Feststellung einer berufsbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule
Arbeitsmedizinische Voraussetzungen
Rechtlich wesentliche Verursachung einer Krankheit durch berufliche Einwirkungen
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung einer berufsbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur
Berufskrankheitenverordnung (
BKV) sowie einer berufsbedingten Erkrankung der Halswirbelsäule nach Nr. 2109 der Anlage 1 zur
BKV.
Der 1960 geborene Kläger war von 1976 bis 1998 als Heizungsinstallateur und Schweißer und sodann bis zur Gewährung einer Erwerbsminderungsrente
2015 als Fließbandarbeiter tätig. Im Mai 2015 beantragte der Kläger die Anerkennung einer Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit
(BK). Nach Einholung diverser Auskünfte, Unterlagen und medizinischen Befunden stellte der Präventionsdienst der Beklagten
in seinem Bericht vom 25. August 2015 fest, dass eine berufliche Exposition für die Erkrankung BK Nr. 2109 und BK Nr. 2110
nicht gegeben, allerdings eine entsprechende Exposition für die BK Nr. 2108 zumindest teilweise erfüllt sei. Der von der Beklagten
beauftragte Gutachter M stellte mit seinem Gutachten vom 22. März 2016 fest, dass der Kläger unter einer chronisch rezidivierenden
Lumboischialgie, einem chronisch rezidivierenden Halswirbelsäule(HWS)-Syndrom sowie unter anderem an einem multilokulären
Schmerzsyndrom im Bereich der Gelenke leide. Die im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule (LWS) liegenden Befunde seien
nach dem ICD-10 als bandscheibenbedingte Erkrankung zu verschlüsseln. In der Zusammenschau der damaligen Befunde und bildgebenden
Materialien ließen es die ermittelten Indizien jedoch nicht zu, für den Zeitpunkt der Tätigkeitsaufgabe im Jahr 1998 das Vorhandensein
einer bandscheibenbedingten Erkrankung im Vollbeweis zu erbringen. Eine solche Erkrankung sei nicht mal wahrscheinlich. Mit
Bescheid vom 12. Mail 2016 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Erkrankung der Wirbelsäule des Klägers als BK nach den
Nrn. 2108 und 2109 ab.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren holte die Beklagte eine ergänzende Stellungnahme des Präventionsdienstes sowie des
Gutachters M ein und veranlasste ein Zusammenhangsgutachten durch Sch (Gutachten vom 3. Januar 2017). Dieser hielt zunächst
fest, dass bezüglich der BK Nr. 2109 und 2110 die entsprechenden arbeitstechnischen Voraussetzungen fehlten. Zur BK 2108 führte
der Gutachter aus, dass zum Zeitpunkt der Tätigkeitsaufgabe im Jahr 1998 den Befunden und bildgebenden Unterlagen keine relevanten
Befunde für eine BK 2108 wie Sklerose, Chondrose der übrigen Lendenwirbelsegmente, Spondylose, Retrospondylose und Spondylarthrose
zu entnehmen seien. Auch für die Folgejahre fehlten Nachweise für ein Fortschreiten der degenerativ entstandenen Veränderungen.
Es fehle ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Arbeitsplatzwechsel und der Neuerkrankung der Lendenwirbelsäule ab den Jahren
2013/2014. Erst circa 15 Jahre nach Beendigung der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit bestünden bildgebend und klinisch Hinweise
für einen von oben nach unten zunehmenden Verschleiß der Lendenwirbelsäule. Das sich im Bereich der HWS zeigende Krankenbild,
welches in den Jahren 2009 bis 2014 führend sei, spreche weder für noch gegen eine BK Nr. 2108. Für einen Zusammenhang spreche
vorliegend, der Nachweis einer wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit im Zeitraum von 1978 bis 1998, die gelegentliche Beschwerdesymptomatik
in den 90iger Jahren mit der Diagnose Lumbago und Lumboischialgie mit kurzer Arbeitsunfähigkeitsdauer sowie die bildgebend
nachgewiesene Bandscheibenschädigung im Segment L5/S1 im Jahr 1998. Gegen einen Zusammenhang sprächen die Feststellung einer
monosegmentalen Erkrankung im Segment L5/S1 durch den Röntgenbefund von 1998 ohne Nachweis von typischen Verschleißerscheinungen
einschließlich einer sogenannten Begleitspondylose in mehreren Segmenten der LWS, die für die Anerkennung einer BK Nr. 2108
Voraussetzung seien, das Fehlen einer Dokumentation einer klinischen Symptomatik von 1998 bezüglich der notwendigen Arbeitsaufgabe
als Installateur sowie das Fehlen eines zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Aufgabe der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit
am 31. Dezember 1998 und der Erkrankung der LWS ab 2013/2014. Zu der 1998 festgestellten Bandscheibendegeneration im Segment
L5/S1 führte Sch weiter aus, dass es sich hierbei um eine monosegmentale Erkrankung und nicht um ein Verschleiß der Bandscheiben
an der gesamten Wirbelsäule, speziell der LWS handle. Vorliegend sei das Fehlen der pathologischen Veränderung an anderen
Abschnitten der LWS als Indiz für eine arbeitsunabhängig entstandene Pathologie zu würdigen. Mit Widerspruchsbescheid vom
22. März 2017 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Bezüglich einer BK Nr. 2109 sei die erforderliche berufliche
Einwirkung nicht nachgewiesen und hinsichtlich der Nr. 2108 lägen die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen nicht vor.
Hiergegen hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Meiningen erhoben. Im Klageverfahren hat er unter anderem umfassend zu den
arbeitstechnischen Voraussetzungen vorgetragen, die die Beklagte durch ihren Präventionsdienst erneut hat auswerten lassen.
Nach einer persönlichen Unterredung mit dem Kläger hat der Präventionsdienst festgestellt, dass sich auch unter Berücksichtigung
neuer und weiterer spezifizierter Belastungen der HWS eine Gesamtbelastungsdosis in Höhe von 35.300 kgh ergebe. Entsprechend
der wissenschaftlichen Stellungnahme zur BK 2109 müsse jedoch eine Mindestbelastung von 44.000 kgh erreicht werden. Die arbeitstechnischen
Voraussetzungen für eine BK 2109 lägen damit weiterhin nicht vor. Hiergegen hat der Kläger eingewandt, dass von einer Gesamtbelastungsdosis
von über 50.000 kgh auszugehen sei und die Beklagte zum Beispiel die ständige Zwangshaltung als Schweißer und Fließbandarbeiter
nicht in die Berechnung mit einbezogen habe.
Auf Antrag des Klägers hat das Sozialgericht ein Sachverständigengutachten nach §
109 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) von Sch1 eingeholt. Dieser hat mit seinem Gutachten vom 23. Juli 2018 festgestellt, dass die Voraussetzung für die Annahme
einer bandscheibenbedingten Segmenterkrankung im Jahr 1998 keinesfalls in der geforderten Ausprägung nachweisbar gewesen sei.
Ein entscheidender Indikator für eine BK Nr. 2108 sei eine in den gesunden Bewegungssegmenten entstehende, über das altersübliche
Ausmaß deutlich hinausgehende, Begleitspondylose. Eine solche habe sich bei der Tätigkeitsaufgabe im Dezember 1998 aus den
aktenkundigen Befunden nicht entnehmen lassen. Es müsse von der A1-Konstellation ausgegangen werden, bei der zwar eine ausreichende
Exposition gesichert sei, jedoch keine bandscheibenbedingte Erkrankung vorliege. Hinsichtlich der bei dem Kläger festgestellten
Erkrankung bezüglich des Achsorgans Wirbelsäule habe es sich 1998 um überwiegend endogen-schicksalhaft verursachte eigenständige
degenerative Bandscheibenerkrankungen sowohl der LWS als auch der HWS gehandelt. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass
die Beendigung der Tätigkeit im Dezember 1998 ohne dokumentierte ärztliche Entscheidung im Sinne eines erkrankungsbedingten
Unterlassungszwangs, sondern durch den Kläger selbst erfolgt sei. Insgesamt habe bei dem Kläger im Dezember 1998 weder eine
BK nach Nr. 2108 noch nach Nr. 2109 der Anlage 1 zur vorgelegen. Auf verschiedene Einwendungen des Klägers hin, hat der Sachverständige
mit seiner ergänzenden Stellungnahme vom 28. Februar 2019 an seiner Beurteilung festgehalten.
Mit Urteil vom 8. April 2019 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Bezüglich der BK Nr. 2108 sei keine hinreichende
Wahrscheinlichkeit eines wesentlichen Kausalzusammenhangs zwischen der Tätigkeit und der Erkrankung gegeben. Die beim Kläger
aktuell vorliegenden segmentalen Veränderungen seien zum Zeitpunkt der Tätigkeitsaufgabe als Heizungsbauer/Schweißer nicht
nachzuweisen. Entsprechende medizinische Unterlagen lägen nicht vor. Hinsichtlich der BK Nr. 2109 seien die arbeitstechnischen
Voraussetzungen zur Anerkennung nicht gegeben. Mit seiner Arbeitsplatzexposition vom 25. August 2015 und ergänzenden Stellungnahme
vom 25. Mai 2016 habe der TAD festgestellt, dass die nach der BK Nr. 2109 geforderte Tragebelastung nicht gegeben sei. Im
Ergebnis sei davon auszugehen, dass der Kläger in keinem Zeitraum von mehr als 5% seiner täglichen Arbeitszeit Lasten von
50 Kilogramm oder mehr auf der Schulter getragen habe. Zudem spreche gegen eine BK Nr. 2109 auch, dass entsprechende typische
medizinische Befunde fehlten. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er eine unzutreffende arbeitstechnische
und arbeitsmedizinische Würdigung geltend macht.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 8. April 2019 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Mai 2016 in der Gestalt
des Widerspruchbescheides vom 22. März 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Vorliegen einer Berufskrankheit
nach den Nr. 2108 sowie Nr. 2109 der Anlage 1 zur
Berufskrankheitenverordnung festzustellen und hieraus Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält ihre Entscheidungen und die des Sozialgerichts für zutreffend.
Der Senat hat Befundberichte von dem behandelnden Orthopäden S sowie dem Chefarzt der Klinik für Wirbelsäulenerkrankungen
und Neurotraumatologie des Z S, Sch2, eingeholt sowie den Präventivdienst der Beklagten um eine erneute Auswertung der klägerischen
Angaben gebeten. Anschließend hat der Senat den Sachverständigen Sch1 mit der Erstellung einer ergänzenden Stellungnahme beauftragt.
Der Präventionsdienst gelangte nach erneuter Anhörung des Klägers und unter Zugrundelegung seiner Angaben im schriftlichen
Verfahren zu der Einschätzung, dass die vom Kläger vorgebrachten Beweise wenig nachvollziehbar und nicht hinreichend konkret
seien. Insbesondere seien die bei den Spitzenbelastungen (über 100 Kilogramm bei Wegstrecken von deutlich über 50 Meter) angegebenen
Gewichte nicht untersetzt mit den glaubhaften Wegstrecken und den Personen, die die schweren Gewichte getragen haben sollen.
Zeugen habe der Kläger nicht benannt. Mit seiner ergänzenden Stellungnahme vom 31. März 2020 hat sich der Sachverständige
Sch1 mit dem vom Kläger behaupteten nicht oder fälschlicherweise berücksichtigten medizinischen Unterlagen auseinandergesetzt.
Nach seinen Feststellungen ergebe sich an seiner Beurteilung keine Änderung. Die entsprechenden medizinischen Unterlagen seien
entweder bereits berücksichtigt worden, oder es ergebe sich hieraus keine andere Würdigung beziehungsweise keine Relevanz
für das vorliegende BK-Verfahren. Mit weiterer ergänzender Stellungnahme vom 31. Oktober 2020 hat Sch1 zur BK Nr. 2109 ausgeführt,
dass es sich beim Kläger um eine überwiegend endogen-schicksalshaft verursachte eigenständige degenerative Bandscheibenerkrankung
der HWS handle und nicht um eine BK.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Der Kläger wendet sich zulässig gegen das Urteil des Sozialgerichts mit der Anfechtungs- und Feststellungsklage im Sinne der
§§
54 und
55 SGG. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der Bescheid vom 12. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März
2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Zutreffend hat die Beklagte festgestellt, dass der Kläger
keinen Anspruch auf Anerkennung der BK 2108 (hierzu 1.) und BK 2109 (hierzu 2.) hat.
Berufskrankheiten sind nach §
9 Abs.
1 Satz 1 des
Siebten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB VII) Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet
und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Nach §
1 der
BKV sind Berufskrankheiten die in der Anlage 1 bezeichneten Krankheiten (sogenanntes Listenprinzip).
Für die Feststellung einer Listen-BK ist erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher
Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität)
und diese Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dass die berufsbedingte Erkrankung
ggf. den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK.
Dabei müssen die "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises
- also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu
beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit
(vgl. Bundessozialgericht ( BSG ), Urteil vom 17. Dezember 2015 - B 2 U 11/14 R, nach juris). Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände diejenigen so stark
überwiegen, die für den Ursachenzusammenhang sprechen, dass darauf eine richterliche Überzeugung gegründet werden kann (vgl.
BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R, nach juris). Sofern die notwendigen tatbestandlichen Voraussetzungen nicht von demjenigen, der sie geltend macht, mit dem
von der Rechtsprechung geforderten Grad nachgewiesen werden, hat er die Folgen der Beweislast dergestalt zu tragen, dass dann
der entsprechende Anspruch entfällt.
1. Eine BK nach Nr. 2108 ist beim Kläger nicht gegeben. Insoweit fehlt es an den hierfür erforderlichen arbeitsmedizinischen
Voraussetzungen.
In der Anlage 1 zur
BKV ist unter Nr. 2108 bezeichnet: "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen
schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen
haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können."
Vorliegend ist davon auszugehen, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen, also entsprechende tätigkeitsbezogene Expositionen
im schädigenden Maß vorhanden waren. Die Intensität war dabei derart, dass die Voraussetzungen für die Entstehung einer BK
nach Nr. 2108 entsprechend grundsätzlich denkbar ist. Gleichwohl kann zum für die Beurteilung einer BK Nr. 2018 entscheidenden
Zeitpunkt der Aufgabe der Tätigkeit - hier im Jahr 1998, da der Kläger zu diesem Zeitpunkt die gefährdende Tätigkeit beendete
und anschließend als Fließbandarbeiter keiner entsprechenden Exposition mehr ausgesetzt war - eine entsprechende bandscheibenbedingte
Erkrankung nicht ausgemacht werden.
Während die sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK zum einen das Vorhandensein der tatbestandlich
vorausgesetzten Einwirkungen und zum anderen die Kausalität zwischen diesen Einwirkungen und einer Erkrankung beinhalten,
betreffen die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen ebenfalls zwei Aspekte der Anerkennungsvoraussetzungen, nämlich zum einen
das Vorliegen der tatbestandlich vorausgesetzten Krankheit und zum anderen das Vorliegen eines Schadensbildes, welches mit
der rechtlich-wesentlichen Verursachung dieser Krankheit durch die beruflichen Einwirkungen zumindest im Einklang steht (BSG, Urteil vom 23. April 2015 - B 2 U 10/14 R, nach juris).
Unter dem Begriff der bandscheibenbedingten Erkrankung sind solche Erkrankungen der Bewegungssegmente der Lendenwirbelsäule
zu verstehen, die ursächlich auf eine Bandscheibenschädigung zurückzuführen sind oder mit einer solchen in einer kausalen
Wechselbeziehung stehen (vgl. Mehrtens/Brandenburg, die
Berufskrankheitenverordnung (
BKV), M 2108 Seite 22). Insoweit kommen als knöcherne Veränderungen in Betracht eine Osteochondrose, eine Spondylarthrose bzw.
Spondylose. Keine dieser Erkrankungen wurde bei dem Kläger im Jahr 1998 festgestellt. Dies hat der Sachverständige Sch1 -
wie zuvor auch schon die Gutachter M und Sch - im Rahmen seines Gutachtens sowie in der ergänzenden Stellungnahme ausführlich
dargelegt. Insbesondere wurde bei dem Kläger im Jahr 1998 keine Spondylose festgestellt. Eine solche wäre jedoch als Begleiterkrankung
hinsichtlich einer BK Nr. 2108 zur erwarten gewesen. Hinsichtlich der bandscheibenbedingten Segmenterkrankung bedarf es nach
Sch1eines klinischen Nachweises. Ein solcher Nachweis ergibt sich durch eine Höhenminderung des Bandscheibenraumes, eines
klinischen Segmentbefundes also provozierbarem-Schmerz, eines vermehrten Muskeltonus (Verspannung), subjektiver Schmerzen
durch Bewegen ("Hexenschuss"), einer fakultativen Entfaltungsstörung der LWS sowie einer Nervenwurzelreizung bzw. Schädigung
im gleichen Segment. Bezüglich dieser Kriterien kann bei dem Kläger für das Jahr 1998 lediglich in Sachen Höhenminderung des
Bandscheibenraumes aufgrund einer aktenkundigen Kurzbeschreibung im Bereich L5/S1 eine entsprechende Annahme positiv erfolgen.
Im Übrigen aber wurde ein provozierbarer Schmerz ebenso wenig dokumentiert wie eine Muskelverspannung. Auch für subjektive
Schmerzen durch Bewegung im Sinne eines Hexenschusses finden sich in den beigezogenen Behandlungsunterlagen keine Angaben.
Hinsichtlich der Entfaltungsstörung der Lendenwirbelsäule ist festzustellen, dass Bewegungsausmaße im Jahr 1998 offenbar nicht
gemessen wurden. Schließlich sind auch keine Hinweise auf gegebenenfalls einem Dermatom zuordenbare neurologische Defizite
oder Ausfallerscheinungen für den Lumbalbereich im Jahr 1998 zu finden. Insofern folgt der Senat den nachvollziehbaren und
schlüssigen Ausführungen des Sch1, die sich mit den Ausführungen des Gutachters Sch decken. Auch er wies darauf hin, dass
sich für das Jahr 1998 nicht die Voraussetzungen für eine Anerkennung einer BK 2108 sichern lassen. Folgen einer entsprechenden
BK wären nach den Konsensempfehlungen neben der Chondrose auch eine Osteochondrose, Spondylose, Retrospondylose, Spondylarthrose
und Bandscheibenkontusionen mit Flüssigkeitsverlust. All dies ist im Jahr 1998 in keinem Befund nachgewiesen. Im Ergebnis
gehen daher die Sch1 und Sch übereinstimmend von einer Konstellation A1 entsprechend der Konsensempfehlung (abgedruckt in
Trauma und Berufskrankheit 3/2005, S. 211 ff.) aus. Bei dem Kläger liegen mit anzunehmender ausreichender Exposition zwar
die arbeitstechnischen Voraussetzungen vor, es findet sich aber im Jahr 1998 keine gesicherte bandscheibenbedingte Erkrankung.
Unerheblich ist, dass mit den Befunden aus den Jahren 2014/2015 eine bandscheibenbedingte Erkrankung grundsätzlich anzunehmen
ist. Für die Beurteilung des Vorliegens einer BK ist, wie bereits ausgeführt, entscheidend auf den Zeitpunkt der Tätigkeitsaufgabe
abzustellen. Dabei sollen die Röntgenbefunde nicht älter als ein Jahr sein; bei einer bereits länger zurückliegenden Aufgabe
der Tätigkeit ist der Befund zum Zeitpunkt der Aufgabe entscheidend (vgl. Konsensempfehlung Ziff. 1.2). Hierauf hat bereits
Sch hingewiesen und ergänzt, dass die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der beruflichen Exposition
und einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS mit der Länge des Zeitraums zwischen dem Ende der Exposition und der erstmaligen
Diagnose der Erkrankung abnimmt.
Der Senat konnte sich daher von dem Vorliegen einer entsprechenden Berufskrankheit mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit
nicht überzeugen. Ein Schadensbild, welches mit der rechtlich-wesentlichen Verursachung der Bandscheibenerkrankung durch die
beruflichen Einwirkungen zumindest im Einklang steht, ist im hier entscheidenden Jahr 1998 nicht auszumachen. Weitere und
tiefergehenden Befunde und bildgebende Materialien zum Zeitpunkt der Tätigkeitsaufgabe stehen nicht zur Verfügung. Da der
Kläger vorliegend die Anerkennung einer BK nach Nr. 2108 geltend macht, hat er hierfür auch die Beweislast zu tragen.
Gegen das Vorliegen einer BK Nr. 2108 spricht - worauf es aber nicht mehr ankommt - zudem, dass der Kläger seine Tätigkeit
ganz offenbar aus eigener Veranlassung heraus aufgegeben hat. Ein berufskrankheitenbedingter Zwang zur Tätigkeitsaufgabe ist
vorliegend nicht auszumachen.
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung einer BK nach Nr. 2109.
In der Anlage 1 zur
BKV ist unter Nr. 2109 bezeichnet: "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule durch langjähriges Tragen schwerer
Lasten auf der Schulter, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung
oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können."
Für die Anerkennung einer BK Nr. 2109 müssen arbeitstechnischerseits drei Kriterien vorliegen (vgl. Mehrtens/Brandenburg,
Die
Berufskrankheitenverordnung (
BKV), M 2109 Seite 9):
Der Versicherte hat Lasten mit einem Lastengewicht von 40 Kilogramm oder mehr auf der Schulter oder über der Schulter mit
Beteiligung des Rückens während eines Schichtanteils von etwa einer halben Stunde oder mehr getragen.
Der Tragevorgang hat zu einer Kopfbeugehaltung nach vorne oder seitwärts oder zu einer Verdrehung der Halswirbelsäule geführt.
Dies ist beim Tragen von Tierkörperteilen und Säcken sowie Balken, Rohren, Baumstämmen, Schläuchen, Kabeln oder ähnlichen
Lasten auf der Schulter oder über der Schulter mit Beteiligung des Rückens der Fall.
Die arbeitsbedingte Einwirkung im Sinne von Ziff. 1 und 2 geht mit einer kumulativen Gesamtbelastung in Höhe von mindestens
4,4 x 104 (kg x h) einher.
Insoweit ist auf die detaillierten Messungen und Ausführungen des Präventionsdienstes der Beklagten zu verweisen. Dieser hat
sich umfassend und eindringlich mit den Angaben des Klägers befasst und nach den zuvor genannten Kriterien ausgewertet. Es
erfolgten die Auswertung diverser schriftlicher Angaben ebenso wie persönliche Gespräche mit dem Kläger. Im Ergebnis gelangte
der Präventionsdienst zu der Feststellung, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht gegeben sind. Die Ausführungen
hierzu sind überzeugend. Soweit der Kläger im Verfahren vorträgt, es sei nicht berücksichtigt worden, dass er Heizkörper mit
100 Kilogramm Gewicht getragen habe, weist der Präventionsdienst zutreffend darauf hin, dass diese Angaben nicht schlüssig
sind. Zum einem ist - worauf auch der Präventionsdienst hinweist - erfahrungsgemäß davon auszugehen, dass derart schwere Heizkörper
nicht alleine getragen wurden und zum anderen ist mit den Erfahrungswerten des Präventionsdienstes davon auszugehen, dass
derartige Heizkörper in der Regel ein Gewicht von 80 Kilogramm hatten. Darüber hinaus weist der Senat darauf hin, dass nicht
anzunehmen ist, dass ein Tragen derart schwerer Heizkörper auf der Schulter stattgefunden hat. Es entspricht nicht der Lebenserfahrung,
dass gusseiserne 100 kg schwere Heizkörper auf der Schulter getragen werden können.
Unerheblich für eine BK Nr. 2109 sind im Übrigen die ständigen Zwangshaltungen als Schweißer und Fließbandarbeiter. Hierbei
handelt es sich nicht um ein fortgesetztes Tragen schwerer Lasten auf der Schulter und damit nicht um das Belastungsprofil
der BK 2109.
Unabhängig des Vorliegens der arbeitstechnischen Voraussetzungen sind darüber hinaus auch die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen
nicht gegeben. Insoweit ist auf die Einschätzung des Sachverständigen Sch1 zu verweisen, der das Vorliegen einer bandscheibenbedingten
Erkrankung der Halswirbelsäule für das Jahr 1998 ausschließt. Eine bandscheibenbedingte Erkrankung ist, wie schon bei der
BK 2108, zum Zeitpunkt der Tätigkeitsaufgabe im Jahr 1998 nicht auszumachen. Insoweit verweist der Senat auf die Ausführungen
zur BK 2108. Auch bzgl. der BK 2109 betreffen die entsprechenden Befunde bzw. Diagnosen vielmehr die Zeit nach der Tätigkeitsaufgabe.
Zudem ergibt sich auch kein belastungskonformes Schadensbild. Denn, statt - was für die Annahme einer BK 2109 sprechen würde
- einer Betroffenheit vor allem der mittleren HWS, sind beim Kläger die Segmente C5/C6 und C6/C7, mithin die untere HWS betroffen.
Insgesamt, und das hat Sch1 noch einmal ausdrücklich bestätigt, scheidet eine BK 2109 damit auch mangels der arbeitsmedizinischen
Voraussetzungen aus. Bei der Erkrankung der HWS, an der der Kläger leidet, handelt es sich um eine endogen-schicksalshaft
verursachte eigenständige degenerative Bandscheibenerkrankung der HWS und nicht um eine BK.
Die Kostenentscheidung erfolgt aus §§
183,
193 SGG.
Gründe die Revision zuzulassen nach §
160 SGG lagen nicht vor.