Anspruch auf Arbeitslosengeld II; Leistungen für Unterkunft und Heizung; Unzulässigkeit der Einbehaltung monatlicher Tilgungsraten
für ein Mietkautionsdarlehen, unzulässige Rechtsausübung
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Berechtigung der Beklagten zur Einbehaltung von Tilgungsraten für ein Mietkautionsdarlehen
von laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in der Zeit vom 1. März 2008 bis 31. August 2008.
Der am 1950 geborene Kläger bezog laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch
(SGB II). Am 25. Februar 2008 teilte er der Beklagten die Trennung von seiner Ehefrau und seinen Umzug zum 1. März 2008 in
eine von ihm am 22. Februar 2008 angemietete Wohnung in Plön mit. Er beantragte bei der Beklagten die Übernahme einer Mietkaution
für die neue Wohnung in Höhe von 639,00 EUR als rückzahlbares Darlehen und unterzeichnete eine von der Beklagten vorformulierte
Erklärung, mit der er seine Rechte aus dem Anspruch aus der Mietkaution gegenüber seinem Vermieter an die Beklagte abtrat.
Ferner heißt es in der Erklärung vom 25. Februar 2008: "Das Darlehen ist in Anlehnung an § 23 Abs. 1 SGB II durch monatliche
Tilgung in Höhe von mindestens 10 % der für die Bedarfsgemeinschaft zu zahlenden Regelleistung zu tilgen. Sollte diese monatliche
Tilgung nicht geleistet werden, wird der Gesamtbetrag in einer Summe fällig."
Mit Bescheid vom 4. März 2008 bewilligte die Beklagte die Zahlung der Mietkaution in Höhe von 639,00 EUR als Darlehen unter
Bezugnahme auf § 22 Abs. 3 SGB II. Zugleich teilte sie dem Kläger mit, dass das Darlehen gemäß der von ihm unterzeichneten
Abtretungserklärung durch monatliche Raten in Höhe von 35,00 EUR zu tilgen sei. Sollte diese monatliche Tilgung nicht geleistet
werden, werde der Gesamtbetrag in einer Summe fällig. Der Betrag von 35,00 EUR werde ab dem 1. März 2008 zur Tilgung des Darlehens
einbehalten. Mit weiterem Bescheid vom 4. März 2008 gewährte die Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
nach dem SGB II für den Bewilligungszeitraum 1. März 2008 bis 31. August 2008 und behielt ab 1. März 2008 35,00 EUR monatlich
von den an den Kläger zu zahlenden Leistungen ein.
Mit seinem dagegen am 8. April 2008 eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, dass die darlehensweise gewährte Mietkaution
nicht während des laufenden Leistungsbezuges zurückverlangt werden dürfe. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Aufrechnung
lägen nicht vor, eine gegebenenfalls bestehende Rückzahlungsverpflichtung durch die von ihm unterzeichnete Erklärung sei nichtig
und eine etwaige Verzichtserklärung werde vorsorglich widerrufen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17. April 2008 änderte die Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 4. März 2008 für die Zeit ab
1. Juni 2008 durch Ermäßigung der Tilgungsrate auf 17,00 EUR monatlich ab. Im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück mit
der Begründung, dass sie zur Einbehaltung von Tilgungsbeträgen zur Rückzahlung des dem Kläger gewährten Darlehens nach § 23
Abs. 1 Satz 3 SGB II berechtigt sei. Die Einbehaltung von 10 bzw. 5 % der dem Kläger laufend gewährten Leistungen sei angemessen
und verhältnismäßig, weil der belastenden Wirkung der Einbehaltung das Interesse des Sozialleistungsträgers zur möglichst
zeitnahen Rückführung von Darlehen und der Grundsatz der steuersparsamen Mittelverwendung gegenüberstünden. Würde ganz von
einer Einbehaltung abgesehen, käme dies in einigen Fällen einer Bewilligung der Mietkaution als Zuschuss gleich, da der Leistungsträger
zwar durch die Abtretung einen Anspruch gegen den Vermieter auf Auszahlung der Mietkaution bei Beendigung des Mietverhältnisses
habe, er sich aber auch etwaige Ansprüche des Vermieters aus dem privatrechtlichen Schuldverhältnis zwischen Vermieter und
Mieter entgegenhalten lassen müsse, die teilweise zum Erlöschen des Auszahlungsanspruchs führten. Dieses Risiko werde durch
eine Einbehaltung von den laufenden Leistungen schrittweise auf den Leistungsempfänger abgewälzt. Dies sei auch sachgerecht,
weil es der Mieter in der Hand habe, ob die Mietkaution wieder an ihn ausgezahlt werde oder nicht.
Hiergegen hat der Kläger am 28. April 2008 beim Sozialgericht Schleswig Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen geltend
gemacht, dass es für die Handlungsweise der Beklagten keine Rechtsgrundlage gebe. § 23 SGB II greife schon deshalb nicht ein,
weil diese Vorschrift sich nur auf Regelleistungen, zu denen eine Mietkaution nicht gehöre, beziehe. Die Anwendung des §
51 des Ersten Sozialgesetzbuches (
SGB I) scheitere an den Pfändungsfreigrenzen. §
43 SGB II betreffe nur die Aufrechung von zu Unrecht erbrachten Leistungen und der hier allein einschlägige § 22 SGB II ermächtige
im Gegensatz zu § 23 SGB II gerade nicht zur Aufrechnung.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 4. März 2008 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 17. April
2008 zu verurteilen, von den bewilligten Leistungen des Lebensunterhaltes im SGB II keine Einbehaltung für die Mietkaution
vorzunehmen und einbehaltene Leistungen zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie sich auf die angefochtenen Bescheide bezogen.
Das Sozialgericht hat der Klage mit Gerichtsbescheid vom 29. Januar 2009 stattgegeben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger
die mit Bewilligungsbescheid vom 4. März 2008 für den Zeitraum 1. März 2008 bis 31. August 2008 gewährten monatlichen Leistungen
ohne Einbehaltung von Teilbeträgen zur Tilgung des dem Kläger gewährten Darlehens zu zahlen. Das Sozialgericht hat die Berufung
zugelassen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe einen Anspruch auf volle Auszahlung der ihm
mit Bescheid vom 4. März 2008 bewilligten Leistungen. Soweit die Beklagte Teilbeträge zur Tilgung des Darlehens einbehalten
habe, sei der Zahlungsanspruch insoweit nicht untergegangen, denn der mit dem Bescheid begründete Leistungsanspruch des Klägers
und der aus dem Darlehensbescheid vom gleichen Tag resultierende Rückzahlungsanspruch in Höhe von monatlichen Raten à 35,00
EUR stünden sich nicht aufrechenbar gegenüber. Es mangele an einer spezialgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage im SGB II oder
anderen sozialrechtlichen Regelungen, die es der Beklagten erlaubten, über die Begrenzungen des §
51 SGB I hinaus gegen Leistungsansprüche des Klägers aufzurechnen. Die Beklagte sei deshalb zur ungekürzten Zahlung im Wege der echten
Leistungsklage zu verurteilen gewesen. Einer Aufhebung des Bescheides vom 4. März 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides
vom 17. April 2008 habe es nicht bedurft, weil es sich bei der vom Leistungsträger erklärten Aufrechnung von Ansprüchen auf
Sozialleistungen mit einem dem Leistungsträger zustehenden Gegenanspruch nicht um einen Verwaltungsakt, der mit der Gestaltungsklage
hätte angefochten werden müssen, handele.
Gegen den am 20. Februar 2009 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich die Beklagte mit ihrer am 10. März 2009 bei dem Schleswig-Holsteinischen
Landessozialgericht eingegangenen Berufung. Zur Begründung macht die Beklagte geltend, dass das Sozialgericht der Klage zu
Unrecht stattgegeben habe. Das dem Kläger gewährte Mietkautionsdarlehen sei ein auch während des laufenden Leistungsbezuges
zu tilgendes Darlehen, weil die Bestimmung des § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB II - wie andere Kammern des Sozialgerichts Schleswig
in den Verfahren S 9 AS 799/07 ER und S 4 AS 254/08 mit zutreffender Begründung ausgeführt hätten - entsprechend anwendbar sei. Die angefochtene Entscheidung stehe in Widerspruch
zu der vorgenannten Rechtsprechung.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid vom 29. Januar 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der
Gerichtsakte, der Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Akte des Sozialgerichts Schleswig S 6 AS 246/08 ER. Der wesentliche Inhalt dieser Unterlagen ist Gegenstand der Berufungsverhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat im Ergebnis zu Recht mit Gerichtsbescheid vom 29. Januar 2009
der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. März 2008 bis 31. August 2008 Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II ohne Einbehaltung von Tilgungsraten zu gewähren.
Richtige Klagart ist vorliegend - wie das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat - die echte Leistungsklage. Einer Aufhebung
der Bescheide vom 4. März 2009 bedurfte es nicht, weil die vom Kläger angegriffenen Einbehaltungen zur Tilgung des Mietkautionsdarlehens
nicht durch Verwaltungsakt erfolgt sind. Die auf die Erklärung des Klägers vom 25. Februar 2008 gestützte Entscheidung der
Beklagten, Teile der laufenden Leistungen nach dem SGB II zur Tilgung des Darlehens einzubehalten, ist als Aufrechnung anzusehen.
Bei der Aufrechnung handelt es sich um die Ausübung eines schuldrechtlichen Gestaltungsrechts im Wege öffentlich rechtlicher
Willenserklärung (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
Sozialgerichtsgesetz(
SGG), 9. Aufl. 2008, Anhang §
54 Rn. 4c). In welcher Form diese Willenserklärung abgegeben werden kann und ob die Behörde befugt ist, die Aufrechnung durch
Verwaltungsakt zu regeln, braucht hier nicht entschieden zu werden. Gegen die grundsätzliche Einstufung als Verwaltungsakt
spricht jedoch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach die wirksame Aufrechnung allein zum Erlöschen von Ansprüchen
führt, ohne dass das im Verwaltungsakt festgesetzte Recht verändert oder sonst geregelt wird (BSG, Urteil vom 24. Juli 2003
- B 4 RA 60/02 R, SozR 4 1200 § 52 Nr. 1; nachfolgend LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 31. Mai 2005 - L 13 KN 702/2005; LSG Nordrhein-Westfalen,
Beschluss vom 19. September 2007 L 19 B 72/07 AS ER). Die Mitteilung der Beklagten zur Einbehaltung von Tilgungsraten ist schon deshalb nicht als Verwaltungsakt zu bewerten,
weil die Beklagte in ihrem Kautionsbewilligungs -bescheid vom 4. März 2008 lediglich Bezug auf die vom Kläger unterzeichnete
Erklärung vom 25. Februar 2008 genommen hat; im weiteren Bewilligungsbescheid vom 4. März 2008 hat sie die Tilgungsrate ohne
Regelung in einem besonderen Verfügungssatz nur in der als Anlage zu dem Bescheid beigefügten Bedarfsberechnung von der Summe
der laufenden Leistungen in Abzug gebracht, so dass sich ein verminderter Zahlbetrag ergab. Ein Wille, die Aufrechnung als
Verwaltungsakt, d. h. als hoheitlich einseitige Maßnahme (vgl. § 33 Zehntes Sozialgesetzbuch SGB X) zu regeln, wird damit nicht zum Ausdruck gebracht. Damit fehlt es an einer als Verwaltungsakt zu qualifizierenden Regelung
(wie hier auch LSG Hessen, Beschluss vom 16.1.2008 - L 9 SO 121/07 ER; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 6.9.2006 - L 13 AS 3108/06 ER-B).
Die von der Beklagten erklärte Aufrechnung in Höhe von monatlich 35,00 EUR für die Zeit vom 1. März 2008 bis 31. Mai 2008
und in Höhe von 17,00 EUR ab 1. Juli 2008 bis 31. August 2008 ist unwirksam, weil dafür keine Rechtsgrundlage besteht. Der
Leistungsanspruch des Klägers ist deshalb nicht durch Aufrechnung in der von der Beklagten vorgenommenen Höhe erloschen.
Voraussetzungen und Wirkungen einer Aufrechnung beurteilen sich nach §
51 SGB I in Verbindung mit den zivilrechtlichen Vorschriften der §§
387 ff.
Bürgerliches Gesetzbuch; soweit im SGB II eine Sonderregelung zur Aufrechnung besteht, findet, sofern einschlägig, auch diese Anwendung. Keine dieser
Vorschriften - weder im
SGB I noch Regelungen im SGB II - berechtigen die Beklagte zur Aufrechnung.
Nach §
51 Abs.
1 SGB I kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf Geldleistungen mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen,
soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach §
54 Abs.
2 und
4 SGB I pfändbar sind. Daran fehlt es hier. Der in Bezug genommene §
54 Abs.
2 SGB I regelt die Pfändbarkeit von Ansprüchen auf einmalige Geldleistungen, während - im vorliegenden Fall einschlägig - §
54 Abs.
4 SGB I bestimmt, dass Ansprüche auf laufende Geldleistungen wie Arbeitseinkommen gepfändet werden können. Selbst beim Bestehen einer
Aufrechnungslage ist danach der für ein Arbeitseinkommen nach den §§
850 ff.
Zivilprozessordnung (
ZPO) geltende Pfändungsschutz zu beachten. Nach §
850c Abs.
1 Satz 1
ZPO ist Arbeitseinkommen unpfändbar, wenn es in dem Zeitraum, für den es gezahlt wird, nicht mehr als 930,00 EUR monatlich beträgt.
Dies bedeutet, dass die gesamte Grundsicherungsleistung des alleinstehenden Klägers in Höhe von monatlich 760,00 EUR bis einschließlich
30. April 2008, 746,67 EUR für Mai 2008 und 680,00 EUR für die Zeit von Juni 2008 bis August 2008 unpfändbar war und deshalb
auch keine Aufrechnung nach §
51 Abs.
1 SGB I erklärt werden konnte. Die Beklagte muss bei einer Aufrechnung den unpfändbaren Grundbetrag gewährleisten; liegen die Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhaltes - wie hier - unter diesem Grundbetrag, ist eine Aufrechnung nicht möglich.
§ 51 Abs. 2 SGB II führt zu keiner anderen Beurteilung. Zum einen bezieht sich die Vorschrift auf - hier nicht gegebene -
Ansprüche auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen bzw. auf Beitragsansprüche. Zum anderen kann die Aufrechnung
nur bis zum Eintritt der Sozialhilfebedürftigkeit oder Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II erfolgen. Der Kläger ist entsprechend
hilfebedürftig.
Weiter findet auch § 43 Satz 1 SGB II keine Anwendung, der eine privilegierte Aufrechnung zulässt, soweit es um Ansprüche
auf Erstattung oder auf Schadenersatz geht, die der Hilfebedürftige durch vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder
unvollständige Angaben veranlasst hat. Auch ein solcher Fall ist hier nicht gegeben.
Die Beklagte stützt die Aufrechnung auf § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB II. Auch diese Vorschrift gibt der Beklagten aber nicht das
Recht zur Aufrechnung. § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II ermöglicht es den Leistungsträgern, auf Antrag ein Darlehen zu bewilligen,
wenn im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes
weder durch Vermögen noch auf andere Weise gedeckt werden kann. Die hier im Streit stehende Mietkaution ist keine Regelleistung
im Sinne von § 20 SGB II, sondern sie gehört zu den in § 22 SGB II geregelten Leistungen für Unterkunft und Heizung. Ausdrücklich
heißt es in § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II, dass eine Mietkaution bei vorheriger Zusicherung übernommen werden kann und gemäß §
22 Abs. 3 Satz 3 SGB II als Darlehen erbracht werden soll. Deshalb unterliegt es keinem Zweifel, dass der durch eine Mietkaution
für einen Hilfeempfänger entstehende Bedarf gerade nicht von der Regelleistung abgedeckt wird, sondern ein Bedarf der Kosten
der Unterkunft ist (vgl. so auch LSG Hessen, Beschluss vom 5. September 2007 - L 6 AS 145/07 ER -; LSG Hessen, Beschluss vom 16. Januar 2008 - L 9 SO 121/07 ER - Mietkaution und Umzugskosten im Bereich des SGB XII;
LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. September 2006 - L 13 AS 3108/06 ER-B). Demzufolge ist sowohl für die Bewilligung des Darlehens als auch für die Frage der Zulässigkeit der Aufrechnung auf
§ 22 SGB II abzustellen. Diese Vorschrift enthält aber keine § 23 Abs. 1 SGB II entsprechende Regelung über die Aufrechnung.
§ 23 Abs. 1 Satz 3 SGB II ist auch nicht - wie die Beklagte meint - als Ausdruck einer allgemeinen Regelung bei darlehensweiser
Leistungsgewährung zu werten und analog auf Mietkautionsdarlehen anzuwenden. Anhaltspunkte für eine planwidrige Regelungslücke,
die allein eine Analogie rechtfertigen könnte, bestehen nach den Gesetzesmaterialien nicht. In den Gesetzesmaterialien (vgl.
Gesetzesbegründung zu § 22 Abs. 3 SGB II, BT-Drucks. 16/1588, S. 14) heißt es, dass der zuständige Leistungsträger eine Mietkaution
grundsätzlich in Form eines Darlehens erbringen soll, weil sich aus der Natur der Mietkaution bereits ergibt, dass diese im
Regelfall an den Mieter zurückfließt. Insofern sei es - so die Materialien- im Regelfall nicht gerechtfertigt, die Kaution
dem Hilfebedürftigen endgültig zu belassen. Die Gesetzesbegründung enthält damit keine ausdrücklichen Hinweise auf die Möglichkeit
einer ratenweisen Tilgung des Darlehens aus den laufenden Leistungen. Sie nimmt auch nicht Bezug auf § 23 SGB II und die dort
vorgesehene Aufrechnung. Dies, der Gesamtzusammenhang der Normen §§ 20 ff SGB II mit ihren unterschiedlichen Regelungszwecken und die bereits unter Geltung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) von der Rechtsprechung (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 27. März 2003 - 12 ME 52/03 m.w.N.; Merkler/Zink, BSHG, 4. Aufl. § 4 Rn 35) beanstandete Praxis der örtlichen Sozialhilfeträger, Mietkautionsdarlehen ohne explizite gesetzliche Grundlage durch
regelmäßigen Einbehalt von Hilfe zu tilgen, sprechen dafür, dass der Gesetzgeber von einem tilgungsfreien (und zinsfreien)
Darlehen ausgegangen ist (wie hier LSG Hessen aaO.; LSG Baden - Württemberg aaO.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.8.2007
- L 1 B 37/07 AS;). Auch in der BSHG - Praxis bestanden viele Sozialhilfeträger auf einer ratenweise Rückzahlung des Kautionsdarlehens; üblich war der Einbehalt
eines Betrages von der laufenden Hilfe. Dies wurde im Darlehensvertrag so vereinbart oder dem Darlehensbescheid als Nebenbestimmung
beigefügt. Faktisch wurde dadurch eine Aufrechnung vorgenommen, die fälschlicherweise auf den früheren § 25a BSHG gestützt wurde. Danach konnte aber die Hilfe zum Lebensunterhalt bis auf das zum Leben Unerlässliche nur aufgerechnet werden,
wenn der Sozialhilfeträger aufgrund zu Unrecht erbrachter Leistungen einen öffentlich - rechtlichen Erstattungsanspruch oder
einen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch gegen den Hilfebedürftigen hatte. Gleiches galt, wenn der Sozialhilfeträger
wegen zweckwidriger Verwendung von Leistungen der Sozialhilfe Schulden des Hilfebedürftigen zur Sicherung der Unterkunft oder
zur Behebung einer vergleichbaren Notlage nach § 15a BSHG übernommen hatte. Die Rückzahlung einer nach § 15a BSHG als Darlehen übernommenen Mietkaution wurde jedoch von § 25a BSHG überhaupt nicht erfasst, selbst dann nicht, wenn der Tilgungseinbehalt mit Einwilligung des Hilfebedürftigen oder aufgrund
einer schriftlichen Vereinbarung erfolgte. Die zum BSHG ergangene Rechtsprechung hat diese Praxis für unzulässig erachtet und die Entscheidung der Sozialhilfeträger zugunsten der
Hilfebedürftigen korrigiert (vgl. OVG Lüneburg aaO. m.w.N.; Erwin Ruff, Die Mietkaution im Rahmen von Sozialhilfe und Arbeitslosengeld
II, WuM 2005, S. 177 - 183). Hätte der Gesetzgeber im SGB II im Gegensatz zum BSHG eine Tilgung durch regelmäßigen Einbehalt von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes gewollt, hätte er dies in Kenntnis
der zum BSHG ergangenen Rechtsprechung durch Schaffung einer Rechtsgrundlage, beispielsweise in § 22 SGB II, ohne weiteres regeln können. Dies hat er aber gerade nicht getan, so dass sich die Beklagte in Ermangelung einer
entsprechenden Rechtsgrundlage für die Aufrechnung eines Mietkautionsdarlehens nicht auf § 23 Abs. 1 SGB II berufen kann (wie
hier LSG Hessen aaO.; LSG Baden - Württemberg aaO.; LSG Nordrhein- Westfalen, Beschluss vom 21. August 2007 - L 1 B 37/07 AS; ebenso Weth in Info also 2007, S. 105).
Die Beklagte kann sich schließlich auch nicht auf die Erklärung vom 25. Februar 2008 als Rechtsgrund für eine Aufrechnung
berufen. Der Beklagten ist es in Anwendung des in §
242 BGB geregelten und über § 61 Satz 2 SGB X anwendbaren Grundsatzes von Treu und Glauben verwehrt, sich dann auf eine solche Erklärung als Rechtsgrundlage für die Aufrechnung
zu berufen, wenn sie selbst die Aufnahme der rechtswidrigen Rückzahlungsvereinbarung in die Erklärung veranlasst hat. Denn
dies würde eine unzulässige Rechtsausübung darstellen (vgl. LSG Hessen, Beschluss vom 16. Januar 2008 - L 9 SO 121/07 ER;
LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. September 2006 - L 13 AS 3108/06 ER B; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 27.3.2003 - 12 ME 52/03; Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2.Aufl. § 22
Rn. 22)). Gleiches gilt für den Fall, dass in der Tilgungsvereinbarung ein Verzicht im Sinne des §
46 Abs.
1 1. Halbsatz
SGB I gesehen wird. Auch hier würde eine unzulässige Rechtsausübung vorliegen, wenn der Verzicht vom Leistungsträger rechtswidrig
herbeigeführt worden wäre. Die Beklagte hat die Mietkaution vorliegend unter der Bedingung, dass sich der Kläger zur Unterzeichnung
der entsprechenden Erklärung verpflichtet, gewährt. Damit hat sie die Aufnahme der rechtswidrigen Rückzahlungsvereinbarung
in die Erklärung veranlasst. Diese Tatsache steht einer Berufung auf die Erklärung mit der Konsequenz entgegen, dass die Beklagte
von Anfang an, d.h. ab März 2008 keine Tilgungsraten von den laufenden Leistungen einbehalten durfte.
Auf einen Widerruf des (konkludenten) Einverständnisses zu einer Aufrechnung, der nur Wirkung für die Zukunft entfalten könnte
und der hier mit Widerspruch vom 8. April 2008 auch ausdrücklich erklärt worden wäre, kommt es unter diesen Umständen nicht.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig war aus diesen Gründen zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Wegen grundsätzlicher Bedeutung hat der Senat die Revision zugelassen (§
160 Abs.
2 Nr.1
SGG).