Tatbestand:
Die Beteiligten streiten für die Monate Juni bis September 2009 um Leistungen nach dem SGB II bzw.
AsylbLG.
Die Mutter des Klägers (ehemalige Klägerin und Berufungsklägerin) ist Bürgerin der Republik Kamerun und reiste im Mai 2002
in die Bundesrepublik ein. Ihr Asylantrag wurde letztendlich mit rechtskräftigem Urteil des VG Gera abgelehnt. Am 2. Dezember
2003 wurde der Kläger, ebenfalls Bürger Kameruns, geboren. Infolge eines ärztlichen Behandlungsfehlers bei der Geburt ist
der Kläger dauerhaft und im schwersten Maße körperlich und geistig retadiert. Er hat einen GdB von 100 sowie sämtliche Nachteilsausgleiche.
Die Pflegekasse bewilligt Leistungen nach der Pflegestufe III in Höhe von 665 Euro (Stand Dezember 2007).
Der Kläger stand ab 1. Januar 2005 durchweg im Bezug von Leistungen nach dem SGB II. Ab 23. Juli 2008 und auch im streitigen Zeitraum begründeten seine Mutter und er ihren Aufenthaltsstatus auf § 25 Abs. 5
AufenthaltG. Am 4. März 2009 beantragten sie die Fortbewilligung der Leistungen über den März 2009 hinaus. Am 13. März 2009
ließ der Kläger wissen, dass er mit der Z. Versicherungs AG - Versicherer des Krankenhauses - unter dem 22. Januar 2009 einen
Vergleich geschlossen hatten. Der Vergleich lautet auszugsweise wie folgt: 1. Die Z. Versicherung verpflichtet sich, an C.
N. 436.000,00 Euro zu zahlen. Mit dieser Zahlung sind reguliert - Schmerzensgeld - Schmerzensgeldrente bis 31. Dezember 2008
- Vermehrte Bedürfnisse bis 31. Dezember 2008 - Kostenbeteiligung an dem behindertengerechten Kfz., das aktuell angeschafft
werden soll 2. Die Z. Versicherung verpflichtet sich, die Kosten zu übernehmen, die erforderlich sind, um die noch neu anzumietende
Wohnung der Familie N. behindertengerecht herzustellen. 3. Die Z. Versicherung verpflichtet sich, künftig eine Schmerzensgeldrente
in Höhe von 320,00 Euro/Monat zu zahlen. Die Rente ist für drei Monate im Voraus jeweils am dritten Tag des Quartals, erstmals
am 3. Januar 2009, zu zahlen. 4. Der Schuldner verpflichtet sich, C. eine Rente wegen vermehrter Bedürfnisse in Höhe von 430,00
Euro/Monat zu zahlen. Die Zahlung ist für drei Monate im voraus zu zahlen. Sie ist fällig am dritten Tag des Quartals, erstmals
am 3. Januar 2009. Mit Bescheid vom 19. März 2009 bewilligte der Beklagte dem Kläger, seiner Mutter sowie den weiteren Kindern
J. W. und S.-K. Leistungen in Höhe von 850,69 Euro für April und Mai 2009, in Höhe von 794,69 für Juni 2009 und in Höhe von
790,69 Euro für die Monate Juli bis September 2009. Auf den Kläger entfielen unter Anrechnung von Einkommen aus Kindergeld
und Unterhaltsvorschuss im gesamten Bewilligungsabschnitt 60,92 Euro monatlich an Kosten der Unterkunft/Heizung (KdU).
Mit bestandskräftigem Änderungsbescheid vom 5. Juni 2009 bewilligte der Beklagte der Mutter und den Kindern J. W. und S.-K.
für April und Mai 2009 Leistungen in Höhe von 786,69 Euro, für Juni 2009 in Höhe von 730,69 Euro und für Juli bis September
2009 in Höhe von 726,69 Euro. Der Kläger wurde nicht mehr als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft geführt und die ursprüngliche
Leistungsbewilligung vom 19. März 2009 - soweit ersichtlich - nach den §§ 44 ff. SGB X aufgehoben. Mit seinem Einkommen - auch aus den Leistungen der Z. VersicherungsAG - könne er seinen Bedarf nach dem SGB II vollumfänglich decken.
Mit weiterem Änderungsbescheid vom 26. Juni 2009 bewilligte der Beklagte der Mutter und den Kindern W. J. und S.-K. für die
Monate Juli bis September 2009 Leistungen in Höhe von 852,05 Euro monatlich. Grund hierfür war eine Änderung der KdU infolge
des Umzuges in eine Wohnung in der W.-K.-Str. in E.
Den Fortzahlungsantrag vom 9. September 2009 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 16. September 2009 gestützt auf § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II ab und wies die Mutter des Klägers am 24. September 2009 darauf hin, bei der Beigeladenen Leistungen nach dem
AsylbLG zu beantragen. Ein Erstattungsverlangen des Beklagten ging am 28. September 2009 bei der Beigeladenen ein, welches von dieser
aber nicht befriedigt wurde.
Mit weiterem Änderungsbescheid vom 25. September 2009 bewilligte der Beklagte der Mutter, den Kindern J. W. und S.-K. sowie
der im Juni 2009 geborenen Tochter N. L. für Juni 2009 Leistungen in Höhe von 927,62 Euro und für die Monate Juli bis September
2009 in Höhe von 1592,05 Euro monatlich. Grund der Änderung war die Geburt der Tochter und der Wegfall des Kindergeldes für
alle Kinder zum 1. Juli 2009.
Gegen diesen Änderungsbescheid legte der Kläger Widerspruch ein. Die Schmerzensgeldrente, das Pflegegeld und die Zinseinnahmen
aus der Schmerzensgeldzahlung seien anrechnungsfrei. Das Kindergeld des Klägers habe im Juni 2009 geendet. Auch betrage der
Unterhaltsvorschuss lediglich 117 Euro und nicht 125 Euro monatlich.
Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Januar 2010 zurück. Der Kläger sei nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft.
Er sei nicht hilfebedürftig. Seinen Bedarf aus der Regelleistung in Höhe von 215 Euro und den KdU in Höhe von 126 Euro könne
er mit dem Kindergeld, dem Unterhaltsvorschuss und der Schmerzensgeldrente decken. Diese sei mit einer Verletztenrente vergleichbar
und nach § 11 SGB II a. F. zu berücksichtigendes Einkommen.
Auf die Klage hat das Sozialgericht die Stadt E. als Träger der Leistungen nach dem
AsylbLG beigeladen. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger und die Z. VersicherungsAG haben auf Anfrage mitgeteilt, dass es sich bei
der monatlichen Rente in Höhe von 430,00 Euro um eine solche wegen vermehrter Bedürfnisse nach §
843 BGB handele. Mit Urteil vom 31. August 2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Streitgegenständlich seien der Bescheid
vom 25. September 2009 und damit die Monate Juni bis September 2009. Für diesen Zeitraum habe der Kläger keinen Anspruch gegen
den Beklagten. Er sei nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II von Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II ausgeschlossen. Infolge der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthaltG sei er Leistungsberechtigter nach §
1 AsylbLG. Daraus ergebe sich die Zuständigkeit der Beigeladenen. Von dieser könne er aber ebenfalls keine Leistungen verlangen. Unter
Heranziehen der Rente wegen vermehrter Bedürfnisse in Höhe von 430 Euro monatlich könne er den Bedarf nach dem
AsylbLG decken. Die Rente sei auch nicht privilegiert. Nach §
7 Abs.
5 AsylbLG a. F. seien nur Schmerzensgeldzahlungen vom Einkommen ausgeschlossen. Bei der Rente wegen vermehrter Bedürfnisse handele
es sich aber nicht um Schmerzensgeld. Erkennbar solle die Rente wegen vermehrter Bedürfnisse den Lebensunterhalt des Klägers
sichern. Der Kläger könne über den Betrag frei verfügen. Eine ausdrückliche Zweckbestimmung mit dem Nachweis mittelgerechter
Verwendung sei in dem Vergleich nicht enthalten.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er ist der Auffassung, die Rente wegen vermehrter Bedürfnisse könne nicht als
Einkommen angerechnet werden. Anerkannt sei, dass Schmerzensgeld privilegiert sei. Es decke den immateriellen Schaden ab und
diene nicht zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Gleiches gelte für eine Rente wegen vermehrter Bedürfnisse. Sie gleiche Nachteile
infolge der Schädigung aus, die ein Gesunder nicht habe. Die materielle Komponente sei von der immateriellen Komponente der
Rente nicht zu trennen. Insoweit könne eine Parallele zur Grundrente nach dem BVG gezogen werden. Diese sei nach der Rechtsprechung des BSG auch für Leistungsberechtigte nach dem
AsylbLG anrechnungsfrei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 31. August 2012 aufzuheben sowie den Bescheid vom 25. September 2009 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2010 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. Juni 2009 bis
30. September 2009 Leistungen nach dem SGB II zu gewähren,
hilfsweise,
die Beigeladene zu verurteilen, ihm für Juni bis September 2009 Leistungen nach dem
AsylbLG ohne Einkommensanrechnung zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für richtig. Der Kläger sei schon dem Grunde nach nicht anspruchsberechtigt nach dem SGB II.
Die Beigeladene beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Akte L 8 AY 270/13 samt dazugehöriger Verwaltungsakte der Beigeladenen beigezogen.
Hieraus ergibt sich im Wesentlichen Folgendes:
Die Beigeladene hat dem Kläger auf den Antrag vom 1. Oktober 2009 für die Monate Oktober bis Dezember 2009 Leistungen nach
§
3 AsylbLG ohne Anrechnung der Rente wegen vermehrter Bedürfnisse als Einkommen erbracht (vgl. die Bescheide vom 22. Oktober 2009 und
18. November 2009).
Mit Bescheid vom 28. Dezember 2009 hat sie die Rente wegen vermehrter Bedürfnisse mit Wirkung ab 1. Januar 2010 als Einkommen
in Ansatz gebracht. Hieraus ergibt sich, dass der Kläger keine Leistungen nach dem
AsylbLG beanspruchen kann.
Den Widerspruch hat sie mit Widerspruchsbescheid vom 22. März 2011 zurückgewiesen.
Das Sozialgericht Gotha hat der dagegen gerichteten Klage mit Urteil vom 17. Dezember 2012 stattgegeben. Die Rente wegen vermehrter
Bedürfnisse sei auch im Rahmen des
AsylbLG privilegiert. Zur Grundrente habe dies das BSG ausdrücklich entschieden. Diese Rente sei mit derjenigen des Klägers vergleichbar. Auch die Rente wegen vermehrter Bedürfnisse
enthalte materielle und immaterielle Komponenten. Eine exakte Trennung sei nicht möglich.
Mit Schriftsatz vom 22. März 2013 hat die Klägerin auf Hinweis des ehemaligen Berichterstatters ihre Berufung zurückgenommen.
Der Senat hat eine Auskunft der Z. Versicherungs AG eingeholt. Danach wird die Rente wegen vermehrter Bedürfnisse pauschal
für Pflegemehraufwand erbracht. Sie ist an keine Bedingungen geknüpft. Dem Kläger stehe es frei wie er mit der Rente verfahre.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Vorab ist festzustellen, dass streitig nur der Zeitraum vom 1. Juni bis 30. September
2009 ist. Für den Beklagten folgt dies schon aus dem angefochtenen Bescheid vom 25. September 2009 der sich nur zum eben genannten
Zeitraum verhält. Die zuvor erlassenen Bescheide des Beklagten wurden nicht angefochten und sind nach §
77 SGG bindend geworden. Für die Beigeladene, die bis dato keinen Bescheid für die Zeit bis 30. September 2009 erlassen hat, ergibt
sich dies jedenfalls daraus, weil der Bescheid vom 22. Oktober 2009, mit welchem Leistungen nach §
3 AsylbLG ab 1. Oktober 2009 bewilligt wurden, eine Zäsur bewirkt (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2007 - B 8/9b SO 12/06 R). Außerdem hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht
ausdrücklich nur für eben genannten Zeitraum Leistungen beantragt.
Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten.
Die von ihm erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach §
54 Abs.
1 und 4
SGG ist zulässig. Allerdings ist festzuhalten, dass der Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 5. Juni 2009 die ursprüngliche
Leistungsbewilligung für den Kläger ab 1. April 2009 mit der Begründung aufgehoben hat, dass er nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft
sei, weil er seinen Bedarf aus seinem Einkommen vollständig decken könne. Die nachfolgenden Bescheide - auch der angefochtene
Bescheid vom 25. September 2009 - waren erkennbar nicht an den Kläger gerichtet. Adressaten waren die Klägerin und deren andere
Kinder. Insoweit hatte der Beklagte gegenüber dem Kläger ursprünglich keine Absicht eine verbindliche Regelung zu treffen,
was nach § 31 SGB X aber unerlässliche Voraussetzung für einen Verwaltungsakt ist. Nach §
95 SGG ist jedoch maßgeblich der Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Im Widerspruchsbescheid
vom 15. Januar 2010 hat er eine Regelung getroffen. Er hat - dies ergibt die Auslegung analog §
133 BGB - den Leistungsantrag des Klägers für die Zeit vom 1. Juni bis 30. September 2009 abgelehnt, weil er durch Einsatz von Einkommen
seinen eigenen Bedarf decken könne und damit nicht hilfebedürftig sei.
Die Klage gegen den Beklagten ist aber unbegründet. Der Kläger hat für den streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf Leistungen
nach dem SGB II. An dieser Stelle braucht nicht erörtert zu werden, ob die Rente wegen vermehrter Bedürfnisse in Höhe von 430 Euro als Einkommen
einzusetzen ist (hierzu weiter unten), denn der Kläger war schon dem Grunde nach von Leistungen zur Grundsicherung nach dem
SGB II ausgeschlossen. Nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II a. F. sind von Leistungen ausgenommen, Leistungsberechtigte nach §
1 AsylbLG. Der Kläger gründete seinen Aufenthaltsstatus ebenso wie die Klägerin im streitigen Zeitraum auf § 25 Abs. 5 AufenthG. Dieser Personenkreis war leistungsberechtigt nach §
1 Abs.
1 Nr.
3 AsylbLG a. F. Der Aufenthaltstitel hat dabei Tatbestandswirkung für die Leistungsträger und Sozialgerichte. Eine Überprüfung des
Status ist ihnen nicht möglich. Der Ausschluss ist auch nicht verfassungswidrig (vgl. BSG, Urteil vom 2. Dezember 2014 - B 14 AS 8/13 R). An dem gefundenen Ergebnis ändert auch nichts, dass nach §
1 Abs.
1 AsylbLG in der ab 1. März 2015 geltenden Fassung Personen mit einem Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 5 AufenthG nur noch dann dem Rechtskreis des
AsylbLG unterfallen, wenn die Aussetzung der Abschiebung weniger als 18 Monate zurückliegt. Ausweislich des Gesetzesentwurfs der
Bundesregierung Drucksache 18/2592 handelt es sich um eine Neuregelung und nicht nur Klarstellung der zuvor maßgebenden Rechtslage.
Inhaber eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 5 AufenthG sollten aus dem
AsylbLG herausgenommen werden, wenn die Aussetzung der Abschiebung länger als 18 Monate zurückliegt. Zukünftig sollten sie anspruchsberechtigt
nach dem SGB II oder SGB XII sein.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch gegen die Beigeladene.
Die Verurteilung der Beigeladenen ist nach der Auffassung des Senats in analoger Anwendung des §
75 Abs.
5 SGG möglich. Danach kann unter anderem ein Sozialhilfeträger verurteilt werden. Wie auch in §
75 Abs.
2 SGG sind Leistungsträger nach dem
AsylbLG in der Vorschrift nicht ausdrücklich aufgeführt. §
75 Abs.
2 und auch §
75 Abs.
5 SGG sind aber analog anwendbar. Die Norm ist über ihren Wortlaut hinaus anwendbar, weil sie trotz der Rechtsänderung durch das
Gesetz für Arbeitssuchende vom 20. Juli 2006 mit Wirkung ab dem 1. August 2006 eine ungewollte Gesetzeslücke für eine vom
Wortlaut der Norm nicht erfasste, aber gleich gelagerte Konstellation erfasst. So dann wurde die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit
durch Einfügen des §
51 Abs.
1 Nr.
6 a SGG auf Angelegenheiten des SGB XII und
AsylbLG erweitert. Durch die klarstellende Neuregelung des §
75 Abs.
2 SGG mit dem Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 20. Juli 2006 mit Wirkung ab 1. August 2006
ist nach Auffassung des Senats übersehen worden, der geänderten Zuständigkeitsregelung in §
51 SGG hinreichend Rechnung zu tragen. Eine ausfüllungsbedürftige, weil planwidrige Regelungslücke, liegt weiterhin vor. Es kann
nicht unterstellt werden, der Gesetzgeber habe bewusst - ohne das sachliche Gründe ersichtlich sind - die in §
51 Abs.
1 Nr.
6 a SGG explizit genannten Leistungen nach dem
AsylbLG im Rahmen des §
75 Abs.
2 i. V. m. Abs.
5 SGG ausnehmen wollen, obgleich sich Probleme der Zuständigkeit des einen oder anderen Leistungsträgers auch diesbezüglich stellen.
Für eine analoge Anwendung sprechen schließlich Gründe der Prozessökonomie (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 147/06 zur analogen Anwendung auf Sozialhilfeträger und LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12. Dezember 2011 - L 20 AY 4/11). Bestätigt
wird das Ergebnis durch die Neufassung des §
75 Abs.
2 SGG zum 19. Dezember 2014. Ausweislich des Gesetzesentwurfes der Bundesregierung Drucksache 18/2592 sollte in Anknüpfung an die
eben zitierte Rechtsprechung klarstellend geregelt werden, das eine Beiladung des Trägers nach dem
AsylbLG im sozialgerichtlichen Verfahren möglich ist. Einer Verurteilung steht auch nicht entgegen, dass die Beigeladene den Kläger
für den hier streitigen Zeitraum nicht beschieden hat (vgl. BSG, Urteil vom 30. Juni 2009 - B 2 U 19/08 R).
Die Verurteilung nach §
75 Abs.
5 SGG setzt voraus, dass es sich um zwei Ansprüche handelt, die nicht nebeneinander, sondern in einer Wechselwirkung im Sinne eines
Ausschließlichkeitsverhältnisses zueinander stehen. Einer Verurteilung nach §
75 Abs.
5 SGG muss nicht inhaltlich derselbe Anspruch wie gegen den Beklagten zugrunde liegen, erforderlich ist aber, dass die Leistungen
auf ein im Wesentlichen gleiches Ziel gerichtet sind (vgl. BSG, Urteil vom 23. September 2003 - B 12 RA 3/02 R). Das ist vorliegend der Fall. Der Kläger begehrt existenzsichernde Leistungen bei (vorgetragener) Hilfebedürftigkeit.
Daran ändert auch nichts, dass es sich bei dem
AsylbLG um ein eigenes Konzept zur Sicherung des Lebensunterhaltes handelt. Wie oben dargelegt ist der Kläger nur über § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Das erforderliche Ausschließlichkeitsmoment zwischen Ansprüchen nach dem
AsylbLG und dem SGB II liegt ebenfalls vor.
Die gegen die Beigeladene gerichtete echte Leistungsklage nach §
54 Abs.
4 SGG ist zulässig. Insbesondere ist die Beigeladene passiv legitimiert. Sie ist nach § §
1 Thüringer Verordnung zur Durchführung des
AsylbLG vom 5. Mai 2000 (GVBl. S. 102) sachlich und örtlich für die Leistungen nach §
3 AsylbLG zuständig. Der Kläger hatte im streitigen Zeitraum seinen Aufenthalt in der W.-K.-Str. in E. und damit im Bezirk der Beigeladenen.
Die Klage ist aber unbegründet. Der Kläger ist nicht hilfebedürftig im Sinne des
AsylbLG. Mit dem Einsatz der Rente wegen vermehrter Bedürfnisse kann er seinen Bedarf nach dem
AsylbLG decken.
Unschädlich ist es aber, daß der Kläger erst am 1. Oktober 2009 einen Antrag bei der Beigeladenen gestellt hat und der Beigeladenen
erst am 28. September 2009 durch das Erstattungsverlangen des Beklagten Kenntnis von der Hilfebedürftigkeit erhielt. Nach
§
16 Abs.
2 S. 2
SGB I gilt der Antrag auf eine Sozialleistung, die von einem Antrag abhängig ist, als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem er bei
einer der in §
16 Abs.
2 S. 1
SGB I genannten - für die Bearbeitung des Antrages unzuständigen - Stelle eingegangen ist. §
16 Abs.
2 S. 1
SGB I bestimmt, dass Anträge die bei einem unzuständigen Leistungsträger, bei einer für die Sozialleistung nicht zuständigen Gemeinde
oder bei einer amtlichen Vertretung der Bundesrepublik im Ausland gestellt werden, unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger
weiterzuleiten sind. Die Vorschrift gilt auch für das SGB XII bzw. dem
AsylbLG, obwohl Leistungen nach herrschender Meinung von der faktischen Kenntnis des Leistungsträgers von der Hilfebedürftigkeit
an - also antragsunabhängig - erbracht werden (vgl. hierzu auch den Gesetzentwurf der Bundesregierung Drucksache 18/2592).
Hat der Sozialhilfeträger bzw. Träger nach dem
AsylbLG nicht schon anderweitig Kenntnis von der Hilfebedürftigkeit, sondern erlangt er sie erst mit dem Antrag des Bedürftigen,
so sind die Leistungen von diesem Antrag, wenngleich nur mittelbar wegen der von ihm vermittelten Kenntnis, abhängig. Diese
Abhängigkeit im weiteren Sinne genügt für die Anwendbarkeit des §
16 Abs.
2 Satz 2
SGB I mit der Folge, dass der Antrag als schon im Zeitpunkt bei der unzuständigen Behörde gestellt gilt, in dem er bei der unzuständigen
Behörde eingegangen ist. Denn Zweck der Regelung ist es - hierauf weist auch der Wortsinn hin - den Antragsteller, der sich
an eine unzuständige Stelle wendet, davor zu bewahren, dass ihm durch die zeitliche Verzögerung, mit der sein von dieser Stelle
nach §
16 Abs.
2 S. 1
SGB I an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleitenden Antrag dort eingeht, materielle Nachteile entstehen. Ausgehend von dem
Normzweck ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund die Regelung nicht auch für (potentiell) Berechtigte nach dem SGB XII oder
AsylbLG gelten soll (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Mai 1995 - 5 C 1/93 und BSG, Urteil vom 26. August 2008 - B 8/9b SO 18/07 R).
Nach §
3 Abs.
2 AsylbLG a. F. kann Berechtigten bei Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des §
44 Asylverfahrensgesetz - so wie hier - soweit es den Umständen nach erforderlich ist, anstelle von vorrangig zu gewährenden Sachleistungen nach
Abs. 1 S. 1 Leistungen in Wertgutscheinen, von anderen unbaren Abrechnungen oder von Geldleistungen im gleichen Wert gewährt
werden. Der Wert beträgt
1. für den Haushaltsvorstand 360 DM 2. für Haushaltsangehörige bis zur Vollendung des 7. Lebensjahres 220 DM 3. für Haushaltsangehörige
von Beginn des 8. Lebensjahres an 310 DM monatlich zuzüglich der notwendigen Kosten für die Unterkunft, Heizung und Hausrat.
Absatz 1 S. 3 und 4 findet entsprechend Anwendung. Hiernach erhalten Leistungsberechtigte bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres
40 DM monatlich zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens und von Beginn des 15. Lebensjahres an 80 DM.
Umgerechnet auf das Jahr 2009 bedeutet dies, dass der Leistungssatz des Klägers nach §
3 Abs.
2 Nr.
2 AsylbLG und §
3 Abs.
1 S. 4 Nr.
1 132,94 Euro beträgt. Nicht berührt wird der Leistungssatz von der Entscheidung des BVerfG vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10 und 1 BvL 2/11, denn diese gilt erst für die Leistungshöhe ab 1. Januar 2011.
Anspruch auf sogenannte Analogleistungen nach §
2 AsylbLG a. F. hat der Kläger auch nicht, weil er ihm streitigen Zeitraum offenkundig nicht schon 48 Monate Leistungen nach §
3 AsylbLG bezogen hatte. Die günstigere Regelung des §
2 AsylbLG in der ab 1. März 2015 geltenden Fassung findet keine rückwirkende Anwendung.
Hinzu kommen anteilige KdU in Höhe von maximal 248 Euro monatlich unter Außerachtlassen der Angemessenheitsgrenze (1.240 Euro
laut Mietvertrag für die Wohnung W.-K.-Str. in E.: 5 Personen).
Diesen Bedarf konnte der Kläger im streitigen Zeitraum durch Einkommen decken. Anzurechnen ist zunächst der monatliche Unterhaltsvorschuss
in Höhe von 117 Euro. Unerheblich ist, dass dieser im Nachgang zurückgezahlt wurde. Im streitigen Zeitraum floss der Unterhaltsvorschuss
zu und stand als Einkommen zur Verfügung. Der Kläger muss sich aber auch die von der Z. AG gezahlte monatliche Rente wegen
vermehrter Bedürfnisse in Höhe von damals 430,00 Euro monatlich als Einkommen anrechnen lassen.
Nach §
7 Abs.
1 AsylbLG a. F. waren von dem Leistungsberechtigten Einkommen und Vermögen, über das verfügt werden kann, vor Eintritt von Leistungen
nach diesem Gesetz aufzubrauchen. §
7 Abs.
5 AsylbLG normierte dagegen, dass eine Entschädigung, die wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist und nach §
253 Abs.
2 BGB geleistet wird, nicht als Einkommen zu berücksichtigen ist.
Das BSG hat allerdings in seinem Urteil vom 24. Mai 2012 - B 9 V 2/11 R zu §
7 AsylbLG a. F. entschieden, dass die Gewährung einer Rente nach dem
OEG ebenfalls privilegiert sei. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass das
AsylbLG den Einkommensbegriff nicht definiere, sondern voraussetzte. Geboten sei daher ein Rückgriff auf die Vorschriften über die
Sozialhilfe, die ebenso wir das
AsylbLG die Fürsorge für die Bedürftigen sicherstellen solle. Nach den Bestimmungen des BSHG bzw. SGB XII sei die Grundrente nach dem BVG (
OEG) aber privilegiert. Dies sei gerechtfertigt, weil sie sowohl eine immaterielle als auch eine materielle Funktion habe, wobei
beide Komponenten nicht voneinander zu trennen seien.
Auch in Reaktion auf das Urteil des BSG hat der Gesetzgeber das privilegierte Einkommen nach dem
AsylbLG neu geregelt. Nach §
7 Abs.
2 AsylbLG in der ab 1. März 2015 geltenden Fassung sind als Einkommen nach Abs. 1 nicht zu berücksichtigen: 1. Leistungen nach diesem
Gesetz, 2. eine Grundrente nach dem BVG und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen, 3. eine Rente oder Beihilfe nach dem BEG für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit bis zur Höhe der
vergleichbaren Grundrente nach dem BVG, 4. eine Entschädigung, die wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, nach §
253 Abs.
2 BGB geleistet wird, und 5. eine Aufwandsentschädigung.
Die nach §
843 BGB als Rente wegen vermehrter Bedürfnisse bezeichnete Zahlung, unterfällt nicht §
253 Abs.
2 BGB und damit auch nicht §
7 Abs.
5 AsylbLG a. F. bzw. §
7 Abs.
2 Nr.
4 AsylbLG n. F. Sie soll der Kompensation eines Vermögensschadens dienen, namentlich der Mehraufwendungen infolge des Gesundheitsschadens
und hat insoweit materiellen Charakter (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 2004 - VI ZR 46/03). Deutlich wird dies letztendlich auch an dem Umstand, dass die Z. AG daneben eine ausdrückliche als Rente wegen Schmerzensgeld
bezeichnete Zahlung leistet und dem Kläger zusätzlich eine einmalige Schmerzensgeldzahlung in sechsstelliger Höhe gewährt
hat.
Die Rente ist zweifelsohne nicht eine solche nach dem BVG oder BEG. Die Überlegung zur Grundrente nach dem BVG/BEG mit der Folge einer Analogie, können auf den vorliegenden Fall nicht
übertragen werden. Bei dem Kläger wurde - wie oben dargelegt - sehr wohl eine Differenzierung zwischen der materiellen und
immateriellen Entschädigung vorgenommen. Anders als bei der Grundrente können die Komponenten ohne weiteres voneinander getrennt
werden. Entscheidend fällt aber ins Gewicht, dass die Grundrente wegen eines Sonderopfers geleistet wird und es insoweit widersprüchlich
erscheint, diese auf staatliche Leistungen im Gegenzug anzurechnen. Der Kläger hat aber kein Sonderopfer für die Allgemeinheit
erbracht, sondern erhält die Rente wegen vermehrter Bedürfnisse infolge eines ärztlichen Behandlungsfehlers.
Eine Privilegierung der Rente kommt daher nur unter dem Gesichtspunkt zweckbestimmten Einkommens in Betracht. Im Hinblick
auf die ab 1. März 2015 gültigen Fassung des §
7 Abs.
2 AsylbLG sind aber Zweifel anzumelden. Hier werden die privilegierten Einkommensarten einzeln aufgezählt. Zweckbestimmtes Einkommen
wird nicht erwähnt. Es spricht vieles dafür, dass die Aufzählung in §
7 Abs.
2 AsylbLG abschließend und einem erweiterten Anwendungsbereich nicht zugänglich ist ("enumeratio ergo limitatio"). In der Gesetzesbegründung
der Bundesregierung Drucksache 18/2592 heißt es lediglich, das durch Einfügen der Nr. 2 und 3 in Anknüpfung an das oben zitierte
Urteil des BSG klargestellt wird, dass die Rentenarten kein berücksichtigungsfähiges Einkommen sind.
Stellt man oben genannte Bedenken zurück und bejaht grundsätzlich die Privilegierung zweckbestimmten Einkommens dem Grunde
nach, wäre in Anlehnung an das oben genannte Urteil des BSG ergänzend die Bestimmung des SGB XII bzw. BSHG heranzuziehen. Danach ist zweckbestimmtes Einkommen aber nur dann privilegiert, wenn es aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften
gezahlt wird (§ 77 Abs. 1 BSHG und § 83 Abs. 1 SGB XII). Dies ist bei dem Kläger nicht der Fall. Die Rente wegen vermehrter Bedürfnisse wird vom Haftpflichtversicherer des Schädigers
infolge eines privatrechtlichen Vergleichs geleistet.
Noch größere Bedenken hat der Senat die Bestimmungen des SGB II zum privilegierten Einkommen heranzuziehen. Ein wie auch immer gearteter Bezug zum
AsylbLG lässt sich für den Rechtskreis der Grundsicherung für Arbeitsuchende anders als beim BSHG/SGB XII (vgl. den Anspruch auf
Analogleistungen nach §
2 AsylbLG) nur schwerlich herstellen. Letztendlich können aber auch diese Bedenken dahinstehen.
Anders als im Rahmen des SGB XII konnten nach der bis zum 31. März 2011 geltenden Rechtslage auch zweckbestimmte Einnahmen auf privatrechtlicher Grundlage
nach § 11 Abs. 3 Nr. 1 a SGB II a. F. unberücksichtigt bleiben, wenn eine Vereinbarung vorhanden war, aus der sich objektiv erkennbar ergab, dass die Leistung
für einen bestimmten Zweck verwendet werden soll, dem Leistungsempfänger also ein privatrechtlicher Verwendungszweck auferlegt
wurde. Ihr muss über die Tilgungsbestimmung hinaus erkennbar eine bestimmte Zweckrichtung beigemessen werden (vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 2012 - B 4 AS 27/12 R, vom 1. Juni 2010 - B 4 AS 89/09 R und vom 3. März 2009 - B 4 AS 47/08 R).
Dies ist vorliegend nicht der Fall. Aus Punkt 4 des Vergleichs ergibt sich lediglich die Tilgungsbestimmung, nämlich die Gewährung
einer Rente wegen vermehrter Bedürfnisse. Ein weitergehender Verwendungszweck wird dem Kläger unter Punkt 4 des Vergleiches
nicht auferlegt. Im Kontext zu Punkt 1 und 2 - hier werden vermehrte Bedürfnisse in Form der Anschaffung eines behindertengerechten
Kfz. und Übernahme der Kosten für die Herstellung einer behindertengerechten Wohnung ausdrücklich geregelt, kann nur geschlossen
werden, dass der Kläger über die Rente wegen vermehrter Bedürfnisse frei verfügen kann; mithin nicht gezwungen ist, sie zu
genau definierten Zwecken einzusetzen. Auf Rückfrage hat dies die Z. Versicherung mit Schreiben vom 29. September 2015 bestätigt.
Dies entspricht auch der herrschenden Meinung zu §
843 BGB. Der Geschädigte muss nur die Notwendigkeit der erhöhten Bedürfnisse nachweisen. In der Mittelverwendung ist er dagegen frei
und kann die Rente gänzlich außerhalb der eigentlichen Zweckbestimmung verwenden (vgl. LG Saarbrücken, Urteil vom 21. April
2006 - 3 0 79/04 m. w. N.).
Ist schon der Einsatz der Rente wegen vermehrter Bedürfnisse und der Unterhaltsvorschuss zur Deckung des Bedarfs nach dem
AsylbLG bedarfsdeckend, muss nicht näher auf den Zufluss der Zinsen aus der Schmerzensgeldzahlung eingegangen werden, die ebenfalls
Einkommen sind (vgl. BSG, Urteil vom 22. August 2012 - B 14 AS 103/11 R).
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.