Kein Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bei einer geringgradigen Ausprägung einer Angststörung
Tatbestand
Der am 1969 geborene Kläger begehrt die Zuerkennung einer Erwerbsminderungsrente.
Der Kläger hat keine förmliche Berufsausbildung abgeschlossen. Er ist in der Vergangenheit in verschiedenen Tätigkeiten auf
dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig gewesen, so im Einzelhandel, in einer Spielhalle, an einer Tankstelle, in einem
Fitnessstudio und als Parkplatzwächter. Seit mehreren Jahren bezieht er Leistungen der Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch,
Zweites Buch (SGB II).
Am 29. Februar 2008 stellte der Kläger einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Dieser war aus seiner Sicht
nicht erfolgreich. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 2. April 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides
vom 30. Juni 2008 ab. Das dagegen angestrengte Klageverfahren war ebenfalls nicht erfolgreich. Nach Sachverhaltsaufklärung
im Klageverfahren, insbesondere der Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens des Sachverständigen Dr. H____
vom 18. Juli 2007 und der Einholung einer berufskundlichen Stellungnahme des Sachverständigen L_______ vom 26. August 2011,
nahm der Kläger die Klage zurück.
Am 28. Juni 2011 beantragte der Kläger gegenüber der Beklagten die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Diesen Antrag lehnte
die Beklagte nach Auswertung der im vorherigen gerichtlichen Verfahren erfolgten sozialmedizinischen Sachverhaltsaufklärung
mit Bescheid vom 17. August 2011 ab und führte zur Begründung aus, die sozialmedizinischen Voraussetzungen für den Bezug einer
Erwerbsminderungsrente lägen nicht vor.
Dagegen richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 31. August 2011. Zur Begründung führte er aus, er könne zeitlich nur
sehr eingeschränkt Tätigkeiten verrichten und dies auch nur in Fuß- bzw. Fahrradentfernung. Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel
sei ihm nicht möglich. Auto fahren könne er nicht. Fahrten als Beifahrer könne er nur bis zu 5 Kilometer bewältigen. Einer
höheren Belastung halte er wegen der körperlichen und vor allem psychischen Beeinträchtigungen nicht Stand.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16. November 2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, der
Kläger könne aus sozialmedizinischer Sicht noch mindestens sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten
verrichten, so dass eine Erwerbsminderung nicht vorliege. Da der Kläger nach dem 1. Januar 1961 geboren sei, bestehe auch
kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Mit der am 16. Dezember 2011 beim Sozialgericht Schleswig erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Zur
Begründung hat er vorgetragen, er sehe sich nicht in der Lage, mindestens drei Stunden täglich zu arbeiten, denn er leide
an einem Erschöpfungssyndrom, das von Panikattacken und Angststörungen begleitet werde. Zudem bestehe zusätzlich eine reaktive,
depressive Episode. Arbeitsorte müssten höchstens innerhalb von zehn Minuten mit dem Fahrrad erreichbar sein. Längere Autofahrten
oder die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel seien ihm nicht möglich, denn er bekomme dann immer wieder Angstzustände. Der
Kläger hat darauf hingewiesen, dass er im Zeitraum zwischen 2010 und 2014 häufig arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei und entsprechende
Krankschreibungen zur Akte gereicht. Daraus ergebe sich, dass er während dieses gesamten Zeitraums nicht in der Lage gewesen
sei, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Die Auffassung der im gerichtlichen Verfahren gehörten Sachverständigen teile er
nicht. Berufsfelder, wie sie der berufskundige Sachverständige vorgeschlagen habe, existierten nicht. Versandfertigmacher
seien oft im Akkord tätig, da gewisse Stückzahlen erreicht werden müssten. Sei eine Akkordarbeit nicht vorgesehen, handele
es sich um den zweiten oder dritten Arbeitsmarkt, der für ihn mangels entsprechender Behinderung nicht in Betracht komme.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18. August 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. November
2011 zu verurteilen, ihm eine Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf die Begründung der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen bezogen und sich durch die im Gerichtsverfahren
durchgeführte sozialmedizinische Sachverhaltsaufklärung bestätigt gesehen.
Das Sozialgericht hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes zunächst Befundberichte des behandelnden Hausarztes Dr. S_____
vom 20. Juni 2013, des ärztlichen Psychotherapeuten Dr. Bockhardt vom 20. Juni 2013 und der Psychiaterin Ricken vom 26. Juni
2013 eingeholt. Sodann hat das Sozialgericht von dem Neurologen und Psychiater Dr. H____ ein Fachgutachten eingeholt, welches
der Sachverständige nach einer ambulanten Untersuchung des Klägers vom 5. Dezember 2013 am 7. Dezember 2013 erstattet hat.
Dr. H____ hat auf psychiatrischem Fachgebiet bei dem Kläger eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom impulsiven
Typ von insgesamt geringem Schweregrade, eine Neigung zum Missbrauch von Alkohol, gegenwärtig ohne Substanzgebrauch, und eine
rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig in leichter Episode, diagnostiziert. Darüber hinaus beständen ein Zustand nach
Schulteroperation links mit diskreter Einschränkung der Belastbarkeit des linken Schultergelenkes und eine medikamentös eingestellte
Schilddrüsenüberfunktion. Aufgrund der psychischen Erkrankung könne der Kläger keine Tätigkeiten mit besonderer psychischer
Belastung, mit besonderem Zeitdruck, mit besonderem Leistungsdruck oder mit der Notwendigkeit von Teamarbeit mehr verrichten.
Auch Tätigkeiten mit überwiegendem Publikumsverkehr sowie regelmäßige Tätigkeiten in engen Räumen und Tätigkeiten in Nachtschicht
könnten nicht verrichtet werden. Im Hinblick auf die leichte Bewegungseinschränkung der linken Schulter sollten regelmäßige
Überkopfarbeiten mit dem linken Arm und Arbeiten mit besonderen Anforderungen an die Kraft und Ausdauer des linken Armes vermieden
werden. Besonderheiten auf dem Weg zur Arbeitsstelle seien nicht zu berücksichtigen. Trotz der vorgebrachten Beeinträchtigungen
sei der Kläger in der Lage, zweimal täglich öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Aus nervenärztlicher Sicht benötige er
dazu keine Begleitperson.
Das Sozialgericht hat darüber hinaus eine berufskundliche Stellungnahme des Sachverständigen L_______ eingeholt, der den allgemeinen
Arbeitsmarkt aufgrund des sozialmedizinisch ermittelten Leistungsvermögens nicht als verschlossen angesehen hat. Der Kläger
sei in der Lage, einfache gewerbliche Arbeiten zu verrichten, etwa leichte Pack- und einfache Sortierarbeiten in der Ausübungsform
eines Versandfertigmachers.
Im Hinblick auf die vom Kläger geäußerte Kritik hat das Sozialgericht den Sachverständigen L_______ in der mündlichen Verhandlung
vom 13. März 2014 ergänzend befragt. Dabei hat dieser angegeben, es sei nicht zutreffend, dass Tätigkeiten als Versandfertigmacher
in der Regel im Akkord durchgeführt würden. Die von ihm benannten Tätigkeiten seien gerade nicht maschinengesteuert und es
werde ein mittleres Arbeitstempo erwartet, das nicht nach Akkordrichtsätzen bemessen werde. Die Entlohnung erfolge im Zeitlohn.
Die Anzahl der bundesweit in Betracht kommenden Stellen auf dem ersten Arbeitsmarkt liege dabei deutlich oberhalb von 300
bis 400.
Mit Urteil vom 13. März 2014 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Dabei ist es hinsichtlich der sozialmedizinischen
Leistungseinschätzung dem Gutachten des Sachverständigen Dr. H____ gefolgt und hinsichtlich der berufskundlichen Bewertung
den Ausführungen des Sachverständigen L_______. Die Einschätzung des Sachverständigen Dr. H____, wonach nur eine leichte depressive
Episode vorliege, sei aufgrund des erhobenen klinisch-psychopathologischen Befunds und der tatsächlich in Anspruch genommenen
fachspezifischen Behandlungen sowie der Dosis der medikamentösen Behandlung schlüssig. Es sei auch nicht vom Vorliegen einer
schweren Angst- und Panikstörung auszugehen. Zwar habe der Kläger in der Vergangenheit immer wieder Symptome einer Angststörung
gezeigt, diese spiele aber, wie der Sachverständige nachvollziehbar ausgeführt habe, aufgrund der zwischenzeitlich eingetretenen
sozialen Stabilisierung im Rahmen der Partnerschaft nur eine vergleichsweise geringe Rolle. Der allgemeine Arbeitsmarkt sei
dem Kläger auch nicht verschlossen, denn dieser könne noch leichte Pack- und einfache Sortiertätigkeiten in der Ausübungsform
eines Versandfertigmachers wettbewerbsfähig verrichten. Abzustellen sei auf Arbeiten, die nicht durch Anlagen oder Maschinen
vorgegeben würden und bei denen der Lohn nicht nach Akkordrichtsätzen bemessen werde. Dabei würden keine besonderen Anforderungen
an die Teamfähigkeit gestellt und auch nicht mit Publikum gearbeitet. Erhöhter Zeitdruck werde insoweit nicht abverlangt.
Eine normale Arbeitsleistung ohne erhöhten Zeitdruck sei dem Kläger aber zumutbar.
Gegen das seiner Bevollmächtigten am 28. März 2014 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 14. April
2014. Zur Begründung trägt er vor, das Sozialgericht und die Beklagte hätten seine berufliche Leistungsfähigkeit falsch eingeschätzt.
Die bei ihm vorliegenden Panikattacken führten dazu, dass er nur in nicht vorhersehbarem Umfang in der Lage sei, das Haus
zu verlassen, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren, sich von seiner Ehefrau mit dem Auto fahren zu lassen oder am Leben
in der Gemeinschaft teilzunehmen. Je mehr er unter Druck gerate, desto häufige träten die Panikattacken auf. Unter Druck gerate
er bereits, wenn er Termine oder ähnliches wahrzunehmen habe. Für ihn stelle es ein unüberbrückbares Hindernis dar, zu einer
bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort regelmäßig zu erscheinen. Genau dies wäre aber auf dem Arbeitsmarkt notwendig. Diese
Konstellation lasse das medizinische Sachverständigengutachten außer Acht. Auch das berufskundliche Gutachten führe nicht
zu einer anderen Betrachtungsweise, da davon auszugehen sei, dass ihm der erste Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehe. Diese
Einschätzung teile auch seine zuständige Sachbearbeiterin bei der Arbeitsagentur. Es sei allenfalls der zweite Arbeitsmarkt
offen, für den er aber mangels entsprechender Behinderung nicht vermittelbar sei.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 13. März 2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.
August 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. November 2011 zu verurteilen, ihm ab 1. Juni 2011 eine Rente wegen
voller,
hilfsweise
teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie weist darauf hin, dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die begehrte Rente nur bei einem Leistungsfall
bis zum 30. September 2011 erfüllt wären.
Der Senat hat von dem Neurologen und Psychiater F_________ ein weiteres Gutachten eingeholt, welches dieser am 11. Dezember
2014 aufgrund einer ambulanten Untersuchung des Klägers vom 8. Dezember 2014 im Rahmen eines Hausbesuchs erstattet hat. Der
Sachverständige F_________ hat in seinem Gutachten ausgeführt, im Vordergrund ständen die seit 2004 erstmals beschriebenen
Panikattacken. Die Diagnose beruhe allerdings hauptsächlich auf der Eigenschilderung des Klägers. Bezüglich des Leidensdruckes
sei neben der Eigenschilderung die Inanspruchnahme therapeutischer Hilfen zu berücksichtigen. Dabei sei festzustellen, dass
mit Ausnahme einer milden Medikation mit einem Antidepressivum und einem monatlichen Gespräch beim behandelnden Nervenarzt
keine weitere Therapie erfolge. Bei stark ausgeprägtem Leidensdruck wäre eine intensivierte Therapie unter Einschluss einer
ambulanten Psychotherapie auf verhaltenstherapeutischer Basis mit einem gestuften Expositionstraining oder bei stärkerer Ausprägung
eine stationäre psychosomatisch ausgerichtete Krankenhausbehandlung zu erwarten. Der Kläger habe indessen kein Interesse,
derartige Behandlungsoptionen in Anspruch zu nehmen. Dieser habe geäußert, er wisse, wie er die Panikattacken vermeiden könne,
daher sei eine solche Therapie aus seiner Sicht nicht erforderlich. Darüber hinaus bestätigte Herr F_________ das Bestehen
einer rezidivierenden depressiven Störung in gegenwärtig leichtgradiger Ausprägung und eine Persönlichkeitsstörung, wobei
er in Abgrenzung zu Dr. H____ jedenfalls für den Zeitpunkt seiner Untersuchung nicht von einer impulsiven, sondern einer kombinierten
Persönlichkeitsstörung ausging. Herr F_________ bestätigte ebenfalls die nichtpsychiatrischen Diagnosen und zusätzlich degenerative
Veränderungen der Wirbelsäule ohne eindeutige Nervenwurzelreizerscheinungen diagnostiziert. Das berufliche Leistungsvermögen
hielt er für qualitativ, aber nicht quantitativ eingeschränkt. So könne der Kläger keine schweren Tätigkeiten mehr verrichten
und leichte oder mittelschwere Arbeiten zwar ständig im Sitzen, aber nur überwiegend im Gehen und Stehen. Zu vermeiden seien
sehr enge Räumlichkeiten, wie z. B. Fahrstühle. Arbeiten unter besonderem Zeitdruck, wie z. B. im Akkord oder am Fließband,
sollten vermieden werden, ebenso Nachtschichttätigkeiten. Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sollten ebenfalls vermieden werden.
Tätigkeiten am Computer sollten nicht ständig ausgeführt werden, gelegentliche Tätigkeiten am Computer seien aber problemlos
möglich. Auch Tätigkeiten mit Publikumsverkehr seien möglich, wenn diese nicht mit einer besonderen nervlichen Belastung einhergingen.
Besondere Anforderungen an die linke Schulter, z. B. Arbeiten über Schulterhöhe mit dem linken Arm, sollten vermieden werden.
Die Wegefähigkeit sei erhalten. Zwar gebe der Kläger an, öffentliche Verkehrsmittel nicht benutzen zu können. Es sei aber
festzustellen, dass Angststörungen durch entsprechende Therapien gut überwunden werden könnten. Des Weiteren sei festzustellen,
dass der Kläger durchaus im öffentlichen Verkehrsraum mit dem Fahrrad unterwegs sei, mit seiner Frau oder Freunden zusammen
einkaufen fahre. Auch besuche er seine Schwiegermutter. Insofern sei aus neuropsychiatrischer Sicht festzustellen, dass es
dem Kläger durchaus mit zumutbarer innerer Willensanspannung möglich sei, zweimal täglich öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.
Die Klägerbevollmächtigte hat mit am 22.4.15 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz mitgeteilt, dass der Kläger arbeitsunfähig
erkrankt sei und gebeten nach Lage der Akten zu entscheiden.
In der mündlichen Verhandlung vom 5. Mai 2015 ist für den Kläger niemand erschienen. Die Beklagte hat eine Entscheidung nach
Lage der Akten beantragt.
Ergänzend wird hinsichtlich des Sach- und Streitstandes auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der
Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht innerhalb der Monatsfrist des §
151 Abs.
1 SGG eingelegt worden. Einer besonderen Zulassung gemäß §
144 SGG bedurfte sie schon deswegen nicht, weil um laufende Leistungen für mehr als ein Kalenderjahr gestritten wird.
Die Berufung ist aber unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die
angefochtenen Verwaltungsentscheidungen sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Dieser hat keinen
Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung sind in §
43 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung (
SGB VI) geregelt. Danach bestehen sowohl versicherungsrechtliche als auch medizinische Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer
solchen Rente. Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung,
wenn sie teilweise oder voll erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge
für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt
haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind,
unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein, §
43 Abs.1 S.2
SGB VI. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbarer Zeit außerstande sind,
unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein, §
43 Abs.2 S.2
SGB VI.
Darüber hinaus haben Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren sind, bei Erfüllung der oben genannten versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen gemäß §
240 SGB VI Anspruch auf Renten wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind Versicherte, deren
Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zu der Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelischen
gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden
täglich gesunken ist.
Die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß §
43 Abs.
1 in Verbindung mit §
240 Abs.
1 SGB VI kommt im Falle des Klägers bereits aufgrund seines Geburtsdatums nach 1961 nicht in Betracht.
Für eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung allein aus sozialmedizinischen Gründen liegen die besonderen
versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nur für einen Leistungsfall bis zum 30. September 2011 vor. Zwar kommt der Bezug
von Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Zweites Buch (SGB II) grundsätzlich als anwartschaftserhaltend für den Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente in Betracht. So waren Zeiten eines
solchen Leistungsbezuges bis zum 31. Dezember 2010 gemäß §
3 Satz 1 Nr. 3a
SGB VI grundsätzlich Pflichtversicherungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung. Sie sind seit 1. Januar 2011 Anrechnungszeiten
gemäß §
58 Abs.
1 Nr.
6 SGB VI, die den 5 -Jahreszeitraum gemäß §
43 Abs.4 Nr.1
SGB VI verlängern können. Der SGB II-Leistungsbezug des Klägers ist allerdings für den Zeitraum vom 31. August 2008 bis 1. August 2010 für 23 Monate unterbrochen
gewesen. Eine weitere Lücke findet sich zwischen dem 1. August 2011 und dem 1. Januar 2012. 36 Monate mit Pflichtbeitragszeiten
in einem rückwärtigen Fünfjahreszeitraum, verlängert um die als Anwartschaftserhaltungszeiten gemäß §
43 Abs.
4 Nr.
1 SGB VI anzuerkennenden SGB II-Bezugszeiten nach dem 1. November 2011, finden sich daher maximal bis zu einem Leistungsfall am 30. September 2011.
Ungeachtet dessen liegen für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum die sozialmedizinischen Leistungsvoraussetzungen
für eine Erwerbsminderungsrente nicht vor. In Auswertung der im Laufe des Verfahrens eingeholten medizinischen Gutachten,
namentlich des zuletzt eingeholten Gutachtens des Neurologen und Psychiaters F_________, hat sich der Senat die Überzeugung
gebildet, dass der Kläger an einer Angststörung mit einhergehenden Panikattacken leidet. Allerdings ist diese Erkrankung nicht
so stark ausgeprägt, wie der Kläger es vorträgt. Die Diagnose beruht im Wesentlichen auf der Eigenschilderung des Klägers.
Ein Anhaltspunkt für die Einschätzung der Intensität einer solchen Erkrankung ist neben der Eigenschilderung der durch die
Inanspruchnahme therapeutischer Hilfen zum Ausdruck kommende Leidensdruck. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Kläger
keine psychotherapeutische Hilfe in Anspruch nimmt, psychiatrische Behandlungen nur äußerst niedrigfrequentiert stattfinden
und auch eine medikamentöse psychiatrische Behandlung in Hinblick auf die ebenfalls vorhandene leichtgradige Depression nur
äußerst niedrig dosiert in Anspruch genommen wird. Auch besteht ausweislich der Angaben des Klägers gegenüber dem Sachverständigen
F_________ keine hinreichende Motivation zu einer mit guten Erfolgsaussichten möglichen Behandlung seiner Panikattacken. Es
ist daher schlüssig und aus Sicht des Senats überzeugend, wenn der Sachverständige F_________ bei dieser Sachlage von einer
eher geringradigen Ausprägung der Angststörung ausgeht.
Daneben besteht eine Persönlichkeitsstörung, die mit leichter Kränkbarkeit, einer Neigung zu emotionalen Ausbrüchen und einer
Selbstwahrnehmung als Opfer einhergeht. Ferner besteht auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet eine rezidivierende depressive
Störung, die gegenwärtig aber nur leichtgradig ausgeprägt ist. Gegen eine stärkere Ausprägung der Depression sprechen die
niedrigdosierte Medikation und die von dem Kläger geschilderte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, insbesondere im Rahmen
des Freundes- und Bekanntenkreises seiner jetzigen Ehefrau. Ein früher vorhandener Alkoholmissbrauch liegt gegenwärtig nicht
mehr vor. Darüber hinaus bestehen somatische Erkrankungen, insbesondere degenerative Veränderungen im linken Schultergelenk
und eher leichtgradige degenerative Veränderungen der Wirbelsäule ohne eindeutige Nervenwurzelreizerscheinungen mit einhergehenden
Rückenschmerzen. Schließlich besteht eine medikamentös eingestellte Schilddrüsenüberfunktion.
Aufgrund dieser diagnostischen Lage ist der Kläger in seiner beruflichen Leistungsfähigkeit zwar qualitativ, aber nicht quantitativ
eingeschränkt. So sind zwar grundsätzlich schwere körperliche Tätigkeiten wegen der degenerativen Wirbelsäulenveränderung
ausgeschlossen, leichte und mittelschwere Arbeiten kann er aber noch verrichten. Diese kann er ständig im Sitzen und überwiegend
im Gehen und Stehen verrichten. Eine Beschränkung des Ortes der Ausübung der Tätigkeit besteht nur dahingehend, dass sehr
enge Räume, wie etwa Fahrstühle, in Hinblick auf die Angsterkrankung vermieden werden sollten. In körperlicher Hinsicht sollte
der Kläger zudem keine Tätigkeiten verrichten, die die linke Schulter besonders belasten, insbesondere Tätigkeiten mit dem
linken Arm über Schulterhöhe. Auch ständige Tätigkeiten am Computer sind im Hinblick auf die damit verbundene Zwangshaltung
der Halswirbelsäule zu vermeiden. Gelegentliche Tätigkeiten am Computer sind aber möglich. Weitere Leistungseinschränkungen
bestehen in psychomentaler Hinsicht. So kann der Kläger zwar in Früh- oder Spätschicht tätig sein, in Nachtschicht sollte
er aber nicht arbeiten. Auch sollte ein besonderer Zeitdruck, wie er z. B. bei Akkord- oder Fließbandarbeit vorkommt, vermieden
werden. Schließlich sind ihm Tätigkeiten mit Publikumsverkehr grundsätzlich möglich, aber nicht, wenn dies mit einer besonderen
nervlichen Belastung einhergeht, etwa bei einer Beschwerdeannahmestelle.
Bei Beachtung dieser qualitativen Leistungseinschränkungen besteht keine quantitative Leistungseinschränkung auf unter sechs
Stunden täglich im Rahmen einer Fünftagewoche. Der Kläger ist daher nicht voll oder teilweise erwerbsgemindert im Sinne des
§
43 Abs.
1 und Abs.
2 SGB VI.
Eine konkrete Verweisungstätigkeit, die mit den bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen noch verrichtet werden kann,
muss dem Kläger nicht benannt werden. Dies wäre nur dann der Fall, wenn eine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder
eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen vorläge (vgl. BSG, Großer Senat, Beschluss vom 19. Dezember 1996, GS 2/95, [...]). Keine der bei dem Kläger vorliegenden Leistungsbeeinträchtigungen ist für sich genommen so gewichtig, dass sie Anhaltspunkte
für eine Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes bietet. Aber auch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen
liegt nicht vor. Zwar ist der Kläger sowohl in körperlicher als auch in psychomentaler Hinsicht qualitativ beeinträchtigt,
die Leistungsbeeinträchtigungen sind für sich genommen aber nicht besonders gewichtig. So sind in körperlicher Hinsicht lediglich
schwere Arbeiten und bestimmte Zwangshaltungen ausgeschlossen. Auch in psychomentaler Hinsicht führen die benannten Leistungsbeeinträchtigungen
nicht dazu, dass der Kläger von einer Vielzahl von Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschlossen wäre. Viele
körperlich leichte oder mittelschwere Tätigkeiten, die mit keinen besonderen psychomentalen Belastungen einhergehen, kann
der Kläger noch verrichten. Dabei sind die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorkommenden Handlungsfelder der Kontrolle, des
Sortierens und Verpackens sowie der Aufsicht zu nennen. Auch Bürohilfstätigkeiten oder einfache Verkaufstätigkeiten, die nicht
mit der Notwendigkeit ständigen Stehens einhergehen, kommen in Betracht. Bei einer solchen Sachlage liegt keine Summierung
ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen vor (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2012, B 5 R 68/11 R, [...]).
Ungeachtet dessen hat der Senat auch keinen Zweifel daran, dass der Kläger etwa, aber keinesfalls ausschließlich, die von
dem berufskundigen Sachverständigen L_______ genannte Tätigkeit des Versandfertigmachers noch verrichten kann. Dem Kläger
ist zwar zuzugestehen, dass eine solche Tätigkeit für ihn ausscheidet, sofern sie mit einem besonderen Zeitdruck oder anderen
besonderen nervlichen Belastungen einhergeht. Zwar gibt es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch Pack- und Sortiertätigkeiten,
die im Akkord verrichtet werden, bei vielen Tätigkeiten des Verpackens und Sortierens ist dies aber nicht der Fall, wie der
Sachverständige L_______ schlüssig dargelegt hat. Vielmehr wird oftmals nur ein normales Arbeitstempo verlangt. Dies ist dem
Kläger zuzumuten. Darüber hinaus kommen zur Überzeugung des Senats etliche weitere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes
in Betracht, etwa Bürohilfstätigkeiten, aber auch die vom Kläger in der Vergangenheit verrichteten Tätigkeiten im Einzelhandel
oder als Parkplatzwächter.
Auch die Wegefähigkeit, die als Fähigkeit, einen Arbeitsplatz zumutbar zu erreichen, Teil der Erwerbsfähigkeit ist, ist nicht
eingeschränkt. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat insoweit pauschalierte Anforderungen entwickelt und die Wegefähigkeit
als Fähigkeit, viermal täglich eine Strecke von über 500 m in höchstens 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal täglich
zu den Hauptverkehrszeiten öffentliche Verkehrsmittel benutzen zu können, definiert (vgl. BSG, Urteil vom 19. November 1997, 5 RJ 16/97, [...]). Diese Fähigkeit ist bei dem Kläger erhalten. An der Fähigkeit, mehr als 500 m in höchstens 20 Minuten zweimal täglich
zurückzulegen, bestehen keinerlei Zweifel. Nach den eigenen Schilderungen des Klägers ist es ihm allerdings nicht möglich,
öffentliche Verkehrsmittel zu den Hauptverkehrszeiten zu benutzen. Diese Selbsteinschätzung kann der Leistungsbeurteilung
aber nicht zugrundegelegt werden. Schlüssig hat der Sachverständige F_________ nämlich dargelegt, dass diese Beschwerdeschilderung
im Widerspruch zu dem weiteren Beschwerdebild und den Schilderungen des Klägers zu seiner Teilhabe am öffentlichen Leben steht.
Überzeugend hat der Sachverständige F_________ ferner ausgeführt, dass die Angststörung durch eine gestufte Verhaltenstherapie
mit schrittweiser Exposition ganz überwunden werden könnte, wozu es dem Kläger allerdings an Motivation mangelt. Unabhängig
davon hat der Sachverständige darüber hinaus aus fachlicher Sicht angenommen, dass es dem Kläger auch gegenwärtig, d.h. ohne
Expositionstherapie, mit zumutbarer innerer Willensanspannung möglich sein müsste, öffentliche Verkehrsmittel zweimal täglich
zu benutzen. Dieser Einschätzung schließt sich der erkennende Senat an. Sie wird durch die gegenüber den Gutachtern geschilderte
Teilhabe am gesellschaftlichen Leben durch Fahrradtouren, Gemeinsame Einkäufe mit seiner Ehefrau und gemeinsame Aktivitäten
mit Freunden und der Familie seiner Frau (Gemeinsame Fahrradtouren, Schwimmbadbesuche, Frühstücken Gehen) gestützt.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs.
1 und Abs.
4 SGG und folgt der Sachentscheidung.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.