Erstattung der Kosten des Vorverfahrens im sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren; Begründung von Verwaltungsakten
Gründe:
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Zulassungsvoraussetzungen nach §
144 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) liegen nicht vor.
Das Sozialgericht hat die Berufung nicht zugelassen. Sie ist nach den §§
143,
144 Abs.
1 Nr.
1 SGG auch nicht statthaft, denn der maßgebliche Beschwerdewert von mehr als 750 Euro wird nicht erreicht. Der Kläger strebt mit
der isolierten Kostenklage die Übernahme seiner Kosten für das erfolglose Widerspruchsverfahren; mithin die Übernahme der
Gebühren des Prozessbevollmächtigten an. Anhaltspunkte dafür, dass diese über 750 Euro liegen hatte der Senat nicht. Auch
hat der Kläger nichts Gegenteiliges vorgetragen.
Die Berufung war auch nicht nach §
144 Abs.
2 SGG - in dem Urteil oder auf die Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts - zuzulassen. Dies kommt nur in Betracht,
wenn die Sache grundsätzliche Bedeutung hat (§
144 Abs.
2 Nr.
1 SGG), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundesverfassungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten
Gerichtshöfe oder des Bundes abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§
144 Abs.
2 Nr.
2 SGG) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem
die Entscheidung beruhen kann (§
144 Abs.
2 Nr.
3 SGG).
Konkrete Zulassungsgründe im oben genannten Sinne hat der Kläger nicht bezeichnet. Solche nach §
144 Abs.
2 Nr.
2 oder 3
SGG liegen offensichtlich nicht vor. Die Sache hat nach der Ansicht des Senats auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des
§
144 Abs.
2 Nr.
1 SGG. Die Beantwortung der vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfrage ergibt sich aus dem Gesetz und der hierzu ergangenen Rechtsprechung.
Ein Anspruch auf Kostenerstattung folgt nicht aus § 63 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), denn der Widerspruch war nicht erfolgreich.
Ein Anspruch ergibt sich auch nicht unter Beachtung des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X. Danach hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben
hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Verteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, wenn der Widerspruch
nur deshalb keinen Erfolg hat, weil die Verletzung einer Verfahrens- oder Formvorschrift nach § 41 SGB X unbeachtlich ist.
Voraussetzung für die Erstattung der Aufwendungen nach § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm, dass der Widerspruch nur deshalb keinen Erfolg hatte, weil die Verletzung von
Verfahrens- oder Formvorschriften unbeachtlich ist. Im Umkehrschluss hat eine Kostenerstattung jedenfalls dann nicht zu erfolgen,
wenn der Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt schon aus anderen Gründen als der Verletzung von Verfahrensvorschriften keinen
Erfolg verspricht. Hierbei ist zu beachten, dass nach § 42 Satz 1 SGB X eine Aufhebung des Verwaltungsaktes, der nicht nach § 40 SGB X nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden kann, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren,
die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung
in der Sache nicht beeinflusst hat.
Wenn also ein Verwaltungsakt an einem Verfahrens- oder Formangel leidet, kann dessen Aufhebung dann nicht verlangt werden,
wenn der Verwaltungsakt auch bei Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit
mit dem gleichen Verfügungs- und Regelungsinhalt erlassen worden wäre. Für diesen Fall wäre der (formell rechtswidrige) Verwaltungsakt
- auch ohne Heilung des Formmangels - nicht aufzuheben, so dass ein Widerspruch unabhängig von § 41 SGB X keinen Erfolg hätte. Der Anwendungsbereich des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist auch nicht auf Fälle des § 42 SGB X zu erweitern, weil die Erfolgsaussichten des Widerspruchs nicht durch ein nachträgliches Handeln der Behörde beseitigt wurde,
sondern von Anfang an nicht bestand. Auch der eindeutige Wortlaut des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X rechtfertigt keine entsprechende Anwendung dieser Norm auf Fälle des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X (vgl. zum Ganzen: Senatsbeschluss vom 7. Juni 2011 - L 4 AS 366/09 und Hessisches LSG, Urteil vom 29. Juli 2004 - L 12 RJ 1144/03).
Vorliegend wäre der angefochtene Bescheid auch bei einer weitergehenden Aufschlüsselung der Kosten der Unterkunft mit gleichem
Verfügungssatz und Regelungsinhalt ergangen. Damit war der Widerspruch - der sich gegen die fehlende Begründung richtete -
von vorneherein ohne Aussicht auf Erfolg, wobei hinzukommt, dass der Bescheid den Kläger rechtswidrig begünstigt hat.
Im Kern begründet der Kläger den Anspruch damit, dass die Beklagte zur Kostenübernahme verpflichtet ist, weil sie den Widerspruch
wegen angeblich unzureichender Begründung (hierzu weiter unten) "provoziert" habe. Das so genannte Veranlassungsprinzip kann
bei der Kostenverteilung im Rahmen des §
193 SGG durchaus einen Gesichtspunkt darstellen. Indes sind die Kriterien des §
193 SGG - hiernach entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen - auf § 63 SGB X nicht übertragbar, weil bei dieser Norm gerade kein Raum für Ermessenserwägungen bleibt (vgl. BSG, Urteil vom 20. Oktober 2010 - B 13 R 15/10 R und LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3. August 2009 - L 10 AS 391/09 NZB).
Eine Pflicht zur Erstattung der notwendigen Aufwendungen ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung eines sozialrechtlichen
Herstellungsanspruchs. Er setzt voraus, dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund des Gesetzes oder Sozialrechtsverhältnisses
obliegende Pflicht, insbesondere zur Beratung oder Auskunft verletzt hat. Weiter ist erforderlich, dass zwischen der Pflichtverletzung
des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Schließlich muss der durch
das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können. Der
sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist somit nicht auf die Gewährung von Schadensersatz im Sinne einer Kompensation in
Geld, sondern auf Naturalrestitution gerichtet, d. h. auf Vornahme einer Handlung zur Herstellung einer sozialrechtlichen
Position im Sinne desjenigen Zustands, der bestehen würde, wenn der Sozialleistungsträger die ihm aus dem Rechtsverhältnis
erwachsenen Nebenpflichten ordnungsgemäß wahrgenommen hätte (vgl. BSG und Senatsbeschluss, ebenda).
Im Ergebnis macht der Kläger den Ersatz wegen eines Fehlverhaltens der Beklagten geltend, denn die angeblich unzureichende
Begründung des angefochtenen Bescheides soll zu zusätzlichen Kosten geführt haben. Ein solcher Schadensersatzanspruch in Geld
ist aber keine Rechtsfolge des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs (vgl. BSG und Senatsbeschluss, ebenda).
Aus gegebenem Anlass weist der Senat weiter auf folgendes hin:
Die von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers in zahlreichen gleichgelagerten Rechtsstreitigkeiten stets pauschal gerügte
Verletzung des § 35 SGB X ist aus hiesiger Sicht so nicht nachvollziehbar. Die Vorschrift verlangt nicht, schriftliche Verwaltungsakte in allen Einzelheiten
zu begründen. Vielmehr sind nach Abs. 1 Satz 2 dem Betroffenen nur die wesentlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu
ihrer Entscheidung bewogen haben. Dabei richtet sich Inhalt und Umfang der notwendigen Begründung nach den Besonderheiten
des jeweiligen Rechtsgebiets und nach den Umständen des einzelnen Falls. Die Begründung braucht sich nicht ausdrücklich mit
allen in Betracht kommenden Umständen und Einzelüberlegungen auseinander zu setzen. Es reicht aus, wenn dem Betroffenen die
Gründe der Entscheidung in solcher Weise und in solchem Umfang bekannt gegeben werden, dass er seine Rechte sachgemäß wahrnehmen
kann(vgl. BSG, Urteil vom 9. Dezember 2004 - B 6 KA 40/03 R).
Im Hinblick darauf dürfte es nicht zu beanstanden sein, dass die Beklagte dem Bescheid einen individuellen Berechnungsbogen
beigefügt, die einzelnen Berechungselemente aber nicht in allen Details dargelegt hat. Im Übrigen steht der Kenntnis des Adressaten
gleich die Kenntnis des Vertreters bzw. Bevollmächtigten. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers tritt - dies ist gerichtsbekannt
- in zahlreichen Rechtsstreitigkeiten im Bereich der Grundsicherung für Arbeitssuchende als Prozessbevollmächtigter auf. Ihm
hätte sich ohne weiteres aufdrängen müssen, dass in dem angegriffenen Bescheid von den Kosten der Unterkunft/Heizung ein Anteil
für die Kosten der Warmwasseraufbereitung, der den Vorgaben der Rechtsprechung des BSG entsprach, abgezogen wurde. Er hätte im Rahmen seiner anwaltlichen Prüfungspflicht ohne weiteres erkennen können, dass der
Widerspruch in der Sache keinen Erfolg verspricht und von einer Einlegung absehen können.
Der Beschluss ist unanfechtbar; mit der Zurückweisung der Beschwerde durch den Senat wird das Urteil rechtskräftig (§§
145 Abs.
4,
177 SGG).