Entschädigung von Sachverständigen im sozialgerichtlichen Verfahren; Kriterien für Ausarbeitung, Diktat und Korrektur des
Gutachtens
Gründe
I.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens L 7 R 18/09 war eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Mit Beweisbeschluss vom 5. August 2011 ernannte der 7. Senat des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts den Antragsteller
in diesem Verfahren zum Sachverständigen nach §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG). Der Kläger zahlte daraufhin einen Kostenvorschuss von 900,00 EUR ein. Am 8. November 2011 ging das Gutachten des Antragstellers
vom 6. November 2011 beim Landessozialgericht ein.
Mit Kostenrechnung vom 6. November 2011 machte der Antragsteller insgesamt eine Forderung von 898,00 EUR geltend, die er hinsichtlich
des Zeitaufwands von 14,5 Stunden à 60,00 EUR wie folgt aufschlüsselte: Aktenstudium 2 Stunden, Untersuchung 2 Stunden, Ausarbeitung
6,5 Stunden, Diktat und Korrektur 4 Stunden. Als Ersatz für Schreibauslagen forderte der Antragsteller 24,00 EUR und für Porto
4,00 EUR.
Der Kostenbeamte des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts kürzte die Vergütung auf einen Gesamtbetrag von 778,00
EUR. Die Kürzung beruhte darauf, dass die Anzahl der Stunden für Ausarbeitung auf 5,5 Stunden sowie für Diktat und Korrektur
auf 3 Stunden reduziert wurde. Im Übrigen wurde der Antragsteller entsprechend seiner Rechnung entschädigt.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seinem Antrag auf richterliche Festsetzung vom 21. November 2011. Er macht geltend,
dass es sich um einen verwickelten und schwierig darzustellenden Sachverhalt gehandelt habe. Deshalb sei auch ein Kostenvorschuss
vom Kläger in Höhe von 900,00 EUR eingezahlt worden. Er habe sich bemüht, sein Gutachten nicht ausufernd zu formulieren.
Der Kostenprüfungsbeamte des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts bestätigt in seiner Stellungnahme vom 12. Januar
2012 die Kürzung der Vergütung. Er stützt sich auf die Rechtsprechung im Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts
vom 17. Juli 2009 (L 1 SF 30/09 KO).
Der zuständige Einzelrichter hat das Verfahren nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss vom 25. September 2012 nach §
4 Abs. 7 Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) dem Senat übertragen, da es im Hinblick auf die Frage, ob die Rechtsprechung des bislang zuständigen 1. Senats des Schleswig-Holsteinischen
Landessozialgerichts im Beschluss vom 17. Juli 2009 (L 1 SF 30/09 KO) fortgeführt wird, grundsätzliche Bedeutung hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Streitakte und die Akten L 7 R 18/09 verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben.
II.
Der Senat entscheidet gemäß § 4 Abs. 7 Satz 2 und 3 JVEG durch seine Berufsrichter.
Die vom Antragsteller nach § 2 Abs. 1 JVEG rechtzeitig geltend gemachte Gesamtvergütung für die von ihm mit dem Gutachten vom 6. November 2011 erbrachte Leistung ist
auf insgesamt 778,00 EUR festzusetzen.
Die Festsetzung der Vergütung des Sachverständigen erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse sie beantragt oder das Gericht sie für angemessen
hält. Hier hat der Antragsteller die Festsetzung durch das Gericht beantragt.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Kürzung des Zeitaufwandes für das Abfassen des Gutachtens sowie für Diktat und
Korrektur des Gutachtens gerechtfertigt ist. Unabhängig davon überprüft der Senat mit seiner Entscheidung die angefochtene
Festsetzung in vollem Umfang.
Die Vergütung des Sachverständigen richtet sich nach § 8 JVEG. Gemäß dieser Vorschrift erhalten Sachverständige als Vergütung ein Honorar für ihre Leistungen, eine Entschädigung für Aufwand
sowie Ersatz für sonstige und besondere Aufwendungen nach den §§ 9 bis 11, 5 bis 7 und 12 JVEG. Soweit das Honorar nach Stundensätzen zu bemessen ist, wird es für jede Stunde der erforderlichen Zeit einschließlich notwendiger
Reise- und Wartezeiten gewährt. Die letzte begonnene Stunde wird voll gerechnet, wenn sie zu mehr als 30 Minuten für die Erbringung
der Leistung erforderlich war, andernfalls beträgt das Honorar die Hälfte des sich für eine volle Stunde ergebenden Betrags.
Das Honorar des Sachverständigen errechnet sich gemäß den §§ 9 Abs. 1, 8 Abs. 2 JVEG nach der erforderlichen Zeit. Maßstab der festzusetzenden Vergütung ist der Zeitaufwand eines Sachverständigen mit durchschnittlicher
Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung und durchschnittlicher Arbeitsintensität (vgl. u. a. Bundesverfassungsgericht,
Beschluss vom 26. Juni 2007, 1 BvR 55/07; Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16. Dezember 2003, X ZR 206/98; Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 28. Dezember 2011, L 6 SF 1586/11 E; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 31. Mai 2010, L 2 SF 12/10 B, m.w.N.).
Wegen der Vielfalt der möglichen Sachverhalte, die einer Begutachtung zugrundeliegen können, ist es aus Gründen der Handhabbarkeit
sowie der Gleichbehandlung geboten, eine gewisse Pauschalierung vorzunehmen und einen objektivierenden Maßstab zu entwickeln,
der für alle Sachverständigenentschädigungen gleichermaßen gilt. Grundsätzlich ist dabei davon auszugehen, dass die vom Sachverständigen
angegebene Zeit auch erforderlich war. Daher beschränkt sich die Überprüfung der Kostenrechnung regelmäßig auf eine Plausibilitätsprüfung
anhand dieses objektivierenden Maßstabs. Kostenrechtlich ist dabei ohne Belang, dass der Antragsteller die von ihm vor Erstellung
des Gutachtens geschätzten voraussichtlichen Kosten dem Gericht mitgeteilt hat, solange das geforderte Honorar diese Schätzung
nicht übersteigt. Grundlage des Vergütungsanspruchs kann nur der tatsächlich objektiv erforderlich gewesene und nicht ein
vorab vom Sachverständigen lediglich geschätzter Zeitaufwand sein.
Die vom Antragsteller angegebene Stundenzahl für Aktenstudium und Untersuchung von je 2 Stunden ist unter Zugrundelegung des
vom Senats angewendeten objektivierenden Maßstabs (vgl. Beschluss vom 8. Oktober 2012, L 5 SF 64/11 KO) plausibel. Das Honorar hierfür hat der Antragsteller erhalten.
Bei der Frage, wie viele Stunden für die Ausarbeitung des Gutachtens und die Beantwortung der Beweisfragen üblicherweise nötig
sind, ergibt sich zunächst die Schwierigkeit, die gelieferten Seiten in eine Standardseite umzurechnen. Erfahrungsgemäß werden
nämlich die Seiten eines Gutachtens sehr individuell und oftmals mit sehr großzügigen Schriftbildern und Rändern gestaltet.
Es ist daher erforderlich, eine Standardseite festzulegen. Hierfür geht der Senat in Übereinstimmung mit dem oben genannten
Beschluss des 1. Senats von der heute leicht zu ermittelnden Anschlagszahl einschließlich der Leerzeichen aus. Die Standardseite
ist linksbündig geschrieben. Sie hat in Anlehnung an die DIN 5008 rechts und links sowie oben und unten einen Abstand von
2,5 cm zum Blattrand. Der Zeilenabstand beträgt 1,5. Die Schriftgröße soll wegen der besseren Lesbarkeit 12 betragen. Hiernach
gehen 34 Zeilen auf eine Seite. Eine Zeile umfasst nach den Auszählungen des Senats ca. 60 Anschläge. Demgemäß enthält eine
Standardseite gerundet 2.000 Anschläge.
Im zweiten Schritt ist zu ermitteln, wie viel Zeit es in Anspruch nimmt, die gutachterlichen Ausführungen zu verfassen. Der
1. Senat hat in dem bereits zitierten Beschluss jedenfalls im Falle eines Gutachtens der Honorargruppe M3 (offen gelassen
für M2-Gutachten) eine Parallele zum Verfassen eines Urteils gezogen und ist unter Einbeziehung seiner Erfahrungen zu dem
Ergebnis gelangt, dass das Verfassen einer Standardseite einschließlich einer Literatur und/oder Rechtsprechungsrecherche
und deren Auswertung etwa eine Stunde dauert. Diese Rechtsprechung setzt der Senat grundsätzlich fort, wobei allerdings zu
beachten ist, dass nur die Standardseiten zu berücksichtigen sind, die die nähere Begründung des Gutachtens enthalten, die
das Gericht bei seiner Entscheidung verwerten kann, um ohne medizinischen Sachverstand seine Entscheidung begründen zu können;
also nur die eigentlichen Ergebnisse des Gutachtens einschließlich ihrer argumentativen Begründung. Soweit eine Vermischung
mit der teilweisen Wiedergabe des Akteninhalts, der Anamnese und der Befunde erfolgt, muss die eigentliche Beurteilung herausgefiltert
werden. Nur diese Seiten werden mit einer Standardseite pro Stunde vergütet (so auch Thüringer Landessozialgericht, ebenda;
Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 17. Mai 2010, L 15 SF 396/09), und das unabhängig von der Honorargruppe. Die Schwierigkeit des Gutachtens an dieser Stelle als Kriterium zu beachten,
würde eine nicht gerechtfertigte doppelte Berücksichtigung der Schwierigkeit des Gutachtens bedeuten; nämlich einmal hinsichtlich
der Zeit und zum anderen hinsichtlich des Stundensatzes.
Dies zugrundegelegt, kann lediglich ein Zeitaufwand von 5,5 Stunden als plausibel angenommen werden. Die Beurteilung und Beantwortung
der Beweisfragen findet sich auf den Seiten 14 bis 20 des Gutachtens. Diese sind in vollem Umfang zu berücksichtigen. Sie
enthalten nach den eben genannten Kriterien keine Passagen, die herauszufiltern wären. Soweit Befunde und Berichte aus den
Akten wiederholt werden, war dies zum Verständnis der gutachterlichen Bewertung erforderlich. Grundsätzlich sind allerdings
Wiederholungen des Akteninhalts mit dem Zeitaufwand für das Aktenstudium bereits abgegolten. Die Niederschrift über das Ergebnis
der Befragung und der Untersuchungsbefunde wurde ebenfalls bereits mit dem entsprechenden Zeitaufwand abgegolten.
Die Seiten 14 bis 20 des Gutachtens weisen durchschnittlich etwa 1.800 Anschläge auf. Sie entsprechen demnach etwa 5 Standardseiten,
so dass ein Zeitaufwand von 5,5 Stunden plausibel ist.
Auch bei dem Rechnungsposten Diktat und Korrektur des Gutachtens ist wiederum aus den bereits genannten Gründen die Zahl der
Standardseiten zugrunde zu legen.
Bei Diktat und Korrektur ist es ebenfalls schwierig, den erforderlichen Zeitaufwand zu objektivieren, denn dieser hängt von
der individuellen Diktierweise des Gutachters und den Fähigkeiten der Schreibkraft ab. Da das Ausformulieren des Textes zur
Ausarbeitung des Gutachtens gehört und an dieser Stelle zu entschädigen ist, liegt beim Diktieren in aller Regel ein fertiger
Text vor. Das Diktieren einer Standardseite nimmt dann nach den Erfahrungen des Senats in Übereinstimmung mit dem 1. Senat
im oben genannten Beschluss etwa fünf Minuten bei langsamer Sprechweise und Mitdiktieren der Satzzeichen in Anspruch.
Beim Zeitaufwand für das Korrigieren ist zu berücksichtigen, dass ein häufig eingesetzter medizinischer Sachverständiger üblicherweise
eingearbeitete Schreibkräfte beschäftigt, die sich mit den medizinischen Fachbegriffen auskennen. Außerdem verfügen die eingesetzten
PCs über Korrekturprogramme, die Schreibfehler anzeigen. Demgemäß erhält der Sachverständige in aller Regel schon einen Text,
der von Schreib- und Zeichensetzungsfehlern weitgehend frei ist. Selbst wenn beim Korrigieren noch kleinere Umformulierungen
und Ergänzungen oder sprachliche Verbesserungen anfallen, werden in der Regel nicht mehr als weitere fünf Minuten pro Seite
benötigt. Daher ist die Annahme des Kostenbeamten, dass ein Gutachter üblicherweise sechs Seiten in einer Stunde diktiert
und korrigiert, begründet (so auch Bayerisches Landessozialgericht, ebenda). Hat der Antragsteller bei ca. 32.000 Anschlägen
demnach 16 Standardseiten (34 Zeilen x 60 Anschläge) diktiert und korrigiert, erscheint ein Ansatz von 4 Stunden hierfür überhöht
und der vom Kostenbeamten angesetzte Wert von 3 Stunden als angemessen.
Der geltend gemachte Schwierigkeitsgrad entsprechend der Honorargruppe M2, die eine Vergütung von 60,00 EUR je Stunde vorsieht,
ist plausibel, denn es handelt sich um ein Gutachten zur Feststellung einer Erwerbsminderung, das in der Regel der Honorargruppe
M2 zuzuordnen ist (so auch Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 3. August 2009, L 6 SF 44/08).
Bei einem mithin zu entschädigenden Zeitaufwand von insgesamt 12,5 Stunden zu je 60,00 EUR ergibt sich somit ein Vergütungsanspruch
von 750,00 EUR. Außerdem sind Schreibauslagen nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 JVEG für 32 mal 1.000 Anschläge zu je 0,75 EUR von insgesamt 24,00 EUR sowie 4,00 EUR Porto zu ersetzen.
Daraus ergibt sich die festzusetzende Gesamtvergütung von 778,00 EUR.
Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).