Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit; Verweisbarkeit eines ungelernten Gerüstbauers
auf die Tätigkeit eines Produktionshelfers oder Poststellenmitarbeiters; Anforderungen an die Begutachtung von Schmerzen
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger eine Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung sowie wegen
Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zusteht.
Der 1956 geborene Kläger erlernte von September 1973 bis August 1975 den Beruf des Facharbeiters für Schweißtechnik und war
im Anschluss bis Dezember 1991 als Schweißer im beschäftigt. Von Oktober 1992 bis Dezember 1993 war er nach dem Arbeitsvertrag
vom 1. Oktober 1992 bei V. R. "..." in F. als "Kfz-Schlosser" mit einem Stundenlohn von 10 DM beschäftigt. Nach den Angaben
des Klägers führten in der Werkstatt zwei Mitarbeiter in der Hauptsache Reifenservice und kleinere Reparaturen durch. Von
Januar 1994 bis November 1998 arbeitete er ohne schriftliche Abänderung des Arbeitsvertrages vom 1. Oktober 1992 als Gerüstbauer
bei V. R., ... und ..., F. Dort waren drei Mitarbeiter angestellt, von denen keiner einen Facharbeiterabschluss als Gerüstbauer
hatte. Die notwendigen Kenntnisse erwarben sie in der Praxis. Im Anschluss war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Von Juni
bis August 2000 begann er eine Umschulung zum Automobilkaufmann, die er nicht abschloss. Nach Bandscheibenoperationen bezog
er von der Beklagten eine Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. März 2001 bis zum 31. Dezember 2003. Seit 1. Januar 2004
ist er arbeitslos.
Am 10. September 2003 beantragte der Kläger die Weiterzahlung der Rente wegen Erwerbsminderung. Im Verwaltungsverfahren holte
die Beklagte ein orthopädisches Gutachten vom 12. Juni 2003 bei Dr. H. ein. Er kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger die Tätigkeit
als Gerüstbauer nicht mehr ausüben kann; im Übrigen bestehe ein Leistungsvermögen von 6 Stunden und mehr bei qualitativen
Leistungseinschränkungen. In seinem nervenärztlichen Gutachten vom 10. Juli 2003 empfahl Dr. K. eine Rehabilitationsmaßnahme
und schätzte ein, dass dem Kläger nach Opioid-Entzug und entsprechender Beübung eine körperlich leichte vollschichtige Tätigkeit
wieder möglich sein sollte. Daraufhin bewilligte die Beklagte eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme und zog den Entlassungsbericht
der Rehabilitationsklinik B. L. vom 22. Oktober 2003 bei (Diagnosen: chronisches Lumbalsyndrom bei Zustand nach lumbaler Herniotomie
L 5/S1 rechts vom November 2000 und Re-Operation der gleichen Etage vom Januar 2001 und nachfolgender Spondylodiszitis mit
Restbeschwerden; aus psychotherapeutischer Sicht lavierte Depression mit Somatisation auf dem Hintergrund einer hypochondrischen
Persönlichkeitsstruktur). Im Entlassungsbericht werden starke demonstrative Tendenzen des Klägers vermerkt. Die Diskrepanz
zwischen Beschwerden und objektiven Befunden sei durch die psychologische Diagnose zu erklären. Der Kläger sei für leichte
bis maximal mittelschwere körperliche Tätigkeiten überwiegend im Sitzen mit Möglichkeiten zum vorrübergehenden Stellungswechsel
(Gehen, Stehen) ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 bis 15 Kilo, ohne gehäuftes Arbeiten auf Leitern und Gerüsten wettbewerbsfähig
dauerhaft belastbar. Aus psychotherapeutischer Sicht bestünden keine Leistungseinschränkungen. Für die zuletzt ausgeübte berufliche
Tätigkeit sei er nicht mehr belastbar. Mit Bescheid vom 12. November 2003 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab und
wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2004 zurück.
Auf die Klageerhebung hat das Sozialgericht Gotha (SG) diverse Befundberichte und Behandlungsunterlagen beigezogen und Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von Dr.
W. vom 10. Oktober 2005. Danach bestehen bei dem Kläger auf orthopädischem Fachgebiet folgende Diagnosen: Postlaminektomiesyndrom
L5/S1 mit persistierendem ausschließlich sensiblen Radikulärsyndrom mit erheblichem Funktionsdefizit, Arthrose im rechten
Akromioklavikulargelenk und beginnende degenerative Veränderungen im rechten Schultergelenk mit subjektiven Beschwerden ohne
Funktionseinschränkung, retropatellare Arthrose des rechten Kniegelenks bei Patella bipartita mit Belastungsbeschwerden ohne
Funktionsdefizit und passagere Funktionsstörungen der Hände unklarer Genese. Seit dem Wegfall der befristeten Rente am 31.
Dezember 2003 bestehe ein Leistungsvermögen für leichte körperliche Arbeiten von sechs Stunden an fünf Tagen in der Woche
bei qualitativen Leistungseinschränkungen. Als Gerüstbauer könne der Kläger nicht mehr tätig sein.
In seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 21. Juli 2008 hat Prof. Dr. M. hinsichtlich der Rückenschmerzen des Klägers
das Vorliegen eines Postdiskektomiesyndroms als Ausdruck eines neuropathischen Schmerzsyndroms sowie ein schwerwiegende krankhafte
Schmerzproblematik ausgeschlossen. Nach dem psychischen und testpsychologischen Befund scheide eine psychische Erkrankung
als Ursache für die geklagten Beschwerden aus. Es bestünden angesichts der Diskrepanz zwischen subjektiver Beschwerdeschilderung
und körperlicher Beeinträchtigung in der Untersuchungssituation, dem geringen Leidensdruck sowie der vagen, wechselhaften
und unpräzisen Schilderung der Beschwerden und des Krankheitsverlaufs Hinweise auf Aggravation bzw. Simulation. Auch sei die
vom Kläger geklagte anfallsweise Kraftlosigkeit der Hände nicht glaubhaft. Vielmehr seien diese Beschwerden Ausdruck einer
deutlich hypochondrisch überhöhten, dissoziativen und simulativen Symptomatik, die keine Einbußen in dem berufsmäßigen Einsatz
der Handfunktion bedeute. Insgesamt bestehe ein Leistungsvermögen für leichte und mittelschwere körperliche Arbeiten auf dem
allgemeinen Arbeitsmarkt im Umfang von mehr als sechs Stunden täglich. Lediglich schwere körperliche Arbeiten und Tätigkeiten
in länger dauernden Zwangshaltungen seien zu vermeiden. Der Tätigkeit als Gerüstbauer könne der Kläger nicht mehr nachgehen.
Dieses Leistungsbild bestehe seit dem 1. Januar 2004. Hiergegen hat der Kläger Einwände erhoben und beantragt, den Sachverständigen
wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 23. März 2009 abgewiesen und das Ablehnungsgesuch mit Beschluss vom selben Tag abgelehnt, weil
es bei Gericht nicht unverzüglich nach Eingang des Gutachtens gestellt wurde. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat der erkennende
Senat mit Beschluss 13. September 2010 - L 6 B 154/09 B zurückgewiesen. Es seien keine Anhaltspunkte für eine Voreingenommenheit des Sachverständigen zum Nachteil des Klägers
festzustellen.
In der Sache hat das SG sein Urteil damit begründet, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und insbesondere den eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten
von einem sechsstündigen Leistungsvermögen des Klägers für zumindest leichte Arbeiten auszugehen sei. Nach dessen Angaben
im Verwaltungsverfahren und gegenüber den Sachverständigen sei davon auszugehen, dass er zuletzt als Gerüstbauer bis Oktober
1998 tätig war. Zwar spreche der Arbeitsvertrag vom 1. Oktober 1992 von einer Beschäftigung als Kraftfahrzeugschlosser. Der
Kläger habe aber selbst angegeben, dass er spätestens ab August 1997 auf der Grundlage dieses Arbeitsvertrages als Gerüstbauer
tätig war. Mit dieser letzten Tätigkeit sei er in die Gruppe der angelernten Berufe nicht im oberen Bereich einzuordnen und
könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden.
Im Berufungsverfahren macht der Kläger geltend, er sei von 1994 bis 1998 als Gerüstbauer tätig gewesen. Das Urteil sei verfahrensfehlerhaft
zustande gekommen. Das SG sei seinen Beweisanträgen nicht nachgekommen, die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen dazu zu hören, ob es ihm
möglich sei, an fünf Tagen in der Woche jeweils sechs Stunden wegen seiner Rückenbeschwerden und seiner Beschwerden an beiden
Händen erwerbs- bzw. berufsmäßig tätig zu sein. Zudem habe das SG verfahrensfehlerhaft das Sachverständigengutachten des Prof. Dr. M. verwertet. Selbst wenn der Ablehnungsantrag insoweit
verspätet gewesen sein sollte, hätte das Gericht das Gutachten nicht verwerten dürfen, weil der Sachverständige Feststellungen
getroffen habe, die mit einer objektiven Sachverhalts- und Tatsachenfeststellung über seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen
in keinem Zusammenhang stünden. Das SG habe verkannt, dass wegen der anfallsartig auftretenden Verkrampfungen in beiden Händen eine schwere spezifische Leistungsbehinderung
vorliege, die es ausschließe, dass er zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig werden könne. Sein
Beruf des Schweißers sei der rechtlich geschützte Hauptberuf, von dem er sich nicht gelöst habe. Bei gegebener Möglichkeit
wäre er in seinen Ausbildungsberuf zurückgekehrt. Dr. H. habe sein Gutachten nicht unvoreingenommen erstellen können, weil
er auf die Gutachten in den Gerichtsakten zurückgriffen habe und damit eine Beeinflussung nicht ausgeschlossen sei. Auch habe
er nicht erklären können, weshalb er Beschwerden am Haltungs- und Bewegungsapparat habe.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger ausdrücklich beantragt, von seinem behandelnden Neurologen B. ein Gutachten dazu
einholen, dass er aufgrund seiner körperlichen Beeinträchtigungen weder voll- noch teilschichtig tätig sein kann.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 23. März 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 12. November 2003 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung
hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit über den
31. Dezember 2003 hinaus zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihre Ausführungen im Widerspruchs- und Klageverfahren.
Der Senat hat diverse Befundberichte und Behandlungsunterlagen beigezogen und auf Antrag des Klägers nach §
109 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) ein internistisch-rheumatologisches Gutachten des Dr. A. eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 15. Juni 2012 (eingegangen
am 14. August 2012) aufgrund der Untersuchung am 16. Juni 2011 folgende Diagnosen genannt: chronisches Schmerzsyndrom mit
einer Schmerzempfindungsstörung auf dem Boden der somatoformen Schmerzstörung (F45.9), reaktive Depression (F48) mit Spannungskopfschmerz
(G44.2) und intermittierendem Schwindel (R42) bei degenerativen Veränderungen im HWS-Segment (M53.1) und Kopfgelenkdysfunktionen
mit anhaltenden Nerven- und Muskelschmerzen trotz laufender Analgesie, Schmerzsyndrom mit Schmerzempfindungsstörung auf dem
Boden des chronischen Lumbalsyndrom (M52.2) bei Osteochondrose und Facettenarthrose, Zustand nach mehrfacher Operation L5/S1,
chronisch schmerzhafte aktivierte Gonarthrose (M13.16) rechts mit Streck- und Beugehemmung und Progression -innerhalb der
letzten 10 Jahre. Das LWS-Syndrom erlaube keine Belastung über 3 Stunden. Wegen des funktionellen und strukturellen Schmerzsyndroms
erscheine eine Arbeitsbelastung von 3 bis 6 Stunden vertretbar. Es bestünden Einschränkungen hinsichtlich des Weges zur Arbeit.
Der Kläger sei in der Lage, maximal 100 Meter schmerzfrei zu gehen. Somit halte er eine Gehstrecke von 300 Metern für akzeptabel;
kurze Strecken unter 20 Kilometer könnten mit dem eigenen Fahrzeug zurückgelegt werden. Öffentliche Verkehrsmittel seien wegen
der Schmerzauslösung zu vermeiden. Dieses Leistungsvermögen bzw. die Leistungseinschränkungen bestünden seit dem Zeitpunkt
der erstmaligen Rentenantragstellung.
Der Senat hat von Amts wegen eine Begutachtung des Klägers durch Dr. K. veranlasst. Er stellt in seinem neurologisch-psychiatrisch-psychosomatischen
Gutachten vom 15. Januar 2013 folgende Diagnosen: auf psychiatrischem Fachgebiet anhaltende somatoforme Schmerzstörung (ICD-10
F45.4), nichtorganische Schlafstörung (Insomnie) (ICD-10 F51.0), auf neurologischem Fachgebiet rezidivierender Migränekopfschmerz,
leichte sensible Wurzelschädigung S1 rechts bei abgelaufener lumbaler Bandscheibenoperation im November 2000 sowie Januar
2001 in der orthopädischen Universitätsklinik in L. Der Kläger sei in der Lage, leichte und teilweise mittelschwere Tätigkeiten
regelmäßig mindestens sechs Stunden pro Tag in wechselnder Körperhaltung und ohne Zwangshaltungen der Wirbelsäule und Überkopfarbeiten
auch als Poststellenmitarbeiter und Produktionshelfer zu verrichten. Daneben bestünden qualitative Leistungseinschränkungen
aber keine Einschränkungen hinsichtlich des Weges oder der Einhaltung von zusätzlichen betriebsunüblichen Pausen. Das dargelegte
Leistungsbild bestehe seit dem 1. Januar 2004. Eine ergänzende fachorthopädische Begutachtung werde angeregt. Hinsichtlich
der Feststellungen des Sachverständigen Dr. A. hat der Sachverständige darauf hingewiesen, dass dieser zum Teil zu fachfremden
Diagnosen Stellung genommen habe. Die von ihm diagnostizierte und als Neurasthenie codierte reaktive Depression liege nicht
vor. Dr. A. habe zudem hinsichtlich der Schmerzanalyse eine kritische Konsistenz- und Plausibilitätsprüfung unterlassen. Ein
Spannungskopfschmerzsyndrom bestehe nicht, es handele sich primär um eine Migräne. Schließlich seien die Feststellungen des
Dr. A. zur Leistungsfähigkeit des Klägers und der hochgradig reduzierten Gehstrecke nicht nachvollziehbar.
Auf den Einwand des Klägers, es habe keine an seinem Krankheitsbild orientierte Untersuchung gegeben, hat Dr. K. in seiner
ergänzenden Stellungnahme vom 2. Mai 2013 mitgeteilt, dass lediglich einfache Testuntersuchungen, wie im Gutachten mitgeteilt,
von einer speziell ausgebildeten Arzthelferin durchgeführt wurden. Exploration, Bewertung und klinische Einordnung dieser
Testuntersuchungen sowie die komplexen testpsychologischen Untersuchungen habe er persönlich durchgeführt.
Der Sachverständige Dr. Sch. hat in seinem orthopädischen Gutachten vom 14. November 2013 mitgeteilt, dass eine Untersuchung
des Klägers auf Grund desolater hygienischer Verhältnisse und einer mangelnden Kooperation nicht möglich war. Dieser habe
sich mit einer ungewöhnlichen Hartnäckigkeit einer aussagekräftigen klinisch funktionellen Untersuchung entzogen und bei den
gewünschten Funktionsprüfungen jeweils damit begründet, dass ihm die zu erwartenden Schmerzempfindungen eine solche Mitarbeit
nicht erlaubten. Eine ordnungsgemäße Diagnostik sei nicht möglich gewesen und es könnten keine belastbaren Aussagen über das
tatsächliche Leistungsvermögen gemacht werden. Das vorliegende Bildmaterial dokumentiere lediglich altersreguläre Befundverhältnisse
mit beginnenden Verschleißveränderungen. Insoweit sei eine teils groteske Überinterpretation dieses Bildmaterials durch den
Sachverständigen Dr. A. erfolgt. Ebenso sei dessen Beurteilung der Wegefähigkeit aus orthopädischer Sicht nicht nachvollziehbar.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 14. März 2014 hat Dr. Sch. angeregt, eine Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen
zu veranlassen.
Der Senat hat ein orthopädisches Gutachten des Dr. H. vom 19. Juni 2014 eingeholt. Er hat auf orthopädischem Fachgebiet folgende
Diagnosen erhoben: lumbales Postlaminektomie-Syndrom (Schmerzsyndrom nach Teilentfernung des Wirbelbogens von L5) mit persistierender
leichter sensibler Wurzelschädigung S 1 rechts und deutlicher Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule, Zustand nach Teilresektion
des Schultereckgelenks und Erweiterung des subakromialen Raumes des linken Schultergelenks sowie Schultereckgelenkarthrose
rechts und beginnende Schultergelenkarthrose rechts mit schmerzhafter Funktionseinschränkung beider Schultergelenke, beginnende
Kniescheibenarthrose beidseits und beginnende Arthrose des innenseitigen Kniegelenkteiles mit Belastungseinschränkung beider
Kniegelenke, aktuell aber ohne wesentliche Funktionseinschränkung beider Kniegelenke, beginnende Arthrose des oberen und unteren
Sprunggelenkes rechts und gelockerter Außenbandapparat beider Sprunggelenke, aktuell mit geringgradiger Funktionseinschränkung
der Sprunggelenke. Einschränkungen der Leistungsfähigkeit des Klägers im Erwerbsleben ergäben sich im Wesentlichen von Seiten
des lumbalen Postlaminektomie-Syndroms, aufgrund der beginnenden Schultergelenkarthrose und AC-Gelenkarthrose rechts sowie
des Zustandes nach AC-Gelenkteilresektion links. Der Kläger könne noch leichte körperliche Tätigkeiten mindestens sechs Stunden
täglich bei zusätzlichen qualitativen Einschränkungen verrichten. Einschränkungen hinsichtlich des Weges zur Arbeitsstelle
sowie bezüglich der Einhaltung betriebsunüblicher Pausen bestünden nicht. Der Kläger sei in der Lage, die Tätigkeiten als
Poststellenmitarbeiter und Produktionshelfer auszuüben, sofern keine Tätigkeiten in gebückter Stellung und Überkopfarbeiten
erforderlich seien. Das festgestellte Leistungsvermögen bestehe in etwa seit Januar 2004. Nicht anschließen könne er sich
dem Gutachten des Dr. A. In dessen Gutachten seien Befundbeschreibungen erfolgt, die anlässlich der aktuellen Begutachtungsuntersuchungen
nicht feststellbar sind, z.B. Gelenkschwellungen und aufgetriebene Weichteilkonturen im Bereich der Hände und Handgelenke
sowie Sensibilitätsstörungen im Sinne einer Polyneuropathie im Bereich beider Hände. Ebenfalls konnten Bewegungseinschränkungen
im Bereich beider Kniegelenke nicht festgestellt werden. Auch die Befundbeschreibungen im Bereich der Wirbelsäule seien teilweise
nicht mit den aktuellen Befunden in Übereinstimmung zu bringen und teilweise fachlich nicht nachvollziehbar.
In der mündlichen Verhandlung am 15. Dezember 2014 hat der Senat den Kläger zu seiner Tätigkeit bei V. R. befragt. Hinsichtlich
der Angaben wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Der Senat hat den Beteiligten die anonymisierten Kopien des Gutachtens der berufskundlichen Sachverständigen J. vom 6. Juni
2004 zur Tätigkeit eines Produktionshelfers und zur Tätigkeit eines Poststellenmitarbeiters aus einem anderen Verfahren vor
dem Senat (L 6 RJ 301/02) zur Kenntnisnahme übersandt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der
beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das SG zu Recht die Klage abgewiesen. Die Ablehnung des Antrags auf Weiterzahlung einer Rente wegen Erwerbsminderung durch den Bescheid
der Beklagten vom 12. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2004 ist rechtmäßig und verletzt
den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit
oder wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit haben nach §
240 Abs.
1 des
Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB VI) bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961
geboren und berufsunfähig sind. Nach §
240 Abs.
2 S. 1
SGB VI sind Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit
von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten
auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Nach Satz 2 umfasst der Kreis der Tätigkeiten, nach dem die Erwerbsfähigkeit von
Versicherten zu beurteilen ist, alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung
der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen
Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nach Satz 4 nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs
Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Die Definition der Berufsunfähigkeit
in §
240 Abs.
2 SGB VI entspricht insofern der in §
43 Abs.
2 SGB VI in der Fassung vor dem 1. Januar 2001 mit dem Unterschied, dass auf ein Herabsinken auf weniger als sechs Stunden abgestellt
wird.
Ausgangspunkt bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit ist der bisherige Beruf des Versicherten. Darunter ist im Allgemeinen
diejenige der Versicherungspflicht unterliegende Tätigkeit zu verstehen, die zuletzt auf Dauer, d.h. mit dem Ziel verrichtet
wurde, sie bis zum Eintritt der gesundheitlichen Unfähigkeit oder bis zum Erreichen der Altersgrenze auszuüben; in der Regel
ist das die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, jedenfalls wenn sie die qualitativ höchste ist (vgl.
BSG, Urteil vom 9. Oktober 2007 - B 5b/8 KN 2/07 R, nach juris Rn. 12). Der bisherige Beruf des Klägers ist die des Gerüstbauers.
Er hat ihn zuletzt bewusst und gewollt zur dauerhaften Einkommenserzielung versicherungspflichtig ausgeübt. Zwar kann der
Kläger nach den Gutachten des Prof. Dr. M. und der Dres. W., K. und H. diese Tätigkeit nicht mehr ausüben. Berufsunfähigkeit
liegt aber nicht vor, weil er auf die ihm zumutbaren Tätigkeiten als Poststellenmitarbeiter und Produktionshelfer verwiesen
werden kann. Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Die
Arbeiterberufe werden nach dem Mehrstufenschema des BSG in Gruppen untergliedert, die durch den Leitberuf des Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten
Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten
Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten
Arbeiters charakterisiert werden (vgl. BSG, Urteil vom 3. November 1994 - 13 RJ 77/93 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 49). Die Einordnung in eine bestimmte Stufe des Berufsschemas erfolgt nicht ausschließlich nach
der Dauer der förmlichen Berufsausbildung, sondern auch nach der Qualität der verrichteten Arbeit, das heißt dem aus der Mehrzahl
von Faktoren zu ermittelnden Wert der Arbeit für den Betrieb (vgl. BSG, Urteil vom 29. März 1994 - 13 RJ 35/93 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45). Es kommt somit auf das Gesamtbild an, wie es durch die in §
43 Abs.
2 Satz 2
SGB VI a. F. genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufes, besondere Anforderungen der bisherigen
Berufstätigkeit) umschrieben wird. Im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf darf der Versicherte grundsätzlich auf die nächst
niedrigere Gruppe verwiesen werden (vgl. BSG, Urteil vom 20. Juli 2005 - B 13 RJ 29/04 R, nach juris Rn. 22).
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist die Tätigkeit des Klägers als Gerüstbauer der Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten
Arbeiters im unteren Bereich zuzuordnen. Eine Zuordnung in die Gruppe der Facharbeiter kommt nicht in Betracht. Der Kläger
verfügt zwar über einen Abschluss als Facharbeiter für Schweißtechnik, der eine zweijährige Ausbildungszeit und eine Vorbildung
durch die 10. Klasse der P. O. voraussetzte. Es kann offenbleiben, ob diese Ausbildung als Facharbeiterqualifikation im Sinne
des Mehrstufenschemas des BSG einzuordnen ist, denn jedenfalls hat sich der Kläger von diesem Beruf, in dem er bis 1991 gearbeitet hatte, aus nicht gesundheitlichen
Gründen (Entlassung) gelöst. Soweit er allgemein vorträgt, er wäre bei entsprechender Möglichkeit in den Beruf als Schweißer
zurückgekehrt, bestehen hierfür keine tatsächlichen Anhaltspunkte. Er hat keine konkreten Bemühungen zur Rückkehr in diesen
Beruf vorgetragen und sie sind auch nicht ersichtlich. Die bis Ende 1993 ausgeübte Tätigkeit bei V. R. entsprach nicht seinem
Ausbildungsberuf. Es handelte sich entgegen der Behauptung des Klägers und dem Arbeitsvertrag nicht um eine Tätigkeit als
Kfz-Schlosser - die der Kläger nicht erlernt hatte - sondern um einfache, allenfalls angelernte Tätigkeiten in einer Werkstatt
mit Reifenservice und Durchführung kleinerer Kfz-Reparaturen. Anschließend war der Kläger von Januar 1994 bis November 1998
als Gerüstbauer bei V. R., ... und ..., F. tätig. Diese Tätigkeit begründet bereits deshalb keinen Berufsschutz als Facharbeiter,
weil zum Zeitpunkt der beruflichen Tätigkeit die Ausbildungsdauer auf der Grundlage der Verordnung über die Berufsausbildung
zum Gerüstbauer vom 18. Dezember 1990 (BGBl I S.2884) zwei Jahre betrug; erst nach dem Ausscheiden des Klägers aus dem Berufsleben
erging die Verordnung vom 26. Mai 2000 (BGBl I S.778), wonach die Ausbildungsdauer auf drei Jahre angehoben wurde. Es gibt
auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger, der diesen Beruf nicht erlernt und keine Prüfung abgelegt hatte, die vollen
theoretischen Kenntnisse und praktischen Fertigkeiten eines gelernten Gerüstbauers mit einer Ausbildungsdauer von drei (oder
auch von zwei) Jahren erworben hatte. Er arbeitete bei dem Mietservice nur insgesamt vier Jahre. Dort waren drei Mitarbeiter
beschäftigt, von denen keiner gelernter Gerüstbaufacharbeiter war. Nach eigenen Angaben erwarb der Kläger seine Kenntnisse
durch die praktische Tätigkeit. Ohne fachkundige Anleitung hätte er in der kurzen Zeit keinesfalls die notwendigen theoretischen
Kenntnisse eines gelernten Gerüstbauers erwerben können. Zudem wurden nach Angaben des Klägers im Betrieb wesentliche Ausbildungsinhalte
nach der Verordnung über die Berufsausbildung zum Gerüstbauer vom 26. Mai 2000 (BGBl. I S. 778), wie z.B. das Bauen eines Hängegerüstes, das Einrüsten eines Turmes und eines Umspannwerkes sowie das Bauen einer Tribüne
und einer Fußgängerbehelfsbrücke nicht ausgeführt, was den Erwerb der entsprechenden theoretischen und praktischen Kenntnisse
ausschließt. Auch entsprach die Vergütung in Höhe von 10 DM/Stunde nicht einer Facharbeiterentlohnung.
Der Kläger kann als Angelernter des unteren Bereichs auf die Tätigkeiten als Produktionshelfer und Poststellenmitarbeiter
(Entlohnung nach Vergütungsgruppe IX BAT, nach der Neuregelung des Tarifrechts zum 1. November 2006: Entgeltgruppe 2) zumutbar verwiesen werden. Die zweite Verweisungstätigkeit
wäre ihm selbst dann zumutbar, wenn er als Angelernter des oberen Bereichs einzustufen wäre, denn dann kann er auf Tätigkeiten
von Ungelernten mit Ausnahme von Tätigkeiten mit ganz geringem qualitativen Wert verwiesen werden (vgl. Gürtner in Kasseler
Kommentar, Stand: August 2012, § 240 Rdnr.101).
Bei den Produktionshelfern handelt es sich nach dem Gutachten der Sachverständigen J. vom 6. Juni 2004 aus dem Senatsverfahren
L 6 RJ 301/02 um einfache wiederkehrende Tätigkeiten, die in vielen Branchen und bei unterschiedlichsten Produkten anzutreffen sind, zum
Teil auch bei Firmen, die sich auf derartige Arbeiten im Kundenauftrag spezialisiert haben und die nach kurzer Einweisung
ausgeübt werden können. In nennenswerter Zahl sind sie z.B. in der Metall-, Elektro- oder Kunststoffindustrie sowie im Spielwaren-
und Hobbybereich vorhanden. Sie belasten nur leicht; Wirbelsäulen- oder gelenkbelastende Körperhaltungen kommen nicht vor.
Das Arbeitstempo wird nicht durch Maschinen und Anlagen vorgegeben; der Lohn wird nicht nach Akkordsätzen errechnet. Als Einzelaufgaben
werden Waren beklebt, eingehüllt, gezählt, sortiert; es werden Abziehbilder, Warenzeichen oder Etiketten angebracht. Eingepackt
wird in Papp- und Holzschachteln oder sonstige Behältnisse. Als Beispiel nennt die Sachverständige leichte Verpackungsarbeiten
in der Dentalbranche. Dabei werden die im Unternehmen hergestellten Produkte in der Endverpackung so verpackt, wie sie an
den Endverbraucher ausgeliefert werden. Z.B. werden kleine Dosen in Faltschachteln gepackt, Spritzen werden in Tiefziehteile
gelegt und kommen dann zusammen mit einer Gebrauchsanweisung oder Mischblöcken in die Faltschachtel. Die Tätigkeit ist körperlich
leicht und das Gewicht der zu verpackenden Teile liegt unter fünf Kilogramm. Sie kann im Wechsel von Gehen und Stehen erledigt
werden; es kann auch gesessen werden. Die Tätigkeit des Poststellenmitarbeiters gehört zur Berufsgruppe der Bürohilfskräfte,
für die im Allgemeinen keine Berufsausbildung erforderlich ist und bei der fehlende Kenntnisse durch Einarbeitung beziehungsweise
Anlernen in weniger als drei Monaten erworben werden können (vgl. Gutachten der Sachverständigen J. vom 6. Juni 2004 aus den
Senatsverfahren L 6 RJ 301/02). Es sind einfache wiederkehrende kaufmännisch verwaltende körperlich leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen (z.B. Öffnen
und Auszeichnen sowie Verteilen von Post, Kuvertieren und Frankieren der ausgehenden Post usw.), die überwiegend im Sitzen
mit der Möglichkeit zum zeitweisen Gehen und Stehen ausgeführt werden; zum Teil erfordern sie Umgang mit Kommunikationsmitteln.
Entlohnt wird die Tätigkeit in der Vergütungsgruppe IX BAT-Bund/Länder (so die Sachverständige Janke), teilweise in der Vergütungsgruppe X Nr. 1 BAT-Ost (vgl. Senatsurteil vom 29. November 2000 - Az.: L 6 RJ 238/97). Stellen für Bürohilfskräfte sind in ausreichender Menge auf dem Arbeitsmarkt der gesamten Bundesrepublik vorhanden.
Diesen Anforderungsprofilen entspricht das Leistungsvermögen des Klägers. Der Senat folgt insoweit den Feststellungen der
Sachverständigen Dr. K. und Dr. H. Dr. K. hat in seinem Gutachten vom 15. Januar 2013 auf psychiatrischem Fachgebiet eine
anhaltende somatoforme Schmerzstörung (ICD-10 F45.4) und eine nichtorganische Schlafstörung (Insomnie) sowie auf neurologischem
Fachgebiet einen rezidivierenden Migränekopfschmerz (5 bis 6 Anfälle im Quartal) und eine leichte sensible Wurzelschädigung
S1 rechts bei abgelaufener lumbaler Bandscheibenoperation diagnostiziert. Eine Muskelathropie im Bereich der Beine war nicht
feststellbar; Zehenspitzen- und Hackengang waren möglich. Der Sachverständige hat das Vorliegen weiterer Erkrankungen so einer
Depression, Persönlichkeitsstörung oder einem Spannungskopfschmerzsyndrom auf der Grundlage der von ihm vorgenommenen Konsistenz-
und Plausibilitätsprüfung (Beck-Depressions-Inventar) ausgeschlossen. Im psychopathologischen Befund waren die Ergebnisse
unauffällig, im Rahmen der Testpsychologie ist keine depressive Symptomatik angegeben worden. Die vom Sachverständigen durchgeführten
Strukturierten Klinischen Interviews für DSM-IV (SKID) ergaben nicht die Kriterien für eine Major Depression (SHID-I) oder
eine spezifische Persönlichkeitsstörung (SKID-II). Die Kriterien für eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen
Faktoren waren nicht erfüllt. Das vom Kläger geschilderte komplexe Schmerzsyndrom war nach dem aktuellen wissenschaftlichen
Erkenntnisstand (vgl. Becker "Das professionelle Gutachten - Anforderungen aus rechtlicher Sicht" in MedSach 2008, S. 85,
89; F. Keller "Anforderungen an die Schmerzbegutachtung aus Sicht des Sozialrichters" in Egle/Kappis/Schairer/Stadtland, Begutachtung
chronischer Schmerzen, 1. Auflage 2014, S. 170f.), dessen Ausgangsbasis die einschlägigen Fachbücher und Standardwerke sowie
die Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) und andere aktuelle Veröffentlichungen
sind (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R, nach juris), nicht feststellbar. Dr. K. hat die geäußerten Schmerzen einer Konsistenzprüfung unterzogen. Dies ist erforderlich,
denn im Rahmen von Gutachten müssen bei der Exploration geäußerte subjektive Beschwerden durch Schmerzen immer validiert werden
(vgl. Senatsurteil vom 28. April 2014 - L 6 R 1134/11; Widder "Schmerzsyndrome" in Widder/Gaidzig, Begutachtung in der Neurologie, 2. Auflage 2011, S. 389; Widder, Schiltenwolf,
Egle et al. "Leitlinie für die ärztliche Begutachtung von Menschen mit chronischen Schmerzen", AWMF-Nr. 030/102", S2k). Sie
erfordert eine kritische Zusammenschau von Exploration, Untersuchungsbefunden, Verhaltensbeobachtung und Aktenlage (vgl. Widder,
Schiltenwolf, Egle et al. "Leitlinie für die ärztliche Begutachtung von Menschen mit chronischen Schmerzen", AWMF-Nr. 030/102,
Kurzversion "Konsistenzprüfung"). Hier haben sich Inkonsistenzen ergeben, die vernünftige Zweifel an der Glaubwürdigkeit der
Beschwerdeangaben des Klägers begründen. Seine Beschwerdeschilderung ist unpräzise und ausweichend. Die Schmerzen beeinträchtigen
nicht den gesamten Tagesablauf und das Denken. Der Kläger pflegt einen stabilen Freundeskreis. Im gesamten Krankheitsverlauf
wurde keine leitliniengerechte ambulante psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung eingeleitet. Anzeichen für Konzentrations-
und Aufmerksamkeitsstörungen hat der Sachverständige nicht feststellen können. Das EEG war unauffällig und ohne Hinweise auf eine Vagilanzstörung. Angesichts dieser Feststellungen hat der Sachverständige nachvollziehbar
ausgeführt, dass der Kläger in der Lage ist, leichte und teilweise mittelschwere Tätigkeiten regelmäßig mindestens sechs Stunden
pro Tag zu verrichten. Es bestehen lediglich qualitative Leistungseinschränkungen, insbesondere hinsichtlich Zwangshaltungen
der Wirbelsäule, des Hebens und Tragens von Lasten schwerer als 20 kg, Tätigkeiten in gebückter oder hockender Stellung, Überkopfarbeiten,
Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten.
Dr. H. beschreibt in seinem Gutachten vom 19. Juni 2014 auf orthopädischem Fachgebiet Einschränkungen der Leistungsfähigkeit
des Klägers im Wesentlichen von Seiten des lumbalen Postlaminektomie-Syndroms, aufgrund der beginnenden Schultergelenkarthrose
und AC-Gelenkarthrose rechts sowie des Zustandes nach AC-Gelenkteilresektion links. Die weiteren Gesundheitsbeeinträchtigungen
(beginnende Kniescheibenarthrose beidseits und beginnende Arthrose des innenseitigen Kniegelenkteiles mit Belastungseinschränkung
beider Kniegelenke sowie beginnende Arthrose des oberen und unteren Sprunggelenkes rechts) begründen keine bzw. nur geringgradige
Funktionseinschränkungen. Der Sachverständige hat die vom Kläger geklagten Beschwerden anhand der bildgebenden und klinischen
Befunde nur zum Teil nachvollziehen können. Die behaupteten plötzlichen Krampfbildungen im Bereich der Hände sowie die brennenden
Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule mit Gefühllosigkeit in beiden Beinen sind durch die erhobenen Befunde nicht erklärbar.
Ausgehend von den tatsächlich festgestellten Erkrankungen kann der Kläger noch leichte körperliche Tätigkeiten im Umfang von
noch mindestens sechs Stunden täglich ohne Zwangshaltungen der LWS, ohne Hebe- und Bückarbeiten zu ebener Erde ohne Gefährdung
durch Kälte, Nässe und Zugluft verrichten. Diese von ihm festgestellten qualitativen Einschränkungen gehen nicht über die
von Dr. K. festgestellten Einschränkungen hinaus. Beide Sachverständige haben die Tätigkeiten als Produktionshelfer und Poststellenmitarbeiter
für möglich angesehen.
Der Senat schließt sich nicht der Leistungseinschätzung des Sachverständigen Dr. A. an. Sein Gutachten begründet keine vernünftigen
Zweifel an den Diagnosen und Leistungseinschätzungen der Sachverständigen Dr. K. und Dr. H. Bereits der Zeitraum von 12 Monaten
zwischen Untersuchung und Erstellung des Gutachtens (14 Monate bis zum Eingang beim Senat) weckt Zweifel an der Richtigkeit,
denn ein genaues Erinnerungsvermögen des Sachverständigen nach diesem Zeitablauf erscheint zumindest zweifelhaft. Für die
Qualifikation als Schmerzgutachter ist es ohne Bedeutung, dass Dr. A. von Hause aus Internist und Rheumatologe ist (vgl. BSG, Beschluss vom 9. April 2003 - B 5 RJ 80/02 B, nach juris); auch dann kann er grundsätzlich Schmerzen und ein chronisches Schmerzsyndrom diagnostizieren, wenn er über
die ausreichenden Kompetenzen verfügt. Dr. A. Einschätzung der aus der chronischen Schmerzstörung resultierenden Einschränkungen
ist aber nicht entsprechend den Anforderungen an die Begutachtung von chronischen Schmerzen erfolgt und nicht schlüssig. Hierfür
hätten Schmerzerlebnis, Schmerzverhalten und Schmerzverarbeitung des Probanden anhand von wissenschaftlich erarbeiteten Fragebögen
erfasst und der Grad und das Ausmaß der Symptomatik und deren konkrete Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben
überprüft werden müssen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. April 2003 - Az.: B 5 RJ 80/02 B, nach juris; Senatsurteil vom 28. Januar 2014 - L 6 R 570/12). Das ist nicht geschehen. Im Gutachten fehlen auch entgegen der Leitlinie (vgl. Widder, Schiltenwolf, Egle et al. "Leitlinie
für die ärztliche Begutachtung von Menschen mit chronischen Schmerzen", AWMF-Nr. 030/102", S2k 4.5) die Testung und Beschwerdevalidierung.
Damit ist das Gutachten nicht schlüssig. Die Diagnosen Depression und Spannungskopfschmerzsyndrom sind fachfremd gestellt
und - so Dr. K. - nicht zutreffend. Die von Dr. A. auf orthopädischem Fachgebiet gestellten Diagnosen und Einschränkungen
kann der Senat ebenfalls teilweise nicht nachvollziehen. Dr. H. führt aus, dass die Befunderhebungen und -beschreibungen des
Dr. A. hinsichtlich der Hände (Gelenkschwellungen und aufgetriebene Weichteilkonturen, Sensibilitätsstörungen im Sinne einer
Polyneuropathie), der Kniegelenke und der Wirbelsäule in seiner aktuellen Begutachtungssituation nicht feststellbar waren.
Sie sind damit nicht mit Vollbeweis gesichert. Die behauptete Einschränkung der Wegstrecke auf 300 Meter ist nicht nachvollziehbar
und angesichts der behaupteten schmerzfreien Gehstrecke von 100 Metern auch nicht logisch. Ebenso wenig nachvollziehbar ist,
dass der Sachverständige an verschiedenen Stellen seines Gutachtens unterschiedliche Leistungsvermögen angibt (2 bis 3 Stunden
bzw. 3 bis 6 Stunden). Im Übrigen hat der Sachverständige Dr. Sch. hinsichtlich des vorliegenden Bildmaterials angemerkt,
dass es lediglich altersreguläre Befundverhältnisse mit beginnenden Verschleißveränderungen dokumentiere und eine teils groteske
Überinterpretation durch den Sachverständigen Dr. A. vorliegt.
Die Möglichkeit der Ausübung einer Tätigkeit als Poststellenmitarbeiter oder Produktionshelfer haben die Sachverständigen
Dres. K. und H. ausdrücklich bestätigt. Der Ausübung dieser Tätigkeiten stehen die in den Gutachten genannten qualitativen
Einschränkungen des klägerischen Leistungsvermögens nicht entgegen. Diese erfordern weder Tätigkeiten in gebückter Stellung
noch Überkopfarbeiten. Die Arbeiten als Poststellenmitarbeiter können überwiegend im Sitzen teilweise im Gehen und Stehen
ausgeführt werden, es handelt sich um körperlich leichte Arbeiten ohne Zwangshaltungen, ohne Heben und Bücken, ohne Schichtarbeit
und ohne Absturzgefahr. Die Arbeit wird in geschlossenen Räumen ohne Reizstoffe verrichtet. Besondere Anforderungen an das
Hör- und Konzentrationsvermögen werden nicht gestellt. Entsprechendes gilt für die Tätigkeit als Produktionshelfer. Sie ist
körperlich leicht und kann im Wechsel von Gehen und Stehen oder im Sitzen erledigt werden.
Der Senat hat keinen Anhalt, an diesen Feststellungen der Sachverständigen Dres. K. und H. zu zweifeln. Die erhobenen Befunde
und die sozialmedizinische Leistungseinschätzungen stehen zudem in Übereinstimmung mit den vom SG eingeholten Gutachten der Dr. W. vom 10. Oktober 2005 und des Prof. M. vom 21. Juli 2008 sowie den beigezogenen ärztlichen
Befundberichten.
Die Einwände des Klägers gegen die Verwertbarkeit der eingeholten Gutachten überzeugen nicht. Nach dem Senatsbeschluss vom
13. September 2010 - L 6 B 154/09 B ist das Ablehnungsgesuch gegen Prof. Dr. M. in der Sache unbegründet und es ergeben sich gegen den Verbleib seines Gutachtens
in den Akten keine Bedenken im Hinblick auf eine unzulässige Beeinflussung der übrigen Sachverständigen. Die Ansicht des Klägers,
Dr. H. hätte kein unvoreingenommenes Gutachten erstellen können, weil sich die Vorgutachten in den Gerichtsakten befinden,
verkennt, dass für eine sachgerechte Sachverständigenleistung die Erfassung aller medizinischen relevanten Sachverhaltsaspekte
aus Verwaltungs- und Prozessakten unverzichtbar ist (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Auflage 2014, §
118 Rdnr. 11e). Dies schließt die vollständige Erfassung des relevanten Akteninhalts ein (so auch Brusis, Beckmann et al. "Leitlinie:
Allgemeine Grundlagen der medizinischen Begutachtung", AWMF-Nr. 094/001, S2k). Dem Einwand, Dr. K. habe den Kläger nur während
eines halbstündigen Gesprächs untersucht und sich im Übrigen auf die Feststellungen seiner Angestellten gestützt, ist dieser
in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 2. Mai 2013 nachvollziehbar entgegen getreten. Er hat die Exploration und die testpsychologischen
Untersuchungen (Hamilton-Depressions-Score, SKID-I und SKID-II) - wie erforderlich (vgl. F. Keller, "Anforderungen an die
Schmerzbegutachtung aus Sicht des Sozialrichters" in Egle/Kappis/Schairer/Stadtland, Begutachtung von Schmerzen" 1. Auflage
2014, S. 169) - persönlich durchgeführt und 27 handschriftliche Seiten über die Exploration und die Untersuchungsergebnisse
gefertigt. Die Einwände gegen die Verwertbarkeit des Gutachtens des Dr. H. sind unsubstantiiert und gehen in der Sache fehl.
Es ist nicht Aufgabe des Sachverständigen zu klären, "weshalb bei dem Kläger die Beschwerden am Haltungs- und Bewegungsapparat
bestehen", denn bei der Begutachtung im Rentenverfahren geht es primär um den Nachweis von Funktionsstörungen und deren Auswirkungen
auf die Erwerbsfähigkeit. Es trifft auch nicht zu, dass sich Dr. H. nicht mit den geklagten Beschwerden in den Händen beschäftigt
hat. Vielmehr führt er aus, dass sich die geschilderten Probleme durch die erhobenen Befunde nicht erklären.
Schließlich besteht für den Senat kein hinreichender Anlass, dem Beweisantrag des Klägers nachzugehen und ein Gutachten oder
eine gutachterliche Stellungnahme zu seinem Leistungsvermögen bei dem behandelnden Neurologen B. nach §
106 SGG einzuholen. Der Kläger ist zeitnah auf diesem Fachgebiet durch Dr. K. und auf orthopädischem Gebiet von Dr. H. begutachtet
worden. Gründe für eine erneute Begutachtung hat der Kläger nicht aufgezeigt und sind für den Senat nicht ersichtlich. Eine
möglicherweise unterschiedliche Einschätzung des Leistungsvermögens durch den behandelnden Arzt begründet nicht die Notwendigkeit
der Einholung eines weiteren Gutachtens bei ihm.
Da der Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme noch sechs Stunden/Tag tätig sein kann, kommt erst recht kein Anspruch
auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nach §
43 SGB VI in Betracht; die Leistungsfähigkeit des Klägers ist nicht in dem für eine Rentengewährung erforderlichen Umfang herabgesunken.
Auf die Ausführungen zu möglichen Verweisungstätigkeiten wird verwiesen. Unwesentlich ist, ob dem Kläger mit seinem Leistungsvermögen
eine entsprechende Tätigkeit als Produktionshelfer oder Poststellenmitarbeiter vermittelt werden kann. Das Risiko, einen entsprechenden
Arbeitsplatz zu finden, trägt nicht die Beklagte sondern die Arbeitslosenversicherung.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.