Statthaftigkeit der Beschwerde gegen den auf die Erinnerung gegen den Kostenansatz nach § 66 Abs. 1 S. 1 GKG ergangenen richterlichen Beschluss des Sozialgerichts
Gründe
I.
Mit Urteil vom 17. April 2008 hat das Sozialgericht Schleswig in dem Verfahren S 11 SO 641/05 den Beschwerdegegner verurteilt,
an die Landeshauptstadt Kiel 28.305,38 EUR zu zahlen und ihr die Kosten des Verfahrens auferlegt. Streitgegenstand des Rechtsstreits
war eine Erstattungsstreitigkeit zwischen Sozialleistungsträgern. Ausgehend von dem im erstinstanzlichen Verfahren festgesetzten
Streitwert forderte die Kostenbeamtin des Sozialgerichts Schleswig mit Kostenrechnung vom 7. Juli 2008 von dem Beschwerdegegner
Gerichtskosten in Höhe von 1.107,00 EUR. Auf die Erinnerung des Beschwerdegegners hat das Sozialgericht Schleswig mit Beschluss
vom 23. März 2012 den Kostenansatz des Sozialgerichtes Schleswig vom 7. Juli 2008 aufgehoben. Zur Begründung hat das Sozialgericht
ausgeführt, dass der Beschwerdegegner nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) von der Zahlung der Gerichtskosten befreit sei. Hierbei handele es sich um eine persönliche Gerichtskostenfreiheit, die
für alle Verfahren vor deutschen Gerichten gelte und der Regelung in §
197a Abs.
3 Sozialgerichtsgesetz (
SGG), nach der Träger der Sozialhilfe in Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern nicht von Gerichtskosten freigestellt
seien, vorgehe.
Gegen diesen ihm am 27. März 2012 zugestellten Beschluss wendet sich der Kostenprüfungsbeamte bei dem Schleswig-Holsteinischen
Landessozialgericht mit seiner am 30. März 2012 beim Sozialgericht Schleswig eingegangenen Beschwerde. Er macht geltend, in
Fällen, in denen ein Stadtstaat - wie der Beschwerdegegner - örtlicher Träger der Sozialhilfe und in dieser Eigenschaft Beteiligter
in einem Verfahren nach §
197a Abs.
3 SGG sei, könne er sich nicht auf die Kostenfreiheit nach § 2 Abs. 1 GKG berufen. § 2 Abs. 3 GKG lasse kostenrechtliche Sondervorschriften zu. Um eine solche handele es sich bei der Vorschrift des §
197a Abs.
3 SGG. Danach seien die Beteiligten, die nicht zum Personenkreis des §
183 SGG gehörten, in Erstattungsstreitigkeiten gerichtskostenpflichtig, auch wenn es sich um Träger der Sozialhilfe handele. Insoweit
stützt sich der Beschwerdeführer auf die Rechtsprechung des 9. Senats des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts in
den Beschlüssen vom 22. Januar 2007 - L 9 B 1/07 SO - und vom 19. November 2007 - L 9 B 376/07 SO - und des 1. Senats des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 15. Januar 2009 - L 1 SK 16/08.
Der Beschwerdegegner hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.
II.
Der Senat entscheidet gemäß § 66 Abs. 6 Satz 2 GKG mit seinen Berufsrichtern.
Die Beschwerde ist nicht statthaft und deshalb als unzulässig zu verwerfen.
Nach §
172 Abs.
1 SGG findet gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser
Gerichte die Beschwerde nur statt, soweit nicht im
SGG etwas anderes bestimmt ist. Nach §
178 Satz 1
SGG entscheidet das Gericht endgültig, wenn gegen eine Entscheidung des Urkundsbeamten das Gericht angerufen wird. Ein solcher
Fall liegt hier vor. Der Beschwerdegegner hat gegen den Kostenansatz des Sozialgerichtes Schleswig vom 7. Juli 2008 Erinnerung
eingelegt, über die das Sozialgericht mit Beschluss vom 23. März 2012 entschieden hat. Dieser Beschluss kann nicht mit der
Beschwerde angegriffen werden, weil das Sozialgericht "endgültig" entschieden hat. Hieran ändert auch die Rechtsmittelbelehrung
über die Beschwerde nichts. Die danach mögliche Beschwerde gegen die erstinstanzliche Entscheidung über die Erinnerung nach
§ 66 Abs. 2 GKG, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 EUR übersteigt, steht dem Beschwerdeführer nicht zu.
Wegen des abschließenden Normgefüges der §§
172 ff
SGG (vgl. hierzu Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 26. Januar 2011 - L 1 B 266/09 SF E - m.w.N., veröffentlicht in [...], dessen ausführlicher Begründung sich der beschließende Senat uneingeschränkt anschließt)
ist auch bei der Erinnerung gegen den Kostenansatz nach § 66 Abs. 1 Satz 1 GKG die Beschwerde an das Landessozialgericht gegen die Entscheidung des Sozialgerichts ausgeschlossen. Nach der Systematik des
SGG sind auf eine Erinnerung ergangene Beschlüsse des Sozialgerichts unanfechtbar. Neben der Regelung des §
178 Satz 1
SGG sieht deshalb das
SGG für das Kostenfestsetzungsverfahren in §
197 Abs.
2 SGG und im Verfahren zur Feststellung der Pauschgebühr in §
189 Abs.
2 SGG nur eine gerichtliche - endgültige - Entscheidung auf die Erinnerung gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten vor, nicht aber eine
Beschwerdemöglichkeit gegen den auf die Erinnerung hin ergangenen Beschluss.
Die Beschwerdemöglichkeit nach § 66 Abs. 2 Satz 1 GKG ist danach nur in Verfahrensordnungen denkbar, die dieses Rechtsmittel nicht ihrerseits ausgeschlossen haben (vgl. zum Ausschluss
der Beschwerde im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 8 JVEG Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Juni 2011 - L 14 SF 143/11 BE; Landessozialgericht Rheinland-Pfalz vom 7. April 2008 - L 2 B 47/08 SB; a.A. Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 3. September 2009 - L 6 R 303/09 B; Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 3. April 2012 - L 6 SF 306/12 B, alle veröffentlicht in [...]). Für die Frage der Statthaftigkeit eines Rechtsbehelfs ist das GKG das allgemeinere Gesetz, das durch die speziellere Norm des §
178 Satz 1
SGG verdrängt wird.
Die vom Sozialgericht fehlerhaft erteilte Rechtsmittelbelehrung vermag ein Rechtsmittel, das - wie hier - gesetzlich ausgeschlossen
ist, nicht zu eröffnen (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Aufl., Rn. 14b).
Unabhängig davon wäre die Beschwerde auch unbegründet. Das Sozialgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 23. März
2012 zu Recht den Kostenansatz vom 7. Juli 2008 aufgehoben. Der Beschwerdegegner kann sich auf Kostenfreiheit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GKG berufen. Danach sind in Verfahren vor den ordentlichen Gerichten und den Gerichten der Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit
der Bund und die Länder sowie die nach Haushaltsplänen des Bundes oder eines Landes verwalteten öffentlichen Anstalten und
Kassen von der Zahlung der Kosten befreit. Abs. 5 Satz 1 der Vorschrift bestimmt, dass Kosten nicht zu erheben sind, soweit
jemandem, der von Kosten befreit ist, Kosten des Verfahrens auferlegt werden.
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Umstand, dass der Beschwerdegegner als Stadtstaat zugleich örtlicher Träger der
Sozialhilfe ist und in dieser Eigenschaft auch am Rechtsstreit S 11 SO 641/05 beteiligt war, in dem es um eine Erstattungsstreitigkeit
zwischen zwei Trägern der Sozialhilfe ging, schließt die Kostenfreiheit nach § 2 Abs. 1 GKG nicht aus. Der Beschwerdegegner genießt schlechthin Gebührenfreiheit, ohne dass dabei zwischen gebührenfreien Landesangelegenheiten
und gebührenpflichtigen Gemeindeangelegenheiten unterschieden werden kann (BGH, Beschluss vom 14. Juli 1954 - V ZR 99/54, BGHZ 14, 305 ff. unter Hinweis auf Art. 1 Satz 1 und Art. 3 Abs. 2 der Berliner Fassung). B______besitzt als Stadtstaat eine Doppelstellung,
nach der B______sowohl städtische Gerichtskörperschaft als auch Staat ist. In § 1 des Allgemeinen Zuständigkeitsgesetzes ist
dementsprechend normiert, dass staatliche und gemeindliche Tätigkeit nicht getrennt werden. Mithin sind sämtliche öffentlichen
Angelegenheiten, die der Beschwerdegegner wahr nimmt, Landesangelegenheiten. Ein Bundesland, das in seiner Eigenschaft als
Träger der Sozialhilfe eine staatliche Tätigkeit ausübt, ist von Gerichtskosten auch dann persönlich befreit, wenn es an Erstattungsstreitigkeiten
mit anderen Leistungsträgern beteiligt ist.
Das Spannungsverhältnis zwischen den kostenrechtlichen Vorschriften des §
197a Abs.
3 SGG, der die sachliche Gerichtskostenfreiheit betrifft, und der Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 1 GKG, der die persönliche Gerichtskostenfreiheit regelt, lässt sich nach dem Wortlaut, dem Sinn und Zweck und der gesetzesübergreifenden
Systematik widerspruchsfrei nur dahingehend lösen, dass Länder auch dann kostenprivilegiert sind, wenn sie selbst als örtlicher
Träger der Sozialhilfe am Verfahren beteiligt sind. Die die sachliche und die persönliche Gerichtskostenfreiheit betreffenden
Vorschriften stehen nicht in einem Stufenverhältnis zueinander, sondern gleichrangig nebeneinander. Das folgt bereits aus
dem Wortlaut des §
197a Abs.
1 SGG, der nach §
197a Abs.
3 SGG auf an Erstattungsstreitigkeiten beteiligte Sozialhilfeträger jedweder Art Anwendung findet, wenn es dort heißt, dass Kosten
nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben werden. Dies führt auch innerhalb des Systems des §
197a SGG zur Anwendbarkeit des § 2 Abs. 1 Satz 1 GKG (Groth SGb 2007, 536). Soweit sich der Beschwerdeführer zur Begründung seiner abweichenden Rechtsauffassung auf § 2 Abs. 3 GKG stützt, verkennt er, dass diese Vorschrift keine abweichenden kostenrechtlichen Sondervorschriften zulässt, die der Kostenfreiheit
entgegenstehen. § 2 Abs. 3 Satz 1 GKG bestimmt, dass sonstige bundesrechtliche Vorschriften, durch die für Verfahren vor den ordentlichen Gerichten und den Gerichten
der Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit eine sachliche oder persönliche Befreiung von Kosten gewährt ist, unberührt bleiben.
Dies gilt auch für landesrechtliche Vorschriften, die für diese Verfahren in weiteren Fällen eine sachliche oder persönliche
Befreiung von Kosten gewähren (§ 2 Abs. 3 Satz 2 GKG). Bei §
197a Abs.
3 SGG handelt es sich aber nicht um eine kostenrechtliche Sondervorschrift, die eine Befreiung von Kosten gewährt. Diese Norm beinhaltet
vielmehr eine Ausnahmeregelung von der Vorschrift des § 64 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X), die die Träger der Sozialhilfe grundsätzlich von den Gerichtskosten freistellt und begründet eine Kostenpflicht in Erstattungsstreitigkeiten
zwischen Sozialleistungsträgern. Mit dem durch das 7.
SGG-Änderungsgesetz vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I, S. 3302) mit Wirkung vom 1. Januar 2005 eingeführten §
197a Abs.
3 SGG sollte nach dem Übergang der Zuständigkeit für die Sozialhilfe von den Verwaltungs- auf die Sozialgerichte klargestellt werden,
dass die Träger der Sozialhilfe zwar grundsätzlich weiter gemäß § 64 Abs. 3 Satz 2 SGB X von Gerichtskosten freigestellt sind, dass dies jedoch ausnahmsweise nicht in Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern
gelten soll, da in solchen Streitigkeiten eine Rechtfertigung für eine Kostenbefreiung in Verfahren vor dem Sozialgericht
im Vergleich zu sonstigen Erstattungsstreitigkeiten nicht ersichtlich ist (vgl. BT-Drucks. 15/3867, S. 3 zu Art. 1 Nr.
14a). §
197a Abs. 3
SGG entspricht somit der bisherigen Regelung in §
188 Satz 2, Halbsatz 2
Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO), die für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern ebenfalls die Kostenprivilegierung aufhebt. Da §
197a Abs.
3 SGG keine sachliche Kostenfreiheit gewährt, ist sie vom Anwendungsbereich des § 2 Abs. 3 Satz 1 GKG nicht erfasst. Soweit in den Beschlüssen des 9. Senats des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 22. Januar 2007
- L 9 B 1/07 SO - und 19. November 2007 - L 9 B 376/07 SO - und vom 1. Senat des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 15. Januar 2009 - L 1 SK 16/08 -, auf die sich
der Beschwerdeführer stützt, eine entgegenstehende Rechtsauffassung vertreten wird, wird verkannt, dass bundes- oder landesrechtliche
Vorschriften von § 2 Abs. 1 Satz 1 GKG nur unberührt bleiben, soweit sie selbst Kostenfreiheit gewähren.
Die grundsätzliche Kostenprivilegierung von Bund und Ländern - und somit auch des Beschwerdegegners - nach dem GKG trägt dem Umstand Rechnung, dass diese Körperschaften Träger der Gerichte sind, deren Aufgabenerfüllung die Erhebung der
Gebühren sicherstellen soll. Die Kostenfreiheit soll ineffiziente Umbuchungen im Wesentlichen innerhalb desselben Haushalts
vermeiden. Soweit Länder auch dann kostenbefreit sind, wenn sie Beteiligte an Rechtsstreitigkeiten vor Gerichten anderer Länder
sind, beruht dies auf der Erwartung, dass sich die Kosten im Gegenseitigkeitsverhältnis langfristig ausgleichen (Groth, a.a.O.).
Aus dem Grundsatz der Kostenfreiheit folgt, dass Kosten zwar entstehen, diese gegenüber jemandem, der von Kosten befreit ist,
aber nicht geltend gemacht werden können. Deshalb bestimmt § 2 Abs. 5 Satz 1 GKG, dass von jemandem, der von Kosten befreit ist und dem in der Kostengrundentscheidung Kosten des Verfahrens auferlegt worden
sind, Kosten nicht zu erheben sind. Auch der siegende Gegner kann verauslagte Gerichtskosten nicht vom Kostenbefreiten verlangen,
denn dieser muss keine Gerichtskosten zahlen. Vielmehr ist der Gegner auf die Erinnerung nach § 66 GKG angewiesen (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 39. Aufl., 2009, § 2 Anm. 24 m.w.N.). Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Sozialgericht daher zu Recht die Kostenrechnung vom 7. Juli 2008,
mit der die Erstattung des von der Landeshauptstadt Kiel gezahlten Gerichtskostenvorschusses in Höhe von 657,00 EUR vom Beschwerdegegner
verlangt wurde, aufgehoben.
Diese Entscheidung ist nach §
177 SGG unanfechtbar.
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).