Anspruch auf höhere Altersrente unter modifizierter Vornahme der Gesamtleistungsbewertung für beitragsgeminderte Zeiten; Rechtmäßigkeit
eines die Rentengewährung teilweise abändernden Bescheides ohne Änderung der leistungsrechtlichen Bewertung rentenrechtlicher
Zeiten, der Rentenhöhe oder des Zahlbetrages; Verfassungsmäßigkeit der rentenrechtlichen Gesamtleistungsbewertung
Tatbestand
Der Kläger begehrt eine höhere Altersrente unter modifizierter Vornahme der Gesamtleistungsbewertung für beitragsgeminderte
Zeiten, konkret unter Nichtberücksichtigung seiner nach beamtenrechtlichen Vorschriften zu berücksichtigenden Zeiten bei Ermittlung
des belegungsfähigen Gesamtzeitraums gem. §
72 Abs.
2 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (
SGB VI).
Der Kläger hat nach Beendigung der Schulausbildung zunächst eine betriebliche Ausbildung bei der damaligen Bundespost absolviert.
Die Ausbildung dauerte von April 1964 bis September 1967. Im Anschluss daran war er zunächst rentenversicherungspflichtig
als Angestellter im öffentlichen Dienst bei der Bundespost beschäftigt. Ab dem 1. Juni 1974 ist der Kläger in das Beamtenverhältnis
übernommen worden. Mit Erreichung des 65. Lebensjahres wurde er zum 1. August 2011 durch die Deutsche Telekom AG in den Ruhestand
versetzt worden. Er erhält von der Telekom Versorgungsbezüge, die 2011 2.940,83 EUR brutto betrugen.
Mit Bescheid vom 8. Juni 2011 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Regelaltersrente ab 1. August 2011 in Höhe eines Zahlbetrages
von 259,13 EUR. Dem lagen persönliche Entgeltpunkte im Umfang von 8,7915 zugrunde. Bei Rentenberechnung lag der Beklagten
eine Bescheinigung der Deutschen Telekom AG vom 24. Mai 2011 vor, in der das Ausbildungsverhältnis von April 1964 bis September
1967 als ruhegehaltsfähige Dienstzeit bescheinigt wurde. Im Rahmen der Rentenberechnung ermittelte die Beklagte für den Zeitraum
vom 1. April 1964 bis 30. September 1967 Entgeltpunkte für Beitragszeiten. Auch im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung für
beitragsgeminderte Zeiten berücksichtigte sie den Zeitraum der Berufsausbildung. Dabei bildete sie den belegungsfähigen Gesamtzeitraum
von der Vollendung des 17. Lebensjahres am 21. Juli 1963 bis zum Kalendermonat vor Rentenbeginn am 31. Juli 2011 mit 577 Kalendermonaten.
Von diesem Zeitraum nahm sie lediglich einen Abzug im Umfang von neun Monaten vor, nämlich für die Zeit der Schulausbildung
vom 21. Juli 1963 bis 12. März 1964. Aus den 568 berücksichtigten Kalendermonaten ermittelte sie einen Durchschnittswert für
die Grundbewertung im Umfang von 0,0204 Punkten und einen ebenso hohen Durchschnittswert für die Vergleichsbewertung.
Am 13. Oktober 2011 stellte der Kläger einen Überprüfungsantrag hinsichtlich der Rentenhöhe und trug dazu vor, bei der Rentenberechnung
sei seine Ausbildung als ruhegehaltsfähige Dienstzeit angesehen und nicht mit Entgeltpunkten bewertet worden. Ausweislich
seines Pensionsbescheides sei die Ausbildung aber nicht als ruhegehaltsfähige Dienstzeit berücksichtigt worden. Er bitte nunmehr
um Bewertung dieser Zeit in seiner Rente. Dabei reichte er eine Kopie einer Aufstellung aus seinem Pensionsbescheid ein, in
dem die Zeit von 1964 bis 1967 nicht mehr als ruhegehaltsfähig ausgewiesen worden war.
Mit Bescheid vom 3. Januar 2012 stellte die Beklagte die Regelaltersrente des Klägers ab 1. August 2011 neu fest. Den Bescheid
vom 8. Juni 2011 hob sie im Hinblick auf die für die Zeit vom 1. April 1964 bis 30. September 1967 getroffenen Feststellungen
gemäß § 44 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) auf und führte aus, die Rente werde nunmehr gemäß der vom Kläger eingereichten Unterlagen neu berechnet. Die Rentenberechnung
erfolgte nach denselben Rentenwerten wie im Bescheid vom 8. Juni 2011. Die Beklagte gelangte zu persönlichen Entgeltpunkten
im Umfang von 8,7915 und einer Rentenhöhe von 259,13 EUR.
Gegen diesen Bescheid richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 16. Januar 2012, zu dessen Begründung er ausführte: Er
frage sich, warum nur die Monate vor der ersten Beitragszahlung (1. April 1964) nicht belegungsfähig seien und nicht auch
die Monate nach der letzten Beitragszahlung (1. Juni 1974). In beiden Fällen sei er einer nichtbeitragspflichtigen Tätigkeit
nachgegangen. Die Rentenberechnung stelle jeden, der im Laufe seines Berufslebens in den Beamtenstatus wechsele, schlechter
als jemanden, der fortan Sozialhilfe empfange. Eine Doppelbegünstigung für Beamte sei durch den 100%igen Abzug des Rentenbetrages
von den Versorgungsbezügen ohnehin ausgeschlossen. Mit Widerspruchsbescheid vom 25. April 2012 wies die Beklagte den klägerischen
Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Rentenberechnung sei korrekt und entspreche den gesetzlichen Vorgaben.
Die Aufzählung der nichtbelegungsfähigen Zeiten in §
72 Abs.
2 Nr.
1 bis
3 SGB VI sei abschließend. Ausnahmen hierzu, wie z. B. die Aufnahme einer versicherungsfreien Beschäftigung, seien nicht vorgesehen.
Mit der am 7. Mai 2012 vor dem Sozialgericht Lübeck erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Zur Begründung
hat er vorgetragen, er werde im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung behandelt wie jemand, der als Selbstständiger oder als
Sozialhilfeempfänger keine weiteren Beiträge entrichtet habe, nicht aber wie ein sozialversicherungspflichtig Beschäftigter.
Dadurch würden seine erworbenen Rentenansprüche nachhaltig und rechtswidrig entwertet. Die adäquat für die spätere Tätigkeit
als Beamter notwendigen Ausbildungszeiten würden nicht hinreichend berücksichtigt. Bei einem Angestelltenverhältnis wären
die Ausbildungszeiten bei langjähriger Beschäftigung erhöhend zu berücksichtigen gewesen. Seines Erachtens seien im Rahmen
der Ermittlung des belegungsfähigen Gesamtzeitraums nur die 122 Monate mit Beitragszeiten zu berücksichtigen. Würde der Wert
von 11,6002 Punkten, der mit 568 Kalendermonaten in Bezug gesetzt worden sei, stattdessen mit 122 Kalendermonaten in Bezug
gesetzt, ergäbe sich ein Punktwert von 0,09508. Nachvollziehbar wäre es auch, wenn er so behandelt worden wäre, als wenn sein
seit Juni 1974 durchschnittlich erwirtschaftetes Entgelt auch für sein weiteres Berufsleben zugrunde gelegt würde. Dann ergäbe
sich ein Wert von etwas mehr als 61 Entgeltpunkten für 568 Monate Beitragszeit und ein Durchschnittswert von 0,1074 Punkten.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 3. Januar 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2012 aufzuheben und die Beklagte zu
verurteilen, unter teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 8. Juni 2011 bei der Gewährung der Altersrente einen Gesamtbelegungszeitraum
vom 21. Juli 1963 bis 31. Mai 1974 zugrunde zu legen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, eine Benachteiligung liege nicht vor. Die zugrundeliegende Regelung des §
72 Abs.
2 Nr.
1 SGB VI bezwecke die Gleichbehandlung aller Versicherter bei der Rentenberechnung. Da der Kläger aufgrund seiner Tätigkeit als Beamter
versicherungsfrei gewesen sei, sei er tatsächlich auf eine Stufe mit Personen zu stellen, die aus anderen Gründen keine Beiträge
zur Rentenversicherung entrichtet hätten.
Mit Urteil vom 15. Mai 2014 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe
den ursprünglichen Rentenbescheid vom 8. Juni 2011 gestützt auf § 45 SGB X teilweise zurücknehmen dürfen. Dieser sei rechtswidrig gewesen, da er auf einer unzutreffenden Mitteilung des Versorgungsträgers
des Klägers gefußt habe. Schutzwürdiges Vertrauen des Klägers stehe dieser Rücknahme nicht entgegen. Ein Interesse an der
Beibehaltung der ursprünglichen Regelung sei bereits deshalb nicht festzustellen, da die Rentenhöhe sich nicht geändert habe.
Demgegenüber bestehe ein öffentliches Interesse an einer gesetzeskonformen Feststellung rentenrechtlicher Zeiten. Ein Anspruch
auf Rücknahme des Bescheides vom 8. Juni 2011 in der Weise, dass bei der Berechnung der Rente ein Gesamtbelegungszeitraum
nur bis zum 31. Mai 1974 zugrunde zu legen sei, bestehe allerdings nicht. Die Beklagte habe bei der Rentenberechnung insoweit
das Recht richtig angewandt. Die Tatbestandsvoraussetzungen für nichtbelegungsfähige Kalendermonate nach §
72 Abs.
3 SGB VI lägen nicht vor. Auch die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung dieser Vorschriften auf den Fall des Eintritts in das
Beamtenverhältnis, lägen nicht vor. Es fehle bereits an einer planwidrigen Regelungslücke, denn der Gesetzgeber habe, wie
sich aus §
71 Abs.
4 SGB VI ergebe, grundsätzlich den Sachverhalt eines Eintritts in das Beamtenverhältnis gesehen und geregelt. Eine grundrechtswidrige
Ungleichbehandlung bestehe darin nicht. Der Gesetzgeber habe die unterschiedlichen Alterssicherungssysteme der gesetzlichen
Rentenversicherung und der Beamtenversorgung unterschiedlich ausgestalten dürfen. Soweit der Kläger den höchstmöglichen Ruhegehaltssatz
erreicht habe, sei davon auszugehen, dass das gesetzgeberische Ziel einer amtsangemessenen Alimentation damit bereits erreicht
werde. Zum anderen werde der Kläger durch die Berechnung seiner Ansprüche aus der Rentenversicherung denjenigen gleichgestellt,
die aus anderen Gründen bis zum Renteneintrittsalter keine Pflichtversicherungsbeiträge mehr geleistet hätten. Da er in der
verbliebenen Zeit Ansprüche auf eine beamtenrechtliche Versorgung erworben habe, ergebe sich gemessen an den Auswirkungen
auf die Alterssicherung keine grundsätzliche Benachteiligung gegenüber Angestellten.
Gegen das seinem Bevollmächtigten am 2. September 2014 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 9. September
2014, zu deren Begründung er sein Vorbringen erster Instanz wiederholt und ergänzend ausführt, er werde unzumutbar benachteiligt,
dies sei mit Art.
14 des
Grundgesetzes (
GG) nicht vereinbar. Rentenanwartschaften würden vom verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz erfasst. Dabei sei zwar eine Gestaltungsfreiheit
des Gesetzgebers zu beachten, diese verenge sich aber dann, wenn Rentenansprüche und -anwartschaften durch den personalen
Bezug des Anteils eigener Leistungen der Versicherten geprägt seien. Zu den eigentumsrelevanten Eigenleistungen der Versicherten
gehörten sowohl die von ihnen selbst gezahlten Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung als auch der Beitragsanteil der
Arbeitgeber. Seines Erachtens sei das Äquivalenz-Verhältnis zwischen Beitragszahlung und Rentenzahlung nicht mehr angemessen.
Er habe in den 1970er Jahren Rentenversicherungsbeiträge von zuletzt ca. 2.000,00 DM jährlich gezahlt. Die Beklagte habe mit
diesen Beiträgen entsprechend wirtschaften können. Er erhalte aber auch durch die Einbeziehung seiner Beschäftigung als Beamter
nicht mehr das den Beiträgen entsprechende angemessene Alterseinkommen. Dieser Verlust werde auch nicht angemessen ausgeglichen.
Es sei schon fraglich, ob die nachträgliche Alimentation als Ruhestandsbeamter überhaupt Berücksichtigung finden dürfe. Festzustellen
sei jedenfalls, dass ihm Rentenzahlungen in nennenswertem Umfang vorenthalten blieben und dies mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
im Sinne der Zumutbarkeit nicht zu vereinbaren sei. Es bestünden auch Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Regelungen in §
72 Abs.
2 Nr.
1 bis
3 SGB VI mit Art.
3 Abs.
1 GG. Er werde als Beamter im Vergleich zu ebenfalls nicht sozialversicherungspflichtig Tätigen wie Selbstständigen ohne hinreichenden
Grund ungleich behandelt, da der Gesamtzeitraum von 577 Monaten anstelle von 122 Monaten berücksichtigt worden sei. Ein sachlich
hinreichender Grund für die Ungleichbehandlung zwischen Beamten und Selbstständigen sei nicht ersichtlich. Es werde lediglich
eine bloße Fiktion eines belegungsfähigen Gesamtzeitraums zu seinem Nachteil unterstellt. Es sei auch zu beachten, dass er
im Hinblick auf das Rentenversicherungsverhältnis einen atypischen Versicherungsverlauf mit einem außergewöhnlichen Missverhältnis
von wenigen Beiträgen zu langen beitragslosen Zeiten habe.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 15. Mai 2014 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 3. Januar
2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2012 zu verpflichten, den Bescheid vom 8. Juni 2011 abzuändern und
ihm unter Begrenzung des im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung zu ermittelnden belegungsfähigen Gesamtzeitraums auf die Zeit
bis zum 31. Mai 1974 höhere Regelaltersrente ab dem 1. August 2011 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, die Ausführungen des Klägers führten ihres Erachtens nicht zu einer anderen Beurteilung der Angelegenheit.
Ergänzend wird hinsichtlich des Sach- und Streitstandes auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der
Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte gemäß §
126 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ohne mündlich Verhandlung nach Lage der Akten entscheiden, weil für den Kläger, der sich über seinen Bevollmächtigten zuvor
mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt hat, niemand in der mündlichen Verhandlung vom 2. Juni 2015 erschienen ist
und die Beklagte daraufhin eine Entscheidung nach Lage der Akten beantragt hat.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht im Sinne des §
151 Abs.
1 SGG eingegangen und es wird auch um laufende Leistungen für mehr als ein Kalenderjahr gemäß §
144 Abs.
1 Satz 2
SGG gestritten.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Zu Recht und mit im Wesentlichen zutreffender Begründung hat das Sozialgericht die
Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Abänderung seiner bereits mit Bescheid vom 8. Juni 2011 erfolgten Rentenbewilligung.
Die Beklagte hat bei dieser Entscheidung das Recht nicht unrichtig angewandt und ist nicht von einem falschen Sachverhalt
ausgegangen. Insbesondere hat der Kläger keinen Anspruch auf Begrenzung des belegungsfähigen Gesamtzeitraums auf die Zeit
bis 31. Mai 1974.
Gemäß § 44 Abs.1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn
bei seinem Erlass dass Recht unrichtig angewandt wurde oder von einem Sachverhalt ausgegangen wurde, der sich als unrichtig
erweist und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Diese Voraussetzungen
liegen bezogen auf den Bescheid vom 8. Juni 2011 nicht vor, insbesondere hat die Beklagte im Zusammenhang mit der Gesamtleistungsbewertung
gemäß §§
71 ff
SGB VI das Recht nicht unrichtig angewandt.
Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts beurteilt sich die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides vom 3. Januar 2012
hingegen nicht nach Maßgabe des § 45 SGB X, denn eine Rücknahme einer rechtswidrig begünstigenden Entscheidung ist durch diesen Bescheid nicht erfolgt. Zwar hat die
Beklagte ausgeführt, sie würde den vorherigen Bescheid vom 8. Juni 2011 im Hinblick auf die Regelung für den Zeitraum vom
1. April 1964 bis 30. September 1967 gestützt auf § 44 SGB X zurücknehmen, tatsächlich hat sie aber gar keine Regelung getroffen, denn bereits der Bescheid vom 8. Juni 2011 hat sie die
strittige Ausbildungszeit sowohl hinsichtlich der "normalen" Bewertung mit Entgeltpunkten berücksichtigt als auch diesen Zeitraum
bei der Gesamtleistungsbewertung beitragsgeminderter Zeiten berücksichtigt und damit entsprechend der gesetzlichen Vorgabe
gehandelt. Dies mag zwar der bei der Beklagten bestehenden Aktenlage widersprochen haben, wonach die Ausbildungszeit beamtenrechtlich
ruhegehaltsfähig gewesen sei, es entsprach aber der tatsächlichen Rechtslage, denn wie durch die spätere Versorgungsgewährung
durch die Deutsche Telekom klargestellt wurde, handelte es sich bei der Ausbildungszeit nicht um eine nach beamtenrechtlichen
Vorschriften ruhegehaltsfähige Zeit. Die Beklagte hat diesen Zeitraum aber bereits bei Erlass des Bescheides vom 8. Juni 2011
nicht als beamtenrechtlich ruhegehaltsfähige Zeit behandelt. Soweit der Bescheid vom 3. Januar 2012 ausdrücklich eine Rücknahmeentscheidung
enthält, handelt es sich um eine Scheinregelung. Regelungscharakter entfaltet der Bescheid vom 3. Januar 2012 tatsächlich
nur dahingehend, dass er eine Abänderung der Rentengewährung wie vom Kläger gewünscht ablehnt. Dies geschah allerdings zu
Recht.
Grundlage des Rentenanspruchs des Klägers ist §
35 SGB VI, denn er hat mit Vollendung des 65. Lebensjahres im Juli 2011 die Regelaltersgrenze erreicht und die allgemeine Wartezeit,
die gemäß §§
50,
51 SGB VI mindestens fünf Jahre mit Pflichtbeiträgen in der gesetzlichen Rentenversicherung erfordert, erfüllt. Hinsichtlich der Bewertung
rentenrechtlicher Zeiten mit Entgeltpunkten differenziert das
SGB VI u. a. zwischen der Bewertung von Beitragszeiten mit Entgeltpunkten und der Bewertung von beitragsfreien und beitragsgeminderten
Zeiten mit Entgeltpunkten. Grundsätzlich werden Entgeltpunkte für Beitragszeiten gemäß §
70 SGB VI aus dem Vergleich des vom jeweiligen Versicherten erzielten Entgeltes mit dem Durchschnittsentgelt aller Versicherten für
das jeweilige Kalenderjahr gebildet. Dementsprechend ist die Beklagte bei Bewertung der Ausbildungszeiten des Klägers auch
vorgegangen. Darüber hinaus ist in §§
71 bis
74 SGB VI eine gesonderte Bewertung beitragsfreier und beitragsgeminderter Zeiten im Rahmen der sogenannten Gesamtleistungsbewertung
vorgesehen, um Nachteile durch diese Zeiten auszugleichen bzw. zu minimieren. Als beitragsgeminderte Zeiten gelten dabei gemäß
§
54 Abs.
3 Satz 2
SGB VI u. a. Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für eine Berufsausbildung (Zeiten einer beruflichen Ausbildung). Beitragsfreie
Zeiten sind demgegenüber gemäß §
54 Abs.
4 SGB VI Kalendermonate mit Anrechnungszeiten, mit einer Zurechnungszeit oder mit Ersatzzeiten. Insofern sind beitragsfreie Zeiten,
in denen grundsätzlich rentenrechtliche Zeiten bestehen, von Versicherungsfreiheit nach §
5 SGB VI u. a. wegen einer Tätigkeit als Beamter gemäß §
5 Abs.
1 Nr.
1 SGB VI zu unterscheiden. Gemäß §
71 Abs.
2 SGB VI ist für beitragsgeminderte Zeiten die Summe der Entgeltpunkte um einen Zuschlag zu erhöhen, so dass mindestens der Wert erreicht
wird, den diese Zeiten jeweils als beitragsfreie Anrechnungszeiten oder als sonstige beitragsfreie Zeiten hätten. Beitragsfreie
Zeiten erhalten gemäß §
71 Abs.
1 SGB VI den Durchschnittswert an Entgeltpunkten, der sich aus der Gesamtleistung an Beiträgen des Versicherten im belegungsfähigen
Zeitraum ergibt. Dabei erhalten sie den höheren Durchschnittswert aus der Grundbewertung aus allen Beiträgen oder der Vergleichsbewertung
aus ausschließlich vollwertigen Beiträgen. Im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung werden Zeiten einer beruflichen Ausbildung
gemäß §
71 Abs.
3 Nr.
2 SGB VI mit mindestens 0,0833 Entgeltpunkten bewertet und diese Kalendermonate insoweit nicht als beitragsgeminderte Zeiten berücksichtigt.
Die Grundbewertung sieht gemäß §
72 Abs.
1 SGB VI vor, dass für jeden Kalendermonat Entgeltpunkte in der Höhe zugrundegelegt werden, die sich ergibt, wenn die Summe der Entgeltpunkte
für Beitragszeiten und Berücksichtigungszeiten durch die Anzahl der belegungsfähigen Monate geteilt wird. Der belegungsfähige
Gesamtzeitraum beträgt dabei gemäß §
72 Abs.
2 SGB VI die Zeit vom vollendeten 17. Lebensjahr bis zum Kalendermonat vor Beginn einer zu berechnenden Rente wegen Alters. Nicht
belegungsfähig sind gemäß §
72 Abs.
3 SGB VI Kalendermonate mit beitragsfreien Zeiten, die nicht auch Berücksichtigungszeiten sind, und Zeiten, in denen eine Rente aus
eigener Versicherung bezogen worden ist. Eine alternative Berechnungsmethode sieht §
73 SGB VI vor. Bei dieser Vergleichsbewertung ist entsprechend der Grundbewertung gemäß §
72 SGB VI vorzugehen, wobei allerdings nur die vollwertigen Beitragszeiten zu berücksichtigen und u. a. beitragsgeminderte Zeiten aus
dem belegungsfähigen Gesamtzeitraum herauszurechnen sind. Schließlich wird der sich aus der Gesamtleistungsbewertung ergebende
Wert für jeden Monat mit Zeiten einer beruflichen Ausbildung gemäß §
74 Satz 1
SGB VI auf 75 % begrenzt.
Entsprechend diesen gesetzlichen Vorgaben ist die Beklagte bei Ermittlung der Rentenhöhe in den Bescheiden vom 8. Juni 2011
und 3. Januar 2012 auch vorgegangen. Die Grundbewertung gemäß §
72 SGB VI und die Vergleichsbewertung gemäß §
73 SGB VI führten zu identischen Werten, dies auch deshalb, weil die Ausbildungszeit gemäß §
71 Abs.
3 Nr.
2 SGB VI bei dieser Berechnung nicht als beitragsgeminderte Zeit berücksichtigt wurde. Die Gesamtleistungsbewertung der beitragsgeminderten
Zeiten führte dabei nicht zu höheren Entgeltpunkten als im Rahmen der Ermittlung von Entgeltpunkten für Beitragszeiten nach
§
70 SGB VI für diese Zeiten. Die Entgeltpunkte für die Ausbildungszeit waren daher nicht zu erhöhen.
Nicht zu beanstanden ist, dass die Beklagte den belegungsfähigen Gesamtzeitraum gemäß §
72 Abs.
2 SGB VI nicht auf die Zeit bis zur Übernahme in das Beamtenverhältnis, sondern auf die Zeit bis zum Rentenbeginn begrenzt hat. Dies
folgt der gesetzlichen Regelung. Die Ausnahmetatbestände des §
72 Abs.
3 SGB VI liegen nicht vor. Bei der Zeit der beamtenrechtlichen Beschäftigung bei der Deutschen Post, später Deutschen Telekom, handelt
es sich insbesondere nicht um beitragsfreie Zeiten gemäß §
72 Abs.
3 Nr.
1 SGB VI; denn die in §
54 Abs.
4 SGB VI genannten Tatbestände für beitragsfreie Zeiten lagen nicht vor. Vielmehr bestand Versicherungsfreiheit im Sinne von §
5 Abs.
1 Nr.
1 SGB VI.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die gesetzliche Rechtslage bestehen nicht. Das Gleichheitsgebot des Art.
3 Abs.
1 GG gebietet es, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Art entsprechend verschieden zu behandeln. Der Gleichheitsgrundsatz ist
verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu einer anderen Gruppe von Normadressaten anders behandelt wird,
obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung
rechtfertigen können (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 8. Juni 2004, 2 BvL 5/00).
Eine Art.
3 GG widersprechende Ungleichbehandlung des Klägers als Beamter im Verhältnis zu anderen Statusgruppen ist nicht ersichtlich,
insbesondere nicht die vom Kläger vorgetragene Ungleichbehandlung zu Selbstständigen. Denn wer als Selbstständiger aus der
gesetzlichen Rentenversicherungspflicht ausscheidet (vgl. zu den Ausnahmen §
2 SGB VI), unterliegt am Ende des Berufslebens auch der Gesamtleistungsbewertung etwaiger beitragsfreier oder beitragsgeminderter
Zeiten nach §
72 Abs.
2 SGB VI. Die nicht versicherungspflichtigen Zeiten selbstständiger beruflicher Tätigkeit werden in dieser Konstellation auch nicht
aus dem belegungsfähigen Gesamtzeitraum herausgerechnet.
Der Gleichheitsgrundsatz gebietet auch keine gleichförmige Ausgestaltung der Alterssicherungssysteme der gesetzlichen Rentenversicherung
und der Versorgung der Ruhestandsbeamten. Zwar dienen beide Systeme der Sicherung des Lebensstandards im Alter, davon abgesehen
weisen sie wichtige Unterschiede auf, die es rechtfertigen, beide Alterssicherungssysteme unterschiedlich auszugestalten.
So beruht die Beamtenversorgung auf einem besonderen Dienst- und Treueverhältnis zwischen dem Dienstherrn und den Beamten
und geht deshalb vom Prinzip der angemessenen Alimentation aus. Sie wird vollständig steuerfinanziert und hat in Art.
33 Abs.
5 GG ihre verfassungsrechtliche Grundlage. Dagegen ist die gesetzliche Rentenversicherung eine Zwangsversicherung, die in mittelbarer
Staatsverwaltung von Selbstverwaltungsträgern durchgeführt wird. Ihre Finanzierung erfolgt überwiegend durch Beiträge der
Versicherten. Ferner wird die gesetzliche Rentenversicherung vom Gedanken des sozialen Ausgleichs geprägt (vgl. BSG, Urteil vom 20. Dezember 2007, 4 RA 9/05 R; Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 30. September 1987, 2 BvR 933/82). Der Gesetzgeber ist daher berechtigt, die Alterssicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung anders auszugestalten,
als die Pensionsversorgung der Ruhestandsbeamten. Dies greift der Kläger wohl auch gar nicht an, jedenfalls wirkt sich die
gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung andere Ausgestaltung der Beamtenversorgung finanziell zu seinem Vorteil aus.
Zwar würde die Gesamtleistungsbewertung der beitragsgeminderten Ausbildungszeiten für den Kläger rentenrechtlich günstiger
ausfallen, wenn er ab 1974 im Angestelltenverhältnis bei der Post/Telekom weiterbeschäftigt gewesen und nicht in das Beamtenverhältnis
gewechselt wäre. Er hätte dann aber auch keinen beamtenrechtlichen Pensionsanspruch in oben genannter Höhe erworben. Vielmehr
hätte die Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung unter Zugrundelegung des vom Klägerbevollmächtigten fiktiv genannten
Werts von 61 Entgeltpunkten bei Zugrundelegung des aktuellen Rentenwerts gemäß §
68 SGB VI knapp 1.800,00 EUR betragen. Dem steht eine beamtenrechtliche Pension von etwa 2.900,00 EUR gegenüber. Es trifft daher zwar
zu, dass der Kläger bei fiktiver Zurücklegung seiner Zeiten im Beamtenverhältnis als Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen
Rentenversicherung isoliert eine höhere Bewertung seiner Ausbildungszeiten rentenrechtlich beanspruchen könnte. Dieser Nachteil
wird durch den Erwerb einer beamtenrechtlichen Pensionsanwartschaft aber kompensiert.
Eine Ungleichbehandlung zu anderen Statusgruppen im Hinblick auf die Ermittlung des belegungsfähigen Gesamtzeitraums im Rahmen
der Gesamtleistungsbewertung nach §§
71 ff.
SGB VI liegt nicht vor. Dass bei dem Kläger ein ungünstiges Verhältnis zwischen Beitragszeiten und Zeiten, in denen keine Beiträge
zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt worden sind, vorliegt, folgt aus dem Systemwechsel mit der Übernahme in das Beamtenverhältnis
1974. Insofern wird der Kläger aber nicht anders behandelt als andere Versicherte, die aus anderen Gründen, sei es Sozialhilfebedürftigkeit,
selbstständige Tätigkeit, versicherungsfreie geringfügige Beschäftigung oder ähnliches, über einen langen Zeitraum keine Beitragszeiten
in der gesetzlichen Rentenversicherung (mehr) haben.
Die Regelungen zur Gesamtleistungsbewertung verstoßen auch nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art.
14 Abs.
1 Satz 1
GG. Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung bejaht, dass Rentenansprüche und Rentenanwartschaften unter
den Schutz der Eigentumsgarantie des Art.
14 Abs.
1 Satz 1
GG fallen, dabei aber Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums in weitem Umfang für zulässig erachtet. Dabei hat es
betont, dass dem Gesetzgeber, bezogen auf die gesetzliche Rentenversicherung, zur Höhe der Rentenleistung eine ausreichende
Flexibilität erhalten bleiben muss, um das Rentenversicherungssystem und insbesondere dessen Finanzierung zu gewährleisten.
Gesetzliche Maßnahmen, die der Erhaltung der Funktions- und Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung dienen,
müssten allerdings von einem gewichtigen öffentlichen Interesse getragen und verhältnismäßig sein (vgl. Bundesverfassungsgericht,
Beschluss vom 26. Juli 2007, 1 BvR 824/03, 1 BvR 1247/07, [...]). Nach diesen Maßstäben liegt ein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie in den geschilderten gesetzlichen Regelungen
nicht vor. Insbesondere dienen diese einem gewichtigen öffentlichen Interesse, nämlich der Gleichbehandlung verschiedener
Versicherungsbiografien im Rahmen der Rentenhöhebestimmung. Die Regelungen sind auch verhältnismäßig. Dies folgt schon daraus,
dass die Gesamtleistungsbewertung nach §§
71 ff.
SGB VI lediglich der Besserstellung beitragsfreier und beitragsgeminderter Zeiten dient, um Nachteile, die etwa mit der typischerweise
geringen Vergütung während einer beruflichen Ausbildung bzw. der ersten Berufsjahre einhergehen, auszugleichen. Eine Entwertung
der auf eigener Leistung beruhenden Vorleistung durch Beitragszahlung findet durch diese Regelung gerade nicht statt, denn
die Entgeltpunkte, die für Ausbildungszeiten nach §
70 SGB VI zu ermitteln sind, bleiben dem Versicherten in jedem Fall erhalten. Auch der Kläger muss keine Verminderung seiner aufgrund
eigener Beiträge ermittelten Entgeltpunkte hinnehmen. Er kommt lediglich nicht in den Genuss einer Höherbewertung der Ausbildungszeiten.
Entgegen den Ausführungen des Klägers ist das Äquivalenzverhältnis zwischen Beitragszahlung und Rentenzahlung daher auch nicht
beeinträchtigt.
Da die gesetzlichen Regelungen zur Gesamtleistungsbewertung, die die Beklagte fehlerfrei angewandt hat, nicht gegen das Verfassungsrecht
verstoßen, war das Verfahren auch nicht gemäß Art.
100 GG zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht auszusetzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs.
1 und Abs.
4 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.
2 SGG sind nicht erkennbar.