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LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 23.02.2021 - 10 KR 118/17
Anspruch auf Versorgung mit einem elektromotorunterstützten mechanischen Rollstuhlzuggerät als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung Abgrenzung der Leistung zur medizinischen Rehabilitation Anforderungen an die Einhaltung der Grenzen des Übermaßverbots
1. Bei Hilfsmitteln, die dem Behinderungsausgleich oder der Vorbeugung vor Behinderung i.S.d. § 33 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 und 3 SGB V zu dienen bestimmt sind, handelt es sich um Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, weshalb sich die zu beachtenden Entscheidungsfristen und die Sanktionen bei etwaiger Fristüberschreitung für den Leistungsträger aus §§ 14 und 15 SGB IX ergeben, nicht hingegen aus § 13 Abs. 3a SGB V.
2. Ein Rollstuhl-Zuggerät, mit dem das Erreichen einer Geschwindigkeit von mehr als 6 km/h durch einen geräteimmanenten Elektromotor unterstützt wird, überschreitet im Rahmen des Ausgleichs einer Geh- bzw. Mobilitätsbehinderung (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Var. 3 SGB V) stets das Maß des Notwendigen i.S.d. § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V (BSG, Urteil vom 30. November 2017, B 3 KR 3/16 R). Wenn besondere medizinische Aspekte im Einzelfall eine Versorgung mit einem solchen Zuggerät gleichwohl erfordern, steht das Übermaßverbot der Versorgung in einem solchen Ausnahmefall jedoch nicht entgegen.
3. Bei der Frage nach der Erforderlichkeit der Versorgung eines Versicherten mit einem die Grenzen des Übermaßverbots überschreitenden Rollstuhl-Zuggerät ist das Recht des behinderten Menschen auf möglichst selbstbestimmte Teilhabe sowie das Versicherten eingeräumte Wunsch- und Wahlrecht zu berücksichtigen; eine Grenze des Leistungsanspruchs bildet aber nach wie vor der Umstand, dass die Krankenkasse im Rahmen des mittelbaren Ausgleichs einer krankheitsbedingten Mobilitätsbeeinträchtigung lediglich verpflichtet ist, dem Versicherten eine angemessene Erschließung seines Wohnungsnahbereichs zu ermöglichen (BSG, Urteil vom 7. Mai 2020, B 3 KR 7/19 R).
4. Im Falle eines Anspruchs auf Versorgung mit einem Rollstuhl-Zuggerät, das über das Maß des Notwendigen hinausgeht, hat der Versicherte die dadurch entstehenden Mehrkosten nach § 33 Abs. 1 Satz 9 SGB V selbst zu tragen.
Normenkette:
SGB V § 13 Abs. 3a S. 1 und S. 6 und S. 9
,
SGB V § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 3
,
SGB V § 33 Abs. 1 S. 1 Alt. 1-3
,
SGB V § 34 Abs. 4
,
SGB V § 139 Abs. 1 S. 2
,
SGB IX § 2 Abs. 1 S. 1
, , ,
SGB IX § 113 Abs. 1 S. 1
,
GG Art. 3 Abs. 3 S. 2
Vorinstanzen: SG Schleswig 15.06.2017 S 6 KR 232/14
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Schleswig vom 15. Juni 2017 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor wie folgt gefasst wird:
Der Bescheid der Beklagten vom 15. Mai 2014 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 3. September 2014 wird geändert.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ein Rollstuhlzuggerät "Speedy Duo 2" als Sachleistung zu gewähren. Dabei hat die Klägerin die für die Hilfsmittelversorgung über das Maß des Notwendigen hinausgehenden Mehrkosten von 447,02 EUR selbst zu tragen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Auslagen der Klägerin im Vor-, Klage- und Berufungsverfahren zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.

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