Schreiben vom 4. Juni 2007 an den Beklagten mit der Begründung weiter, S.S. habe
ihren Wohnsitz in dessen Zuständigkeitsbereich. Gleichzeitig erfolgte die Mitteilung über die Weiterleitung an S.S. Der Beklagte
sandte den Antrag mit Schreiben vom 11. Juni 2007 an den Landkreis Sch. mit der Begründung "zuständigkeitshalber" zurück,
nach § 107 i.V.m. § 98 Abs. 2 SGB XII sei der Sozialhilfeträger örtlich zuständig, in dessen Bereich der Leistungsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt vor
Aufnahme der Jugendhilfemaßnahme gehabt habe.
Der inzwischen durch die Gebietsreform gebildete S. Landkreis bewilligte S.S. im Namen des Klägers mit Bescheiden vom 26.
Juli 2007 Hilfe zum Lebensunterhalt und Eingliederungshilfe für den Zeitraum vom 22. Mai bis zum 30. Juni 2007 und vom 1.
Juli bis zum 31. Dezember 2007 unter Berücksichtigung der Regelungen in Nr. 2.3. der Richtlinie "Begleitetes Wohnen für erwachsene
behinderte Menschen in Familien": Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von monatlich 560,52 EUR, ab dem 1. Juli 2007 in Höhe
von 562,86 EUR, sowie Eingliederungshilfe für behinderte Menschen mit dem Leitsyndrom der seelischen Behinderung in Höhe von
133,00 EUR nach den §§ 19 Abs. 5, 92 Abs. 1 SGB XII. Der überörtliche Träger der Sozialhilfe in Sachsen-Anhalt sei hier nach § 97 Abs. 2 SGB XII i.V.m. § 98 SGB XII und dem Ausführungsgesetz zum SGB XII in Sachsen-Anhalt zuständig. Hiergegen legte S.S. am 6. August 2007 Widerspruch in Bezug auf die Höhe der bewilligten Leistungen
ein.
Der S. beteiligte sodann den Rehapädagogischen Fachdienst und bewilligte S.S. unter Aufhebung der Bescheide vom 26. Juli 2007
mit Bescheiden vom 26. November 2007 vom 22. Mai bis zum 30. Juni 2007 und vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2007 Eingliederungshilfe
für behinderte Menschen bei dem Leitsyndrom der geistigen Behinderung mit einem monatlichen Betrag in Höhe von nun 287,00
EUR. Mit Bescheiden vom 3. Dezember 2007 wurden die Bescheide vom 26. November 2007 dahingehend geändert, dass nun neben der
Eingliederungshilfe statt der Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung
gewährt wurde.
Mit Schreiben vom 22. Oktober 2007 beantragte der S. bei dem Beklagten die Kostenerstattung für die im Namen des Klägers erbrachten
Leistungen nach dem SGB XII.
Nachdem der Kläger mit Bescheid vom 11. März 2008 die Weitergewährung von Eingliederungshilfe ab dem 1. Januar 2008 abgelehnt
hatte, wurde er mit Beschluss des Sozialgerichts (SG) Heilbronn vom 24. Juli 2008 (S 10 SO 2143/08 ER) verpflichtet, S.S. vorläufig weiter Eingliederungshilfe für behinderte
Menschen in Höhe von monatlich 287,00 EUR zu bewilligen. Die Ausführung der Entscheidung erfolgte durch vorläufige Bewilligung
von Leistungen in dieser Höhe ab dem 1. November 2008 nach §
43 Abs.
1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (Allgemeiner Teil -
SGB I) mit den Bescheiden des S. im Namen des Klägers vom 18. August 2008 und 3. März 2009. Mit Beschluss des SG Heilbronn vom
6. März 2009 (S 10 SO 145/09 ER) wurde die Arge SoziAl S.-H. verpflichtet, S.S. vorläufig vom 15. Januar 2009 bis zum 30.
Juni 2009 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu gewähren, und mit Beschluss vom 29. September 2009 (S 10 SO
3005/09 ER) der S. verpflichtet, S.S. vorläufig vom 1. September bis zum 31. Dezember 2009 Leistungen der Grundsicherung im
Alter und bei Erwerbsminderung in Höhe von 560,52 EUR monatlich zu gewähren.
Auf den mit Schreiben des S. vom 18. Juli 2010 erneut geltend gemachten Antrag auf Erstattung der für S.S. geleisteten Eingliederungshilfe
auf der Grundlage der §§ 102 ff. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) verwies der Beklagte mit Schreiben vom 12. Juli 2010 auf seine fehlende örtliche Zuständigkeit. Maßgebend sei hier der erstmalige
Eintritt in die Wohnform.
Vor dem SG Heilbronn (S 10 SO 2140/08) schlossen S.S. und der Kläger am 13. Januar 2010 einen Vergleich, in dem sich der Kläger
verpflichtete, erneut über die Gewährung von Eingliederungshilfe über den 31. Dezember 2007 hinaus zu entscheiden. Der S.
verpflichtete sich, S.S. vorläufig bis zum 30. Juni 2010 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu
gewähren. Der Kläger nahm daraufhin mit Bescheid vom 14. Oktober 2010 im Widerspruchsverfahren den Bescheid des S. vom 11.
März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2008 über die Ablehnung der Gewährung von Eingliederungshilfe
für S.S. ab dem 1. Januar 2008 zurück. Mit vorläufigem Bescheid nach §
43 SGB I vom 26. Oktober 2010 gewährte der S. S.S. im Namen des Klägers vom 1. Januar 2008 bis zum 31. März 2011 Eingliederungshilfe
für behinderte Menschen in Höhe von monatlich 287,00 EUR. Zuständig für die Leistung sei der Beklagte nach § 98 Abs. 1 SGB XII. Da eine abschließende Einigung zwischen den Sozialhilfeträgern noch nicht erfolgt sei, seien die Voraussetzungen für die
vorläufige Leistung erfüllt. Mit Bescheid vom 10. Mai 2011 erfolgte eine entsprechende Bewilligung von Leistungen bis zum
31. Dezember 2011, mit Bescheid vom 6. Dezember 2011 bis zum 31. Dezember 2012.
Mit seiner am 5. November 2010 vor dem SG H. erhobenen Klage hat der Kläger zunächst die Verurteilung des Beklagten zur Erstattung der Aufwendungen für S.S. ab dem
22. Mai 2007 in vorläufiger Höhe von 14.065,21 EUR erstrebt.
Mit Schreiben vom 5. Dezember 2012 hat der S. den Antrag von S.S. vom 3. Dezember 2012 auf Leistungen der Eingliederungshilfe
für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2013 an den Beklagten unter Hinweis auf §
14 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen -
SGB IX) "zuständigkeitshalber" weitergeleitet und S.S. mit Schreiben vom 11. Dezember 2012 von der Weiterleitung in Kenntnis gesetzt.
Mit Schreiben vom 18. Dezember 2012 und vom 4. Januar 2013 sandte der Beklagte den weitergeleiteten Antrag an den Kläger zurück.
Die Weiterleitung eines Verlängerungsantrags sei grundsätzlich ausgeschlossen. Im Übrigen schließe §
14 SGB IX eine Kostenerstattung nach den §§ 102 ff. SGB X nicht aus. Nachdem der S. den Beklagten mit Schreiben vom 15. Januar 2013 darauf hingewiesen hatte, dieser werde zur Vermeidung
eines Klageverfahrens um Übernahme der Zuständigkeit gebeten, ergänzte der Beklagte mit Schreiben vom 18. Januar 2013 seine
Ausführungen dahingehend, der S. habe sich in dem vor dem SG Heilbronn am 14. Januar 2010 geschlossenen Vergleich verpflichtet,
S.S. vorläufig unbefristet Leistungen der Eingliederungshilfe zu gewähren.
Mit Beschluss des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 21. Oktober 2013 (L 7 SO 3291/13 ER-B) ist der Kläger vorläufig
für die Zeit vom 1. Februar 2013 bis zum 31. Januar 2014 verpflichtet worden, S.S. Eingliederungshilfe durch Übernahme der
Kosten für den Besuch der geschützten Werkstätte für geistig und körperlich Behinderte H. in S.-H. in Höhe von kalendertäglich
32,28 EUR zu gewähren. Die vorläufige Zuständigkeit des Klägers ergebe sich hier aus §
14 SGB IX. Der mit Schreiben vom 5. Dezember 2012 an den Beklagten weitergeleitete Antrag begründe als Verlängerungsantrag keine geänderte
Zuständigkeit. Der Kläger habe in dem vor dem SG Heilbronn in dem Verfahren S 10 SO 2140/08 geschlossenen gerichtlichen Vergleich
seine vorläufige Zuständigkeit als erstangegangener Rehabilitationsträger sinngemäß anerkannt. Mit rechtskräftig gewordenem
Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 23. April 2015 (L 7 SO 308/14) ist das Urteil des SG Heilbronn vom insoweit bestätigt
worden, als der Kläger unter Abänderung des Bescheides vom 26. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
4. November 2011 und des Bescheides vom 10. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2011 verurteilt
wurde, S.S. Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII in Gestalt eines Betreuungsgeldes in Höhe von monatlich weiteren 14,00 EUR für die Zeit vom 1. Juli 2008 bis zum 31. Dezember
2009 und in Höhe von 28,00 EUR für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Dezember 2011 zu gewähren. Der Kläger habe im weiteren
Verlauf im Verhältnis zum Beklagten seine Zuständigkeit im Rahmen des §
14 SGB IX anerkannt. Die endgültige Klärung der Zuständigkeit zwischen dem Kläger und dem Beklagten bleibe dem vor dem LSG Sachsen-Anhalt
anhängigen Verfahren vorbehalten. Die Vollzeitpflege von S.S. in der Gastfamilie werde von den Leistungen nach § 54 Abs. 1 SGB XII erfasst. Der Einordnung der Betreuung in einer Pflegefamilie als ambulante Maßnahme stehe auch nicht entgegen, dass es sich
hierbei nicht um Hilfen in einer Einrichtung oder durch Dienste im Sinne von § 75 Abs. 1 SGB XII handele. Bezüglich des Zeitraums ab dem 1. Januar 2012 sei noch ein Klageverfahren vor dem SG Heilbronn (S 14 SO 775/14)
anhängig.
In der mündlichen Verhandlung vor dem SG Halle am 31. Januar 2014 ist der Klageantrag auf Verurteilung des Beklagten, dem
Kläger seine Aufwendungen für S.S. seit dem 22. Mai 2007 zu erstatten, gerichtet worden, nachdem der Kläger mit Schriftsatz
vom 17. Dezember 2013 seine Aufwendungen für den Zeitraum von Mai 2007 bis Dezember 2013 mit 68.918,81 EUR (45.191,73 EUR
für die Betreuung von S.S. in der WfbM, 19.608,58 EUR für sonstige Eingliederungshilfe und 4.118,50 EUR für Leistungen nach
dem Dritten Kapitel des SGB XII vom 22. Juli bis zum 31. Dezember 2007) beziffert hatte. Bezüglich der Angaben für die einzelnen Monate wird auf Blatt 99
bis 101 Bd. I der Gerichtsakten Bezug genommen.
Der Beklagte wendete gegen die Klageforderung ein, eine Erstattungspflicht könne nur für rechtmäßig geleistete Hilfe bestehen.
Es bestünden erhebliche Zweifel, ob die im Jahr 2007 gewährte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung im Hinblick
auf vorrangige Ansprüche nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II) rechtmäßig erfolgt sei. Dem stehe auch nicht entgegen, dass die zuständige Arge S.-H. eine Leistungsgewährung bestandskräftig
abgelehnt habe. Eine Einzelfallprüfung von Leistungsansprüchen der S.S. auf Arbeitslosengeld II, die sich nach der Verfahrensweise
des Bundeslandes Baden-Württemberg zu richten habe, sei hier nicht erfolgt. Im Sinne des § 105 Abs. 3 SGB X habe der Beklagte hier keine Kenntnis von seiner Leistungsverpflichtung erlangt. Es "werde bestritten", dass S.S. nicht in
einer ambulant betreuten Wohnform lebe. Sie sei im Übrigen in einem Krankenhaus geboren worden, sodass nach § 98 Abs. 2 Satz 4 SGB XII an die Stelle des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes, derjenige der Mutter getreten sei. Von ihrer Geburt bis zur Aufnahme
in der Pflegefamilie in O. habe sich S.S. ohne Unterbrechung in verschiedenen Einrichtungen aufgehalten.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 31. Januar 2014 abgewiesen. Die Klage sei unbegründet. Die Voraussetzungen einer Erstattungspflicht
des Beklagten seien nicht erfüllt. Der Beklagte sei für die S.S. bewilligten Leistungen der Eingliederungshilfe nicht endgültig
örtlich zuständig. Der Aufenthalt von S.S. in der "Gastfamilie" sei der Wohnform des ambulant betreuten Wohnens im Sinne des
§ 98 Abs. 5 SGB XII zuzuordnen. Maßgebend sei insoweit, dass die Pflegeeltern als fachlich geschulte Personen regelmäßige Betreuungsleistungen
erbrächten, die darauf gerichtet seien, S.S. die Fähigkeiten und Kenntnisse zu einem selbstbestimmten Leben zu vermitteln.
Auf Grund dessen habe sich der Kläger mit der Leistungsberechtigten im Rahmen des am 13. Januar 2010 geschlossenen Vergleichs
darauf verständigt, dass eine fachliche Beratung und Begleitung der Pflegeeltern durch einen Fachdienst nicht erforderlich
sei. Nach § 98 Abs. 5 SGB XII sei bei Leistungen, die an Leistungsberechtigte in ambulant betreuten Wohnmöglichkeiten erbracht würden, der Träger der Sozialhilfe
zuständig, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig war oder gewesen wäre. Der Zeitpunkt des "Eintritts in diese
Wohnform" im Sinne des § 98 Abs. 5 SGB XII sei nicht der Eintritt der Volljährigkeit, sondern die Aufnahme in die Pflegefamilie am 8. August 1996 gewesen. An der konkreten
Lebenssituation von S.S. habe sich am 22. Mai 2007 nichts geändert. Die Betreuung sei bereits ab Aufnahme in die Pflegefamilie
in einer Form des ambulant betreuten Wohnens erfolgt. Vor Aufnahme in die Pflegefamilie sei jedoch nicht der Beklagte, sondern
allein der Kläger der örtlich zuständige Leistungsträger gewesen. Da auch die Mutter von S.S. in die Zuständigkeit des Klägers
falle, komme es für die Frage, ob die Mutter sich zur Zeit der Geburt bereits in einer Einrichtung befunden habe und daher
eine Zuständigkeit nach § 98 Abs. 2 Satz 4 SGB XII begründet worden sei, nicht an.
Der Kläger hat gegen das ihm am 30. April 2014 zugestellte Urteil am 27. Mai 2014 Berufung bei dem LSG Sachsen-Anhalt eingelegt.
Zur Begründung seines Rechtsmittels führt er aus, die streitigen Leistungen seien nicht als solche im Rahmen eines ambulant
betreuten Wohnens im Sinne des § 98 Abs. 5 SGB XII erbracht worden. Hier habe S.S. vor ihrer Aufnahme in die Pflegefamilie keine Leistungen der Sozialhilfe bezogen, sodass
die Regelung in § 98 Abs. 5 SGB XII seine Zuständigkeit nicht habe begründen können. Maßgebend sei der gewöhnliche Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich des Beklagten.
Für S.S. sei im Übrigen zu keinem Zeitpunkt ein gewöhnlicher Aufenthalt "vor" Aufnahme in eine stationäre Einrichtung begründet
worden. Ein Kind habe zum Zeitpunkt seiner Geburt keinen gewöhnlichen Aufenthalt. Der gewöhnliche Aufenthalt der Mutter werde
daher als gewöhnlicher Aufenthalt des Kindes fingiert. Es habe hier indes bereits zum Zeitpunkt der Geburt von S.S. festgestanden,
dass S.S. nicht in die Häuslichkeit der Mutter kommen werde. Die Fiktion des gewöhnlichen Aufenthaltes gelte damit hier nicht.
Auf die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthaltes vor Aufnahme in die Einrichtung komme es hier im Übrigen nicht an, da S.S.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt mit ihrer Volljährigkeit im Zuständigkeitsbereich des Beklagten begründet habe. Die örtliche
Zuständigkeit gehe mit Vollendung des 18. Lebensjahres auf den Träger der Sozialhilfe über, in dessen Bereich sich der Hilfeempfänger
tatsächlich aufhalte.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 31. Januar 2014 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, alle von ihm tatsächlich
erbrachten Leistungen für Frau S. S. (Betreuungsgeld, Leistungen der Grundsicherung sowie Kosten für den Besuch der Werkstatt)
zu erstatten und den Fall in die eigene Zuständigkeit zu übernehmen,
hilfsweise, den Beklagten zu verurteilen, Kosten ab Mai 2007 in Höhe von vorläufig 97.674,64 EUR zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Bei der Versorgung von S.S. in der Pflegefamilie habe es sich um eine stationäre
Leistung im Rahmen des SGB VIII gehandelt. Da S.S. sich seit ihrer Geburt bis zur Beantragung von Sozialhilfeleistungen ununterbrochen in stationären Einrichtungen
befunden habe, sei die Anstaltskette des § 98 Abs. 2 SGB XII nicht unterbrochen. Damit sei für die Gewährung der Leistungen ab dem 22. Mai 2007 der Sozialhilfeträger zuständig, in dessen
Bereich S.S. ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt "vor der Aufnahme in die Einrichtung" gehabt habe. In der Sonderregelung
des § 98 Abs. 4 SGB XII werde eindeutig geregelt, dass bei einem in einer Einrichtung geborenen Kind, welches in der Einrichtung oder einer Einrichtung
danach Hilfe bedürfe, an die Stelle des fehlenden gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes der gewöhnliche Aufenthalt der Mutter
trete.
Mit Richterbrief vom 16. Dezember 2014 ist darauf hingewiesen worden, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
(BSG) bei der Auslegung des § 98 Abs. 5 SGB XII auf die Wohnform zum Zeitpunkt des Beginns von Leistungen nach dem Sechsten bis Achten Kapitel des SGB XII, d.h. nicht auf den Eintritt in die Wohnform, abzustellen sei (BSG, Urteil vom 25. April 2013 - B 8 SO 6/12 R - juris, unter Hinweis auf Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster, Urteil vom 19.
Februar 2013 - 12 A 1906/12 - juris).
Die Beteiligten haben nachfolgend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten des Klägers, die Gegenstand
der Entscheidung des Senats gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden können (§
153 Abs.
1 i.V.m. §
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG)).
Die Berufung des Klägers ist zulässig.
Soweit der Antrag des Klägers zuletzt auch auf Verurteilung des Beklagten zur Übernahme der Leistungsbewilligung durch den
Beklagten in die eigene Zuständigkeit gerichtet worden ist, geht das Begehren nicht über den Antrag auf Kostenerstattung hinaus,
der eine Feststellung der Zuständigkeit des Beklagten beinhaltet. Die Leistungsklage ist ihm Rahmen des Gleichordnungsverhältnisses
der Beteiligten zulässig (§
54 Abs.
5 SGG).
Eine Beiladung von S.S. war nicht erforderlich, weil die Hilfebedürftige die Leistungen, für die der Kläger eine Erstattungsforderung
geltend macht, erhalten hat und eine sie betreffende Erstattungspflicht nicht in Betracht kommt (vgl. auch BSG, Urteil vom 25. April 2013 - B 8 SO 6/12 R - juris). Bezüglich weiterer Ansprüche auf Sozialleistungen ist insbesondere das
Verfahren vor dem SG Heilbronn S 14 SO 775/14 anhängig, dem hier bezüglich der Höhe nach der S.S. zu gewährenden Leistungen
nicht vorweggegriffen werden kann. Es ist davon auszugehen, dass die Bewilligung nach rechtskräftiger Entscheidung in dem
vorliegenden Rechtsstreit von dem Beklagten weitergeführt wird.
Die Berufung ist auch begründet.
Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Erstattung der von ihm seit dem
22. Mai 2007 erbrachten Aufwendungen nach dem SGB XII für S.S.
Grundlage für den Erstattungsanspruch des Klägers für den gesamten hier streitigen Zeitraum ab dem 22. Mai 2007 ist § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Hat ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 102 Abs. 1 SGB X vorliegen, ist der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits geleistet
hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet
sich nach den für den zuständigen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften. Die Absätze 1 und 2 gelten insbesondere gegenüber
den Trägern der Sozialhilfe nach § 105 Abs. 3 SGB X nur von dem Zeitpunkt ab, von dem ihnen bekannt war, dass die Voraussetzungen für ihre Leistungspflicht vorliegen.
Die Voraussetzungen des § 102 Abs. 1 SGB X liegen zur Überzeugung des Senats nicht vor, weil der Kläger nicht auf Grund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen
erbracht hat. Eine vorläufige Leistungspflicht des Klägers nach den Vorschriften des materiellen Sozialrechts in den §§ 1ff.
SGB I war hier nach §
14 Abs.
2 Satz 3
SGB IX mit der Weiterleitung des Antrags an den Beklagten ausgeschlossen.
Die ausschließliche Zuständigkeit des Beklagten zur Leistung ergibt sich hier aus §
14 Abs.
2 Satz 3
SGB IX in der ab dem 1. Mai 2004 geltenden Fassung des Art. 1 des Gesetzes zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen vom 23. April 2004 (BGBl. I S. 606). Der Landkreis Sch. als erstangegangener Träger leitete binnen einer Frist von zwei Wochen nach dessen Eingang den Antrag
von S.S. an den Beklagten weiter.
Der Antrag ging am 24. Mai 2007 (Donnerstag) bei dem Landkreis Sch. ein und wurde am 4. Juni 2007 weitergeleitet. Für die
Fristberechnung gilt § 26 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit §
187 Abs.
1 Bürgerliches Gesetzbuch (vgl. z.B. Götz in: Kossens/von der Heide/Maaß,
SGB IX Kommentar, 2. Aufl. 2006, §
14 RdNr. 7), sodass die Zweiwochenfrist hier mit dem 25. Mai 2007 begann und die Weiterleitung entsprechend innerhalb der vorgenannten
Frist erfolgte.
Soweit sich der Gastvater der S.S. am 16. Mai 2007 telefonisch bei dem Landkreis Sch. über eine mögliche Leistungsgewährung
für S.S. im Anschluss an die Leistungen nach dem SGB VIII erkundigte, lag darin keine Antragstellung im Sinne des §
14 SGB IX. Zwar muss ein Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation keiner bestimmten Form entsprechen und kann auch telefonisch gestellt
werden (vgl. z.B. Bayerisches LSG, Beschluss vom 27. September 2006 - L 11 B 342/06 SO - juris). Es sind aber keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der Landkreis bei Auslegung der in der Telefonniederschrift
niedergelegten Erklärungen des Gastvaters am 16. Mai 2007 von einer bereits an diesem Tag erfolgten Antragstellung ausgehen
musste. Zunächst spricht die Autonomie eines volljährigen Menschen, auch wenn er von einer Behinderung betroffen ist, dafür,
dass er zunächst informiert wird, bevor eine Antragstellung für Sozialleistungen in seinem Namen erfolgt, von denen er bis
dahin keine Kenntnis hatte. S.S. hat nachfolgend die am 24. Mai 2007 bei dem Landkreis Sch. eingegangenen Anträge selbst unterschrieben.
Das entspricht diesem Verständnis des Senats von einer Einbeziehung der S.S. in die sie betreffende Antragstellung. Der Landkreis
hatte am 16. Mai 2007 keine Kenntnis von einer Vertretungsbefugnis des Gastvaters für S.S. Ein Bevollmächtigter ist selbst
nicht Beteiligter des Verwaltungsverfahrens im Sinne des § 12 SGB X. Soweit sich ein Beteiligter durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen kann (§ 13 Abs. 1 Satz 1 SGB X), ist eine Vertretungsbefugnis des Gastvaters für die Antragstellung auf Sozialleistungen im Namen von S.S. hier für den
Zeitpunkt der telefonischen Anfrage am 16. Mai 2007 nicht erkennbar. Die am 24. Mai 2007 bei dem Landkreis Sch. eingegangene
Vollmacht des Gastvaters deckt die Beantragung von Sozialleistungen für S.S. nicht ab.
Eine Rücksendung des Antrags durch den Rehabilitationsträger an den erstangegangenen Trägers sieht das Gesetz grundsätzlich
nicht vor (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 4 R 19/06 R - SozR 4-3250 §
14 Nr. 3; Luik in: JurisPraxiskommentar
SGB IX, 2. Aufl. 2015, §
14 RdNr. 90; Stevens-Bartol in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol (Hrsg.),
SGB IX Kommentar, 3. Aufl. 2015, §
14 RdN. 26; Joussen in: Dau/Düwell/Joussen,
SGB IX Kommentar, 3. Aufl. 2011, §
14 RdNr. 18; Götz in: Kossens/von der Heide/Maaß, aaO., § 14 RdNr. 17). Wird der Antrag von dem zuerst angegangenen Rehabilitationsträger
weitergeleitet, ist der zweitangegangene Träger zuständig; dieser muss abschließend entscheiden (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006, aaO.). Der Träger, an den der Antrag fristgerecht weitergeleitet wurde, kann bei Vorliegen
der entsprechenden Voraussetzungen seinerseits nur einen Erstattungsanspruch nach §
14 Abs.
4 Satz 1
SGB IX verfolgen. Der hier begründeten Zuständigkeit des Beklagten steht auch nicht die nachfolgende Bewilligung von Leistungen
durch den S. im Namen des Klägers entgegen (einschränkend für eine "formlose" Rückgabe des Antrags: Sächsisches LSG, Beschluss
vom 13. August 2009 - L 1 KR 41/09 B ER - juris). Im Bereich der existenzsichernden Leistungen nach dem SGB XII scheidet ein Beharren auf der eigenen Unzuständigkeit dann aus, wenn der eigentlich zuständige Leistungsträger sich endgültig
weigert, die in seine Zuständigkeit fallende Leistungspflicht zu erfüllen. Diese fehlende Bereitschaft des Beklagten, die
Existenz der S.S. sichernde Leistungen im Rahmen der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit zu erbringen, ist durch die Rücksendung
des Antrags an den Kläger hinreichend dokumentiert. Durch den im Oktober 2007 an den Beklagten übersandten Erstattungsantrag
ist auch für diesen hinreichend erkennbar geworden, dass eine eigene Zuständigkeit des Klägers im Verhältnis der Sozialhilfeträger
untereinander nicht anerkannt wurde. Die Bereitschaft gegenüber dem Hilfebedürftigen, im Rahmen eines Verfahrens des vorläufigen
Rechtsschutzes existenzsichernde Leistungen zu erbringen, begründet keine Anerkennung der Zuständigkeit im Innenverhältnis
zwischen den Sozialhilfeträgern. Das ergibt sich bereits daraus, dass die Weiterleitung des Antrags keine Außenwirkung gegenüber
dem Hilfebedürftigen im Sinne eines Verwaltungsaktes entfaltet (vgl. z.B. Welti in Lachwitz/Schellhorn/Welti (Hrsg.), Handkommentar
zum
SGB IX, 3. Aufl. 2010, §
14 RdNr. 31; Götz in: Kossens, von der Heide/Maaß, aaO., § 14 RdNr. 9). Damit muss im Außenverhältnis in den Fällen eines Kompetenzstreits
zwischen den Beteiligten nicht von einem unzuständigen Leistungsträger fortgesetzt zum Ausdruck gebracht werden, dass er von
der eigenen Unzuständigkeit überzeugt ist, um eine "Regelung" seiner Zuständigkeit zu vermeiden.
Der Senat sieht keine Veranlassung, einen Ausschluss der Erstattungspflicht aus § 105 SGB X unter dem Gesichtspunkt anzunehmen, dass der Kläger in den Zuständigkeitsbereich eines offenkundig zuständigen Leistungsträgers
eingedrungen sein könnte. Vielmehr musste hier eine Bewilligung von Leistungen für S.S. erfolgen, um ihren Lebensunterhalt
und ihren Bedarf der Teilhabe im Rahmen des verfassungsrechtlichen gewährleisteten Existenzminimums abzudecken. Eine zeitliche
Zäsur in dem bei S.S. erforderlichen Hilfebedarf ist hier für den Senat nicht erkennbar (wie hier auch LSG Baden-Württemberg,
Urteil vom 23. April 2015 - L 7 SO 308/14 - juris). Die Regelung in §
14 Abs.
4 Satz 3
SGB IX findet im vorliegenden Fall keine Anwendung, weil der Kläger weder nach §
14 Abs.
2 Satz 1 noch nach §
14 Abs.
2 Satz 2
SGB IX Leistungen erbracht hat, sondern als "drittangegangener Träger" zur Vermeidung einer existentiellen Notlage den Bedarf von
S.S. sichergestellt hat (vgl. zum Ausschluss des § 105 SGB X im "direkten Anwendungsbereich" des §
14 Abs.
2 Satz 1 und
2 SGB IX: BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006, aaO.).
Der Beklagte hatte nach Weiterleitung des Antrags mit Schreiben vom 4. Juni 2007 Kenntnis von seiner Leistungs- und Erstattungspflicht
im Sinne des § 105 Abs. 3 SGB X, d.h. vor der Bewilligung der Leistungen für den Zeitraum ab dem 22. Mai 2007.
Soweit man den Anwendungsbereich von §
14 SGB IX hier für verschlossen ansehen wollte (für die Leistungen zum Lebensunterhalt offen gelassen in BSG, Urteil vom 25. April 2013 - B 8 SO 6/12 R - juris), stünde dem Kläger ein Erstattungsanspruch für den gesamten Zeitraum
aus § 102 Abs. 1 SGB X zur Seite. Nach dieser Regelung ist der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig, wenn ein Leistungsträger
auf Grund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht hat. Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich
gemäß § 102 Abs. 2 SGB X nach den für den vorleistenden Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften. Eine vorläufige Leistungspflicht des Klägers
ergibt sich dann hier aus seiner gerichtlichen Verpflichtungen zur Leistung. Die Leistungen sind hier für S.S. erkennbar vorläufig
bewilligt worden, nachdem sie bereits mit Schreiben vom 4. Juni 2007 von der fehlenden Zuständigkeit des Beklagten in Kenntnis
gesetzt worden und die gerichtlichen Entscheidungen des SG Heilbronn und des LSG Baden-Württemberg jeweils eine endgültige
Klärung der Zuständigkeit vorbehielten.
Der für die erbrachten Leistungen zuständige Sozialhilfeträger ist hier der Beklagte als der für das Gebiet seines Landkreises
für sämtliche Hilfen nach § 8 SGB XII sachlich zuständige Sozialhilfeträger (§ 97 Abs. 2 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 2 des Gesetzes zur Ausführung des SGB XII für das Land Baden-Württemberg vom 1. Juli 2004, GBl. 2004, 469, 534). Seine örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, der für die Leistungen der Eingliederungshilfe und die Hilfe zum Lebensunterhalt gilt.
Bei dem Aufenthalt von S.S. in der Gastfamilie handelte es sich ab dem 22. Mai 2004 nicht mehr um einen gewöhnlichen Aufenthalt
in einer Einrichtung im Sinne des § 98 Abs. 2 SGB XII, der nach § 109 SGB XII außer Betracht bleibt und damit die Grundlage für die Anknüpfung an einen gewöhnlichen Aufenthalt der S.S. in Sachsen-Anhalt
bilden könnte.
Als gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne des Zwölften Kapitels (Zuständigkeit der Träger der Sozialhilfe) und des Dreizehnten
Kapitels Zweiter Abschnitt (Kostenerstattung zwischen den Trägern der Sozialhilfe) gelten nach § 109 SGB XII nicht der Aufenthalt in einer Einrichtung im Sinne des § 98 Abs. 2 SGB XII und der auf richterlich angeordneter Freiheitsentziehung beruhende Aufenthalt in einer Vollzugsanstalt. S.S. befand sich
weder in einer Vollzugsanstalt noch in einer Einrichtung im Sinne des § 98 Abs. 2 SGB XII. Hierbei bedarf nur die Frage eines Aufenthalts in einer Einrichtung im Sinne des § 98 Abs. 2 SGB XII einer näheren Betrachtung.
Ein Aufenthalt in einer Einrichtung im Sinne des § 98 Abs. 2 SGB XII wird nach § 107 SGB XII fingiert, wenn ein Kind oder ein Jugendlicher in einer anderen Familie oder bei anderen Personen als bei seinen Eltern oder
bei einem Elternteil untergebracht ist. Grundsätzlich findet § 109 SGB XII auch bei der Familienpflege im Sinne des § 107 SGB XII Anwendung (vgl. z.B. W. Schellhorn in: Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII Kommentar, 19. Aufl. 2015, § 109 RdNr. 6). § 107 SGB XII fingiert für den Aufenthalt in einer Pflegefamilie den gewöhnlichen Aufenthalt in einer Einrichtung im Sinne des § 98 Abs. 2 SGB XII nach dem eindeutigen Wortlaut nur bis zur Volljährigkeit. Denn für den Begriff des "Kindes" und des "Jugendlichen" im Sinne
der Vorschrift ist die Legaldefinition in § 7 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB VIII maßgebend (vgl. z.B. W. Schellhorn in: Schellhorn/Hohm/Scheider, aaO., § 107 RdNr. 5 m.w.N.). Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII ist ein Kind, wer noch nicht 14 Jahre alt ist, nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII ist ein Jugendlicher, wer 14, aber noch nicht 18 Jahre alt ist.
Die Voraussetzungen des Aufenthalts von S.S. in einer stationären Einrichtung waren nach Vollendung der Volljährigkeit bei
S.S. auch im Sinne einer unmittelbaren Anwendung des § 98 Abs. 2 SGB XII nicht erfüllt. Eine Einrichtung im Sinne der Vorschrift ist ein in einer besonderen Organisationsform unter verantwortlicher
Leitung zusammengefasster Bestand an personellen und sächlichen Mitteln, der auf eine gewisse Dauer angelegt und für einen
größeren, wechselnden Personenkreis bestimmt ist (so Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 6. April 1995 - 5 C 12/93 - BVerwGE 98, 132 ff.; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 24. Februar 1994 - 5 C 24/92 - juris). Maßgebend ist, welche Hilfe dort tatsächlich, d.h. unabhängig von der Bezeichnung der Leistungsform, geleistet
wird (vgl. z.B. Hohm in: Schellhorn/Hohm/Scheider, aaO., § 98 RdNr. 33). Familienpflegestellen erfüllen diese Voraussetzungen
regelmäßig nicht. Das lässt sich bereits aus der gesetzgeberischen Notwendigkeit der Regelung einer Fiktion in § 107 SGB XII entnehmen. Auch in Bezug auf Sonderpflegestellen für behinderte Kinder ergeben sich insoweit keine Abweichungen, da nicht
die Art der Hilfe, sondern deren Intensität hier von einem besonderen Gewicht ist (vgl. im Ergebnis: Hohm in: Schellhorn/Hohm/Scheider,
aaO., § 98 RdNr. 34). Auch in dem hier zu entscheidenden Fall erfüllt die Versorgung von S.S. in der Gastfamilie nicht die
Voraussetzungen einer stationären Einrichtung. Ihre Versorgung erfolgt in einem Einfamilienhaus, das gleichzeitig dem Wohnen
der Gasteltern dient und damit nicht institutionell von deren eigener Bedarfsdeckung zu trennen ist, wie es bei einer stationären
"Einrichtung" der Fall wäre. Entsprechend finden auch keine "Leitung" der Einrichtung, sondern eine Erziehung und ein Miteinanderleben
wie in einer Familie statt. Zwischen S.S. und ihren Gasteltern besteht eine Vertrauensbindung, die insbesondere durch die
von S.S. ihrem Gastvater zunächst erteilte Vorsorgevollmacht und seine nachfolgende - schon in der Vorsorgevollmacht von S.S.
erbetene - Bestellung zum Betreuer dokumentiert ist. Eine entsprechende Bevollmächtigung oder Betreuerbestellung von Mitarbeitern/Trägern
einer stationären Einrichtung wäre auf Grund des Interessenkonflikts, der in solchen Fällen nicht durch eine innere Verbindung
der Beteiligten überbrückt wird, ausgeschlossen.
Soweit erkennbar, hat S.S. nicht nahtlos an ihre Volljährigkeit durchgehend eine WfbM besucht. Im Übrigen führt der Besuch
einer WfbM durch einen Hilfebedürftigen bei einer Trennung von Unterbringung und Arbeit nur dann zur Einstufung als stationäre
Versorgung, soweit die Unterbringung für sich genommen in einer Einrichtung erfolgt (vgl. Hohm in: Schellhorn/Hohm/Scheider,
aaO. § 98 RdNr. 35). Allein durch den Besuch einer WfbM wird im vorliegenden Fall die Versorgung von S.S. in der Gastfamilie
nicht zu einer solchen in einer stationären Einrichtung.
Der Ausschluss des gewöhnlichen Aufenthaltes nach § 109 SGB XII endet mit dem gewöhnlichen Aufenthalt in einer Einrichtung im Sinne des § 98 Abs. 2 SGB XII bzw. in der Vollzugsanstalt bzw. der Fiktion eines solchen Aufenthalts. Begründet ein Hilfebedürftiger tatsächlich durch
einen längeren Aufenthalt in einer Einrichtung dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt, kann nach Beendigung des (hier fingierten)
Aufenthalts in der Einrichtung nur unter den Bedingungen des § 106 und § 98 Abs. 2 SGB XII auf den gewöhnlichen Aufenthalt vor dem Einrichtungseintritt zurückgegriffen werden (vgl. zum Verlassen der Einrichtung:
BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2004 - 5 C 39/02 - juris).
Einer Zuständigkeit des Beklagten steht auch nicht § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII entgegen. Nach dieser Vorschrift ist für die Leistungen nach dem SGB XII an Personen, die Leistungen nach dem Sechsten bis Achten Kapitel (Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, Hilfe zur
Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten) in Formen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten erhalten,
der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig war oder gewesen wäre.
Vor In-Kraft-Treten des SGB XII begründete Zuständigkeiten bleiben hiervon nach der rückwirkend zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Regelung in § 98 Abs. 5 Satz 2 SGB XII unberührt. Der Senat sieht die Betreuung von S.S. in der Gastfamilie ab dem Zeitpunkt ihrer Volljährigkeit bereits nicht
als ambulant betreutes Wohnen im Sinne des § 98 Abs. 5 SGB XII an. Gegen diese Zuordnung des Aufenthalts von S.S. in der Gastfamilie spricht die innere Bindung der beteiligten Personen.
S.S. ist hier im Übrigen mit ihrer Volljährigkeit, d.h. am 22. Mai 2004, in die Gastfamilie im Rahmen der "ambulanten Betreuung"
eingetreten, hat indes erst nach In-Kraft-Treten des SGB XII Sozialhilfeleistungen bezogen. Würde man das Wohnen selbst als Anknüpfungspunkt nehmen, wäre nach § 98 Abs. 5 Satz 2 SGB XII hier auf die Zuständigkeit nach dem BSHG abzustellen, das eine Anknüpfung an die Einrichtung vor Eintritt in das ambulant betreute Wohnen nicht kannte (vgl. BSG, Urteil vom 25. April 2013, aaO., RdNr. 16). Stellt man auf den Beginn des Sozialhilfebezuges ab, ergäbe sich hier keine
durch § 98 Abs. 5 SGB XII bedingte Änderung der Zuständigkeit, weil S.S. zum Zeitpunkt des Einsetzens der Leistung bereits ihren gewöhnlichen Aufenthalt
in O. begründet hatte. Damit konnte mit Beginn des Bezuges von Leistungen nach dem SGB XII an die spätestens mit dem 22. Mai 2004 beendete Zuständigkeit für S.S. zu gewährende Sozialleistungen nicht mehr angeknüpft
werden.
Einer Leistungspflicht des Beklagten steht hier auch nicht ein für ihn eingreifender eigener Kostenerstattungsanspruch im
Fall einer Leistungserbringung entgegen, sodass offen bleiben, in welcher Form dieser geltend gemacht werden müsste, um eine
Berücksichtigung durch den Senat zu fordern.
Ein möglicher Erstattungsanspruch des Beklagten nach § 107 i.V.m. § 106 SGB XII ist nicht erkennbar. Verlässt in den Fällen des § 98 Abs. 2 SGB XII die leistungsberechtigte Person die Einrichtung und erhält sie im Bereich des örtlichen Trägers, in dem die Einrichtung liegt,
innerhalb von einem Monat danach Leistungen der Sozialhilfe, sind dem örtlichen Träger der Sozialhilfe nach § 106 Abs. 1 SGB XII die aufgewendeten Kosten von dem Träger der Sozialhilfe zu erstatten, in dessen Bereich die leistungsberechtigte Person ihren
gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 98 Abs. 2 SGB XII hatte. Die Erstattungspflicht endet nach § 98 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2 SGB XII spätestens nach Ablauf von zwei Jahren seit dem Verlassen der Einrichtung. Diese Regelung ist entsprechend auch in den Fälle
der Fiktion eines gewöhnlichen Aufenthaltes in einer Einrichtung nach § 107 SGB XII anwendbar (vgl. z.B. W. Schellhorn in: Schellhorn/Hohm/Scheider, § 107 RdNr. 15). S.S. bezog im Zeitraum von zwei Monaten nach Verlassen der Einrichtung, d.h. dem Eintritt ihrer Volljährigkeit,
keine Leistungen der Sozialhilfe. Der Bezug von Leistungen der Jugendhilfe löst einen Erstattungsanspruch nach § 106 SGB XII nicht aus, unabhängig von der Frage, ob ggf. die rechtlichen Voraussetzungen der Bewilligung von Sozialhilfe vorgelegen hätten
(vgl. W. Schellhorn in: Schellhorn/Hohm/Scheider, aaO., § 106 RdNr. 16). Im Übrigen betreffen die im vorliegenden Rechtsstreit
streitigen Erstattungsforderungen des Klägers nicht den Zeitraum von zwei Jahren nach Verlassen der Einrichtung.
Die vorgenannten Erwägungen stehen auch einem eigenen Erstattungsanspruch des Beklagten aus §
14 Abs.
4 SGB IX entgegen. Damit bedarf es keiner näheren Erörterung, ob ein tatsächlich zuständiger erstangegangener Träger einen Erstattungsanspruch
allein auf der Grundlage der durch die Weiterleitung begründeten Zuständigkeit des zweitangegangenen Trägers verlangen könnte,
wenn diesem Erstattungsanspruch ein eigener Erstattungsanspruch des zweitangegangen Trägers gegenüberstünde.
Der Beklagte ist hier zur Erstattung der Leistungen nach dem SGB XII verpflichtet, die der Kläger tatsächlich für S.S. erbracht hat. Diese sind gleichartig nach Art und Zeitraum mit den Leistungen,
die der Beklagte zu bewilligen gehabt hätte. Soweit sich der Beklagte gegen eine Erstattungspflicht mit der Begründung wendet,
die Voraussetzungen für die Leistungsbewilligung seien fraglich, ist dies für den Senat nicht nachvollziehbar. Für welchen
Zeitraum hier die Prüfung vorrangiger Leistungen nach dem SGB II von dem Kläger versäumt worden sein könnte, ist nicht erkennbar. Für die Leistungen der Eingliederungshilfe für den Aufenthalt
von S.S. in der Pflegefamilie und der WfbM ist eine vorrangige Leistungspflicht eines anderen Sozialleistungsträgers, insbesondere
nach dem SGB II, nicht gegeben. Die Erstattungsforderung für Leistungen zum Lebensunterhalt erstreckt sich hier lediglich auf den Zeitraum
von Mai bis Dezember 2008. Ein Anspruch von S.S. auf Arbeitslosengeld II ist von dem Beklagten zwar behauptet, aber nicht
näher begründet worden. S.S. erfüllt zur Überzeugung des Senats nicht die Voraussetzungen für Leistungen nach dem SGB II. Sie lebt weder in einer Bedarfsgemeinschaft (§ 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II) noch ist sie selbst eine erwerbsfähige Leistungsberechtigte im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Nur ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II schließt nach § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB II Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII aus. Durch die - nach der hier streitigen Leistungsbewilligung erfolgte - gutachterliche Feststellung, dass S.S. tatsächlich
dauerhaft nicht erwerbsfähig war und ist und damit ab Leistungsbeginn Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung nach dem
Vierten Kapitel des SGB XII hatte, bestand keine Grundlage, den Träger der SGB II-Leistungen auf Erstattung in Anspruch zu nehmen. Einer näheren Erläuterung bedarf hier nur die Frage einer sachlichen Zuständigkeit
des Klägers für die Leistungen für die Aufwendungen des Lebensunterhalts von S.S. Der Kläger ist im Land Sachsen-Anhalt zuständig
für Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach dem SGB XII als überörtlicher Sozialhilfeträger (§ 97 Abs. 2 SGB XII i.V.m. § 3 Nr. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - AG SGB XII - vom 11. Januar 2005, GVBl. LSA 2005, S. 8; § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII), im Bereich der Hilfe zum Lebensunterhalt/Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach § 98 Abs. 4 SGB XII indes nur, soweit die Leistungen in Zusammenhang mit einer stationären Maßnahme gewährt werden. Es kann offen bleiben, ob
im Rahmen der vom Gesetzgeber gewollten Einheitlichkeit der Zuständigkeit für die Hilfen nach § 8 Nr. 1 bis 6 SGB XII, die auch in § 97 Abs. 2 Satz 2 SGB XII ihren Ausdruck findet, eine weite Auslegung des § 97 Abs. 4 SGB XII dahin gehend möglich ist, dass auch bei der Eingliederungshilfe in besonderen Wohnformen oder in einer WfbM eine einheitliche
Leistungserbringung nach § 97 Abs. 4 SGB XII möglich ist (vgl. zur gebotenen weiten Auslegung dieser Regelung: Hohm in: Schellhorn/Hohm/Scheider, aaO., § 97 RdNr. 18).
Im vorliegenden Fall war zumindest vor dem Hintergrund der zunächst zwischen den Beteiligten streitigen Rechtsfrage, ob S.S.
im Zuständigkeitsbereich des Beklagten stationäre Leistungen erhält, keine offenkundige Unzuständigkeit des Klägers als überörtlicher
Sozialhilfeträger gegeben, die es rechtfertigen würde, die im Namen des Klägers bewilligten und von diesem geleisteten Aufwendungen
für den Lebensunterhalt von S.S. für den Zeitraum von Mai bis Dezember 2008 von der Erstattung auszunehmen.
Ausführungen zur Höhe der Aufwendungen sind im Rechtsstreit von beiden Beteiligten unterblieben. Vor dem Hintergrund der im
Wesentlichen durch gerichtliche Entscheidungen begründeten Leistungspflichten wird auf diese Entscheidungen Bezug genommen.
Eine abschließende Festlegung der Leistungsansprüche von S.S. steht noch aus.
Die Voraussetzungen des § 111 SGB X für einen Erstattungsanspruch des Klägers sind hier gegeben, da die maßgebende Jahresfrist bereits mit der im Oktober 2007
bei dem Beklagten angemeldeten Erstattungsforderung gewahrt wurde.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a SGG i.V.m. §
154 Abs.
1 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Kostenfreiheit der Sozialhilfeträger gilt nach § 64 Abs. 3 Satz 2 SGB X nicht im Anwendungsbereich des §
197a SGG, d.h. insbesondere nicht bei Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialhilfeträgern (vgl. hierzu z.B. Roos in: von Wulffen/Schütze,
SGB X Kommentar, 8. Aufl. 2014, § 64 RdNr. 18d).
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von
einer Entscheidung der in §
160 Abs.
2 Nr.
2 SGG genannten Gerichte abweicht. Der Senat weicht insbesondere nicht von der Entscheidung des LSG Baden-Württemberg vom 23. April
2015 (aaO.) ab. Das LSG Baden-Württemberg hat die Frage, ob der Antrag an den Beklagten fristgerecht weitergeleitet worden
ist, ausdrücklich offen gelassen. Die dortigen Ausführungen zu einer ggf. durch Rücksendung des Antrags begründeten erneuten
Zuständigkeit stellen insoweit keine tragenden Gründe der Entscheidung dar. Für die Entscheidung durch einen erstangegangenen
Träger würde der hier erkennende Senat die Rechtsfragen in derselben Weise wie das LSG Baden-Württemberg bewerten.