Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die teilweise Erstattung einer Witwenrente im sog. "Sterbevierteljahr".
Die Beklagte bewilligte Frau M nach dem Tode ihres Ehemannes Herrn M am 25. Februar 2016 mit Bescheid vom 30. Juni 2016 große
Witwenrente ab dem Todestag. Für den Zeitraum von März bis Mai 2016 wurde eine erhöhte Witwenrente im sog. "Sterbevierteljahr"
gewährt. Für Februar 2016 wurde ein anteiliger Betrag von € 95,76, für den Zeitraum von März bis Mai 2016 in Höhe von monatlich
€ 554,14, für Juni 2016 in Höhe von € 332,49 und für Juli 2016 in Höhe von € 346,59 ausgewiesen. Die Gesamtnachzahlung für
den Zeitraum von 25. Februar 2016 bis 31. Juli 2016 betrug € 2.437,26. Dieser Betrag wurde nicht an Frau M ausgezahlt.
Der Kläger gewährte Frau M seit Dezember 2015 und auch im Zeitraum vom 25. Februar 2016 bis 31. Mai 2016 Leistungen der Grundsicherung
für Arbeitssuchende nach dem SGB II.
Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 30. Juni 2016 die Höhe der jeweiligen Rentenansprüche ab 25. Februar 2016
mit und bat um Bezifferung des Erstattungsanspruchs getrennt nach Monaten. Ein Erstattungsanspruch könne sich im Sterbevierteljahr
lediglich auf den Betrag der nach Ablauf des Sterbevierteljahres zu zahlenden Rente beziehen. Der "Sterbevierteljahrbonus"
gelte als zweckbestimmtes Einkommen.
Der Kläger meldete mit am 11. Juli 2016 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben einen Erstattungsanspruch auf die Rentennachzahlung
an. Dabei schlüsselte er den Bezug der SGB-Leistungen für den Zeitraum von Februar bis Juli 2016 wie folgt auf:
- Februar 2015 € 65,76 Arbeitslosengeld II
- März 2016 € 404,00 Arbeitslosengeld II und € 120,14 Kosten der Unterkunft
- April 2016 € 404,00 Arbeitslosengeld II und € 120,14 Kosten der Unterkunft
- Mai 2016 € 404,00 Arbeitslosengeld II und € 120,14 Kosten der Unterkunft
- Juni 2016 € 302,49 Arbeitslosengeld II
- Juli 2016 € 316,59 Arbeitslosgengeld
Die Gesamtleistung betrage € 2.257,26. Um Überweisung des Betrages werde gebeten.
Die Beklagte erstattete an den Kläger nachfolgend lediglich einen Betrag von € 1.673,88. Den Restbetrag von € 763,38 überwies
die Beklagte laut Mitteilung vom 17. August 2016 an Frau M.
Der Kläger bat mit Schreiben vom 24. August 2016 erneut um Zahlung des Differenzbetrages von € 583,38 und verwies nachfolgend
auf das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 16. Januar 2016 zum AZ: L 7 R 173/15, das die Rechtsauffassung des Klägers stütze.
Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 2. Februar 2017 mit, dass es sich nach der geltenden Beschlusslage der Rentenversicherungsträger
bei dem Sterbevierteljahrbonus um eine zweckbestimmte Leistung im Sinne von § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II handele, so dass dieser bei der Erstattung keine Berücksichtigung finden könne. Das zitierte Urteil widerspreche der geltenden
Beschlusslage und ihm werde über den Einzelfall hinaus nicht gefolgt, da eine höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu bislang
nicht vorliege.
Der Kläger setzte der Beklagten mit Schreiben vom 13. Februar 2017 eine Frist zur Zahlung bis zum 28. Februar 2017, die die
Beklagte verstreichen ließ.
Der Kläger hat am 20. März 2017 Klage bei dem Sozialgericht Schleswig erhoben und zur Begründung im Wesentlichen auf die schon
im Verwaltungsverfahren zitierte Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts, wonach es sich beim "Sterbevierteljahrbonus"
nicht um zweckbestimmte Leistungen im Sinne von § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II handele, Bezug genommen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag von € 583,38 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung hat sie auf die angefochtenen Bescheide Bezug genommen. Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts
vom 19. Januar 2016 - L 7 R 173/15 - stelle eine Einzelfallentscheidung dar.
Nach Anhörung zur beabsichtigten Verfahrensweise hat das Sozialgericht die Beklagte mit Gerichtsbescheid vom 6. August 2019
unter Zulassung der Berufung verurteilt, an den Kläger 583,38 € zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt,
die Klage sei als echte Leistungsklage nach §
54 Abs.
5 SGG statthaft, da öffentlich-rechtliche Streitigkeiten im Gleichordnungsverhältnis im Streit stünden. Sie sei auch begründet.
Rechtsgrundlage des geltend gemachten Erstattungsanspruchs sei die die Erstattungsansprüche nachrangig verpflichteter Leistungsträger
regelnde Vorschrift des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Der Kläger sei als Grundsicherungsträger gegenüber der Beklagten auch ein strukturell nachrangig verpflichteter Leistungsträger.
Die erforderliche sachliche und zeitliche Kongruenz sei gegeben, da der Leistungsanspruch von Frau M auf den Sterbevierteiljahrbonus
im streitigen Zeitraum vom 1. März bis 31. Mai 2016 gegen die Beklagte für denselben Zeitraum bestanden habe, in dem der Kläger
Leistungen nach dem SGB II erbracht habe. Auch habe der monatliche SGB-II-Anspruch von Frau M mit € 524,14 in den Monaten März bis Mai 2016 nicht den monatlichen Rentenanspruch von Frau M in Höhe
von € 554,14 überstiegen. Die Voraussetzungen des § 103 Abs. 1 SGB X hätten demgegenüber jedoch nicht vorgelegen. Die Beklagte habe Frau M die Witwenrente (inklusive Sterbevierteljahrbonus)
für März bis Mai 2016 auch nicht ausbezahlt, bevor sie von der an Frau M geleisteten Zahlungen nach dem SGB II durch den Kläger für denselben Zeitraum erfahren habe. Der Kläger habe mit Schreiben vom 11. Juli 2016 bei der Beklagten
Ersatzansprüche angemeldet und mitgeteilt, dass Frau M Leistungen nach dem SGB II erhalte. Entscheidend sei im vorliegenden Rechtsstreit die Frage, ob sich das für einen Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X maßgebliche Vorrang-Nachrang-Verhältnis zwischen der Beklagten und dem Kläger auch konkret auf den von der Beklagten an Frau
M geleisteten Sterbevierteljahresbonus beziehe. Ein Erstattungsanspruch eines SGB II-Leistungsträgers gegen einen Rentenversicherungsträger entstehe nur dann, wenn die Leistung des Rentenversicherungsträgers
als Einkommen gemäß § 11 SGB II im dortigen Leistungssystem anzurechnen sei und damit Auswirkungen auf die Leistungspflicht bzw. -umfang des Grundsicherungsträgers
habe. Der Sterbevierteljahrbonus falle unter keine der in § 11a SGB II genannten Ausnahmen vom Einkommensbegriff des SGB II. Er könne insbesondere auch nicht als ausdrücklich zweckbestimmte Leistung im Sinne des § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II von der Einkommensanrechnung freigestellt werden. Danach seien Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften
zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Leistungen nach
diesem Buch im Einzelfall demselben Zweck dienten. Beim Sterbevierteljahresbonus mangele es an einer ausdrücklichen Zweckbestimmung
im Sinne von § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II. Zwar diene die Witwenrente im Sterbevierteljahr dem abstrakt-generellen Ziel, den während des Sterbevierteljahres zwangsläufig
eintretenden besonderen Bedarf des hinterbliebenen Ehegatten zu befriedigen. Sie solle nach der Intention des Gesetzgebers
dem Hinterbliebenen die Aufwendungen, die mit der letzten Krankheit und dem Todesfall verbunden seien, abnehmen und ihm die
Umstellung auf die neuen Lebensumstände finanziell erleichtern. Ein solcher abstrakt-genereller Zweck sei für eine Zweckbestimmung
in § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II jedoch nicht ausreichend, da abstrakt-generelle Zwecke jeder Norm innewohnten. § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II fordere über einen solchen allgemeinen Zweck einen solchen, der "ausdrücklich genannt" sei. Erforderlich für eine Zweckbestimmung
im Sinne des § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II sei damit ein konkret-individueller Zweck, der allerdings bei der Witwenrente im Sterbevierteljahr nicht gegeben sei. Zweckbestimmt
seien auch solche Leistungen, die aus einem bestimmten Anlass und in einer bestimmten Erwartung gegeben würden und die der
Empfänger zwar im Allgemeinen für den bestimmten Zweck verwende, ohne dass er jedoch dazu angehalten werden könne. Jedoch
sei die Erwartung des Gesetzgebers im Fall der Witwenrente im Sterbevierteljahr nicht derart konkretisiert, dass sie über
die abstrakt-generelle Zielrichtung im Sinne der Begründung des Gesetzes gehe. Die durch den Tod eines nahen Angehörigen entstehenden
Bedarfe und die einer Krankheit folgenden Aufwendungen seien derart unterschiedlich, dass eine konkrete Zweckbestimmung schon
aufgrund der Verschiedenheit der Lebenswirklichkeit ausscheide. Auch das Ziel, die Umstellung auf neue Lebensumstände finanziell
zu erleichtern, stelle lediglich eine rein abstrakte Begründung für eine finanzielle Privilegierung dar. Im Hinblick auf das
Ziel der Privilegierung im Sterbevierteljahr, die Umstellung auf die neuen Lebensumstände finanziell zu erleichtern, liege
es darüber hinaus nahe, dass die Witwenrente auch in diesem Zeitraum letztlich der Sicherung des Lebensunterhalts - hier allerdings
im Sinne eines sich verändernden Lebensstandards - diene und damit demselben Zweck, wie die Grundsicherung für Arbeitssuchende.
Auch aus diesem Grund sei eine Anrechnung der Witwenrente in voller Höhe vorzunehmen. Letztlich würden Aufwendungen im Zusammenhang
mit dem Ableben der Ehegatten ebenfalls im Rahmen der Sozialhilfe abgefangen, wie dies in § 74 SGB XII zum Ausdruck komme, so dass auch insoweit dem Sterbevierteljahrbonus ein über die Sozialhilfe im weiteren Sinne hinausgehender
Zweck nicht zugeschrieben werden könne. Auch die Gesetzesbegründung zur Neufassung von § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II zum 01. April 2011 stütze die Auffassung der Kammer. Danach solle durch § 11a Abs. 3 SGB II klargestellt werden, dass Einnahmen nur dann nicht als Einkommen zu berücksichtigen seien, wenn sie aufgrund von Vorschriften
des öffentlichen Rechts erbracht worden und die erbrachten Leistungen ausdrücklich einem anderen Zweck als die Leistungen
nach dem SGB II zu dienen bestimmt seien. Eine allgemeine Zweckrichtung reiche dafür nicht aus. Es fehle an einer ausdrücklichen Zweckbestimmung
jedenfalls dann, wenn der Einkommensbezieher weder rechtlich noch tatsächlich daran gehindert sei, die Leistungen zur Deckung
von Bedarfen nach dem SGB II einzusetzen. Eine steuerliche Privilegierung stelle für sich genommen keine ausreichende Zweckbestimmung dar (vgl. BT-Drucks.
17/3404, S. 94). Zwar sei zu konzedieren, dass der Auslegung von Gesetzesnormen anhand der Gesetzesmaterialien dort Grenzen
gesetzt seien, wo der Wortlaut der allein in Gesetzeskraft erwachsenen Norm mit der durch die am Gesetzgebungsverfahren beteiligten
Institutionen gegebenen Begründung nicht übereinstimme oder diese Begründung deutlich über den Gesetzeswortlaut hinausgehe.
Vorliegend sei aber zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber durch Neufassung des § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II zum 1. April 2011 textlich eine deutliche Änderung gegenüber der vorher gültigen Regelung des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II vorgenommen habe, die in zweierlei Hinsicht restriktiver sei als die vorherige Fassung, nämlich insoweit, als sie privatrechtliche
Leistungen ausschließe und insoweit, als sie eine ausdrückliche Benennung des Zwecks verlange.
Die Höhe der Forderung von € 583,38 ergebe sich einerseits aus der Differenz der in den Monaten März bis Mai 2016 von dem
Kläger erbrachten Leistungen in Höhe von € 524,14 zu den lediglich erstatteten € 332,49. Dieses ergebe eine monatliche Differenz
von € 191,65 monatlich, für drei Monate € 574,95. Die weitere Differenz von € 8,43 zur Klageforderung von € 583,38 ergeben
sich zwar nicht für den Zeitraum des Sterbevierteljahres. Allerdings habe die Beklagte für Februar 2016 im Rahmen der Erstattungsbefriedigung
in Höhe von € 1.673,88 für Februar nur Leistungen des Klägers in Höhe von € 57,33 berechnet, während der Kläger hier anteilig
tatsächlich € 65,76 an Leistungen erbracht habe, die in dieser Höhe zu berücksichtigen gewesen wären. Die geltend gemachte
Klageforderung sei also insgesamt begründet.
Gegen den am 7. August 2019 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 2. September 2019 beim Schleswig-Holsteinischen
Landesssozialgericht Berufung eingelegt. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend, dem Sozialgericht könne nicht darin
gefolgt werden, dass dem Kläger der zugesprochene Betrag zustehe. Ein Erstattungsanspruch des SGB XII- bzw. SGB II-Träger nach § 104 SGB X sei bei Zusammentreffen von Sozialhilfe bzw. Grundsicherung für Arbeitssuchende und Witwen-/Witwerrente im Sterbevierteljahr
auf den Betrag der mit dem nach Ablauf des Sterbevierteljahres maßgeblichen Rentenartfaktor berechneten Witwen-/Witwerrente
beschränkt, weil der "Sterbevierteljahresbonus" als zweckbestimmtes Einkommen im Sinne der §§ 83 Abs. 1 SGB XII bzw. § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II alter Fassung und § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II zu werten und deshalb von der Anrechnung auf die Sozialhilfe und die Grundsicherung für Arbeitssuchende ausgenommen sei.
Zu beachten sei, dass sich der Umfang des Erstattungsanspruches nach den für den zuständigen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften
richte. Die erhöhte Witwen-/Witwerrente für das Sterbevierteljahr sei im Jahr 1957 in Anlehnung an das Bundesbeamtengesetz eingefügt worden, um den "hinterbliebenen" Ehegatten die mit dem Sterbefall verbundenen besonderen Aufwendungen zu einem
Teil abzunehmen und ihm die Umstellung auf die veränderten Verhältnisse finanziell zu erleichtern. Der Gesetzgeber habe somit
im Rahmen einer typisierenden Betrachtungsweise für einen klar abgrenzbaren Personenkreis generalisierend unterstellt, dass
bei Tod eines Ehegattens besondere Umstände vorlägen, welche, über die Unterhaltsersatzfunktion der Witwen-/bzw. Witwerrente
hinaus, die Zahlung eines erhöhten Hinterbliebenenrentenanspruches während des Sterbevierteljahres rechtfertigten. Vom Leistungsträger
müsse deshalb nicht geprüft werden, wie der erhöhte Witwen-/Witwerrentenanspruch während des Sterbevierteljahres vom Berechtigten
tatsächlich verwendet werde. Daher handele es sich auch beim Sterbevierteljahr um eine Leistung die von Seiten der Deutschen
Rentenversicherungsträger als eindeutig zweckbestimmt (wie z. B. auch der Beitragszuschuss zur Krankenversicherung gemäß §
106 SGB VI) anzusehen sei. Durch Artikel 2 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des zweiten und zwölften Sozialgesetzbuches vom 24. März 2011
mit Wirkung ab 1. April 2011 seien die unterschiedlichen Formulierungen im SGB XII und SGB II aufgegeben worden. Die Prüfung - wie z. B. welches Einkommen als zweckbestimmtes Einkommen im Sinne des § 83 Abs. 1 SGB XII bzw. § 11a Abs. 3 SGB II zu werten sei - könne für die Bereiche des SGB II und SGB XII nur einheitlich erfolgen. Da die Durchführungsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zu § 11 SGB II explizit in der Anlage 4 unter anderem als zweckbestimmte Einnahmen die Witwen-/Witwerrente für das sogenannte Sterbevierteljahr
zu dem das Normalmaß übersteigenden Betrag "auflisteten", sei im Bereich des SGB XII - spätestens nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung - dieser Betrag ebenfalls als zweckbestimmt zu betrachten und aus diesem
Grund nicht erstattungsfähig.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Schleswig vom 6. August 2019 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und verweist darauf, dass eine Dienstanweisung der Bundesagentur
für Arbeit nicht geeignet sei, für andere Verwaltungsträger oder gar für Gerichte bindend zu bestimmen, wie geltendes Recht
auszulegen sei.
Mit Beschluss vom 11. November 2021 hat der Senat der Berichterstatterin die Entscheidung über die Berufung gem. §
153 Abs.
5 Sozialgerichtgesetz (
SGG) übertragen.
Die Beteiligten haben sich mit Schriftsatz vom 17. November 2021 bzw. 6. Dezember 2021 mit einer Entscheidung des Senats ohne
mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte
der Beklagten verwiesen.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht der Klage mit der angefochtenen
Entscheidung stattgegeben. Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß § 104 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) einen Erstattungsanspruch für die von ihm für die Zeit vom 25. Februar 2016 bis zum 31. Mai 2016 an Frau M geleisteten Zahlungen
in Höhe von 2257,26 € EUR. Grundlage dieses Erstattungsanspruchs ist die der Beigeladenen durch die Beklagte gewährte Witwenrente,
auch soweit diese über den Betrag, der nach Ablauf des Sterbevierteljahres laufend gezahlt wird, hinausgeht. Bei der erhöhten
Witwenrente im sog. Sterbevierteljahr handelt es sich nicht um eine nach öffentlichen Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten
Zweck erbrachte Leistung im Sinne des § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II. Es fehlt insoweit an der erforderlichen ausdrücklichen Zweckbestimmung. Abzüglich der bereits getätigten Zahlungen hat der
Kläger gegen die Beklagte noch einen Zahlungsanspruch in Höhe von 583,38 €.
Der Senat folgt vollumfänglich den Entscheidungsgründen in dem angefochtenen Urteil, in dem das Sozialgericht die hier relevante
grundsicherungsrechtliche Einordnung der erhöhten Hinterbliebenenrentenleistungen im Sterbevierteljahr ausführlich und zutreffend
dargelegt hat. Der Senat sieht daher von einer ausführlicheren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Ergänzend nimmt der Senat Bezug auf das Urteil des erkennenden Senats vom 19. Januar 2016 - L 7 R 173/15 - in dem er ausführlich dargelegt hat, dass es sich bei der erhöhten Witwenrente im sog. Sterbevierteljahr nicht um eine
nach öffentlichen Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbrachte Leistung im Sinne des § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II handelt . Das Vorbringen der Beklagten führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Die grundsicherungsrechtliche Rechtslage
zur Einkommensanrechnung hat sich durch die Grundsicherungsreform 2011 zum 1. April 2011 deutlich geändert. Zuvor sah § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II in der bis zum 31. März 2011 geltenden Fassung die Nichtberücksichtigung von zweckbestimmten Einnahmen, die einem anderen
Zweck als Leistungen nach dem SGB II dienen, vor. Die mit § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II erfolgte Neufassung zum 1. April 2011 ist demgegenüber deutlich restriktiver und schließt nicht nur privatrechtlich erbrachte
Leistungen von der Anrechnungsausnahme aus, sondern fordert für öffentlich-rechtliche zweckbestimmte Leistungen die Benennung
eines ausdrücklich genannten Zwecks. Höchstrichterliche Rechtsprechung, die zur Stützung der Rechtsansicht der Beklagten herangezogen
wird, findet sich in dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 11. Januar 1990 im Verfahren 7 RAr 128/88. Dieses ist aber noch zu der Arbeitslosenhilfe nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ergangen. Die damalige Regelung des § 138 Abs. 3 Nr. 3 AFG schloss ähnlich wie der bis 31. März 2011 geltende § 11 Abs. 3a Satz 1 SGB II a. F. pauschal zweckgebundene Leistungen von der Einkommensanrechnung aus und verlangte gegenüber der jetzigen Gesetzesfassung
weder einen öffentlich-rechtlichen Charakter dieser Leistungen noch eine ausdrücklich genannte Zweckbestimmung. Die von dem
Sozialgericht gefundene und von dem Senat geteilte Rechtsansicht wird auch durch die Gesetzesbegründung der Neufassung gestützt.
Danach sollte durch § 11a Abs. 3 SGB II nämlich klargestellt werden, dass Einnahmen nur dann nicht als Einkommen zu berücksichtigen seien, wenn sie aufgrund von
Vorschriften des öffentlichen Rechts erbracht wurden und die erbrachten Leistungen ausdrücklich einem anderen Zweck als die
Leistungen nach dem SGB II zu dienen bestimmt seien. Eine allgemeine Zweckrichtung sollte dafür nicht ausreichen. Es fehle an einer ausdrücklichen Zweckbestimmung
jedenfalls dann, wenn der Einkommensbezieher weder rechtlich noch tatsächlich daran gehindert sei, die Leistungen zur Deckung
von Bedarfen nach dem SGB II einzusetzen. Eine steuerliche Privilegierung stelle für sich genommen keine ausreichende Zweckbestimmung dar (vgl. BT-Drucks.
17/3404, S. 94). Nicht gefolgt werden kann daher der in der Literatur vertretenen Ansicht, die nach § 11a Abs. 3 SGB II erforderliche Zweckbestimmung müsse nicht ausdrücklich genannt werden und es sei zur Ermittlung des Regelungsgehalts von
§ 11a Abs. 3 SGB II auf nicht auf die zu restriktive Gesetzesbegründung, sondern auf die zur früheren Regelung ergangene Rechtsprechung des BSG abzustellen (so Geiger in LPK-SGB II, 5. Aufl., § 11a Rn. 8, 9). Zwar ist zu konzedieren, dass der Auslegung von Gesetzesnormen anhand der Gesetzesmaterialien dort Grenzen gesetzt
sind, wo der Wortlaut der allein in Gesetzeskraft erwachsenen Norm mit der durch die am Gesetzgebungsverfahren beteiligten
Institutionen gegebenen Begründung nicht übereinstimmt oder diese Begründung deutlich über den Gesetzeswortlaut hinausgeht.
Vorliegend ist aber zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber durch Neufassung des § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II zum 1. April 2011 textlich eine deutliche Änderung gegenüber der vorher gültigen Regelung des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II vorgenommen hat, die in zweierlei Hinsicht restriktiver ist als die vorherige Fassung, nämlich insoweit, als sie privatrechtliche
Leistungen ausschließt und insoweit, als sie eine ausdrückliche Benennung des Zwecks verlangt. Diese Änderung des Wortlauts
korreliert auch durchaus mit der abgegebenen Begründung des Gesetzgebers (s.o.) und läuft dieser gerade nicht zuwider. Es
ist daher entgegen der zitierten Literaturmeinung nicht geboten, die Gesetzesmaterialien bei der Interpretation des Sinngehaltes
der Norm außer Acht zu lassen und stattdessen auf die Rechtsprechung zu einer anderen, im Wortlaut deutlich abweichenden früheren
Regelung zurückzugreifen. Der Sterbevierteljahresbonus dient letztlich der Sicherung des Lebensunterhalts des Hinterbliebenen
im Übergangszeitraum und damit demselben Zweck wie die Leistungen des SGB II (Hengelhaupt in: Hauck/Noftz SGB II, §?11a (Stand: Mai 2020) Rn. 277; Söhngen in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl. (Stand: 21.12.2021), § 11a Rn 60). Dies wird umso deutlicher, wenn man sich vergegenwärtigt, dass das Grundsicherungsrecht ebenso Regelungen enthält,
die u. a. der besonderen Situation nach dem Ableben eines Ehegatten gerecht werden sollen. Neben der vom Sozialgericht bereits
benannten Bestattungskostenhilfe nach § 74 SGB XII sind dabei die Berücksichtigung der bisherigen Unterkunftskosten in einem Übergangszeitraum von regelmäßig sechs Monaten
gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II und die Berücksichtigung eines Mehrbedarfs bei Alleinerziehung gemäß § 21 Abs. 3 SGB II zu nennen.