Antrag; Arzneimittelregress; Grippeschutz-Impfstoffe; Wirtschaftlichkeitsprüfung
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Schadensersatzes wegen der Anforderung von Grippe-Impfstoffen für die
Quartale I und IV/2006.
Der Kläger ist in R________ als Allgemeinarzt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Die Beigeladene zu 1) stellte am 22. Dezember 2006 für die Beigeladenen zu 1) bis 5) bei der Prüfungsstelle für das Quartal
I/2006 einen Antrag auf Schadensersatz in Höhe von 9.396,96 EUR. Hierzu führte sie aus, der Kläger habe in dem Quartal III/05
900 Ampullen Influvac, im Quartal IV/2005 1.320 Ampullen Grippe Chiron und im Quartal I/2006 20 Ampullen Influsplit, insgesamt
2.240 Ampullen Grippeschutzimpfstoffe angefordert. Er habe jedoch lediglich 1.076 mal die Gebührenziffer 99804 des EBM (Influenza)
abgerechnet. Der Schadensbetrag ergebe sich aus der Differenz zwischen den angeforderten und verbrauchten Ampullen. Die Grippeimpfung
sei eine saisonale Impfung, daher sei die in dem relevanten Impfzeitraum abgeforderte und abgerechnete Menge an Dosen zugrunde
gelegt worden.
Der Kläger führte hierzu aus, er habe bei seiner Bezugsapotheke insgesamt 1.260 Ampullen Impfstoff angefordert. Hierzu legte
er eine Bestätigung der Apotheke vor. Da die Bezugsapotheke darüber hinaus keine Impfstoffe mehr vorrätig gehabt habe, habe
er noch weitere 20 Ampullen aus einer anderen Apotheke bestellt; weitere Bestellungen seien nicht erfolgt. In der Hektik des
Impfbetriebes müssten Rezepte wohl doppelt ausgestellt und von der Apotheke weitergereicht worden sein. Ferner seien nicht
alle Patienten zum Impftermin erschienen. Die überzähligen Ampullen seien im nächsten Quartal oder in weiteren Quartalen verbraucht
worden. Eventuell habe er auch zu optimistische Bestellungen vorgenommen.
Im Hinblick auf diesen Vortrag berichtigte die Beigeladene zu 1) ihren Antrag auf einen Schadensersatzbetrag in Höhe von 1.646,89
EUR für 204 Ampullen und führte hierzu aus, die Apotheke habe die Abrechnungsmenge um 960 Ampullen auf 1.280 abgeändert.
Die Prüfungsstelle setzte mit Bescheid vom 12. September 2008 einen Schadensersatz in Höhe von 209,91 EUR fest. Zur Begründung
führte sie aus, Impfstoffe seien Präparate für die Grippeschutzimpfungen, auf deren Anforderungen die Vorgaben der Ständigen
Impfkommission (STIKO) beim Robert-Koch-Institut anzuwenden seien. Die Grippeschutzimpfungen seien Indikationsimpfungen und
Impfungen der Versicherten mit einem in der STIKO-Empfehlung vorgegebenen beruflichen Risiko oder über dem 60. Lebensjahr.
Die Anforderungen der Impfstoffe seien nach § 5 der Impfvereinbarung zulässig. Es sei unmaßgeblich, dass es im Vorjahr zu
Lieferschwierigkeiten gekommen sei, da auch die Anforderung der Impfstoffe dem Wirtschaftlichkeitsgebot unterliege. Nur bis
zu der Menge der abgerechneten Impfleistungen sei die Anforderung der Impfstoffe wirtschaftlich. Eine gewisse Mehranforderung
müsse den Impfärzten wegen des Apothekenrabatts auf bestimmte Impfstoffmengen und wegen der variablen Patienten- und Morbiditätsentwicklung
zuerkannt werden. Ferner würden auch immer wieder Impfleistungen ohne eine Abrechnung erbracht. Pauschal sei daher ein Zuschlag
bei den abgeforderten Impfstoffen in Höhe von 10 % auf die abgerechneten Impfleistungen vorzunehmen. In dem Zeitraum III/2005
bis I/2006 habe der Kläger 1.076 Impfungen durchgeführt. Der Bezug von 1.200 Ampullen Impfstoff sei daher nicht zu beanstanden.
Da der Antrag für die Quartale III und IV/2005 jedoch verfristet sei, sei nur der im Quartal I/2006 unwirtschaftlich abgeforderte
Anteil von 20 Dosen als Schadensersatz festzusetzen.
Gegen diese Entscheidung legte der Kläger am 30. September 2008 Widerspruch ein, die Beigeladene zu 6) am 1. Oktober 2008
und die Beigeladenen zu 1) bis 5) am 10. Oktober 2008.
Für das Quartal IV/2006 beantragte die Beigeladene zu 1) für die Beigeladenen zu 1) bis 5) am 30. September 2007 die Festsetzung
eines Schadensersatzes und führte hierzu aus, der Kläger habe im Quartal III/2006 200 Ampullen Influvac und 300 Ampullen Fluad
angefordert, im Quartal IV/2006 680 Ampullen Begrivac, 20 Ampullen Influsplit und 300 Ampullen Influvac. Im Quartal I/2007
habe er keine Impfstoffe angefordert, die Anforderungen beliefen sich auf insgesamt 1.500 Ampullen. Dem ständen 1.100 Abrechnungen
der EBM-Ziffer 99804 gegenüber. Es ergebe sich ein Differenzbetrag von 5.299,53 EUR für unwirtschaftlich angeforderte Impfstoffe.
Der Kläger ließ sich dagegen wie zu dem Quartal I/2006 ein und führte aus, er habe in dem Quartal nur 960 und zusätzlich 20
Ampullen Impfstoff abgefordert.
Die Prüfungsstelle setzte mit weiterem Bescheid vom 12. September 2008 einen Schadensersatz in Höhe von 3.717,00 EUR fest
und begründete dies wie für das Quartal I/2006. Ergänzend führte sie aus, der Kläger habe in dem Zeitraum III/2006 bis I/2007
1.001 Grippeschutzimpfung durchgeführt. 1.150 Dosen seien nicht zu beanstanden. Der Rest von 350 Dosen Impfstoff sei unwirtschaftlich
und entspreche einem Schadensersatzbetrag von 3.717,00 EUR.
Der Entscheidung widersprach der Kläger am 30. September 2008, die Beigeladene zu 6) am 1. Oktober 2008 und die Beigeladenen
zu 1) bis 5) am 10. Oktober 2008.
Zur Begründung seiner Widersprüche führte der Kläger aus, er habe in den Quartalen III und IV/2006 1.500 Ampullen Impfstoff
bestellt. Hiervon seien die im 3. Quartal bestellten und verbrauchten Ampullen abzuziehen. Die Restmenge von 500 Ampullen
sei nicht nachvollziehbar. Die bestellte Übermenge sei ohne Risiko in den folgenden Quartalen verbraucht worden.
Die Beigeladene zu 6) führte zur Begründung ihres Widerspruchs aus, die Prüfungsstelle habe Einzelfallprüfungen im Sinne des
§ 10 Abs. 2 der Prüfvereinbarung durchgeführt. Darin seien Arzneimittelverordnungen für Impfleistungen jedoch nicht erwähnt.
Vielmehr verweise § 6 der Impfvereinbarungen auf § 48 des Bundesmantelvertrags der Ärzte (BMV-Ä). Danach könnten nur unzulässige Verordnungen beanstandet werden. Grippeschutzimpfungen seien in der vertragsärztlichen Versorgung
jedoch zulässig. In der Impfsaison 2006/2007 sei eine gesamte Charge an Impfstoffen ausgefallen, die Impfstoffe seien im November
2006 nachgeliefert worden. Zu diesem späten Zeitpunkt seien nicht mehr alle angemeldeten Patienten zur Impfung erschienen.
Die Beigeladenen zu 1) bis 5) führten zur Begründung ihres Widerspruchs aus, der Prüfungsausschuss habe für das Quartal I/2006
in anderen Verfahren die gesamte Impfsaison 2005/2006 entsprechend den Quartalen III/2005 bis I/2006 zusammengefasst. Es sei
nicht einsehbar, warum er für die Überprüfung des Quartals I/2006 die allein in diesem Quartal angeforderte Menge zugrunde
gelegt habe. Es sei akzeptabel, dass der Schaden unter Berücksichtigung eines 10%igen Zuschlags zu den abgerechneten Impfleistungen
errechnet werde. Es sei jedoch fehlerhaft, die angeforderten Mengen auf die jeweils folgende 50er- oder 100er-Gebinde aufzurunden.
Denn schon ab einem 50er-Gebinde entfalle der Aufschlag der Apotheken. Ein solcher Aufschlag sei auch nicht aus den handelsüblichen
Packungsgrößen ableitbar.
Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Februar 2010 (Beschluss vom 9. September 2009) setzte der Beklagte für das Quartal I/2006
einen Schadensersatz in Höhe von 645,60 EUR fest. Zur Begründung führte er aus, die Widersprüche des Klägers und der Beigeladenen
zu 6) seien unbegründet, der Widerspruch der Beigeladenen zu 1) bis 5) sei teilweise begründet. Impfstoffe unterlägen nicht
der Arzneimittelpreisverordnung. Für ihre Lieferung sei der Apothekenliefervertrag zwischen den öffentlichen Apotheken und
den Primärkassen maßgeblich. Dieser beinhalte einen absteigend gestaffelten Aufschlag zwischen 15 und 0 % je abgeforderter
Menge. Ab einer Bestellmenge von 50 Dosen Impfstoff entfalle der Aufschlag völlig. Daher sei eine Nachbestellung in 50er Einheiten
wirtschaftlich sinnvoll. Die Berechnung des Schadens habe jeweils über drei Quartale zu erfolgen, da der Großteil der Impfstoffe
bereits im September bestellt und über drei Quartale verimpft werde. 1.200 der von dem Kläger abgeforderten Impfdosen seien
nicht zu beanstanden, es ergebe sich daraus ein Überschuss von 80 Ampullen.
Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 5. Februar 2010 (Beschluss vom 9. September 2009) wies der Beklagte die Widersprüche
aller Beteiligter für das Quartal IV/2006 zurück und setzte den Schadensersatz in Höhe von 3.717,00 EUR fest. Er begründete
die Entscheidung ebenso wie der Prüfungsausschuss und bezog sich hinsichtlich des Widerspruches der Beigeladenen zu 1) bis
5) auf die Ausführungen der Entscheidung zum Quartal I/2006.
Gegen beide Widerspruchsbescheide hat der Kläger am 3. März 2010 beim Sozialgericht Kiel Klage erhoben. Zur Begründung hat
er ausgeführt, die Prüfanträge der Beigeladenen zu 1) bezögen sich nur auf die Quartale I und IV/2006, demgegenüber beinhalteten
die angefochtenen Bescheide die Verordnungen weiterer Abrechnungsquartale. Im Quartal I/2006 habe er lediglich 20 Ampullen
angefordert, dagegen 83-mal die EBM-Ziffer 99804 abgerechnet. Für dieses Quartal sei daher kein Schaden entstanden. Im Übrigen
seien die 20 Ampullen Influsplit am 1. April 2006, also im Quartal II/2006, angefordert. Im Quartal IV/2006 habe er 1.000
Ampullen angefordert und die EBM-Ziffer 99804 757-mal abgerechnet. Unter Berücksichtigung des anerkannten Mehranteils und
der Aufrundung auf 50er-Gebinde liege der Schaden niedriger als angenommen. Impfungen seien auch in den 2. Jahresquartalen
erfolgt, jedoch unberücksichtigt geblieben. Wegen der langen Lagerfristen der Impfstoffe sei eine längerfristige Prüfung der
Impfleistungen erforderlich, mindestens über den Zeitraum eines Jahres hinweg. Der Aufschlag von 10 % für nicht abgerechnete
Impfleistungen sei unzureichend. Viele Patienten erschienen nicht zur Impfung.
Der Kläger hat beantragt,
die Beschlüsse vom 9. September 2009, ausgefertigt als Bescheide vom 5. Februar 2010 aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen
und ausgeführt, eine quartalsübergreifende Prüfung sei sachgerecht. Die Grippeschutzimpfung sei eine saisonale Leistung. Der
Impfstoff werde nur im Herbst hergestellt, aber über das gesamte Jahr verimpft. Eine quartalsbezogene Betrachtung sei daher
nicht möglich. Die Prüfanträge der Beigeladenen zu 1) bezögen sich auf mehrere Quartale, dies ergebe sich aus den beigefügten
Verordnungstabellen. Eine Versäumung der Antragsfrist sei unerheblich. Der Kläger habe am 24. Februar 2006 ein Rezeptblatt
über 20 Ampullen Grippeimpfstoff ausgestellt. Es sei unerheblich, dass diese Bestellung erst am 1. April 2006 elektronisch
erfasst worden sei. Influenza-Impfungen erfolgten nicht ganzjährig, sondern seien eine vorbeugende Impfung, die nach Empfehlung
der STIKO, die gemäß § 1 Impfvereinbarung verbindlich sei, als Herbstimpfung empfohlen werde. Die Impfungen könnten sich bis
in den Januar oder Februar hinziehen, vereinzelt werde auch später geimpft. Der Kläger habe jedoch im Verwaltungsverfahren
selbst nicht vorgetragen, solche späteren Impfungen vorgenommen zu haben. Versäume ein Arzt, die Impfleistungen abzurechnen,
falle das in seinen Risikobereich. Der Kläger müsse darlegen, aus welchen Gründen der vorgenommene Aufschlag von 10 % unzureichend
sei. Wegen der Unwägbarkeit des Impfverhaltens der Versicherten solle sich ein Arzt an den Vorjahresleistungen orientieren
und gegebenenfalls Impfstoff nachbestellen. Dies sei auch in kleineren Einheiten möglich.
Mit Urteil vom 8. Mai 2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es auf die Entscheidung des Beklagten
Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, der Beklagte habe zu Recht die Prüfung über die Quartale I und IV/2006 hinaus erstreckt.
Die Anträge der Beigeladenen zu 1) seien nicht beschränkt gewesen. Im Betreff habe sie zwar lediglich die Quartale I und IV/2006
benannt. Die tabellarischen Übersichten ergäben jedoch zweifelsfrei, dass der Schaden aus den Quartalen III/2005 bis I/2006
sowie III/2006 bis I/2007 ermittelt werden solle. Eine quartalsübergreifende Prüfung sei auch aus Sachgründen veranlasst gewesen,
da der Grippeimpfstoff typischerweise für ein ganzes Quartal angefordert werde und erforderlichenfalls innerhalb des Quartals
Nachforderungen erfolgen müssten. Werde eine Quartalsanforderung nicht verbraucht, falle die Anforderung im Folgequartal geringer
aus. Dies ergebe in einzelnen Quartalen besonders hohe und in anderen Quartalen besonders niedrige Anforderungen. Dies lasse
sich mit einer quartalsbezogenen Überprüfung nicht nachzeichnen. Die Quartale einer vom 3. Quartal bis zum 1. Quartal des
Folgejahres andauernden Prüfsaison müssten daher zusammengefasst werden.
Gegen die seinem Prozessbevollmächtigten am 6. September 2013 zugestellte Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers,
die am Montag, dem 7. Oktober 2013 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Der Kläger führt aus,
für die weiteren einbezogenen Quartale fehle es an einem Prüfantrag. Die Prüfvereinbarung differenziere zwischen einer Prüfung
mehrerer Quartale und einer quartalsweisen Überprüfung. Insbesondere regele § 9 der Prüfvereinbarung, dass die Wirtschaftlichkeitsprüfung
quartalsweise erfolgen solle, der Sprechstundenbedarf darüber hinaus für ein gesamtes Kalenderjahr. § 10 Abs. 5 der Vereinbarung
stelle auf eine Quartalsprüfung ab. Entsprechend laufe die Antragsfrist ab dem Quartalsablauf. Sehe man von einer quartalsbezogenen
Überprüfung ab, müsse eine Jahresprüfung vorgenommen werden, da auch in den zweiten Quartalen geimpft werde. Nach § 6 der
Impfvereinbarung könnten die Beigeladenen zu 1) bis 5) nur einen sonstigen Schaden im Sinne des § 48 BMV-Ä geltend machen, wenn die Vertragsärzte über das in der Vereinbarung geregelte Maß hinaus Verordnungen getätigt hätten. Dies
setze gemäß § 10 Abs. 8 der Prüfvereinbarung jedoch ein schuldhaftes Verhalten voraus. Die Bestellung der Impfdosen sei eine
Prognose-Entscheidung. Ein Vorrat an Impfdosen sei nicht ohne Weiteres unwirtschaftlich. Er selbst habe zunächst Teilmengen
bestellt. Die Lieferung sei nicht rechtzeitig erfolgt. Eventuell habe sich die Nachfrage dadurch erhöht, dass auch Patienten
aus anderen Praxen nachgefragt hätten. Die aufgrund der Nachfrage kalkulierte Menge sei nicht in Anspruch genommen worden,
da die Patienten anderweitig geimpft worden seien oder auf eine Impfung verzichtet hätten. Dies nicht erkannt zu haben stelle
kein schuldhaftes Verhalten dar. Der Vorrat an Impfstoff müsse ausreichend sein. Diese systembedingten Probleme seien bei
der Entscheidung der Beklagten und des Sozialgerichts unberücksichtigt geblieben.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 8. Mai 2013 und die Bescheide des Beklagten vom 5. Februar 2010 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er führt aus, Impfleistungen in den zweiten Jahresquartalen wären bei der Schadensberechnung berücksichtigt worden, wenn der
Kläger solche vorgetragen hätte. Er - der Beklagte - habe über solche Leistungen keine Kenntnisse. § 9 der Prüfvereinbarung
greife nicht ein, denn dort sei eine Prüfung nach Durchschnittswerten geregelt. Hier sei jedoch eine Einzelfallprüfung gemäß
§ 10 Abs. 2 der Prüfvereinbarung durchgeführt worden. Daher habe er auch keinen sonstigen Schaden im Sinne des § 6 Impfvereinbarung
festgestellt. Es sei nicht erklärlich, warum der Kläger sich mit seinen Abforderungen nicht an dem Vorjahresverbrauch habe
orientieren können. Die eingetretenen Lieferengpässe im Vorjahr seien unerheblich, da ein Arzt nicht höhere Mengen an Impfstoff
vorhalten müsse, als dies nach langjähriger Erfahrung erforderlich sei. Die Anforderung des Klägers habe den Vorjahresumfang
um 1.120 Dosen überschritten. In der Impfsaison 2005/2006 habe der Kläger 1.076 Impfungen durchgeführt. Für den Fall, dass
Impfstoff nicht geliefert worden sei, hätte der Kläger die entsprechenden - nicht ausgelieferten - Rezepte zurücknehmen müssen.
Die Beigeladenen stellen keine Anträge.
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge des Beklagten und die Verfahrensakte vorgelegen. Zur Ergänzung der Einzelheiten wird
darauf Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht
im Sinne des §
151 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) eingegangen. Sie ist aber nicht begründet, denn das angefochtene Urteil ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in
seinen Rechten. Die Klage war abzuweisen, denn die Entscheidung des Beklagten ist nicht zu beanstanden.
Die Tatsache, dass der Beklagte für das Quartal I/ 2006 einen höheren Regressbetrag als die Prüfungsstelle festgesetzt hat,
verstößt nicht gegen das Verschlechterungsverbot, das es verbietet, dass in einem Rechtsbehelfsverfahren eine Rechtsfolge
ausgesprochen wird, die für den Rechtsbehelfsführer eine größere rechtliche Belastung als die Ausgangsentscheidung beinhaltet.
Denn auch die Beigeladenen zu 1) bis 5) und die Beigeladene zu 6) haben gegen die Entscheidung der Prüfungsstelle Widerspruch
eingelegt. In einem derartigen Fall greift das Verschlechterungsverbot nicht (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl., vor §
143 Rn. 17; zur Möglichkeit einer Verschlechterung im Widerspruchsbescheid: Leitherer aaO, § 85 Rn. 5).
Die durchgeführte Wirtschaftlichkeitsprüfung ist zulässig. Rechtsgrundlage ist §
106 Abs.
2 Satz 4
SGB V i. V. m. §
10 Abs.
2 Prüfvereinbarung vom 5. Januar 2006. Gemäß §
106 Abs.
2 Satz 4
SGB V (hier anzuwenden in der Fassung des Gesetzes vom 14. November 2003 - BGBl. I Seite 2190) können die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich mit den Kassenärztlichen
Vereinigungen über die in Satz 1 vorgesehenen Prüfungen hinaus Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach
Durchschnittswerten und andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren. Dies ist in der Prüfvereinbarung (PV) 2006 erfolgt.
Danach überprüfen die Prüfstelle bzw. der Beklagte auf Antrag der Krankenkassen oder der KVSH im Einzelfall, ob der Vertragsarzt
durch Veranlassung von Auftragsleistungen, Verordnung von Arzneimitteln, Heilmitteln, Sprechstundenbedarf, häuslicher Krankenpflege
oder Krankenhausbehandlung, bei der Beurteilung von Arbeitsunfähigkeit oder Verordnung von Hilfsmitteln sowie sonstiger veranlasster
Leistungen gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat. Die Regelung "Arzneimittel" ist auf die Impfstoffe für den Grippeschutz
anzuwenden. Dies folgt aus § 2 Abs. 1 Nr. 2a Arzneimittelgesetz (AMG). Nach dessen Definition sind Arzneimittel u. a. Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die im menschlichen Körper angewendet
oder einem Menschen verabreicht werden können, um die physiologischen Funktionen durch immunologische Wirkung wieder herzustellen,
zu korrigieren oder zu beeinflussen. Durch die Grippeschutzimpfung soll eine Immunisierung erreicht werden, so dass die Definition
erfüllt ist. Dies hat der Senat bereits in einem Urteil vom 17. November 2009 (L 4 KA 24/08) - Rn. 25f - zu § 12 Abs. 1 der Prüfvereinbarung vom 15. Mai 1995 festgestellt, die insoweit einen gleichen Wortlaut hatte.
Der Prüfanträge der Beigeladenen zu 1) bis 5) vom 22. Dezember 2006 und 20.September 2007 bezogen sich auf alle Quartale III/2005
bis I/2006 und III/2006 bis I/2007. Zwar sind in der Betreffzeile der Anträge lediglich die Quartale I/2006 und IV/2006 erwähnt.
Die Anträge enthielten jedoch in den beigefügten Tabellen die Anforderungen der Prüfstoffe und die jeweiligen vorgenommenen
Impfleistungen des Klägers entsprechend der EBM-Ziffer 99804 (Influenza) der Quartale III/2005 bis I/2006 sowie III/2006 bis
I/2007. Nach Auffassung des Senats ginge es zu weit, die Nennung der Quartale I/2006 und IV/2006 in den Betreffzeilen der
Antragsschreiben als Beschränkung der Anträge anzusehen. Der notwendige Inhalt eines Antrages ist gesetzlich nicht definiert.
Ein Antrag ist der in erkennbarer Weise zum Ausdruck gebrachte Wille des Antragstellers, ein Verwaltungsverfahren einzuleiten.
Er bestimmt den Gegenstand und das Ziel des Verwaltungsverfahrens im Sinne von § 8 des 10. Buches Sozialgesetzbuch (SGB X; Vogelgesang in Hauck/Noftz, SGB X § 18 Rd.Ziffer 19, 20). Im sozialen Leistungsrecht ist regelmäßig das Meistbegünstigungsprinzip auf eine Antragstellung anzuwenden.
Dieses besagt, dass ein Antrag stets so auszulegen ist, dass die sozialen Rechte des Antragstellers möglichst umfassend zu
seinem Gegenstand gemacht werden können. Es kann dahingestellt bleiben, ob dies auch bei einer Einleitung eines Verwaltungsverfahrens
durch einen öffentlich-rechtlichen Träger gilt, für den es nicht um Sozialleistungsansprüche geht. Denn ein Antrag ist eine
empfangsbedürftige öffentlich-rechtliche Willenserklärung, die in entsprechender Anwendung der zivilrechtlichen Vorschriften
der Auslegung bedarf (Hissnauer in [...] PK-SGB X § 18 Rn. 11). Diese Auslegung muss dahin gehen, dass die Beigeladene zu 1) Prüfanträge wegen der gesamten drei Quartale III/2005
bis I/2006 und III/2006 bis I/2007 einleiten wollte. In die Auslegung des Prüfantrages ist dessen Ausgestaltung einzubeziehen.
Die Beigeladene zu 1) hat in den Anträgen sämtliche abgeforderten Impfstoffe und abgerechneten Impfleistungen der Quartale
III/2005 bis I/2006 sowie III/2006 bis I/2007 aufgelistet. Dies ergäbe keinen Sinn, wenn der Antrag sich allein auf die in
der Betreffzeile genannten Quartale beschränken sollte, denn dann wären nur die in diesen Quartalen abgeforderten Impfstoffe
und erbrachten Impfleistungen zu vergleichen. Der Bezug der Anträge auf alle drei Quartale folgt ferner aus den Erwägungen
des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 18. August 2010 (B 6 KA 14/09 R). Das BSG ist in der Entscheidung darauf eingegangen, ob es (dort zur Sprechstundenbedarfsverordnung) zulässig sei, auch ohne eine
entsprechende gesetzliche Regelung eine quartalsübergreifende Prüfung durchzuführen. Das BSG hat ausgeführt, dass dies zulässig sei, wenn sich aus sachlichen Gründen hierfür eine Sachgerechtigkeit oder sogar Notwendigkeit
ergebe. Im Fall des Sprechstundenbedarfs hat das BSG dies bejaht, da dieser regelmäßig fallübergreifend bestellt werde und für den Fall, dass Material in einem Quartal nicht
verbraucht werde, ebenso fallübergreifend im Folgequartal benutzt werde mit der Folge einer in jenem Quartal geringeren Anforderung.
In gleicher Weise verhält es sich mit den Impfstoffen: Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass aufgrund der geschilderten
Lieferumstände regelmäßig einmal jährlich im Spätsommer ein gewisser Vorrat an Impfstoffen durch den Vertragsarzt angefordert
werden muss, zumindest muss er eine frühzeitige Vorbestellung aufgeben. Es liegt auf der Hand, dass diese Impfstoffe nicht
in einem Quartal, sondern im Laufe des gesamten Herbst und Winter, also während der gesamten Impfsaison, aufgebraucht werden.
Eine Quartalsbetrachtung wäre überhaupt nicht aussagekräftig. Die Auslegung des Antrags der Beigeladenen zu 1) bis 5) muss
daher dahin gehen, dass eine quartalsbezogene Prüfung, nämlich für die Quartale III/2005 bis I/2006 einerseits und III/2006
bis I/2007 andererseits, durchgeführt werden sollte.
Die Anträge waren auch nicht verfristet gestellt. Hierzu bestimmt § 10 Abs. 5 PV, dass die Anträge zur Prüfung nur innerhalb
einer Frist von neun Monaten nach Abschluss des Quartals gestellt werden, in dem die Verordnung ausgestellt worden ist. Diese
Vorschrift hindert die Überprüfung jedoch nicht. Mit Urteil vom 3. Februar 2010 (B 6 KA 37/08 R) hat das BSG ausgeführt, dass die Einhaltung einer in einer Prüfvereinbarung normierten Frist für Prüfanträge der Krankenkassen keine
Voraussetzung der Rechtmäßigkeit eines Arzneikostenregresses sei; für einen derartigen Regress bestehe lediglich eine Ausschlussfrist
von vier Jahren. Diese Rechtsprechung hat das BSG in einem weiteren Urteil vom 18. August 2010 (B 6 KA 14/09 R) bestätigt. Hierzu hat das BSG ausgeführt (Rn. 20), dass derartige Fristen nicht dem Schutz des überprüften Arztes, sondern der Verfahrensbeschleunigung
und effektiven Verfahrensdurchführung dienen sollten. Werde der Antrag zu spät gestellt, sei dem Interesse an einer Verfahrensbeschleunigung
zwar nicht Rechnung getragen. Es liefe aber der Zielrichtung der Regelungen und im Übrigen auch dem hohen Rang des Wirtschaftlichkeitsgebots
mit dem daraus folgenden Ziel möglichst effektiver Verhinderung unwirtschaftlicher Behandlungs- oder Verordnungsweise zuwider,
wenn man daraus ein Hindernis für die Verfahrensdurchführung überhaupt ableiten wolle. Die Forderung eines Prüfantrages innerhalb
einer bestimmten Frist in § 10 Abs. 5 PV hat danach keine materielle, sondern allenfalls Ordnungsfunktion. Der Senat folgt
dieser Rechtsprechung des BSG, denn sie steht mit dem allgemeinen Verfahrensrecht im Einklang (vgl. Urteil des Senats vom 8. Dezember 2015 - L 4 KA 15/12). Nach § 42 Satz 1 SGB X besteht kein Anspruch auf Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nichtig ist, allein deshalb, weil er unter Verletzung
der Verfahrensvorschriften zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache
nicht beeinflusst hat. Offensichtlichkeit in diesem Sinne kann angenommen werden, wenn sich mit Hilfe der vorliegenden Unterlagen
oder sonstigen Beweismittel objektiv nachweisen lässt, dass der Fehler keinen Einfluss auf das Entscheidungsergebnis genommen
hat (BR-Drucks. 422/94, S. 5; Waschull in Diering/Timme/Waschull, SGB X, 3. Auflage, § 42 Rn. 14). Dies ist hier gegeben, denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass das Prüfungsergebnis im Fall rechtzeitiger Anträge
anders ausgefallen wäre.
Insgesamt ist die Prüfung damit zulässig durchgeführt.
Auch inhaltlich sind die Bescheide des Beklagten nicht zu beanstanden. § 6 des Vertrages über die Durchführung und Abrechnung
von Schutzimpfungen gegen übertragbare Krankheiten im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung (Impfvereinbarung) vom 16.
Januar 2003 enthält hinsichtlich eines sonstigen Schadens, der den Krankenkassen durch Verordnungen der Vertragsärzte über
das vertraglich vereinbarte Maß hinaus entstehen, eine Rechtsfolgenverweisung auf § 48 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä). Diese Vorschrift verweist in Abs. 1 für die Feststellung eines Schadens auf das Verfahren bei den Prüfungseinrichtungen nach §
106 SGB V und damit auf die dazu ergangene Prüfungsvereinbarung. Als Rechtsfolgenverweis beschränkt sich der Regress nicht auf die
in § 48 Abs. 1 BMV-Ä genannten Aufgreiftatbestände. Ferner führt die direkte Verweisung auf die Folge des § 48 BMV-Ä dazu, dass ein Verschulden des überprüften Arztes für den Schadenseintritt nicht vorausgesetzt ist. Zwar setzt die Festsetzung
eines "sonstigen Schadens" im Sinne des § 48 Abs. 1 BMV-Ä ein schuldhaftes Verhalten des Vertragsarztes voraus, da er an die Grundsätze des Schadensersatzrechts angelehnt ist (BSG v. 29. Juni 2011 - B 6 KA 16/10 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 31, Rn. 26). Dies gilt jedoch nur für die unzulässigen Verordnungen oder fehlerhaften Bescheinigungen
im Sinne der Vorschrift, nicht aber für die Überprüfungen, die - ähnlich wie die Überschreitungen der Verordnungs-Budgets
- als Wirtschaftlichkeitsprüfungen angelegt sind. Der Beklagte hat eine Einzelfallprüfung im Sinne des § 10 Abs. 2 der Prüfvereinbarung
vom 5. Januar 2006 vorgenommen. Eine Überprüfung anhand statistischer Werte oder Richtgrößen verbat sich hinsichtlich der
individuellen Verhältnisse in den einzelnen Arztpraxen. Bei der Beurteilung der Prüfmaßnahme ist zu berücksichtigen, dass
den Prüfgremien bei der Ausgestaltung der Prüfung in einzelnen Bereichen ein Beurteilungs- und Ermessensspielraum zusteht.
Dieser besteht als gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Rahmen immer dort, wo der medizinische Sachverstand für die
Beurteilung der Sachlage im Vordergrund steht (vgl. Überblick bei Engelhardt in Hauck/Noftz,
SGB V §
106 Rn. 553 a ff. und 560 ff.). Ein Beurteilungsspielraum besteht insbesondere bei der Wahl der Prüfmethode (BSG v. 16.7.2008 - B 6 KA 57/07 R - SozR 4-2005 § 106 Nr. 19) und bei der Grenzbestimmung des unwirtschaftlichen Mehraufwandes (BSG v. 15.3.1995 - 6 RKa 37/93 - SozR 3-2005 § 106 Nr. 26) sowie bei der Festlegung des Prüfmaßes (BSG v. 6.5.2009 - B 6 KA 3/08 R - MedR 2010 S. 276). Es sind keine Anhaltspunkte dafür zu erkennen, dass der Beklagte das ihm eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat.
Die Überprüfung der Ermessensentscheidung durch das Gericht ist dabei eine alleinige Rechtskontrolle, die sich darauf beschränkt,
ob die Behörde ihr Ermessen gar nicht ausgeübt oder nicht im Bescheid zum Ausdruck gebracht hat (Ermessensnichtgebrauch),
ob die Behörde ihr Ermessen zu eng eingeschätzt hat (Ermessensunterschreitung), ob sie eine Rechtsfolge gesetzt hat, die in
der gesetzlichen Regelung nicht vorgesehen ist (Ermessensüberschreitung) oder ob die Behörde von ihrem Ermessen fehlerhaft
Gebrauch gemacht hat (Ermessensfehlgebrauch). Letzteres ist nur dann der Fall, wenn die Behörde ein unsachliches Motiv oder
einen sachfremden Zweck verfolgt hat, wenn sie nicht alle maßgebenden Ermessensgesichtspunkte in die Entscheidung einbezogen
hat oder wenn sie die abzuwägenden Gesichtspunkte fehlerhaft gewichtet oder einen unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt
zugrunde gelegt hat (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl. §
54 Rd.Nr. 27; Kopp/Schenke,
VwGO, 21. Aufl., §
114 Rn 7 ff). Derartige Ermessensfehler liegen nicht vor.
Der Beklagte hat als Grundsatz für die Prüfung auf einen Vergleich zwischen den abgeforderten Mengen Impfstoff und den vorgenommenen
Impfungen, die an den abgerechneten Gebührenleistungen 99804 EBM erkennbar sind, abgestellt. Dies ist nach der Auffassung
des Senats ein nicht zu beanstandender Ansatz, der allerdings die Besonderheiten des Einzelfalles berücksichtigen muss. Denn
die Abforderung von Grippe-Impfstoffen muss sich an einer Prognose über das zu erwartende Impfverhalten der Patienten ausrichten.
Um dieses abschätzen zu können und die Gefahr einer zu niedrigen oder zu hohen Abforderung zu vermeiden, kann sich der Arzt
dabei an dem Impfverhalten und dem Bedarf an Impfstoffen in den Vorjahren orientieren oder frühzeitig ein ungefähres Meinungsbild
der Patienten vor der Impfsaison einholen. Um den eventuell auftretenden Schwankungen im Impfverhalten der Patienten gerecht
zu werden, ist es erforderlich, dem überprüften Arzt über die durchgeführten Impfleistungen hinaus einen Zuschlag zu gewähren
und die wirtschaftlich abgeforderte Menge an Impfstoff nicht genau mit der Zahl der abgerechneten Impfleistungen anzusetzen.
Dem ist der Beklagte mit einem Zuschlag von 10 % auf die Zahl der abgerechneten Leistungen 99804 EBM gerecht geworden. Einen
derartigen Zuschlag hält der Senat grundsätzlich für ausreichend, es sei denn, dass Umstände dargetan werden, die besonders
zu berücksichtigen sind und dazu führen, dass ein höherer Zuschlag einzuräumen ist. Derartige Gründe hat der Kläger nicht
vorgetragen. In diesem Zusammenhang ist das Verhältnis des Amtsermittlungsgrundsatzes, der auch im Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren
gilt, zu dem Beibringungsgrundsatz, der bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung gegenüber den anderen Sozialverwaltungsverfahren
in gesteigertem Maß gilt, zu beachten (dazu vgl. Engelhardt in Hauck/Noftz, SGBV § 106 Rn. 543 ff). Danach haben die Prüfgremien
den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären und hierbei alle zulässigen Erkenntnisquellen heranzuziehen, können sich dabei
aber auf die Ermittlung der augenfälligen Tatsachen beschränken (BSG v. 27. 4. 2005 - B 6 KA 1/04 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 9; BSG v. 5. 6. 2013 - B 6 KA 40/12 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 41). Der geprüfte Arzt ist im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht gehalten, seinen Standpunkt rechtzeitig
zu substantiieren. Vortrag kann präkludiert werden, wenn der Arzt nicht bereits im Verwaltungsverfahren vor der Prüfstelle
oder dem Beschwerdeausschuss wenigstens ansatzweise seinen Standpunkt und die ihn tragenden Tatsachen darlegt. Dies gilt insbesondere
für Tatsachen, die naturgemäß allein ihm bekannt sein können (BSG v. 11. 12. 1985 - 6 RKa 30/84 - SozR 2200 § 368n Nr. 40; BSG v. BSG v. 8. 5. 1985 - 6 RKa 24/83 - [...]). Diese alte Rechtsprechung des BSG gilt weiterhin (vgl. BSG v. 16. 7. 2008 - B 6 KA 57/07 - SozR 4-2500 § 106 Nr. 19). Die Präklusion ist allerdings nicht zwingend. Daher hätte es dem
Kläger oblegen, derartige Besonderheiten seiner Anforderung von Impfstoffen darzulegen; dem ist er aber nicht nachgekommen
und auf den ersten Blick sind Besonderheiten von Amts wegen nicht zu erkennen. Er beruft sich allein auf die übliche Schwankungsbreite
im Impfverhalten der Patienten, die - wie ausgeführt - mit einem Zuschlag von 10 % ermessensgerecht angesetzt werden kann.
Unklar ist insbesondere das Bild für den Zeitraum III/2006 bis I/2007. Es ist für den Senat nicht erkennbar, warum der Kläger
für diesen Zeitraum 1500 Ampullen Impfstoff angefordert hat, obwohl dem nur 1076 Impfungen im Vorjahreszeitraum gegenüberstanden.
Nach dem Vortrag der Beteiligten ist es in dem vorangegangenen Zeitraum 2005/2006 zu Lieferengpässen gekommen, weil die Pharmaindustrie
offensichtlich mit einer gesamten Liefercharge ausgefallen ist. Bestimmte Erregerstämme, mit denen die Impfstoffe hergestellt
werden, standen nicht zur Verfügung. Dies könnte Anlass dazu geben, dass in dem Vorjahreszeitraum nur eine geringere Zahl
von Patienten geimpft wurde. Hierzu fehlt aber ein konkreter Vortrag des Klägers. Für den Senat ist es insbesondere nicht
erklärlich, warum der Kläger für den Zeitraum III/2006 bis I/2007 nahezu 50 % mehr Impfstoffe angefordert hat, als er im Vorjahreszeitraum
verbraucht hatte. Eine derartige große Differenz ist auch mit den Lieferengpässen und den erfolgten Nachlieferungen nicht
erklärlich. Dies gilt ähnlich für den Vortrag des Klägers zu den Impfungen, die er in den Quartalen II/2006 und II/2007 durchgeführt
hat. Nachdem er Impfungen in den beiden Quartalen vorgetragen hatte, hat ihn der Beklagte während des Verfahrens aufgefordert,
diese Impfleistungen zu beziffern. Dem ist der Kläger erst in der Berufungsverhandlung nachgekommen.
Angesichts dessen sieht der Senat keine Gesichtspunkte, die den Beklagten hätten veranlassen müssen, von dem üblichen Zuschlag
von 10 % auf die abgerechneten Impfleistungen abzuweichen. Sollte der Kläger es in Einzelfällen versehentlich unterlassen
haben, die Impfleistung abzurechnen und dadurch eine geringere Anzahl an Leistungen der EBM-Ziffer 99804 verzeichnet sein,
fällt dies in seinen Risikobereich. Der Beklagte hat ferner eine Aufrundung der wirtschaftlich abzufordernden Menge an Impfstoff
auf das nächst wirtschaftlich zu bestellende Maß vorgenommen, wodurch dem Kläger noch einige weitere Impfungen ermöglicht
wurden. Der Senat sieht das Problem für die Impfärzte in der Bedarfsprognose, die sie im Sommer vor der Impfsaison im Rahmen
ihrer Bestellung stellen müssen. Dieses Problem erklärt jedoch nicht die erheblichen Abweichungen in den Bestellungen gerade
im Zeitraum 2006/2007. Unerheblich ist es, dass der Kläger überzählige Impfstoffe später verbraucht hat. Mit Urteil vom 17.
November 2009 (L 4 KA 24/08) hat der Senat ausgeführt, dass der Schadensbegriff im Sinne des § 10 Abs. 2 Satz 2 Prüfvereinbarung ein normativer Begriff
ist und daher das Argument einer anderweitigen Verwendung der Impfstoffe nicht durchgreifen kann.
Ermessensfehler der Entscheidung des Beklagten liegen nach alledem nicht vor.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Der Entscheidung über den Streitwert folgt aus § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz.