Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung hat.
Die 1956 in China geborene Klägerin kam 1992 nach Deutschland. Von Juli 1992 bis Dezember 1994 war sie bei der Beigeladenen
gesetzlich krankenversichert. Seit Anfang 1995-1997 war sie über die Firma Import/Export mit einer privaten Gruppenkrankenversicherung
für chinesische Mitarbeiter und Familien in Deutschland bei der Krankenversicherung AG krankenversichert. Von 1997 an bestand
eine entsprechende Gruppenauslandsreisekrankenversicherung über die Firma Import/Export bei der D R Krankenversicherung AG.
Hierbei handelt es sich um eine Krankenvollversicherung. Erfasst sind neben ambulanter Heilbehandlung auch Zahnbehandlungen
und stationäre Heilbehandlung sowie Vorsorgeuntersuchungen zu jeweils 100 %. Nachdem die Firma Import/Export im Jahre 2004
aufgelöst worden war, bestand die Krankenversicherung der Klägerin beim D R weiter als Firmenversicherung. Die Zahlung der
Beiträge übernahm die Klägerin selbst. Von 2004 bis Ende 2012 war die Klägerin selbstständig mit einer Import/Export Firma
tätig. Seit 2000 ist sie deutsche Staatsangehörige und seit dem 1. Januar 2013 in der Firma ihres Ehemanns beschäftigt mit
einem Entgelt in Höhe von monatlich 800,00 EUR.
Am 28. Januar 2013 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung. Auf
Nachfrage der Beklagten hinsichtlich bestehender Vorversicherungszeiten übersandte die Klägerin eine Mitgliedsbescheinigung
der Beigeladenen vom 14. Juli 1992. Mit Bescheid vom 21. Februar 2013 lehnte die Beklagte die Aufnahme in die gesetzliche
Krankenversicherung ab, da die Klägerin innerhalb der letzten fünf Jahre keinen Tag gesetzlich krankenversichert gewesen sei.
Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin am 7. März 2013 Widerspruch ein. Die Kosten für eine private Krankenversicherung
könne sie nicht tragen. Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Juni 2013 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.
Die Klägerin sei versicherungsfrei nach §
6 Abs.
3a SGB V.
Hiergegen hat die Klägerin am 28. Juni 2013 beim Sozialgericht Lübeck Klage erhoben. Die Beklagte sei verpflichtet, sie in
die gesetzliche Krankenversicherung aufzunehmen. Es greife der Ausnahmetatbestand nach §
6 Abs.
3a Satz 4
SGB V, wonach diese Vorschrift nicht für Personen gelte, die nach §
5 Abs.1 Nr. 13
SGB V versicherungspflichtig seien. Diese Voraussetzungen erfülle die Klägerin, da sie zuletzt gesetzlich krankenversichert und
nicht anderweitig gegen Krankheit abgesichert sei. Es bestehe lediglich eine private Auslandskrankenversicherung.
Die Klägerin hat beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides vom 21. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2013 festzustellen,
dass die Klägerin seit dem 1. Januar 2013 krankenversichertes Mitglied der Beklagten, hilfsweise der Beigeladenen, ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat auf den Inhalt ihrer Bescheide Bezug genommen und geltend gemacht, dass eine Auffangversicherung nach §
5 Abs.
1 Nr.
13 SGB V bei der Beigeladenen und nicht bei der Beklagten bestünde, weil bei der Beigeladenen der letzte Beitrag zur gesetzlichen
Krankenversicherung entrichtet worden sei.
Mit Beschluss vom 17. Dezember 2013 das Sozialgericht die DAK beigeladen. Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 19. November 2015 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:
"Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung ihrer Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung seit 1. Januar
2013. Denn sie ist seit diesem Zeitpunkt versicherungsfrei nach §
6 Abs.
3 a SGB V. Nach dieser Vorschrift sind Personen, die nach Vollendung des 55. Lebensjahres versicherungspflichtig werden, versicherungsfrei,
wenn sie in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Versicherungspflicht nicht gesetzlich versichert waren. Weitere Voraussetzung
ist, dass diese Person mindestens die Hälfte dieser Zeit versicherungsfrei, von der Versicherungspflicht befreit oder nach
§
5 Abs.
5 SGB VI nicht versicherungspflichtig war. Diese Voraussetzungen liegen vor. Denn die Klägerin beantragte nach der Vollendung ihres
55. Lebensjahres die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung durch die Aufnahme einer versicherungspflichtigen
Beschäftigung am 01. Januar 2013. Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin 56 Jahre alt. Sie war in den letzten fünf Jahren vor
Eintritt dieser Versicherungspflicht auch nicht gesetzlich versichert. Vielmehr war sie während des gesamten Zeitraumes als
hauptberuflich Selbständige nach §
5 Abs.
5 SGB V nicht versicherungspflichtig.
Die Versicherungsfreiheit ist auch nicht nach §
6 Abs.
3a Satz 4
SGB V ausgeschlossen. Danach gilt §
6 Abs.
3a Satz 1 nicht für Personen, die nach §
5 Abs.
1 Nr.
13 SGB VI versicherungspflichtig sind. Die Voraussetzungen der Versicherungspflicht nach §
5 Abs.
1 Nr.
13 SGB V erfüllt die Klägerin jedoch nicht. Nach dieser Vorschrift sind versicherungspflichtig Personen, die keinen anderweitigen
Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und a) zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder b) bisher nicht gesetzlich
oder privat krankenversichert waren, es sei denn, dass sie zu den in Abs. 5 oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 genannten Personen
gehören oder bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätten. Diese Voraussetzungen liegen in der Zeit ab
1. Januar 2013 bereits deshalb nicht vor, weil die Klägerin einen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall
hat. Denn die Absicherung der Klägerin durch ihre Krankenversicherung beim D R genügt den Anforderungen dieser Vorschrift
an eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall. Insoweit kommt es nicht darauf an, dass die anderweitige Absicherung qualitativ
dem Versicherungsschutz in der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht, maßgeblich ist vielmehr ein die Voraussetzungen
des § 193 Abs. 3 Satz 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) erfüllendes Sicherungsniveau (BSG 20. März 2013 - B 12 KR 14/11 R). Durch die Krankenversicherung der Klägerin werden die Mindestanforderungen nach dieser Vorschrift erfüllt. Denn ihre Krankenversicherung
beim D R erfasst die volle Kostenerstattung für ambulante und stationäre Heilbehandlung, sowie für Zahnbehandlung und Vorsorgeuntersuchungen.
Eine Selbstbeteiligungspflicht besteht im Hinblick auf diese Leistungen nicht. Das nach § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG maßgebliche Mindestsicherungsniveau wird auch nicht dadurch unterschritten, dass die Klägerin durch ihre Versicherung beim
D R keinen Schutz gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit erhält (vgl. BSG, a. a. O.). Unerheblich ist nach Auffassung der Kammer auch, dass die private Krankenversicherung der Klägerin mit der Vollendung
des 65. Lebensjahres endet. Ausweislich der Versicherungsunterlagen besteht dann die Möglichkeit, eine weiterführende private
Krankenversicherung abzuschließen. Die Klägerin, die sich in der Zeit ihrer selbständigen Tätigkeit für eine private Krankenversicherung
entschieden hat, ist damit nach Auffassung der Kammer dem Kreis der privat Krankenversicherten zuzuordnen. Eine Auffangversicherung
nach §
5 Abs.
1 Nr.
13 SGB V kommt für sie nicht in Betracht.
Auch die weiteren Voraussetzungen des §
5 Abs.
1 Nr.
13 SGB V sind nicht erfüllt. Denn die Klägerin war auch nicht zuletzt gesetzlich krankenversichert im Sinne von §
5 Abs.
1 Nr.
13 a)
SGB V. Zwar war sie in den neunziger Jahren bei der Beigeladenen gesetzlich krankenversichert. Jedoch war sie in den Jahren danach
bis Ende 2012 privat krankenversichert mit einer Vollkostenversicherung. Diese unmittelbar vor der beantragten Mitgliedschaft
vorliegende private Krankenversicherung steht der Versicherungspflicht nach §
5 Abs.
1 Nr.
13 a)
SGB V entgegen, da sie wesentliche Teile einer Vollversicherung umfasst (vgl. oben; vgl. Hessisches LSG 19. Juli 2011 - L 1 KR 180/11 B ER). Wer zwischenzeitlich in der privaten Krankenversicherung war, ist nicht versicherungspflichtig nach Nr. 13, auch wenn
es sich um eine Teilversicherung gehandelt hat, wenn sie nur wesentliche Teile der Vollversicherung umfasste (Just in Becker/Kingreen,
SGB V, 4. Auflage, §
5, RdNr 66, m. w. N.). Die Klägerin hat damit keinen Anspruch auf eine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Ein solcher Anspruch ergibt sich folglich weder gegen die Beklagte noch gegenüber der Beigeladenen."
Gegen dieses dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 7. Dezember 2015 zugestellte Urteil richtet sich ihre Berufung, die
am 29. Dezember 2015 bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Zur Begründung führt die Klägerin
aus, dass entgegen der Auffassung des Sozialgerichts für sie keine anderweitige Absicherung für den Krankheitsfall bestanden
habe. Es habe allenfalls eine Auslandsreisekrankenversicherung gegeben, die damals über eine chinesische Firma für sie abgeschlossen
worden sei. Spätestens ab dem Jahre 2000 habe diese Versicherung aber keinen Bestand mehr gehabt, da sie dann deutsche Staatsangehörige
geworden sei. Spätestens ab diesem Zeitpunkt könne überhaupt keine Auslandsreisekrankenversicherung, die dann etwa einen adäquaten
Inlandskrankenversicherungsschutz biete, für sie bestanden haben. Sie sei ab 1995 bis 2004 bei der Firma Import Export tätig
gewesen. Aus gegebenenfalls vorzulegenden Lohnabrechnungen ergebe sich, dass damals die Voraussetzungen für eine sozialversicherungspflichtige
Beschäftigung vorgelegen hätten und die Klägerin damit auch bei der Beigeladenen hätte bleiben können bzw. müssen, bei der
sie von 1992 bis 1994 versichert gewesen sei. Die Firma sei 2004 geschlossen worden. Danach sei sie bis 2012 selbstständig
tätig gewesen. Die Versicherungsprämien für die Auslandsreisekrankenversicherung seien bis Dezember 2015 gezahlt worden. Ab
Ende 2012 bzw. Anfang 2013 liege eine Beschäftigung bei der Firma J R T vor, mit Einkünften, die zur Begründung der Sozialversicherungspflicht
führen würden. Die Beklagte buche insoweit auch Pflichtbeiträge ab. Im Falle einer Ablehnung der Versicherung seitens der
Beklagten hätten von dort keine Beiträge angefordert werden dürfen. Im Ergebnis sei festzustellen, dass das hier vorliegende
Konstrukt einer Auslandsreisekrankenversicherung schon seit vielen Jahren für die Klägerin überhaupt nicht gepasst habe. Sie
hätte bereits ab 1995 weiter bei der Beigeladenen versichert bleiben können bzw. müssen. Wenn dies alles richtig gehandhabt
worden wäre, hätte sie später, als die Firma geschlossen worden war, freiwillig bei der Beigeladenen versichert bleiben können.
Dementsprechend sei sie bereits im Jahr 2000, später dann auch noch im Jahr 2004 bei der Beigeladenen vorstellig geworden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 19. November 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. Februar 2013 in der Fassung
des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2013 aufzuheben und festzustellen, dass sie seit 1. Januar 2013 pflichtversichertes
Mitglied der Beklagten, hilfsweise der Beigeladenen ist.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Klägerin sei gemäß §
6 Abs.
3a SGB V versicherungsfrei. Ihr Versicherungsschutz und mithin die Qualität der Auslandsreisekrankenversicherung sei unerheblich,
da die Klägerin in den letzten fünf Jahren nicht gesetzlich versichert gewesen sei.
Die Beigeladene schließt sich schriftsätzlich dem Antrag der Beklagten an.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der
Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gewesen.
Das von der Klägerin angefochtene Urteil des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf
Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Selbst wenn man dahinstehen lässt, ob eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall, die mindestens dem Niveau von § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG entspricht (Bundessozialgericht, Urteil vom 7. Juni 2018, B 12 KR 17/17 R), bestanden hat, liegen diese Voraussetzungen nicht vor.
Selbst wenn zu keinem Zeitpunkt eine Zugehörigkeit zur gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung bestanden hätte, käme
die Klägerin trotzdem nicht mehr in die GKV. Denn wer hauptberuflich selbstständig war, gelangt - auch wenn der Status zwischenzeitlich
beendet wurde - auch dann nicht mehr in die GKV, wenn er zuvor nie über irgendeinen Krankenversicherungsschutz verfügt hat.
In diesem Zusammenhang ist allerdings fraglich, wie "gehören" im Sinne von §
5 Abs.
1 Nr.
13 Buchstabe b
SGB V zu verstehen ist. Die Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger haben sich in einem gemeinsamen Rundschreiben vom 20.
März 2007 dahingehend geäußert, dass sich der Ausschluss an der aktuellen Berufstätigkeit orientiere und daher nicht mehr
zu prüfen sei, welchen Beruf der Versicherte während seines Erwerbslebens ausgeübt habe, wenn die Berufstätigkeit zwischenzeitlich
nicht mehr ausgeübt werde. Jedoch spricht die Zusammenschau dieser Regelung mit §
5 Abs.
5a SGB V dafür, nicht auf den aktuellen Status abzustellen. Andernfalls würde der unmittelbar vor dem Bezug von Alg II von §
5 Abs.
5, §
6 Abs.
1 oder 2
SGB V erfasste Personenkreis der privaten Krankenversicherung zugerechnet, im Übrigen, namentlich nach dem Ausscheiden aus dem
Erwerbsleben, jedoch der GKV (so Becker/Kingreen/Just a.a.O. Rn. 68; Eichenhofer/Wenner/Wiegand a.a.O. Rn. 119; Krauskopf/
Beier, §
5 SGB V Rn. 81; dem folgend LPK SGB V/Kruse, §
5 Rn. 68; Sommer/Klose §
5 SGB V Rn. 236n).