Aussetzung eines Verfahrens im Kostenhöhestreit im sozialgerichtlichen Verfahren beim Tod eines Beteiligten
Gründe
I.
Die Beschwerde richtet sich gegen die Aussetzung eines Verfahrens im Kostenhöhestreit.
Die am _. _____ 1913 geborene und am __. ______ 2012 verstorbene Klägerin begehrte in dem unter dem Aktenzeichen S 1 R 165/06 vor dem Sozialgericht Lübeck geführten Klageverfahren die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer Hinterbliebenenrente
unter Anerkennung von Beitragszeiten nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG)
in der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes.
Dieses Klagebegehren war aus Sicht der Klägerin erfolgreich. Die Beklagte erkannte am 8. April 2008 den klägerischen Anspruch
an. Die Klägerin nahm dieses Anerkenntnis an. Gleichzeitig gab die Beklagte ein Kostenanerkenntnis dem Grunde nach ab.
Mit Beschluss vom 19. November 2010 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Lübeck die durch die
Beklagte zu ersetzenden Kosten für das Klageverfahren auf 456,35 EUR fest.
Dagegen hat die Klägerin am 7. Dezember 2010 Erinnerung eingelegt. Nachdem der Tod der Klägerin bekannt wurde, hat die Beklagte
mit Schriftsatz vom 17. April 2013 vorgetragen, dass die Kosten erst bei Nachweis der Rechtsnachfolge abgerechnet werden könnten.
Auf Nachfrage des Gerichts hat sie sodann mit Schriftsatz vom 12.11.2013 klargestellt, dass sie einen Aussetzungsantrag gemäß
§
246 Abs.
1 2. Halbsatz
Zivilprozessordnung (
ZPO) stellt.
Mit Beschluss vom 21. November 2013 hat das Sozialgericht Lübeck das Verfahren ausgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt,
auf den zulässigen Antrag der Beklagten sei die Aussetzung anzuordnen gewesen, denn die Klägerin sei nach Rechtshängigkeit
der Kostensache verstorben und eine Aufnahme des Verfahrens durch einen Rechtsnachfolger sei nicht erfolgt.
Gegen den der Bevollmächtigten der Klägerin am 26. November 2013 zugestellten Beschluss richtet sich deren Beschwerde vom
11. Dezember 2013. Zur Begründung der Beschwerde trägt die Bevollmächtigte der Klägerin vor, das Sozialgericht habe das Verfahren
nicht aussetzen dürfen, denn eine Aussetzung sei nur bis zur Rechtskraft des Urteils möglich und §
246 ZPO sei auf das isolierte Kostenfestsetzungsverfahren im Falle des Todes des Kostengläubigers nicht anwendbar. Davon gehe auch
die Vereinbarung aus, die sie mit der Beklagten über die generelle Handhabung der Kostenerstattung getroffen habe. Auch sei
aus dem Umkehrschluss zu §
104 Abs.
3 Satz 2
ZPO zu entnehmen, dass nach Rechtskraft der Kostengrundentscheidung das Kostenfestsetzungsverfahren nicht mehr ausgesetzt werden
könne. Es ergebe sich auch aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz vom 5. Dezember 2007, dass nur die umfassende
Aussetzung des Rechtsstreits die Kostenfestsetzung hindere und eine Kostenfestsetzung bei Tod einer Partei nach Rechtskraft
der Kostengrundentscheidung noch zulässig ist. Der Aussetzungsantrag der Beklagten sei aber auch unbegründet, es sei nicht
ersichtlich, welches Interesse diese an der Aussetzung des Verfahrens haben sollte. Insoweit stützt sich die Kläger-Bevollmächtigte
auf Rechtsprechung des Sozialgerichts Düsseldorf, z. B. den Beschluss vom 25. September 2013 im Verfahren S 52 R 261/09 W EA, in dem dieses ein berechtigtes Interesse der Beklagten in Konstellationen wie der vorliegenden verneint hat. Es stehe
dem Kostenfestsetzungsverfahren auch nicht entgegen, dass die Erben noch unbekannt seien. Die Prozessvollmacht erlösche durch
den Tod des Vollmachtgebers gemäß §
86 ZPO gerade nicht. Soweit die Beklagte sich auf Kommentierungen zur
Zivilprozessordnung stütze, habe sie übersehen, dass der Aussetzungsantrag nur solange zulässig sei, solange das Urteil noch nicht rechtskräftig
sei. Auch die Rechtsprechung, auf die sich die Beklagte stütze, decke deren Rechtsansicht nicht. Die Kläger-Bevollmächtigte
weist darauf hin, dass die Beklagte im Rahmen der Erörterung über eine Kostenvereinbarung mündlich zugesichert habe, auf den
Nachweis der Rechtsnachfolge zu verzichten und regt insoweit Ermittlungen an. Sie beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 21. November 2013 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie trägt vor, es könne nicht bestätigt werden, dass im Rahmen der Erörterungen über den Abschluss einer Kostenvereinbarung
zugesichert worden sei, auf den Nachweis der Rechtsnachfolge zu verzichten. Sie weist auf die Kommentierung zu der Vorschrift
des §
246 Abs.
1 ZPO hin, wonach der Aussetzungsantrag in jeder Lage des Verfahrens zulässig sei. Gegenwärtig fehle es an der Befugnis, einen
Kostenfestsetzungsantrag zu stellen. Der Nachweis der Kostengläubigerschaft aus dem Hauptsachetitel sei unabdingbare Voraussetzung
für einen Kostenfestsetzungstitel. Um einen Kostenfestsetzungsanspruch durchsetzen zu können, bedürfe der Rechtsnachfolger
der Umschreibung des Titels aus dem Hauptsacheverfahren. Insoweit stützt sich die Beklagte auf Rechtsprechung des BGH. Sie
trägt weiter vor, das Verfahren sei auf Antrag sogar dann auszusetzen, wenn die Erben der verstorbenen Partei erklärten den
Rechtsstreit aufzunehmen. Nur in diesen Fällen bedürfe es der Darlegung eines gesonderten Interesses an der Aussetzung, welches
in einem Rechtsstreit der Erben begründet sein könne. Ein gesondertes rechtliches Interesse sei im Tatbestand des §
246 ZPO nicht aufgeführt. Dies ergebe sich nach ihrer Meinung bereits aus der unklaren Rechtslage zur Kostengläubigerschaft.
Ergänzend wird bezüglich des Sach- und Streitstandes auf die weiteren Schriftsätze sowie den weiteren Inhalt der Gerichtsakte,
der Gerichtsakte zum zugrundeliegenden Hauptsacheverfahren S 1 R 165/06 und der den verstorbenen Ehemann der Klägerin betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
II:
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist fristgerecht innerhalb der Monatsfrist des §
173 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) gerechnet ab Zustellung des angefochtenen Beschlusses eingelegt worden. Die Beschwerde ist auch nicht von der Ausschlussregelung
des §
172 Abs.
2 SGG umfasst, weil es sich bei der Anordnung der Aussetzung des Verfahrens nicht um eine bloße prozessleitende Verfügung handelt
(vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig § 172 Rn. 3).
Die Beschwerde ist allerdings unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht in dem angefochtenen
Beschluss das Verfahren ausgesetzt.
Gemäß §
239 Abs.
1 ZPO tritt eine Unterbrechung des Verfahrens durch den Tod einer Partei bis zu dessen Aufnahme durch die Rechtsnachfolger ein.
Gemäß §
246 Abs.
1 ZPO tritt wegen Todes eine Unterbrechung des Verfahrens nicht ein, sofern eine Prozessvertretung durch einen Prozessbevollmächtigten
stattfand. Das Prozessgericht hat jedoch auf Antrag des Bevollmächtigten und in den Fällen des Todes und auch auf Antrag des
Gegners die Aussetzung des Verfahrens anzuordnen.
Die genannten Vorschriften gelten gemäß §
202 SGG auch im Sozialgerichtsprozess. Sie betreffen in ihrem direkten Anwendungsbereich das Erkenntnisverfahren bis zu dessen rechtskräftigem
Abschluss. Die Vorschriften sind aber auch auf das Kostenfestsetzungsverfahren entsprechend anzuwenden (vgl. Hüßtege in Thomas/Putzo
ZPO Vorbemerkung §
239 Rn. 1; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann,
ZPO Übersicht §
239 Rn. 3; Greger in Zöller,
ZPO Vorbemerkung §
239 Rn. 8). Die eigenständige entsprechende Anwendung der Regelung der §§ 239 ff. auf das Kostenfestsetzungsverfahren ist zunächst
von der Frage zu unterscheiden, inwieweit eine im Erkenntnisverfahren erfolgte Aussetzung des Verfahrens auf ein Kostenfestsetzungsverfahren
fortwirkt. Die Zulässigkeit eines Aussetzungsantrages im Kostenfestsetzungsverfahren ist anhand des Gegenstands des Kostenfestsetzungsverfahrens
zu bestimmen. So kann der Zulässigkeit eines Aussetzungsantrages im Kostenfestsetzungsverfahren entgegen den Ausführungen
der Kläger-Bevollmächtigten nicht entgegengehalten werden, dass das Erkenntnisverfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen
ist. Entsprechende Ausführungen in der Kommentarliteratur beziehen sich ersichtlich auf einen Aussetzungsantrag im Erkenntnisverfahren
und nicht einen solchen im Kostenfestsetzungsverfahren. Im Kostenfestsetzungsverfahren ist ein Aussetzungsantrag daher bis
zur Rechtskraft eines Kostenfestsetzungsbeschlusses zulässig.
Die Unanwendbarkeit des §
246 ZPO im Kostenfestsetzungsverfahren ergibt sich auch nicht aus der Vorschrift des §
104 Abs.
3 Satz 2
ZPO, denn diese Vorschrift regelt lediglich die Aussetzung des Festsetzungsverfahrens bei noch nicht rechtskräftiger Kostengrundentscheidung.
Sie berührt andere Vorschriften, die eine Aussetzung des Verfahrens ermöglichen, nicht.
Sind demnach die Vorschriften der §§
239 ff.
ZPO uneingeschränkt auch auf das Kostenfestsetzungsverfahren anzuwenden, so war das Verfahren auf Antrag der Beklagten des Sozialgerichts
auszusetzen. Ein Aussetzungsantrag ist gestellt worden. Dabei kann offenbleiben, ob dieser bereits konkludent mit Schreiben
der Beklagten vom 17. April 2013 zu erblicken ist. Jedenfalls hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 12. November 2013 explizit
einen Aussetzungsantrag gestellt.
Dies geschah auch zulässig. §
246 Abs.
1 Satz 2
ZPO sieht in den Fällen des Todes eines Beteiligten auch ein Aussetzungsantragsrecht des Prozessgegners vor. Weiteren als im
Gesetz genannten inhaltlichen Beschränkungen unterliegt das Antragsrecht des Prozessgegners nicht. Zwar wird in der zivilrechtlichen
Rechtsprechung und Kommentarliteratur in diesem Zusammenhang zum Teil ein besonderes Aussetzungsinteresse des Prozessgegners
gefordert (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 18. März 2013, 3 W 18/13; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann,
ZPO §
246 Rn. 5). Dies bezieht sich aber auf Prozesskonstellationen, in denen die Aufnahme des Rechtsstreits durch einen Rechtsnachfolger
nach dem Tod der ursprünglichen Partei erfolgt ist, aber im Hinblick auf einen Streit um die Erbfolge ein berechtigtes Interesse
des Prozessgegners an der weiteren Aussetzung des Verfahrens bekannt wurde. Das Erfordernis eines besonderen Aussetzungsinteresses
betrifft daher nur Fallkonstellationen, in denen der Unterbrechungsgrund des §
239 Abs.
1 ZPO gar nicht mehr erfüllt ist, weil die Aufnahme durch einen Rechtsnachfolger bereits stattgefunden hat, in denen aber aus besonderen
Gründen dennoch ein berechtigtes Interesse des Gegners an der Aussetzung angenommen wird. In Fällen wie dem vorliegenden,
in denen eine Aufnahme des Rechtsstreits durch den Rechtsnachfolger gerade deshalb nicht stattgefunden hat, weil die Erben
nicht bekannt sind, lässt sich eine Einschränkung des Antragsrechts des Prozessgegners aus §
246 Abs.
1 Satz 2
ZPO über den eindeutigen Wortlaut der Vorschrift hinaus nicht begründen. Nicht gefolgt werden kann insoweit der Rechtsprechung
des Sozialgerichts Düsseldorf. Dieses stützt seine Annahme des Erfordernisses eines rechtlichen Interesses an der Aussetzung
in der von der Kläger-Bevollmächtigten übersandten Entscheidung vom 7. Juli 2014 im Verfahren S 45 SF 69/11 E auf eine Kommentarstelle in der zivilprozessualen Literatur (Zöller § 246 Rn. 5), übersieht aber, dass sich die dortigen
Ausführungen auf die oben bereits beschriebene Konstellation der Aussetzung trotz Aufnahmeerklärung des Rechtsnachfolgers
beziehen.
Gestützt wird die klägerische Ansicht auch nicht durch den von ihr zitierten Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom
5. Dezember 2007, denn die dortigen Ausführungen beziehen sich zunächst gar nicht auf einen im Kostenfestsetzungsverfahren
gestellten Aussetzungsantrag, sondern auf die Fernwirkung eines bereits im Erkenntnisverfahren gestellten Aussetzungsantrags,
die dem Grunde nach bejaht wird. Das OLG Koblenz hat dennoch die Kostenfestsetzung für zulässig erachtet, allerdings lag dem
eine Personenmehrheit von Kostengläubigern zugrunde. Der Tod einer der drei Kostengläubiger sollte die Kostenfestsetzung zugunsten
der anderen beiden Kostengläubiger nicht hindern. Diese Konstellation ist mit dem hier zu entscheidenden Fall überhaupt nicht
zu vergleichen.
Unerheblich für die Rechtmäßigkeit des Aussetzungsbeschlusses vom 21. November 2013 ist es, ob sich die Beteiligten generell
darauf geeinigt haben, den Nachweis der Rechtsnachfolge nicht zu verlangen. Selbst wenn sich die Beklagte durch Stellung des
hiesigen Aussetzungsantrages abredewidrig gegenüber der Kläger-Bevollmächtigten verhalten haben sollte, hinderte dies die
Rechtmäßigkeit des Aussetzungsantrages im gerichtlichen Verfahren nicht, denn dessen Zulässigkeit richtet sich allein nach
den verfahrensrechtlichen Vorschriften des
SGG und der
ZPO und nicht nach Abreden der Parteien untereinander.
Diese Entscheidung ergeht gemäß §
177 SGG endgültig.