Festsetzung einer Fahrtkostenentschädigung auf 0 Euro
Mitbenutzung des Fahrzeugs eines Prozessbevollmächtigten
Gründe
I.
Die Erinnerungsgegnerin war im Verfahren L 3 R 929/18 die Prozessbevollmächtigte des Klägers. Der Kläger nahm aufgrund des angeordneten persönlichen Erscheinens am Erörterungstermin
am 17. Mai 2019 teil. Unter dem 6. August 2019 beantragte er die Fahrtkostenerstattung für 220,00 km unter Angabe der Bankverbindung
der Erinnerungsgegnerin. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) setzte Fahrtkosten in Höhe von 54,00 Euro fest (108,00
km x 0,25 Euro) und wies diese unter dem 17. September 2019 auf das Konto der Erinnerungsgegnerin an. Unter dem 23. September
2019 beanstandete die Erinnerungsführerin gegenüber der UdG die Festsetzung. Dem Kläger seien keinerlei tatsächlichen Auslagen
entstanden, die nach § 5 Abs. 2 Satz 3 1. HS des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes (JVEG) zu erstatten seien. Auf Rückfrage der UdG übersandte die Erinnerungsführerin eine Abtretungserklärung vom 1. Oktober 2019
wonach der Kläger seinen Fahrtkostenanspruch an sie abgetreten hatte.
Mit Schreiben vom 11. November 2020 hat die Erinnerungsführerin richterliche Festsetzung beantragt. Ein Anspruch des Klägers
sei weder nach § 5 Abs. 2 Satz 1 noch Satz 3 1. HS JVEG entstanden. Weder sei der Kläger mit einem eigenen Fahrzeug angereist, noch sei nachgewiesen, dass ihm als Mitfahrer tatsächliche
Auslagen entstanden seien. Ein Erstattungsanspruch könne daher nicht durch Abtretung übergegangen sein.
Die Erinnerungsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 28. November 2019 ausgeführt, dass dem Kläger tatsächliche Kosten entstanden
seien. Insoweit hat sie auf die beigefügte Rechnung verwiesen, wonach sie vom Kläger u.a. Fahrtkosten nach Nr. 7003 VV RVG für 220,00 km in Höhe von 66,00 Euro geltend machte. Hieraufhin hat die Erinnerungsführerin unter Verweis auf den Beschluss
des Thüringer Landessozialgericht vom 24. September 2015 ( L 6 SF 1100/15 E , juris) ausgeführt, dass ein Auslagennachweis nicht erbracht sei, da Fahrtkosten nach Nr. 7003 VV RVG insoweit keine Berücksichtigung finden könnten.
II.
Für den Antrag auf richterliche Festsetzung ist der Senat zuständig, nachdem der Berichterstatter das Verfahren nach § 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG mit Beschluss vom 2. Februar 2021auf diesen übertragen hat.
Auf die nach § 4 Abs. 1 JVEG zulässige Erinnerung wird die der Erinnerungsgegnerin abgetretene Fahrtkostenentschädigung für die Teilnahme an dem Erörterungstermin
vom 17. Mai 2019 auf 0,00 Euro festgesetzt.
Nach § 4 Abs. 1 JVEG erfolgt die Festsetzung der Vergütung, der Entschädigung oder des Vorschusses durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte
oder die Staatskasse die gerichtliche Feststellung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält (Satz 1). Nach §
191 1. HS
SGG werden einem Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen angeordnet worden ist, auf Antrag bare Auslagen und Zeitverlust
wie einem Zeugen vergütet. Zeugen erhalten nach § 19 Abs. 1 Satz 1 JVEG als Entschädigung Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG), Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG), Entschädigung für sonstige Aufwendungen (§ 7 JVEG), Entschädigung für Zeitversäumnis (§ 20 JVEG), Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung (§ 21 JVEG) sowie Entschädigung für Verdienstausfall (§ 22 JVEG). Soweit die Entschädigung nach Stunden zu bemessen ist, wird sie nach § 19 Abs. 2 JVEG für die gesamte Zeit der Heranziehung einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten, jedoch nicht mehr als zehn Stunden
je Tag gewährt (Satz 1); die letzte bereits begonnene Stunde wird voll gerechnet, wenn insgesamt mehr als 30 Minuten auf die
Heranziehung entfallen, anderenfalls beträgt die Entschädigung die Hälfte des sich für eine volle Stunde ergebenden Betrags
(Satz 2).
Die beantragten Fahrtkosten sind der Erinnerungsgegnerin nicht zu erstatten. Sie kann keine Erstattung aufgrund abgetretenen
Rechts geltend machen. Dem von ihr vertretenen Kläger ist kein Anspruch entstanden, den er ihr abtreten konnte.
Als Anspruchsgrundlage des Klägers kommt nur §
191 Albs. 1
SGG i.V.m. § 5 Abs. 2 JVEG in Betracht. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG (in der bis zum 31. Dezember 2020 geltenden Fassung) werden dem Beteiligten bei Benutzung eines eigenen oder unentgeltlich
zur Nutzung überlassenen Kraftfahrzeugs zur Abgeltung der Betriebskosten sowie der Abgeltung der Abnutzung des Kraftfahrzeugs
0,25 € für jeden gefahrenen Kilometer ersetzt zuzüglich der durch die Benutzung aus Anlass der Reise regelmäßig anfallenden
baren Auslagen, insbesondere der Parkentgelte. Nachdem der Kläger weder ein eigenes noch ein unentgeltlich zur Nutzung überlassenes
Fahrzeug gefahren hat, scheidet diese Alternative aus. Ein Anspruch ergibt sich aber auch nicht aus § 5 Abs. 2 Satz 3 1. HS JVEG. Danach werden bei der Benutzung eines Kraftfahrzeugs, das nicht zu den Fahrzeugen nach Absatz 1 (= öffentlich regelmäßig
verkehrende Beförderungsmittel) oder Satz 1 zählt, die tatsächlich entstandenen Auslagen bis zur Höhe der nach Satz 1 genannten
Fahrtkosten ersetzt. Erforderlich ist damit immer, dass tatsächlich Auslagen entstanden sind (vgl. Weber in Hartmann/Toussaint,
Kostenrecht, 50. Auflage 2020, § 5 JVEG Rn. 14). Ein Ersatzanspruch kommt dagegen nicht in Betracht, wenn - wie hier - der Betroffene (auch von seiner Prozessbevollmächtigten)
unentgeltlich in einem Kraftfahrzeug mitgenommen wird; dann scheidet der Fahrtkostenersatz grundsätzlich aus (vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack/Jahnke,
JVEG, 27. Auflage 2018, § 5 Rn. 18).
Der Kläger hat auch nicht deshalb einen Anspruch auf Fahrtkosten aus Anlass seiner Heranziehung durch das Gericht, weil er
seiner Prozessbevollmächtigten im Rahmen der Vergütung die Fahrtkosten nach Nr. 7003 VV RVG zu erstatten hat. Wie der vormalige Kostensenat des Thüringer Landessozialgerichts (Beschluss vom 24. September 2015 - L 6 SF 1100/15 E , Rn. 9 , juris) bereits entschieden hat, hat diese Verpflichtung keinen Bezug zu dem in § 5 JVEG geregelten Fahrtkostenersatz. Dem schließt sich der Senat an. Bei einer getrennten Benutzung von zwei Fahrzeugen fallen die
Kosten tatsächlich zweimal an und nur die des Herangezogenen (nicht aber der Rechtsanwältin) werden erstattet. Wird nur das
Kraftfahrzeug der Rechtsanwältin benutzt, entstehen entsprechende Aufwendungen nur bei ihr. Es kommt nicht darauf an, dass
die Rechtsanwältin nicht verpflichtet ist, aus Kostenersparnisgründen ihren Mandanten im Auto mitzunehmen (vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack,
a.a.O., § 5 Rn. 18). Anderes folgt vorliegend auch nicht aus dem Beschluss des OLG Karlsruhe vom 10. April 2007 (15 W 108/06, juris). Dort hatte das Gericht es als glaubhaft angesehen, dass der Rechtsanwalt dem Zeugen zusätzliche Reisekosten für
die Mitnahme in Höhe von 130,00 Euro in Rechnung gestellt hatte und ein Anspruch auf Zahlung dieses Betrags bestand. Es handelte
sich insoweit um eine Individualabrede und keine Zahlungsverpflichtung aufgrund Nr. 7003 VV RVG.
Mangels eines eigenen Entschädigungsanspruchs des Klägers konnte die Erinnerungsgegnerin auch keinen Anspruch gegen die Staatskasse
durch Zession erwerben. Die entsprechende Festsetzung war daher auf Antrag der Erinnerungsführerin auf 0,00 Euro festzusetzen.
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).