Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Eintritt einer einwöchigen Sperrzeit sowie über den Beginn des Bezuges von Arbeitslosengeld
(Alg) wegen der Sperrzeit, einer Erkrankung der Klägerin und einer Urlaubsabgeltung.
Die _____________ 1970 geborene Klägerin war bis zum 30. April 2005 bei der _____ als Meisterin beschäftigt. Danach war sie
arbeitslos und bezog im Anschluss an eine eingetretene Sperrzeit ab 24. Juli 2005 bis zur Erschöpfung des Anspruchs ab 22.
April 2006 Alg. Zum 1. Dezember 2008 trat die Klägerin eine nach dem Arbeitsvertrag bis zum 30. November 2010 befristete Vollzeitstelle
im Rahmen eines Forschungsvorhabens bei der H_________________________ / U_________________________ in Ha_____ an.
Am 9. September 2010 meldete die Klägerin sich persönlich arbeitsuchend. Gleichzeitig meldete sie sich mit Wirkung zum 1.
Dezember 2010 erneut arbeitslos und beantragte Alg. Am 9. September 2010 wurde ihr ein Termin bei der Arbeitsvermittlung am
1. Dezember 2010 aufgegeben. In einem Aktenvermerk des Mitarbeiters M____ der Beklagten vom 1. Dezember 2010 heißt es:
"kurze Vorsprache - Kundin erscheint erheblich verspätet nach vorgesehenen Termin. Entschuldigt sich, gibt als Grund gesundheitliche
Gründe an.
Ein MV liegt nicht vor, obwohl der heute Termin nicht mehr durchgeführt werden kann. Kunde macht sichtlich gesundheitlich angeschlagenen
Eindruck ohne sich genauer zu offenbaren.
Sie wird noch heute einen Arzt aufsuchen und voraussichtlich auch AU geschrieben. Sie rechnet selbst mit einer längeren AU-Zeit.
Aufgeklärt, dass bei AU ab heute keine Arbeitslosigkeit vorliegen würde, sie sich an die KK wenden müsse, um KG zu beantragen.
Seitens der Arbeitsagentur würde eine Abmeldung erfolgen. Eine erneute pers. Arbeitslosmeldung nach Genesung wäre dann erforderlich.
Aus den o.a. Gründen heute keinen neuen Termin vergeben.
Kundin wird bis zum 03.12.10 eine Rückmeldung geben.
Vor weiteren Veranlassungen wird dies Rückmeldung abgewartet."
Am 3. Dezember 2010 teilte die Klägerin der Beklagten telefonisch mit, dass sie nicht genau wisse, wie lange sie arbeitsunfähig
geschrieben sei. Wahrscheinlich sei sie ab dem 1. Dezember 2010 arbeitsunfähig, nähere Angaben dazu wolle sie nicht machen
(Aktenvermerk vom 3. Dezember 2010).
Am 15. Februar 2011 reichte die Klägerin den ausgefüllten Vordruck zu ihrem Alg-Antrag ein und gab dabei an, seit dem 1. Dezember
2010 bis zum 31. Januar 2011 arbeitsunfähig krankgeschrieben zu sein. Sie erhalte von ihrem ehemaligen Arbeitgeber noch Zahlungen
für Zeiten nach ihrem Ausscheiden (z.B. Urlaubsabgeltung) und mache in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren einen Anspruch
auf Weiterbeschäftigung geltend. Im Dezember 2010 habe sie Krankengeld beantragt. Sie reichte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
(Folgebescheinigung) des sie behandelnden Arztes für Allgemeinmedizin F___ vom 17. Januar 2011 ein.
Die Universität teilte der Beklagten mit Schreiben vom 15. Februar 2011 mit, dass die Klägerin im Rahmen ihrer dortigen Einstellung
ab 1. Dezember 2008 darauf hingewiesen worden sei, dass sie nach §
38 Abs.
1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III) dazu verpflichtet sei, sich spätestens drei Monate vor Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bei der Bundesagentur
für Arbeit persönlich arbeitssuchend zu melden. Die Beklagte hörte die Klägerin zum Eintritt einer Sperrzeit bei verspäteter
Arbeitsuchendmeldung an. Die Klägerin gab dazu an, dass sie in der Urlaubszeit unabkömmlich gewesen sei. Im Übrigen reichte
sie das ihr am 1. Dezember 2008 zur Kenntnis gegebene Merkblatt ein, in dem es unter anderem heißt:
... "Weiterhin sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verpflichtet, sich spätestens 3 Monate vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses
persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Liegen zwischen der Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und
der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weniger als drei Monate, hat die Meldung innerhalb von 3 Tagen nach Kenntnis des Beschäftigungsverhältnisses
zu erfolgen. Die Pflicht zur Meldung besteht unabhängig davon, ob der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend
oder vom Arbeitgeber in Aussicht gestellt wird (§ 37b
SGB III)." ...
Ergänzend teilte die Klägerin mit Schreiben vom 16. Februar 2011 mit, dass Sachgrund der Befristung ihres Arbeitsvertrages
die Projektdauer gewesen sei. Tatsächlich habe das Projekt allerdings mit Stand vom 25. November 2010 eine voraussichtliche
Laufzeit bis September 2011 mit Überleitung in ein weiteres Projekt bis mindestens November 2012 gehabt. Am 26. November 2010
habe sie mit Schreiben der Universität vom 24. November 2010 Kenntnis von der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zum 30.
November 2010 erhalten.
Am 1. Februar 2011 meldete die Klägerin sich mit Wirkung vom selben Tage erneut arbeitslos und beantragte Alg; die Fragen
nach einer Krankschreibung oder anderen Gründen für eine Verfügbarkeitseinschränkung verneinte sie in dem ebenfalls am 15.
Februar 2011 zurückgereichten ausgefüllten Antrag.
Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Universität mit Schreiben vom 7. März 2011 mit, dass die Klägerin noch einen Anspruch
auf ein Leistungsentgelt nach § 18 TVöD in Höhe von 375,38 EUR gehabt habe. Der Betrag sei zur Zahlung angewiesen worden. Darüber hinaus sei die Wehrbereichsverwaltung
angewiesen worden, einen Urlaubsanspruch in Höhe von 3 Urlaubstagen abzugelten.
Mit Bescheid vom 15. Februar 2011 stellte die Beklagte den Eintritt einer einwöchigen Sperrzeit vom 1. bis 7. Januar 2011
wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung und die Minderung des Anspruchs auf Alg um sieben Tage fest. Gleichzeitig führte die
Beklagte aus, dass der Klägerin auch nach Ablauf der Sperrzeit keine Leistungen gezahlt würden, weil sie arbeitsunfähig erkrankt
sei und keinen Anspruch auf Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall habe. Sollte die Klägerin wieder arbeitsfähig sein, möge
sie die Leistung erneut beantragen.
Mit weiterem Bescheid vom 16. Februar 2011 bewilligte die Beklagte der Klägerin Alg für die Zeit vom 1. Februar 2011 bis 23.
Januar 2012 (353 Kalendertage, täglicher Leistungsbetrag 39,53 EUR).
Das nach Erlass dieses Bescheides eingegangene Schreiben der Klägerin vom 16. Februar 2011 wertete die Beklagte als Widerspruch
gegen den Bescheid vom 15. Februar 2011 wegen verspäteter Meldung sowie wegen der Ablehnung von Leistungen. Mit anwaltlichen
Schriftsätzen vom 16. März 2011 legte die Klägerin noch einmal ausdrücklich gegen den Bescheid vom 15. Februar sowie auch
gegen den Bescheid vom 16. Februar 2011 Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18. März 2011 (Az. W 257/11) wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Sperrzeitbescheid mit der Maßgabe zurück, dass die Sperrzeit bereits für die
Zeit vom 1. bis 7. Dezember 2010 eingetreten sei. Die Klägerin habe sich ohne wichtigen Grund verspätet arbeitsuchend gemeldet,
so dass gemäß §§
144 Abs.
1 i.V.m. §
144 Abs.
6 und §
38 SGB III in der ab 1. Januar 2009 geltenden Fassung eine einwöchige Sperrzeit eingetreten sei. Die Klägerin sei durch das ihr ausgehändigte
Merkblatt auf ihre Meldepflicht hingewiesen worden; Kenntnis vom Ende des Beschäftigungsverhältnisses habe seit dem Tag des
Vertragsabschlusses bestanden. Dass in dem Merkblatt fehlerhaft die Vorschrift des § 37b
SGB III benannt worden sei, ändere an der getroffenen Entscheidung nichts. Aus §
128 Abs.
1 Nr.
3 SGB III ergebe sich eine entsprechende Minderung der Anspruchsdauer.
Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 21. März 2011 (Az. 258/11) lehnte die Beklagte in Abänderung des Bescheides vom 15.
Februar 2011 den in dem Bescheid so beschriebenen "Antrag auf Gewährung von Alg vom 8. Dezember 2010" (gemeint: ab 8. Dezember
2010) ab und wies gleichzeitig den gegen die Leistungsversagung eingelegten Widerspruch als unbegründet zurück. Sie führte
insoweit zur Begründung aus, dass die Klägerin aufgrund der vom 1. Dezember 2010 bis 31. Januar 2011 bestehenden Arbeitsunfähigkeit
nicht verfügbar gewesen sei und deshalb keinen Anspruch auf Alg gehabt habe. Wegen des Eintritts der einwöchigen Sperrzeit
mit der Folge des Ruhens des Anspruchs bis 7. Dezember 2010 komme auch eine Fortzahlung von Alg ab 8. Dezember 2010 gemäß
§
126 SGB III nicht in Betracht. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf beide Widerspruchsbescheide (der Klägerin zugegangen
jeweils am 24. März 2011) Bezug genommen.
Am 26. April 2011 - Dienstag nach Ostern - hat die Klägerin bei dem Sozialgericht Kiel zum einen Klage gegen den Sperrzeitbescheid
vom 15. Februar 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. März 2011 (S 9 AL 65/11) und zum anderen Klage gegen den Bewilligungsbescheid vom 16. Februar 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom
21. März 2011 (S 6 AL 64/11) erhoben. Beide Verfahren sind zunächst zuständigkeitshalber an das Sozialgericht Schleswig verwiesen worden (Az. S 3 AL 73/11 und S 3 AL 70/11) und dort mit Beschluss vom 4. August 2011 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und unter dem Az. S 3 AL 73/11 fortgeführt worden. Zu dem ursprünglich unter dem Az. S 3 AL 70/11 geführten Verfahren haben die Beteiligten im erstinstanzlichen Verhandlungstermin am 23. Januar 2015 übereinstimmend erklärt,
dass diese Klage sich nicht gegen den Bescheid vom 16. Februar 2011 richte, sondern ebenfalls gegen den Bescheid vom 15. Februar
2011, soweit damit ein Alg-Anspruch aufgrund der seinerzeitigen Arbeitsunfähigkeit der Klägerin auch nach Ablauf der Sperrzeit
in Abrede gestellt wurde.
Zur Begründung der Klagen hat die Klägerin geltend gemacht: Eine Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung sei nicht
eingetreten. Sowohl §
38 SGB III als auch die Vorgängerregelung des § 37b
SGB III setzten eine Kenntnis der Meldepflicht und die schuldhafte Verletzung dieser Pflicht voraus. Zwar sei sie im Dezember 2008
auf die damals geltende Regelung des § 37b
SGB III hingewiesen worden. Diese Vorschrift habe nach ihrem Wortlaut aber vorgesehen, dass die Arbeitsuchendmeldung "frühestens"
drei Monate vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu erfolgen habe. Insoweit habe sie davon ausgehen können, dass ihre Meldung
vom 9. September 2010 rechtzeitig gewesen sei. Auf den anderslautenden Inhalt eines Merkblatts könne die Beklagte sich nicht
berufen, wenn das Merkblatt - wie hier - im Gegensatz zu der gesetzlichen Regelung stehe. Im Übrigen sei die Lage einer etwaigen
Sperrzeit falsch bestimmt: Sperrzeitbegründendes Ereignis bei einer Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung sei die
verspätete Meldung. Ausgehend von einer Meldepflicht am 31. August oder 1. September 2010 habe eine etwaige Sperrzeit am 1.
oder 2. September 2010 zu laufen begonnen, so dass ein Ruhen ihres Alg-Anspruchs ab 1. Dezember 2010 insoweit nicht mehr habe
eintreten können.
Die Beklagte habe ihr ab dem 1. Dezember 2010 Alg zu gewähren, wobei der Anspruch aufgrund ihrer Erkrankung gemäß §
126 SGB III auf die ersten sechs Wochen beschränkt sei. Ihre Verfügbarkeit sei nicht von vornherein ausgeschlossen gewesen. Vielmehr
habe sie sich im Anschluss an ihre Arbeitslosmeldung am 1. Dezember 2010 unwohl gefühlt und einen Arzt aufgesucht, der sie
schließlich für arbeitsunfähig gehalten und eine entsprechende Bescheinigung ausgefüllt habe. Dabei beinhalte der Begriff
der Arbeitsunfähigkeit nicht eine Vermittlungsunfähigkeit im Sinne von §
119 SGB III. Die von dem Arzt F___ festgestellte Arbeitsunfähigkeit habe sich auf die letzte Tätigkeit der Klägerin an der Universität
bezogen; hieraus ergebe sich allerdings keine Vermittlungsbeeinträchtigung für andere Arbeitgeber oder andere Berufe. Dies
werde in das Zeugnis des Herrn F___ gestellt.
Der Umstand, dass ihr eine Urlaubsabgeltung für drei Urlaubstage gewährt worden sei, führe nicht zum Ruhen des Alg-Anspruchs,
weil diese Leistung erst zum 31. März 2011 ausgezahlt worden sei. Insoweit habe sie einen Alg-Anspruch nach den Maßstäben
der sog. Gleichwohlgewährung.
Zu den mit ihrer Arbeitsunfähigkeit zusammenhängenden Fragen und einem möglichen Anspruch auf Krankengeld habe der Mitarbeiter
M____ der Beklagten sie fehlerhaft beraten. Denn einen Krankengeldanspruch habe sie nicht gehabt. Wäre sie über die Möglichkeiten
der Gewährung von Alg und Krankengeld zutreffend aufgeklärt worden, hätte sie keinen Arzt aufgesucht, um ihre Erkrankung als
Arbeitsunfähigkeit attestieren zu lassen. Insoweit mache sie nunmehr einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch geltend.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid vom 15. Februar 2011 in der Fassung der beiden Widerspruchsbescheide vom 18. März 2011 und 21. März 2011 aufzuheben
und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Arbeitslosengeld ab dem 1. Dezember 2010 zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie auf die Gründe der Widerspruchsbescheide vom 18. und 21. März 2011 Bezug genommen. Ergänzend hat sie
ausgeführt: Sie halte an ihrer Auffassung fest, dass eine einwöchige Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung eingetreten
sei. Die Klägerin sei hinreichend darüber aufgeklärt worden, dass sie sich drei Monate vor Ablauf des Arbeitsverhältnisses
habe arbeitsuchend melden müssen. Zum einen sei ihr dies im Leistungsnachweis (Rückseite) vom 24. April 2006 (vorgelegt mit
Anwaltsschriftsatz vom 22. Dezember 2011, Vordruckmuster Bl. 38/39 der Gerichtsakte) mitgeteilt worden, zum anderen habe ihr
ihr damaliger Arbeitgeber im Zusammenhang mit dem Arbeitsvertrag vom 1. Dezember 2008 entsprechende Hinweise gegeben.
Auch nach Ablauf der Sperrzeit stehe der Klägerin Alg nicht zu. Ein Anspruch auf Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall entstehe
nur, wenn das Stammrecht auf Alg bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bereits bestehe. Zugunsten der Klägerin nehme die Beklagte
eine Entstehung des Stammrechts am 1. Dezember 2010 an und gehe nicht von anfänglicher Arbeitsunfähigkeit bereits bei Arbeitslosmeldung
aus (vgl. Beratungsvermerk vom 1. Dezember 2010). Da jedoch der Anspruch infolge der Sperrzeit bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit
geruht habe, seien die Voraussetzungen für die Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall nach §
126 SGB III (a.F.) nicht erfüllt. Insoweit werde auch auf Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) Bezug genommen (Urteil vom 7. Februar 2002, B 7 AL 28/01 R). Rein vorsorglich werde noch darauf hingewiesen, dass auch die Urlaubsabgeltung einen Ruhenstatbestand herbeigeführt habe.
Das Sozialgericht hat eine Kopie der von dem Arzt F___ geführten Krankenbehandlungskarte der Klägerin beigezogen. Daraus ergibt
sich die erstmalige Feststellung von Arbeitsunfähigkeit am 1. Dezember 2010 bis 10. Dezember 2010, Diagnosen: F43.0 G (akute
Belastungsreaktion) und R53 G (Erschöpfungszustand). Die AU-Bescheinigung ist in der Folgezeit bis zum 31. Januar 2011 verlängert
worden.
Nach mündlicher Verhandlung am 23. Januar 2015 hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide in Bezug auf die Lage der
Sperrzeit vom 1. bis 7. Dezember 2010 aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht
unter Darlegung im Einzelnen im Wesentlichen ausgeführt: Die Klagen seien zulässig und zu einem geringen Teil begründet. Die
Sperrzeit sei eingetreten, liege jedoch zeitlich falsch, weshalb nur die Anspruchsverkürzung nach §
128 Abs.
1 Nr.
3 SGB III (a.F.), jedoch kein Ruhen des Anspruchs vom 1. bis 7. Dezember 2010 eintrete. Aufgrund der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin
ab 1. Dezember 2010 bis 31. Januar 2011 liege jedoch mangels Verfügbarkeit keine Arbeitslosigkeit vor; eine Weiterzahlung
des Alg nach §
126 SGB III scheide mangels Vorbezug von Alg aus. Auf die weitere Frage eines Ruhens wegen Urlaubsabgeltung komme es nicht mehr an.
Zur Lage der Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung hat das Sozialgericht unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des
Sozialgerichts Dortmund ausgeführt: Die Beklagte habe die Lage dieser Sperrzeit auch nach Korrektur im Widerspruchsverfahren
falsch bestimmt. Gemäß §
144 Abs.
2 SGB III (a.F.) beginne die Sperrzeit mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründe. Eine Definition des Ereignisses selbst
enthalte die Vorschrift nicht. Es sei allerdings mit dem Wortlaut nicht vereinbar, den rechtlichen Beginn der Arbeitslosigkeit
als Auslöser für die Sperrzeit zu definieren. Der Eintritt der Arbeitslosigkeit begründe nicht die Sperrzeit, sondern nach
§ 37b
SGB III (a.F.) die verspätete Meldung. Sanktioniert werde nicht der Eintritt der Arbeitslosigkeit, sondern die Pflichtverletzung
bezüglich der rechtzeitigen Meldung. Die Meldung hätte bis zum 30. August 2010 erfolgen müssen, so dass mit fruchtlosem Ablauf
das sperrzeitauslösende Ereignis eingetreten sei. Anderslautende Entscheidungen stellten zu Unrecht allein auf die ansonsten
fehlende Spürbarkeit der Sperrzeit ab. Zum einen sei dies nicht in Gänze zutreffend, da die Anspruchsminderungswirkung des
§
128 Abs.
1 Nr.
3 SGB III (a.F.) trotzdem eintrete, zum anderen bilde der Wortlaut die Grenze der Auslegung. Anders als bei pflichtwidrigem Verhalten
im Arbeitsverhältnis selbst, das den Verlust des Arbeitsplatzes erst herbeiführe, bestehe bei der verspäteten Arbeitsuchendmeldung
keine kausale Verknüpfung zwischen dem Eintritt der Arbeitslosigkeit und der Pflichtverletzung. Der Eintritt von Arbeitslosigkeit
sei für die Verwirkung einer Sperrzeit nach §
144 Abs.
1 Nr.
7 SGB III nicht erforderlich. Das BSG habe auch für andere Konstellationen entschieden, dass eine Bindung der Sperrzeit an Entstehung und Fortbestand des Leistungsanspruchs
nicht bestehe (vgl. BSG, Urteil vom 5. August 1999, B 7 AL 14/99 R).
Gegen diese ihrem Prozessbevollmächtigten am 4. Februar 2015 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 2. März 2015 bei
dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangene Berufung der Klägerin. Die Beklagte, der das Urteil am 6. Februar
2015 zugestellt worden ist, hat am 23. April 2015 Anschlussberufung eingelegt.
Zur Begründung ihrer Berufung wiederholt und vertieft die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen. Sie stützt die vom Sozialgericht
vertretene Auffassung, dass eine etwaige Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung bereits abgelaufen gewesen sei,
so dass ab 1. Dezember 2010 insoweit keine Ruhenswirkung habe eintreten können. Unabhängig davon liege in Bezug auf das angebliche
Meldeversäumnis ein wichtiger Grund vor, weil ihr eine persönliche Vorsprache vor dem 9. September 2010 wegen der täglichen
Pendelfahrten nach Ha_____ nicht möglich gewesen sei. Ihr damaliger Disziplinar- und Fachvorgesetzter Ma_____________________
könne ihre damalige Unabkömmlichkeit bestätigen.
Auch der Umstand, dass sie am 31. März 2011 eine Urlaubsabgeltung für drei Urlaubstage erhalten habe, führe nicht zum Ruhen
ihres Alg-Anspruchs; insoweit hätte die Beklagte ihr zunächst Leistungen im Rahmen der sog. Gleichwohl-Gewährung bewilligen
müssen.
Entgegen der vom Sozialgericht vertretenen Auffassung habe sie auch ab dem 1. Dezember 2010 für eine Vermittlung auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt zur Verfügung gestanden. Eine Arbeitsunfähigkeit schließe nicht in jedem Fall die Verfügbarkeit aus. Das gelte
auch in ihrem Fall, weil die von dem Arzt F___ bescheinigte Arbeitsunfähigkeit sich auf ihre Tätigkeit bei der Universität
bezogen habe und nicht auf den allgemeinen Arbeitsmarkt oder andere Berufe. Es sei zu berücksichtigen, dass sie bereits seit
1994 unter einer depressiven Störung leide, die allerdings vor dem Jahr 2010 nie zu einer Arbeitsunfähigkeit von mehr als
drei Tagen geführt habe. Dies habe sich erst anlässlich ihres Arbeitsrechtsstreits mit der Universität geändert. Das Sozialgericht
hätte den Zeugen F___ ergänzend vernehmen müssen.
Die Klägerin beantragt,
1.
das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 23. Januar 2015 zu ändern, den Bescheid vom 15. Februar 2011 in der Fassung der
beiden Wider- spruchsbescheide vom 18. März 2011 und 21. März 2011 insgesamt auf- zuheben und die Beklagte zu verurteilen,
der Klägerin Arbeitslosengeld ab dem 1. Dezember 2010 zu gewähren,
2.
die Anschlussberufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
1.
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen,
2.
das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 23. Januar 2015 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Sie stützt das angefochtene Urteil, soweit das Sozialgericht die Klage abgewiesen hat, und vertieft ihre bisherige Rechtsauffassung.
Ergänzend führt sie aus: Es sei darauf hinzuweisen, dass das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide in ihrem Verfügungssatz
nicht geändert habe; die Teilstattgabe betreffe allein die Begründung. Insoweit sei sie - die Beklagte - letztlich nicht beschwert.
Es gehe ihr aber um Klärung der Rechtsfrage mit grundsätzlicher Bedeutung, wann eine Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung
beginne. Aus ihrer Sicht trete ein Sperrzeitereignis erst ein, wenn alle Tatbestandsmerkmale erfüllt seien. Werde ein Beschäftigungsverhältnis
beendet, beginne die Sperrzeit an dem Tag, ab dem Beschäftigungslosigkeit vorliege.
In der Berufungsverhandlung hat der Vertreter der Beklagten ergänzend die seinerzeitige subjektive Verfügbarkeit der Klägerin
in Zweifel gezogen.
Der Senat hat den Arzt F___ mit Verfügung vom 7. Januar 2016 um Erläuterung der AU-Bescheinigungen für die Monate Dezember
2010 und Januar 2011 gebeten und dazu folgende Fragen gestellt:
- Aus welchen Gründen hat aus Ihrer Sicht Arbeitsunfähigkeit vorgelegen?
- Haben Sie Ihre Einschätzung auf eine bestimmte berufliche Tätigkeit bezogen?
- Hätte Frau S____ auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können?
- Ist Ihnen bekannt gewesen, ob Frau S____ Anfang Dezember 2010 in einem Beschäftigungsverhältnis stand?
In der von Herrn F___ übersandten Antwort vom 29. Januar 2016 heißt es wörtlich:
1. Depressiver Störungen und Erschöpfungszustände, Rippenfraktur
2. Auf Grund beider obigen Gesundheitsstörungen
3. Nein
4. Das ist mir aus der Erinnerung nicht bekannt. Nach meinen alten Unterlagen war sie vom 01.12.2010 bis 07.01.2011 AU wegen
o.g. Störungen.
Ausweislich einer im Internet veröffentlichten Traueranzeige ist Herr F___ am 18. Mai 2016 verstorben. Auf eine Nachfrage
des Senats an die Praxisnachfolgerin, D___________________, vom 28. August 2016 hat diese mit Schreiben vom 13. September
2016 mitgeteilt:
Der einzige Eintrag, der ggf. behilflich sein könnte, ist ein handschriftlicher Eintrag in die Karteikarte vom 10.12.2010.
Demgemäß wurde die Patientin entlassen (Zeitpunkt?), stand psychisch unter starkem Druck (siehe Kopie).
Weitere Angaben/ Einträge zum entsprechenden Zeitraum sind nicht vorhanden.
Von der AOK N_______ hat der Senat mit Schreiben vom 26. August 2016 die dort vorliegenden Übersichten über Arbeitsunfähigkeitszeiten
und Behandlungen der Klägerin für die Monate Dezember 2010 und Januar 2011 erbeten. Hierzu hat die AOK mit Schreiben vom 31.
August 2016 die für diesen Zeitraum ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen mit Angabe der jeweils verschlüsselten
Diagnosen zur Akte gereicht. Ergänzend hat die AOK ausgeführt, dass zur Frage der Behandlungen keine Angaben gemacht werden
könnten.
Zu den im Berufungsverfahren eingeholten Auskünften macht die Klägerin geltend, dass die Angaben des Herrn F___ nicht mit
den Angaben in ihrer Patientenkartei übereinstimmten und die Anfragen des Senats nicht vollständig beantworteten. Tatsächlich
sei es so gewesen, dass sie nach Auslaufen ihres befristeten Arbeitsvertrages, der erforderlichen Auseinandersetzung mit der
Beklagten wegen ihres Anspruchs auf Alg und wegen der Auseinandersetzungen mit ihrem bisherigen Arbeitgeber nicht gewusst
habe, wo ihr der Kopf gestanden habe. Entgegen der von Herrn F___ mitgeteilten Einschätzung sei sie aber sehr wohl in der
Lage gewesen, ihre Arbeitskraft dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen. Sie habe sich seinerzeit auch aktiv
um eine neue Arbeitsstelle bemüht, wie sich auch aus einem zur Akte gereichten Bewerbungsschreiben vom 15. Januar 2011 ergebe.
Die Beklagte verweist demgegenüber darauf, dass die jetzige Einlassung der Klägerin ihren zeitnahen Einlassungen gegenüber
den Mitarbeitern der Beklagten widerspreche. Im Übrigen liege es in der Natur der Sache, dass die von einem Arzt geführten
Unterlagen (tabellarische Patientenkarte, Übersicht) nicht sämtliche maßgeblichen Detailinformationen enthalte.
Dem Senat haben die die Klägerin betreffenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten und die Gerichtsakten vorgelegen. Wegen der
weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird hierauf Bezug genommen.
Die im Berufungsverfahren unternommenen Bemühungen nach weiterer Aufklärung der ärztlichen Hintergründe für die erfolgte Krankschreibung
sind weitgehend ohne Erfolg geblieben; nach dem Tod des Herrn F___ sind insoweit weitere Ermittlungen nicht möglich. Immerhin
hat sich - wie die Praxisnachfolgerin D______________ mitgeteilt hat - jedoch in den Unterlagen des Herrn F___ ein Hinweis
vom 10. Dezember 2010 auf eine Entlassung der Klägerin gefunden. Vor dem Hintergrund, dass Herr F___ die erfolgte Krankschreibung
wiederholt verlängert hat, ohne dass sich - was den Grund der Arbeitsunfähigkeit betrifft - erkennbar wesentliche Umstände
verändert hätten, spricht dies allerdings nach Auffassung des Senats deutlich dagegen, dass Herr F___ nur die Arbeitsunfähigkeit
für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit der Klägerin attestieren wollte.
Neben der objektiven Verfügbarkeit dürfte hier auch die subjektive Verfügbarkeit der Klägerin im Sinne ihrer Bereitschaft,
ihr angebotene Beschäftigungen anzunehmen und auszuüben, nicht vorgelegen haben. Hierfür sprechen bereits die Hinweise der
Klägerin auf eine voraussichtlich längere Arbeitsunfähigkeit bei ihrer Vorsprache am 1. Dezember 2010. Dies bedarf allerdings
nach Vorstehendem keiner Vertiefung.
Fragen des von der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren geltend gemachten sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sind
hier nicht zu erörtern. Denn es ist ausgeschlossen, das Vorliegen von Arbeitslosigkeit bzw. Verfügbarkeit als Voraussetzung
des Anspruchs auf Alg nachträglich im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu fingieren (BSG, Beschluss vom 7. Mai 2009, B 11 AL 72/08 B, [...], m.w.N.). Ob der Mitarbeiter M____ die Klägerin - wie sie meint - fehlerhaft beraten hat, kann deshalb ohne jede weitere
Sachprüfung dahinstehen.
Dass hier eine einwöchige Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung eingetreten ist, hat das Sozialgericht zutreffend
ausgeführt; insoweit kann zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils
Bezug genommen werden. Anders als das Sozialgericht ist der Senat allerdings der Auffassung, dass die Sperrzeit erst bei Beginn
der Beschäftigungslosigkeit der Klägerin ab 1. Dezember 2010 zu laufen begonnen hat.
Nach allem hat der Alg-Anspruch der Klägerin jedenfalls eine Woche ab dem 1. Dezember 2010 geruht, so dass die Voraussetzungen
der Fortgewährung von Alg wegen Eintritts der Arbeitsunfähigkeit - wie ausgeführt - nicht vorgelegen haben. Auf die mit der
Urlaubsabgeltung zusammenhängenden Fragen kommt es nach Vorstehendem nicht an.
Die Alg-Gewährung nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit ab 1. Februar 2011 ist nicht im Streit und nicht Gegenstand des vorliegenden
Rechtsstreits.