Anspruch eines Asylbewerbers auf Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe nach dem SGB III anlässlich einer Ausbildung zum Koch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes im sozialgerichtlichen Verfahren
Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes
Gründe
Mit Beschluss vom 2. November 2018 hat das Sozialgericht den Antrag des Antragstellers, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen
Anordnung vorläufig zu verpflichten, ihm - dem Antragsteller - ab dem 1. August 2018 Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) nach
den §§
56 ff. Sozialgesetzbuch, Drittes Buch (
SGB III) anlässlich seiner aufgenommenen Ausbildung zum Koch zu gewähren, abgelehnt.
Der 1994 geborene Antragsteller kam als Flüchtling aus Afghanistan im Oktober 2015 nach Deutschland. Hier stellte er einen
Asylantrag, über den noch nicht rechtskräftig entschieden ist; wann über die beim Verwaltungsgericht anhängige Klage (7 A 873/17) entschieden wird, ist noch nicht absehbar. Der Antragsteller befindet sich seit dem 1. August 2018 in einem Ausbildungsverhältnis
zum Koch. Bei dem Antragsteller besteht eine durchgehende Aufenthaltsgestattung, zuletzt bis zum 7. Januar 2019. Der Antragsteller
lebt ab dem 31. Juli 2017 in einer Wohnung, deren Kosten er sich mit einem anderen Mitbewohner teilt (290,00 EUR). Der Antragsteller
erhält aufstockende Leistungen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz (
AsylbLG) in Höhe von monatlich 383,20 EUR. Die Ausbildungsvergütung im ersten Ausbildungsjahr beträgt monatlich 640,00 EUR brutto
(520,00 EUR netto). Den vom Antragsteller am 1. Mai 2018 bei der Antragsgegnerin gestellten Antrag auf Gewährung von BAB lehnte
diese mit Bescheid vom 20. Juni 2018 ab, wogegen der Antragsteller Widerspruch eingelegte, über den -soweit ersichtlich -noch
nicht entschieden ist. Die ablehnende Entscheidung hat das Sozialgericht im Wesentlichen damit begründet, dass es dem Antragsteller
für eine vorläufige Entscheidung an einem Anordnungsgrund fehle, weil er über existenzsichernde Leistungen aufgrund seiner
Einkommenssituation verfüge. Darüber hinaus sei auch ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Wegen der beim Antragsteller
bestehenden Aufenthaltsgestattung aufgrund des noch laufenden Asylverfahrens komme allein eine Förderfähigkeit nach §
132 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2, Satz 2 und 3
SGB III in Betracht, deren Voraussetzungen jedoch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht gegeben seien. Denn die vorausgesetzte
prognostische Annahme, dass ein rechtmäßiger dauerhafter Aufenthalt des Antragstellers zu erwarten sei, sei nicht als gegeben
anzusehen. Allerdings scheitere dies nicht daran, dass vorliegend bereits der Ausschlusstatbestand des §
132 Abs.
1 Satz 2
SGB III eingreife, weil es sich bei dem Herkunftsland des Antragstellers - Afghanistan - nicht um einen sicheren Herkunftsstaat im
Sinne des § 29a AsylG handele. Die Kammer schließe sich nach vorläufiger Prüfung der Annahme an, dass von der Annahme eines rechtmäßigen und dauerhaften
Aufenthalts nur bei Vorliegen einer Gesamtschutzquote von 50 % ausgegangen werden könne und dass insoweit die Statistik des
Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) für die entsprechende gerichtlich vollständig zu überprüfende Prognose-Entscheidung
eine hinreichende Grundlage darstelle. Diese Gesamtschutzquote liege derzeit deutlich unter 50 %, nämlich bei 36,3 %. In dem
Zeitraum vom 1. Januar bis 30. September 2018 stünden 5.586 positiven Entscheidungen 5.534 Ablehnungen und 4.288 sonstige
Verfahrenserledigungen gegenüber. Auch aus den konkreten Umständen des Einzelfalles ergebe sich kein anderes Bild. Denn das
BAMF habe den Asylantrag des Antragstellers abgelehnt, die hiergegen gerichtete Klage sei derzeit noch anhängig und eine Entscheidung
über dieselbe nicht absehbar. Dass gerade im Falle des Antragstellers eine höhere Wahrscheinlichkeit der Anerkennung als Asylberechtigter
oder zumindest eines subsidiären Schutzes zu erwarten sei, könne weder erkannt werden und sei auch vom Antragsteller nicht
vorgetragen worden. Die Prognose eines rechtmäßigen und dauerhaften Aufenthalts in Deutschland könne auch nicht aus der Möglichkeit
hergeleitet werden, nach Abschluss des Asylverfahrens eine Duldung gemäß § 60a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) bzw. eine Aufenthaltserlaubnis nach § 18a AufenthG zu erlangen. Auf letztere Vorschrift könne sich der Antragsteller zur Begründung eines rechtmäßigen und dauerhaften Aufenthalts
deshalb nicht berufen, weil eine Duldung nach § 60a AufenthG weder die Ausreisepflicht noch deren Vollziehbarkeit beseitige, sondern lediglich den Vollzug der Abschiebung aussetze, womit
gerade kein rechtmäßiger dauerhafter Aufenthalt verbunden sei. Nichts anderes gelte auch für § 18a AufenthG. Selbst wenn man dementgegen mit dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg vor dem Hintergrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts
vom 28. September 2017 im Hinblick auf das Merkmal eines rechtmäßigen und dauerhaften Aufenthalts von einem bisher nicht hinreichend
geklärten Rechtsbegriff ausgehe, ergebe sich kein anderes Ergebnis. Bei einer im Falle offener Erfolgsaussichten gebotenen
Interessenabwägung seien die Folgen abzuwägen, die entstehen würden, wenn das Gericht eine einstweilige Anordnung nicht erließe,
sich jedoch im Hauptsacheverfahren herausstelle, dass der Anspruch bestehe, und auf der anderen Seite entstünden, wenn das
Gericht die einstweilige Anordnung erließe, sich aber im Hauptsacheverfahren ein Anspruch als nicht gegeben erweise. In diesem
Falle sei eine Interessenabwägung vorzunehmen, die vorliegend jedoch zum Nachteil des Antragstellers ausfiele, denn mit der
Ausbildungsvergütung und dem aufstockenden Bezug von Leistungen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz verfüge der Antragsteller über Einnahmen, die aufgrund der Absetzung die Unterkunftskosten deckten und darüber hinaus den
Regelsatz nach dem SGB XII deutlich überstiegen. Mit dem Beschluss hat das Sozialgericht zugleich den ebenfalls gestellten Antrag auf Gewährung von
Prozesskostenhilfe (PKH) abgelehnt.
Gegen diesen dem Antragsteller am 6. November 2018 zugestellten Beschluss richtet sich dessen Beschwerde vom 15. November
2018. Zur Begründung führt der Antragsteller im Wesentlichen aus, dass bei ihm eine gute Bleibeperspektive vorliege, da er
bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen Anspruch auf eine Ausbildungsduldung bis zum Ende der Ausbildung und danach
eine Aufenthaltserlaubnis als qualifizierter Geduldeter beantragen könne. Die Rechtsfrage, wann von einem rechtmäßigen und
dauerhaften Aufenthalt auszugehen sei, sei ungeklärt, weshalb jedenfalls vorläufig im Eilverfahren die beantragte Berufsausbildungsbeihilfe
in gesetzlicher Höhe zuzusprechen sei. Insofern verweise er auf Beschlüsse des Sozialgerichts Potsdam, des Landessozialgerichts
Berlin-Brandenburg und des Sozialgerichts Lübeck. Nach seiner Auffassung sei im Übrigen die rein abstrakte Betrachtung der
guten Bleibeperspektive nicht dem Wortlaut der Vorschrift des §
132 SGB III zu entnehmen, denn diese knüpfe die Erwartung des rechtmäßigen und dauerhaften Aufenthalts nicht an das Herkunftsland, sondern
an die Person des die Leistung nachsuchenden Ausländers an. Die gute Bleibeperspektive ergebe sich vorliegend auch bei rechtskräftiger
Ablehnung aus der Aufenthaltsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin sowie die Gerichtsakte verwiesen.
Die statthafte und auch ansonsten zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Ablehnung des gestellten Antrages auf Gewährung
einstweiligen Rechtsschutzes folgt vorliegend bereits daraus, dass dem Antragsteller auch ohne die Berufsausbildungsbeihilfe
eine Fortsetzung der Ausbildung aus finanziellen Gründen möglich ist, weshalb es am erforderlichen Anordnungsgrund fehlt.
Diese Feststellung würde - worauf bereits das Sozialgericht in seinen Entscheidungsgründen zutreffend hingewiesen hat - auch
im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung wegen der offenen Erfolgsaussichten bezüglich des Merkmals des rechtmäßigen
und dauerhaften Aufenthalts bei der Prüfung des §
132 Abs.
1 SGB III ebenfalls zum Nachteil des Antragstellers ausfallen, denn er verfügt über Einnahmen, die es ihm ermöglichen, sowohl die Unterkunftskosten
zu decken als auch über den Regelsatz des SGB XII deutlich übersteigende Einnahmen zu verfügen. Vor diesem Hintergrund bedarf es im vorliegenden Fall auch keiner Entscheidung
darüber, ob der Antragsteller zum förderungsfähigen Personenkreis des hier allein in Betracht kommenden §
132 SGB III gehört, obgleich er nicht aus einem Herkunftsland stammt, dessen Gesamtschutzquote unter 50 % liegt und weshalb deshalb bereits
keine Erwartung eines rechtmäßigen und dauerhaften Aufenthaltes im Sinne des §
132 SGB III angenommen werden kann.
Da die Beschwerde zu keinem Zeitpunkt Aussicht auf Erfolg hatte, ist der zugleich mit der Beschwerde gestellte Antrag auf
Gewährung von PKH abzulehnen (§
73a SGG, §
114 Zivilprozessordnung). Aus dem gleichen Grund ist auch die Versagung von PKH in erster Instanz zu Recht erfolgt.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§
177 SGG).