Kostenübernahme der gesetzlichen Krankenversicherung für mobile Teleskoprampen für den Transport einer Aufstehhilfe im PKW;
Anordnungsgrund im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes
1. An einem Anordnungsgrund kann es bereits dann fehlen, wenn der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ohne konkreten Grund
erst zu einem sehr späten Zeitpunkt (hier mehr als 2 Jahre) im Verfahren gestellt wird.
2. Auffahrschienen für den Transport einer Aufstehhilfe im PKW sind, wie Auffahrhilfen für den Transport eines Rollstuhles,
grundsätzlich von der Versorgung durch die GKV ausgeschlo0ssen.
1. An einem Anordnungsgrund kann es bereits dann fehlen, wenn der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ohne konkreten Grund
erst zu einem sehr späten Zeitpunkt (hier mehr als 2 Jahre) im Verfahren gestellt wird.
2. Auffahrschienen für den Transport einer Aufstehhilfe im PKW sind, wie Auffahrhilfen für den Transport eines Rollstuhles,
grundsätzlich von der Versorgung durch die GKV ausgeschlossen. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]
Gründe:
I. Der bei der Antragsgegnerin versicherte Antragsteller ist querschnittsgelähmt. Er beantragte bei der Antragsgegnerin unter
Vorlage einer entsprechenden Verordnung des Orthopäden Dr. S. ein Paar mobile Teleskoprampen inklusiv Zubehör (Verordnungsdatum
9. April 2009). Außerdem erhielt die Antragsgegnerin einen Kostenvoranschlag über 949,62 EUR des Sanitätshauses P.. Erläuternd
erklärte der Antragsteller, dass er die Rampe zum Be- und Entladen seiner 27 kg schweren Aufstehhilfe in sein Kraftfahrzeug
benötige. Dies lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 15. Juni 2009 ab. Der Antragsteller sei mit einem Aktivrollstuhl
K 4, einem Faltrollstuhl von Meyra sowie mit einem Aufrichtrollstuhl mit elektrischer Aufrichthilfe versorgt. Diese Versorgung
sei ausreichend, da sie ihn in die Lage versetze, die Grundbedürfnisse des täglichen Lebens in einem Basisausgleich bewältigen
zu können. Dazu gehöre nicht das Autofahren. Der Antragsteller legte Bescheinigungen von Dr. S. vor, wonach ein dauerhaftes
Sitzen nicht möglich und deshalb die Aufstehhilfe außer Haus auch notwendig sei. Nach Einholung einer Stellungnahme des MDK
Nord lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 7. August 2009 eine Versorgung wiederum ab. Nach weiterem Schriftverkehr
und Vorlage weiterer medizinischer Unterlagen wies die Antragsgegnerin den Widerspruch des Antragstellers gegen die Ablehnung
mit Widerspruchsbescheid vom 20. April 2010 zurück. Hiergegen erhob der Antragsteller am 11. Mai 2010 Klage. Das Klageverfahren
(S 25 KR 75/10) ist weiterhin anhängig.
Am 27. Januar 2011 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Itzehoe im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung
der Antragsgegnerin beantragt, ihn mit der streitigen Rampe zu versorgen. Die ärztlichen Bescheinigungen bestätigten, dass
er auf die Aufstehhilfe angewiesen sei, da er bei längerem Sitzen Schmerzen bekomme. Die Rampe ermögliche es ihm, die Aufstehhilfe
auch außerhalb des Hauses zu nutzen. Darauf habe er einen Anspruch.
Die Antragsgegnerin hält den Antrag für nicht begründet.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 7. September 2011 den Antrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Antragsteller
habe bereits einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Die Teleskoprampen seien nicht erforderlich, um den Erfolg
der Krankenbehandlung zu sichern oder einer drohenden Behinderung vorzubeugen. Der in der dem Anspruch zugrundeliegenden Norm
des §
33 Abs.
1 Satz 1 des Fünften Sozialgesetzbuches (
SGB V) genannte Zweck des Behindertenausgleichs bedeute auch nach Inkrafttreten des Neunten Sozialgesetzbuches (
SGB IX) nicht, dass sämtliche direkte und indirekte Folgen der Behinderung auszugleichen seien. Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung
sei vielmehr die medizinische Rehabilitation und damit die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit einschließlich
der Sicherung des Behandlungserfolges. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation bleibe Aufgabe anderer
Sozialleistungssysteme. Ein Hilfsmittel sei darüber hinaus nur dann zu gewähren, wenn ein Grundbedürfnis betroffen sei. Das
seien nach ständiger sozialgerichtlicher Rechtsprechung u. a. die Fortbewegung und die Erschließung eines gewissen körperlichen
Freiraums. Dieses Grundbedürfnis bestehe jedoch nur in Form eines Basisausgleichs in dem Sinne, dass lediglich die Fähigkeit
bestehen müsse, in der eigenen Wohnung sich zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang an die
frische Luft zu kommen. Darunter falle nicht das beantragte Hilfsmittel. Auch ergebe sich kein Anspruch aus dem
SGB IX. Denn hinsichtlich der Zuständigkeit und der Voraussetzung für die Leistungen zur Teilhabe werde nach wie vor auf die für
den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetze verwiesen. Auch aus Art.
3 Abs.
3 Satz 2 des Grundgesetzes (
GG) ergäben sich keine weitergehenden Leistungsansprüche. Denn dem darin enthaltenen Auftrag habe der Gesetzgeber mit dem
SGB IX Rechnung getragen. Transportable Auffahrschienen zum Pkw für einen Rollstuhl habe im Übrigen auch das BSG nicht als Hilfsmittel
der gesetzlichen Krankenversicherung anerkannt.
Mit seiner am 27. September 2011 beim Sozialgericht Itzehoe vorgelegten Beschwerde vertieft der Antragsteller seinen bisherigen
Vortrag. Er habe einen Anspruch darauf, auch außerhalb des Hauses schmerzfrei zu sein. Und eine solche Schmerzfreiheit werde
nur durch die Aufstehhilfe gewährleistet. In diesem Zusammenhang weist er erneut auf die vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen
hin. Soweit das Sozialgericht auf Entscheidungen des Bundessozialgerichts verweise, betone er nochmals, dass die Aufstehhilfe
kein Rollstuhl sei, sondern ein für ihn notwendiges Hilfsmittel, mit dem es ihm auch nicht möglich sei, sich selbstständig
außer Haus fortzubewegen. Ergänzend zu seiner Beschwerde legt der Antragsteller diverse Unterlagen vor.
Die Antragsgegnerin bleibt bei ihrer Auffassung, sie sei nicht zu der beantragten Versorgung verpflichtet.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig aber unbegründet. Zutreffend hat das Sozialgericht in dem
angefochtenen Beschluss die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach §
86b Abs.
2 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) benannt. Danach sind Voraussetzungen ein Anordnungsgrund im Sinne der besonderen Eilbedürftigkeit der Regelung und ein Anordnungsanspruch
im Sinne einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit für das Bestehen des geltend gemachten Anspruchs. Weder Anordnungsgrund noch
Anordnungsanspruch liegen vor.
Es fehlt bereits an einem Anordnungsgrund. Inhalt des Anordnungsgrundes ist die besondere Eilbedürftigkeit, die es notwendig
macht, vorgezogen vor ein bzw. das hier bereits anhängige Hauptsacheverfahren eine - vorläufige - gerichtliche Entscheidung
über den Streitgegenstand zu treffen. Sinn des einstweiligen Rechtsschutzes ist es, wegen einer besonderen Notlage, die durch
die erst spätere Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht mehr (vollständig) beseitigt werden kann, zügig zu einer Entscheidung
zu kommen. In diesem Rahmen muss es dem Betroffenen (Antragsteller) unzumutbar sein, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.
Das ist hier nach Auffassung des Senats nicht der Fall. Der Antragsteller hat die streitgegenständliche mobile Teleskoprampe
im April 2009 bei der Antragsgegnerin beantragt. Er hat keinen Grund glaubhaft gemacht, der es notwendig erscheinen lässt,
nunmehr nach mehr als zwei Jahren eine Entscheidung vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu treffen. Dabei berücksichtigt
der Senat auch, dass das Hauptsacheverfahren wiederum über ein Jahr anhängig ist. Es geht bei dem hier streitigen Hilfsmittel
auch nicht um die Behandlung einer akuten Erkrankung, die Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung oder der Vorbeugung
einer drohenden Behinderung, worauf das Sozialgericht zutreffend in dem angefochtenen Beschluss hinweist. Der Senat verkennt
in diesem Zusammenhang nicht die Beeinträchtigungen, die der Antragsteller durch seine erhebliche Gesundheitsstörung hat.
Allein dies kann jedoch den geltend gemachten Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, also, wenn auch nur vorläufige,
vorrangige Behandlung des Antragstellers gegenüber anderen Verfahren vor dem Sozialgericht, nicht begründen.
Überdies fehlt es an dem für die Anordnung notwendigen Anordnungsanspruch. Insoweit verweist der Senat auf die überzeugenden
Gründe des sozialgerichtlichen Beschlusses (§
142 Abs.
2 Satz 3
SGG), in dem sowohl die möglichen Anspruchsgrundlagen genannt werden, als auch ihre Anwendung auf den Fall des Antragstellers
mit zutreffenden Gründen verneint wird. Insbesondere im Hinblick auf das Vorbringen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren
weist der Senat noch ergänzend auf Folgendes hin:
Zwar tritt es zu, dass es in der zitierten Rechtsprechung um einen Anspruch auf Auffahrhilfen für Rollstühle ging. Die insbesondere
in der Entscheidung des BSG vom 26. März 2003 (B 3 KR 23/02)aufgestellten Grundsätze zur Berücksichtigung des
SGB IX und des
GG führen aber auch hinsichtlich des hier geltend gemachten Anspruchs auf Versorgung mit Auffahrschienen für eine Aufstehhilfe
zum gleichen Ergebnis, nämlich der Ablehnung eines solchen Anspruchs. Denn sowohl der Transport des Rollstuhls als auch der
einer Aufstehhilfe ist bezogen auf das Grundbedürfnis der Erweiterung des körperlichen Freiraums. Dieses ist jedoch nur, worauf
das Sozialgericht zutreffend hinweist, im Sinne eines Basisausgleichs der Behinderung selbst und nicht im Sinne eines vollständigen
Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines Gesunden zu verstehen. So soll dem Versicherten gerade nicht
durch die Mittel der gesetzlichen Krankenversicherung ermöglicht werden, sämtliche Außenaktivitäten ausführen zu können. Freizeitbeschäftigung,
Besuche von Freunden und Verwandten und eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben allgemein werden gerade nicht von dem Begriff
des allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens erfasst; die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und Kommunikation
ist nur im Sinne einer Grundversorgung bei Kindern und Jugendlichen - zu diesen zählt der Antragsteller nicht - in der Entwicklungs-
und Ausbildungsphase als Grundbedürfnis anerkannt (BSG, 8. November 2006 - B 3 KR 17/06 B - m.w.N.). Hiernach vermögen die vom Antragsteller genannten Aktivitäten eine Gewährung der mobilen Rampe nach dem
SGB V nicht zu begründen.
Der Antragsteller ist auch ohne die mobile Rampe nicht gehindert, Besuche außerhalb seines Hauses vorzunehmen. Das gilt insbesondere
für Arztbesuche. Solche kann er auch ohne die Aufstehhilfe durchführen, da diese lediglich bei einem längeren Sitzen notwendig
wird.
Nach alledem ist die Beschwerde mit der auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG beruhenden Kostenentscheidung zurückzuweisen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).