Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende; Bestimmtheit von Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden; Berücksichtigung von
Bonus- und Zinszahlungen aus einem Sparplan als Einkommen
Tatbestand:
Die Kläger wenden sich gegen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide des Beklagten.
Auf ihren Fortzahlungsantrag vom Oktober 2006 bewilligte der Beklagte den miteinander verheirateten Klägern u. a. für die
Monate Februar und März 2007 Leistungen in Höhe von jeweils 390,21 EUR bzw. 390,20 EUR (vgl. Änderungsbescheid vom 13. Februar
2007). Mit bestandskräftigem Änderungsbescheid vom 10. April 2007 wurden die Leistungen abermals geändert (Februar 2007: Klägerin
386,58 EUR, Kläger 386,57 EUR; März 2007: für beide Kläger jeweils 382,95 EUR). Grund dafür war ein Krankenhausaufenthalt
des Klägers vom 27. Februar 2007 bis 4. März 2007. Mit Änderungsbescheid vom 27. April 2007 wurden die Leistungen für Februar
2007 nach Vorlage der Verdienstabrechnung des Klägers erneut geändert (Klägerin: 403,78 EUR; Kläger: 403,77 EUR).
Nach einem im Januar 2008 erfolgten Datenabgleich mit dem Bundeszentralamt für Steuern über Kapitalerträge in Höhe von 341,-
EUR im Jahre 2006 forderte der Beklagte den Kläger zur Vorlage der diesbezüglichen Unterlagen auf, worauf dieser mitteilte,
dass es sich um Zinsen aus einem festangelegten Sparplan für den Zeitraum 1992 bis 2007 handle, die nicht ausgezahlt würden
und somit nicht als Einkommen anzurechnen seien. Auf Anforderung übersandten die Kläger den Abschlusskontoauszug zum 31. Januar
2007. Darin finden sich folgende Eintragungen:
Bonus 31.01.07 1.288,46 Zinsen 31.01.07 31,83 Auflösung 01.02.07 12.534,63
Mit gesonderten Schreiben vom 4. August 2008 wurde den Klägern mitgeteilt, dass sie im Zeitraum Februar und März 2007 Leistungen
in Höhe von jeweils 630,- EUR zu Unrecht bezogen hätten, weil sie Einkommen aus Kapitalvermögen gehabt hätten. Es werde Gelegenheit
zur Stellungnahme gegeben.
Mit gesonderten Bescheiden vom 10. Dezember 2008 teilte der Beklagte den Klägern mit, dass "die Entscheidung über die Bewilligung
von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II)" vom 1. Februar bis 31. März 2007 teilweise in Höhe von 630,- EUR aufgehoben werde. Die im einzelnen spezifizierten Leistungen
seien zu erstatten. Auf Bl. 303 und 304 der Verwaltungsakte wird Bezug genommen.
Die Widersprüche dagegen (W 108/09 und 109/09) blieben erfolglos (Widerspruchsbescheide vom 2. Februar 2009).
Die anschließenden Klagen hat das Sozialgericht zur gemeinsamen Entscheidung verbunden. Die Kläger haben vorgetragen, dass
zum Sparplan je vollendetes Jahr eine Anwartschaft von 1/15 der Bonussumme entstanden sei. Vor dem SGB II-Leistungsbezug ab 1. Januar 2005 seien bereits 12/15 des Bonus entstanden, so dass lediglich der auf den übrigen Zeitraum
entfallende Bonus - also 102,- EUR - angerechnet werden dürfe. Mit Gerichtsbescheid vom 31. März 2011 ist die auf teilweise
Aufhebung der angegriffenen Bescheide (soweit ein Betrag von 102,- EUR überstiegen wird) gerichtete Klage abgewiesen worden,
weil die den Klägern im Februar 2007 zugeflossene Bonussumme sowie die zum Vertragsende realisierten Zinszahlungen für die
Jahre 2004 bis 2006 in voller Höhe als Einkommen anzurechnen seien. Die angegriffenen Bescheide seien auch formell rechtmäßig,
insbesondere hinreichend bestimmt.
Mit der Berufung verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Mit einem außerhalb einer nach §
106a SGG gesetzten Frist bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vertreten sie die Ansicht, dass die Bescheide schon deshalb rechtswidrig
seien, weil die aufzuhebenden Bewilligungsbescheide nicht genannt würden. Im Übrigen sei die Bonuszahlung wegen der anwartschaftsähnlichen
Vereinbarung als Vermögen anzusehen und daher nicht verwertbar.
Die Kläger beantragen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nordhausen vom 31. März 2011 aufzuheben und die Bescheide vom 10. Dezember 2008 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Februar 2009 insoweit abzuändern, wie die Aufhebung und Erstattung den Betrag
von 102,- EUR übersteigt.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angegriffene Entscheidung für rechtmäßig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze
Bezug genommen. Die Akte S 18 AS 592/09 des Sozialgerichts Nordhausen und die Verwaltungsakte des Beklagten lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 31. März 2011 zutreffend
abgewiesen. Die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 10. Dezember 2008 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 2.
Februar 2009 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten. Der Senat weist die Berufung insoweit aus den
Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück und macht von der nach §
153 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) eröffneten Möglichkeit Gebrauch, von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abzusehen.
Den Klägern sind am 1. Februar 2007 der Bonus aus dem Sparplan in Höhe von 1.288,46 EUR sowie die anteiligen Zinsen für 2007
zugeflossen, was die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide des Beklagten rechtfertigt. Die Ermittlungen im Berufungsverfahren
haben keine anderen Erkenntnisse erbracht. Auf die Aufforderung, die in der Sparurkunde erwähnten Bedingungen vorzulegen,
hat die Klägerin mitgeteilt, dass es keine gesonderten Bedingungen zum Sparplan gebe. Die Kläger wurden darauf hingewiesen,
dass der Senat davon ausgeht, dass ihnen ein Zugriff auf die im Abschlusskontoauszug ausgewiesene Bonus- und Zinszahlung erst
mit Auflösung des Kontos am 1. Februar 2007 möglich war. Einwendungen gegen diese Beurteilung haben die Kläger nicht erhoben,
so dass der Senat von weiteren Ermittlungen abgesehen hat.
Auch der übrige Vortrag der Kläger im Berufungsverfahren gebietet keine andere Beurteilung. Der von den Klägern angeführten
Entscheidung des LSG Nordrhein-Westfalen vom 26. November 2007 - L 7 B 268/07 AS ER -, wonach der Aufhebungsbescheid das Datum des aufzuhebenden Bescheids nennen müsse, um hinreichend bestimmt zu sein,
folgt der Senat nicht und sieht sich damit in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG. Danach verlangt das nach § 40 Absatz 1 Satz 1 SGB II geltende Bestimmtheitserfordernis des § 33 SGB X als materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung zum einen, dass der Verfügungssatz nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei
ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzt,
die in ihm getroffene Rechtsfolge vollständig, klar und unzweideutig zu erkennen und sein Verhalten daran auszurichten (vgl
BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2, RdNr 13 mwN; BSG SozR 4-4200 § 31 Nr 3 RdNr 16 mwN; BSG Urteil vom 15.12.2010 - B 14 AS 92/09 R - juris RdNr 18; BSGE 108, 289 ff = SozR 4-4200 § 38 Nr 2, RdNr 31). Dies ist durch Auslegung unter Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweils anzuwendenden
materiellen Rechts zu ermitteln (BSG SozR 4-5910 § 92c Nr 1, RdNr 11). Insofern ist - als Besonderheit des SGB II - zu berücksichtigen, dass es keinen Anspruch der Bedarfsgemeinschaft als solcher kennt, sondern Anspruchsinhaber jeweils
alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind (BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 12). Entsprechend können auch im Rückabwicklungsverhältnis die - hier auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X gestützte - Aufhebung eines rechtswidrigen Bewilligungsbescheids als auch die Erstattungsforderung erbrachter SGB II-Leistungen nur gegenüber dem jeweiligen Leistungsempfänger als einzelnem hilfebedürftigen Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft
iS von § 7 Abs 3 SGB II erfolgen. Dementsprechend hat der Beklagte gegenüber den Klägern getrennte Aufhebungs- und Erstattungsbescheide erlassen.
Der Nennung der Bescheiddaten bedurfte es entgegen der Ansicht der Kläger nicht. Denn mit den in den Bescheiden genannten
Angaben wurden sie bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzt, die
getroffene Rechtsfolge vollständig, klar und unzweideutig zu erkennen und ihr Verhalten daran auszurichten.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht erfüllt sind.