Anerkennung einer Berufskrankheit nach BKV Anl. 1 Nr. 2104 in der gesetzlichen Unfallversicherung bei einem Forstarbeiter und Motorsägenführer; Überschreitung der Latenzzeit;
Zulässigkeit eines Überprüfungsantrags nach einem gerichtlichen Vergleich
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten im Rahmen eines Antrags nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2104 der Anlage 1 zur
Berufskrankheitenverordnung.
Der 1943 geborene Kläger war von Januar 1973 bis März 1995 als Forstarbeiter tätig und dabei überwiegend als Motorsägenführer.
Nach kurzer Arbeitslosigkeit und Tätigkeit als Hausmeister war er von September 1996 bis Anfang Juli 2002 als Dachdecker tätig.
Das Arbeitsverhältnis als Dachdecker endete zum 31. Dezember 2003. Aufgrund einer Erkrankung an der Bizepssehne wurde die
Tätigkeit tatsächlich bereits ab dem 4. Juli 2002 nicht mehr ausgeübt. Danach war er arbeitslos. Seit 2008 bezieht der Kläger
Altersrente. Am 16. Januar 2006 ging bei der Beklagten eine Anzeige über den Verdacht auf das Vorliegen einer BK 2104 ein.
Der den Kläger behandelnde Hausarzt Dr. L. ging davon aus, dass seine Durchblutungsstörungen an den Händen vibrationsbedingt
im Sinne der BK 2104 sind. Die Beklagte leitete daraufhin ein Verfahren ein und holte eine Stellungnahme des technischen Aufsichtsdienstes
zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen und Befundberichte der behandelnden Ärzte ein. Der technische Aufsichtsdienst (TAD)
stellte in seiner Stellungnahme vom 23 Mai 2006 fest, dass der Kläger während seiner Tätigkeit als Dachdecker von Oktober
1996 bis Ende 2003 nur geringen Schwingungsbelastungen ausgesetzt gewesen sei. Hingegen bejahte der TAD der landwirtschaftlichen
Berufsgenossenschaft für die Tätigkeit des Klägers im Zeitraum von Januar 1973 bis März 1995 die arbeitstechnischen Voraussetzungen
einer BK 2104. Zur Begründung führte er aus, dass der Kläger im Wesentlichen Durchforstungsarbeiten mit Motorsägen des Typs
Stihl durchgeführt habe. Er sei dabei 22 Jahre lang im Wald Hand-/Armschwingungen in einer ausreichenden Exposition ausgesetzt
gewesen. Begründet wurde dies damit, dass der Kläger an 3500 Tagen je 5,5 Stunden Teilkörperschwingungen ausgesetzt gewesen
sei.
In einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 9. Oktober 2006 verneinte der Arbeitsmediziner H. das Vorliegen eines typischen
Krankheitsbildes im Sinne der BK 2104. Erste Symptome seien erst zwei Jahre nach Ende jeder beruflichen Tätigkeit und sogar
erst zehn Jahre nach Ende einer geeigneten Exposition aufgetreten. In einer weiteren Stellungnahme vom 1. Dezember 2006 vertiefte
der Beratungsarzt H. seine Argumentation dahingehend, dass der Kläger im Jahre 1999 wegen einer Ellenbogengelenkserkrankung
behandelt worden sei, jedoch nichts von Durchblutungsstörungen in den Händen berichtet habe. Hierfür sei ein vernünftiger
Grund nicht zu erkennen.
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 5. Dezember 2006 die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab, weil die Voraussetzungen
für die Feststellung einer BK 2104 nicht erfüllt seien.
In einem daraufhin vom Kläger angestrengten Widerspruchsverfahren wurde eine beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. K. eingeholt.
Dieser gelangte in seiner Stellungnahme vom 23. Januar 2007 zu dem Ergebnis, dass aufgrund der arbeitstechnischen Bedingungen
von 1973 bis 1995 eine entsprechender Exposition vorhanden gewesen sei, allerdings nicht mehr bei den Tätigkeiten ab 1996.
Die Latenzzeit des Krankheitsbildes für die BK 2104 hänge jeweils von der Dauer und Intensität der beruflichen Schwingungsbelastung
ab und könne bei Motorsägenführern bis zu fünf Jahre betragen. Da im vorliegenden Fall das Krankheitsbild erstmals 2005 erwähnt
sei, sei hier die Latenzzeit deutlich überschritten. Ferner seien auch die Füße betroffen.
Daraufhin wurde der Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 2007 zurückgewiesen.
Hiergegen erhob der Kläger Klage. Auf Antrag des Klägers holte das Sozialgericht nach §
109 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) ein Gutachten von Dr. K. ein. Dieser gelangte in seinem Gutachten vom 16. Dezember 2008 zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger
ein sekundäres Raynaud-Syndrom infolge Vibration vorliegen könne. Die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK 2104 seien
daher gegeben.
Daraufhin gab das Sozialgericht ein angiologisches Gutachten bei Dr. K. in Auftrag. Dieser bejahte in seinem Gutachten vom
9. März 2009 nach Abwägung aller Argumente für und gegen das Vorliegen einer BK 2104 deren Voraussetzungen. Im Fall des Klägers
spreche alles gegen das Vorliegen eines primären Raynaud-Syndroms. Eine systemische Erkrankung mit entsprechender Gefäßbeteiligung
der Fingerarterien, sonstige schicksalhafte Erkrankungen oder eine medikamenteninduzierte Symptomatik sei nicht feststellbar.
Der durchgeführte Kaltwasserprovokationstest weise eine typische Symptomatik für eine vibrationsbedingte Erkrankung auf. Eine
Mitbetroffenheit der Füße, die für einen schicksalhaften Verlauf sprechen würde, habe nicht bestätigt werden können. Soweit
der Beratungsarzt der Berufsgenossenschaft die bestehende Latenzzeit von mehr als fünf Jahren nach Beendigung der Tätigkeit
als Motorsägenführer als Hindernis für eine Anerkennung sehe, sei dies nicht zutreffend. - Dieser Einschätzung widersprach
der Beratungsarzt H. in einer Stellungnahme vom 17. April 2009. Es sei nicht nachvollziehbar, dass bei den vom Kläger geschilderten
Beschwerden erst zehn Jahre nach Beendigung der gefährdenden Tätigkeit eine ärztliche Konsultation erfolgt sei. Dem widersprach
Dr. K. wiederum in einer ergänzenden Stellungnahme vom 7. Mai 2009: Es sei zwar grundsätzlich zutreffend, dass ein bestimmtes
klinisches Beschwerdebild ohne aktenkundige ärztliche Dokumentation nur schwer nachvollzogen werden könne. Ein Gutachter werde
jedoch immer wieder mit Fällen konfrontiert, wo auch bei deutlichen Krankheitssymptomen eine diesbezügliche Vorstellung beim
Arzt nicht zeitnah erfolgt sei. Bei der hier vorliegenden Gefäßerkrankung sei zudem zu berücksichtigen, dass es sich um ein
anfallsartiges Leiden handele und diese Anfälle bekanntermaßen nur nach entsprechender Exposition im Sinne von Kälteeinwirkungen
zu Stande kommen. Zudem sei anerkannt, dass bei gleichzeitigem Nikotinabusus eine in vielen Fällen mögliche Rückbildungstendenz
der Erkrankung sehr viel seltener beobachtet werden könne und daher eine entsprechende Symptomatik auch noch viele Jahre nach
Aufgabe der schädigenden Tätigkeit möglich sei.
Des Weiteren holte das Sozialgericht Auskünfte der den Kläger behandelnden Ärzte über den Behandlungsbeginn hinsichtlich der
Durchblutungsstörungen in den Händen ein. Der ehemalige Hausarzt Dr. Sch. teilte telefonisch mit, dass er mit dem Kläger diese
Problematik besprochen, eine Behandlung diesbezüglich aber nicht stattgefunden habe. Dr. L. teilte in einer Auskunft vom 26.
November 2009 mit, dass der Kläger am 20. September 2000 wegen Schmerzen in beiden Armen behandelt worden sei. Am 5. März
2004 sei der Kläger wegen weißer schmerzhafter Hände behandelt worden und es seien Wechselbäder verordnet worden. - Daraufhin
führte der Beratungsarzt H. in einer weiteren Stellungnahme vom 9. Februar 2010 aus, dass die Durchblutungsstörungen einen
völlig anderen Verlauf als im Merkblatt zur BK 2104 vorgesehen genommen hätten.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Nordhausen am 9. Juni 2010 schlossen die Beteiligten folgenden Vergleich:
"1. Die Beklagte erklärt sich bereit, Übergangsleistungen nach §
3 der
Berufskrankheitenverordnung für die Dauer von 5 Jahren zu gewähren. Dies gilt sowohl für die Zeit des Bezugs von Krankengeld, Arbeitslosengeld als auch
einer Altersrente wegen Schwerbehinderung. 2. Beginn der Übergangsleistung ist der Zeitpunkt der Aufgabe der Tätigkeit als
Dachdecker im Jahr 2002. 3. Die Beteiligten erklären den Rechtsstreit für erledigt."
Mit Schreiben vom 8. Juli 2010 beantragte der Kläger eine Überprüfung des Bescheides vom 5. Dezember 2006 nach § 44 SGB X. Aussagen zur Feststellung einer Berufskrankheit und zur Höhe der daraus resultierenden Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE)
seien im Gerichtsverfahren nicht getroffen worden. Dies seit nunmehr nachzuholen.
Mit Bescheid vom 4. August 2010 lehnte die Beklagte eine Überprüfung des Bescheides vom 5. Dezember 2006 ab. Ein hiergegen
eingelegter Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 9. September 2010 zurückgewiesen. Der Sachverhalt sei
zutreffend festgestellt und die rechtlichen Vorschriften richtig angewandt worden. Durch den gerichtlichen Vergleich sei bindend
klargestellt, dass nur die Zuerkennung von Übergangsleistungen nach §
3 BKV in Betracht gekommen und der angefochtene Bescheid vom 5. Dezember 2006 bestandskräftig geworden sei.
Hiergegen hat der Kläger am 21. September 2010 beim Sozialgericht Nordhausen Klage erhoben. Mit Urteil vom 13. April 2011
hat das Sozialgericht Nordhausen die Klage abgewiesen. Ein Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X sei bereits deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 9. Juni 2010 einem Vergleich zugestimmt
habe. In der Zustimmung zu dem diesem Vergleich liege zugleich ein materiell-rechtlicher Verzicht auf die Anerkennung der
ursprünglich begehrten Berufskrankheit. Darüber hinaus wäre ein Überprüfungsantrag auch im Falle seiner Zulässigkeit erfolglos.
Die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit Nr. 2104 BK seien bereits deshalb nicht gegeben, weil eine Behandlungsbedürftigkeit
der Durchblutungsstörungen erst am 1. März 2004 und damit knapp zehn Jahre nach Expositionsende dokumentiert und nachgewiesen
sei. Damit zeigten die Durchblutungsstörungen einen völlig anderen Verlauf als im Merkblatt zur BK Nr. 2104 beschrieben. Dort
heiße es ausdrücklich, dass die Symptomatik nach Expositionsende im Allgemeinen eine Besserungstendenz zeige und selbst im
fortgeschrittenen Fällen eine Besserung eintreten könne. Im Fall des Klägers sei jedoch ein völlig entgegengesetzter Erkrankungsverlauf
zu verzeichnen.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Durch den Abschluss des Vergleichs im Gerichtsverfahren sei kein
Verzicht auf die Anerkennung einer Berufskrankheit erklärt worden. Die Beklagte habe sich lediglich verpflichtet, Übergangsleistungen
nach §
3 BKV zu gewähren. Ein Verzicht auf das materielle Recht lasse sich auch nicht aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung
vom 9. Juni 2010 entnehmen. In der Sache selbst seien die Voraussetzungen für eine Anerkennung einer BK Nr. 2104 gegeben.
Dies ergebe sich bereits aus dem überzeugenden Gutachten von Dr. K ...
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 13. April 2011, den Bescheid der Beklagten vom 4. August
2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 5. Dezember 2006 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2007 aufzuheben und festzustellen, dass bei ihm eine BK 2104 seit dem
1. April 1995 vorliegt.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Ausführungen in dem angegriffenen Urteil.
Der Senat hat im Berufungsverfahren ein Sachverständigengutachten von Dr. St. eingeholt. Dieser diagnostiziert in seinem Gutachten
vom 6. Februar 2012 das Vorliegen einer Erkrankung im Sinne der Berufskrankheit nach Nr. 2104. Beim Kläger liege ein vibrationsbedingtes
vasospastisches Syndrom beider Hände im Stadium III V und I SN vor.
Eine primäre Raynaud-Erkrankung ohne relevante Stenosen an der unteren Extremität sei sehr ungewöhnlich und daher auszuschließen.
Erkrankungen, die nachweisbar zu denselben Raynaud-Phänomenen führten, seien beim Kläger nicht festzustellen. Des Weiteren
bestehe beim Kläger eine gleichzeitige Nervenschädigung (beiderseits Karpaltunnelsyndrom). Der Nikotinmissbrauch sei im Hinblick
auf die Schwere oder die Entstehung des vasospastischem Syndroms als CO-Faktor anzusehen, nicht jedoch für die Nervenschädigung.
Da sonstige Arterienverschlüsse nicht feststellbar seien, sei dieser Faktor jedoch nicht wesentlich ursächlich.
Dieser Auffassung hat sich der Beratungsarzt der Beklagten H. in seiner Stellungnahme vom 30. März 2012 nicht angeschlossen.
Dem Gutachten von Dr. St. sei im Vergleich zur Begutachtung im Jahre 2009 bei Dr. K. eine Verschlimmerung der Erkrankung zu
entnehmen, die mit einem vibrationsbedingten Leiden nicht zu vereinbaren sei. Zudem vernachlässige Dr. St. eine im Jahre 2007
durchgeführte operative Behandlung der arteria carotis rechts. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 27. April 2012 führt
der Sachverständige Dr. St. hierzu aus, dass eine Verschlimmerung der vibrationsbedingten Erkrankung auch bei der BK 2104
nach Aufgabe der Tätigkeit möglich sei. Im entsprechenden Merkblatt heiße es lediglich, dass die Unterlassung der gefährdenden
Tätigkeit zu einer Besserung führen könne. Aus dem von ihm durchgeführten Kaltwasserprovokationstest lasse sich eine Verschlimmerung
nicht herleiten. Der Kaltwassertest sei modifiziert und mit drei Grad wärmerem Wasser im Vergleich zu der Untersuchung im
Jahre 2009 durchgeführt worden. Die operativ behandelte Engstelle der Halsschlagader an mehreren Stellen sei in seinem Gutachten
berücksichtigt worden. In den Beinen seien keine relevanten Durchblutungsstörung gemessen worden. Auch in der Halsschlagader
sei eine relevante Engstelle nicht festgestellt worden. Die Operation einer Halsschlagader sei wegen der zufälligen Entdeckung
eines arteriosklerotischen Plaques erfolgt. Bei derartigen Befunden werde gelegentlich eine Operationsindikation gestellt,
um ein Abschweifen der Plaques und damit schwerwiegendere Erkrankungen zu vermeiden. Er halte daher an seiner Auffassung fest,
dass wesentlich mehr Gründe für eine berufliche Verursachung als dagegen sprechen würden.
Der Beratungsarzt H. hat in einer weiteren Stellungnahme vom 20. Juni 2012 an seiner Auffassung festgehalten, dass im Ergebnis
hier von einem primären Raynaud-Syndrom auszugehen sei, das im Jahre 2005 begann. Eine Ursache dieser Erkrankung sei bis heute
nicht bekannt. Der Verweis von Dr. St. auf ein bestehendes Karpaltunnelsyndrom führe nicht weiter. Dieses sei erst bei der
Untersuchung im Januar 2012 diagnostiziert worden. Es handele sich somit um einen Nachschaden.
Der Kläger ist der Ansicht, dass durch die durchgeführte Beweisaufnahme das Vorliegen einer BK 2104 bewiesen sei. Dr. St.
gelange zu derselben Einschätzung wie Dr. K ... Beide hätten in dem erforderlichen Umfang berufsfremde Ursachen für den Eintritt
der Erkrankung ausgeschlossen.
Die Beklagte ist unter Bezugnahme auf die Stellungnahmen ihres Beratungsarztes H. der Auffassung, dass bei dem Kläger nicht
der nach dem Merkblatt für die BK 2104 zu verlangende typische Verlauf gegeben sei. Insbesondere hätten sich im Fall des Klägers
die Beschwerden nach Expositionsende noch verschärft, während bei einer BK 2104 die Erkrankung in aller Regel nach Beendigung
der Exposition rückläufig sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge, die Gerichtsakte
S 1 U 428/07 und den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens, die Gegenstand der Verhandlung waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat das Begehren des Klägers, dass er nach den §§
54 Abs.
1,
55 Abs.
1 Nr.
1 SGG zulässigerweise als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage verfolgen kann, zu Recht abgewiesen. Der Kläger kann
die Rücknahme des bestandskräftigen Bescheides vom 5. Dezember 2006 nicht verlangen, weil die Beklagte zu Recht eine BK 2104
nicht anerkannt hat.
In der Sache kann die Beklagte sich auf die Bindungswirkung ihres Bescheides vom 5. Dezember 2006 berufen, weil in diesem
das Recht richtig angewandt und kein unrichtiger Sachverhalt zugrunde gelegt worden ist.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, wenn sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem
Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistung zu Unrecht nicht erbracht
worden sind, dieser Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, zurückzunehmen. Diese Voraussetzungen liegen
hier nicht vor.
Es kann offenbleiben, ob eine Überprüfung des Bescheides vom 5. Dezember 2006 in einem Verfahren nach § 44 SGB X, wie vom Sozialgericht angenommen, deshalb unzulässig ist, weil der Kläger im gerichtlichen Verfahren L 1 U 428/07 mit Vergleich vom 9. Juni 2010 materiell-rechtlich unabänderlich auf die Feststellung einer BK 2104 verzichtet hat. Nach
der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts steht ein gerichtlicher Vergleich der Anwendung des § 44 Abs. 1 SGB X nicht entgegen (vgl. BSG, Urteil v. 12. Dezember 2013, Az.: 4 As 17/13, zitiert nach Juris). Ein gerichtlicher Vergleich kann jedoch ausdrücklich
oder konkludent einen materiell-rechtlichen Verzicht im Sinne einer endgültigen Regelung enthalten mit der Folge, dass ein
Überprüfungsantrag nach § 44 Abs. 1 SGB X ausgeschlossen ist. Zu prüfen wäre dann, ob die Beteiligten mit Abschluss des Vergleichs am 9. Juni 2010 vor dem Sozialgericht
Nordhausen nur einen prozessualen Verzicht des Inhalts, keine weiteren Ansprüche insbesondere auf Feststellung des Vorliegens
einer BK 2104 mehr geltend zu machen, abschließen wollten, oder ob dem Vergleich ein endgültiger materiell-rechtlicher Verzicht
des Klägers auf Feststellung der BK 2104 zu entnehmen ist. Nach der genannten Entscheidung des Bundessozialgerichts ist dabei
"das wirklich Gewollte, das in der Äußerung erkennbar ist, zu ermitteln." Heranzuziehen sind dabei neben dem Wortlaut des
Vergleichs Hinweise des Sozialgerichts in der mündlichen Verhandlung oder im Vorfeld, aus denen sich die Interessenlage der
Beteiligten bei Abschluss des Vergleichs ergibt.
Ausgehend davon ist offen, ob der Vergleich vom 9. Juni 2010 im gerichtlichen Verfahren L 1 U 428/07 in dem Sinne ausgelegt werden kann, dass es der Kläger in Zukunft unterlässt, einen Anspruch auf Feststellung der BK 2104
geltend zu machen. Ausweislich des in der mündlichen Verhandlung am 9. Juni 2010 protokollierten Wortlautes des Vergleichs
kann ihm zunächst nur der Inhalt entnommen werden, keine weiteren als die im Vergleich protokollierten Ansprüche geltend zu
machen. Dies folgt bereits daraus, dass in Nummer 1 des Vergleichs die Beklagte sich bereit erklärt hat, Übergangsleistungen
nach §
3 BKV für die Dauer von fünf Jahren zu gewähren. In Nummer 2 des Vergleichs wurde der Beginn der Übergangsleistungen auf den Zeitpunkt
der Aufgabe der Tätigkeit als Dachdecker im Jahre 2002 festgelegt. Im Übrigen ist der Rechtsstreit ausweislich Nummer 3 des
Vergleichs für erledigt erklärt worden. Diese Erledigungserklärung hat im Hinblick auf das mit der Klage verfolgte Begehren
des Klägers - die Feststellung einer BK 2104 - zur Folge, dass Bestandskraft des Bescheides vom 5. Dezember 2006 eingetreten
ist. Nach dem Wortlaut des Vergleichs bleibt offen, ob der Kläger im Sinne einer endgültigen Gestaltung der materiellen Rechtslage
auf die Feststellung einer BK 2104 dauerhaft verzichtet hat.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wäre es dann erforderlich, den Inhalt des materiellen Teils des Vergleiches
nach den gleichen Regeln zu ermitteln, wie bei jedem anderen Vertrag auch (vgl. BSG, Urteil v. 11. Dezember 2008, Az.: B 9 VS 1/08 R, BSGE 102 S.149-166). Die Auslegungsregeln der §§
133,
157 des
Bürgerlichen Gesetzbuches (
BGB) finden Anwendung. Protokollierte Hinweise in der Niederschrift, vorherige Hinweise des Sozialgerichts zu den Erfolgsaussichten
der Klage im Hinblick auf die BK 2104 und Vorkorrespondenz zu einem möglichen Vergleich sind nicht vorhanden. Grundsätzlich
wäre daher zu ermitteln, was in der mündlichen Verhandlung am 9. Juni 2010 vor Abschluss des Vergleiches besprochen worden
ist. Dies ist jedoch im vorliegenden Rechtsstreit ausnahmsweise entbehrlich, weil die Berufung aus anderen Gründen keinen
Erfolg hat.
Die Beklagte hat mit Bescheid vom 5. Dezember 2006 zu Recht die Anerkennung einer BK 2104 abgelehnt, weil der Kläger den Versicherungsfall
einer Berufskrankheit nach §
7 Abs.
1 des
Siebten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB VII) nicht nachgewiesen hat.
Nach §
9 Abs.
1 SGB VII sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet
und die ein Versicherter bei einer in den §§
2,
3 und
6 SGB VII genannten Tätigkeiten erleidet. Nach §
1 der
BKV sind Berufskrankheiten die in der Anlage 1 bezeichneten Krankheiten (sogenanntes Listenprinzip).
Voraussetzung für die Feststellung jeder Erkrankung als BK ist, dass die versicherte Tätigkeit, Art und Umfang der belastenden
beruflichen Einwirkungen im Sinne von §
9 Abs.
1 S. 2
SGB VII (arbeitstechnische Voraussetzungen) sowie die Erkrankung, für die Entschädigungsleistungen beansprucht werden, im Sinne des
Vollbeweises nachgewiesen sind. Eine Tatsache ist danach bewiesen, wenn sie in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle
Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet
sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen. Das ist der Fall, wenn kein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar
überschauender Mensch noch zweifelt. Vermutungen, Annahmen, Hypothesen und sonstige Unterstellungen reichen ebenso wenig aus
wie eine möglicherweise hohe Wahrscheinlichkeit. Erforderlich ist vielmehr eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit.
Darüber hinaus muss die sogenannte haftungsbegründende Kausalität zwischen den berufsbedingten Einwirkungen und der erforderlichen
Erkrankung zumindest mit hinreichender Wahrscheinlichkeit bejaht werden (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 20. März 2007, Az.: B 2 U 27/06 R, zitiert nach Juris). Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller für und gegen den Zusammenhang
sprechenden Umstände die für den Zusammenhang sprechenden Erwägungen so stark überwiegen, dass die dagegen sprechenden billigerweise
außer Betracht bleiben können und darauf eine richterliche Überzeugung gegründet werden kann (vgl. BSG; Urteil vom 9. Mai 2006, Az.: B 2 U 1/05 R, zitiert nach Juris). Jedoch ist der ursächliche Zusammenhang nicht bereits dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen
oder nur möglich ist. Sofern die notwendigen tatbestandlichen Voraussetzungen nicht von demjenigen, der sie geltend macht,
mit dem von der Rechtsprechung geforderten Grad nachgewiesen werden, hat er die Folgen der Beweislast dergestalt zu tragen,
dass dann der entsprechende Anspruch entfällt.
Zwar erfüllt der Kläger die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK 2104. Mit dem Begriff der arbeitstechnischen Voraussetzungen
sind die für die Anerkennung einer Krankheit als BK erforderlichen besonderen Einwirkungen im Sinne des §
9 Abs.
1 Satz 2
SGB VII gemeint. Es geht darum, welche Einwirkungen vorgelegen haben und wie sie beschaffen gewesen sein müssen, um von einer beruflichen
Ursache der eingetretenen Erkrankung ausgehen zu können.
Hinsichtlich der BK 2104 gilt Folgendes:
Ausweislich des Merkblatts für die BK 2104 (Bekanntmachung des BMA vom 10. Juli 1979 im Bundesarbeitsblatt 7/8/1979) sind
gefährdend im Sinne der BK 2104 Tätigkeiten bei der Bedienung von hochtourig arbeitenden, pneumatisch oder motorbetriebenen
Werkzeugen, wie Bohrer, Meißel, Fräsen, Sägen, Polier/Schleifmaschinen sowie Anklopfmaschinen. Ursächlich für die Erkrankung
nach der BK 2104 sind mechanische Schwingungsbelastungen des Hand-Arm-Systems durch handgeführte oder handgehaltene Arbeitsgeräte,
insbesondere in Verbindung mit statischer Haltearbeit und niedriger Umgebungstemperatur, vorwiegend bei Frequenzen im Bereich
von etwa 20 bis 1000 Hz. Diese Voraussetzungen sind im Fall des Klägers aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit von Januar 1973
bis März 1995 im Forst erfüllt. Ausweislich der Feststellungen des technischen Aufsichtsdienstes der landwirtschaftlichen
Berufsgenossenschaft war der Kläger in diesem Zeitraum 22 Jahre lang als Motorsägenführer bei Arbeiten im Wald Hand/Armschwingungen
ausgesetzt. In seiner Stellungnahme vom 5. März 2005 kommt der TAD insoweit zudem Ergebnis, dass der Kläger an 3500 Tagen
je 5,5 Stunden Teilkörperschwingungen ausgesetzt war. Nach dem Merkblatt zur BK 2104 können die Vibrationen, die geeignet
sind eine BK 2104 auszulösen, typischerweise bei der Arbeit mit Motorsägen entstehen. Die Beklagte hat letztlich auch das
Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen in diesem Verfahren nicht in Abrede gestellt.
Die erforderliche Einwirkungsdauer wird ebenfalls erreicht. Der Kläger war 22 Jahre als Motorsägenführer tätig.
Es steht jedoch nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit zur Überzeugung des Senats fest, dass aufgrund
dieser berufsbedingten Einwirkungen der Kläger an einem so genannten sekundären Raynaud-Syndrom erkrankt ist. Die Durchblutungsstörungen
des Klägers an beiden Händen sind nach vernünftiger Abwägung aller für und gegen den Zusammenhang sprechende Umstände nicht
mit der besagten hinreichenden Wahrscheinlichkeit auf seine berufliche Tätigkeit von Januar 1973 bis März 1995 zurückzuführen.
Bei der BK 2104 können die erforderlichen Vibrationsbelastungen Durchblutungsstörungen hervorrufen. Die Vibrationen führen
zu einer übermäßigen Größenzunahme, Überfunktion der Gefäßmuskulatur mit Einengung. Das Krankheitsbild ist anfallsartig und
beruht auf örtlich begrenzt auftretenden Störungen der Durchblutung und Sensibilität an den Händen. Der Sachverständige Dr.
K. führt in seinem angiologischem Gutachten vom 9. März 2009 nachvollziehbar aus, dass beim Kläger ein vasospastisches Syndrom
der Finger beider Hände Stadium 3 V und 1 SN vorliegt. Den erforderlichen Kaltwasserprovokationstest hat Dr. K. durchgeführt.
Nachvollziehbar hat Dr. K. dargelegt, dass bei der Diagnosestellung zwischen einem primären und einem sekundären Raynaud-Syndrom
zu unterscheiden ist. Dies ist bereits deshalb erforderlich, weil nach dem Merkblatt für die BK 2104 diese abzugrenzen ist
von der nicht vibrationsbedingten Raynaud-Erkrankung. Nach dem Merkblatt ist damit allerdings nur der klassische Morbus Raynaud
(typischerweise symmetrischer Befall der Finger jüngerer Frauen infolge emotionaler oder Kältereize) gemeint. Dies hat seinen
Grund darin, dass unterschiedliche Raynaud-Phänomene im Sinne einer so genannten Weißfingerkrankheit in der medizinischen
Wissenschaft definiert werden. Das primäre Raynaud-Syndrom erfasst dabei anfallsartig auftretende Gefäßspastiken vorwiegend
an den Händen. Die sekundäre Raynaud-Symptomatik bezeichnet eine Gefäßbeteiligung bei bestimmten Grunderkrankungen oder auch
nach langjährigen Arbeiten mit vibrierenden Maschinen. Ausgehend von dieser Unterscheidung haben sowohl Dr. K. als auch Dr.
St. dargelegt, dass im Fall des Klägers Vieles gegen das Vorliegen eines primären Raynaud-Syndroms spricht, und sonstige Gefäßveränderungen
berufsfremder Genese einzeln abgeprüft und als Ursache ausgeschlossen.
Dennoch konnte der Senat sich nicht die erforderliche Überzeugung davon verschaffen, dass die Erkrankung des Klägers berufsbedingt
ist. Dr. K. hat in seinem Gutachten vom 9. März 2009 nämlich auch Argumente gegen das Vorliegen einer vibrationsbedingten,
also beruflich verursachten Erkrankung genannt. Hinsichtlich der Latenzzeit von mehr als fünf Jahren nach Beendigung der beruflichen
Tätigkeit als Motorsägenführer hat er eingeräumt, dass eine retrospektive Ursachenforschung sich nicht selten schwierig gestalte.
Insoweit hat er insbesondere auf eine fehlende zeitnahe Erhebung von Daten hingewiesen. Wenn ärztliche Befunde nicht vorliegen,
können sie aber der Überzeugungsbildung des Senats nicht zugrunde gelegt werden. Der Hinweis, dass der Kläger im Rahmen der
nachfolgenden Tätigkeit als Dachdecker in den Wintermonaten überwiegend nicht tätig gewesen sei und daher einer geringeren
Kälteexposition ausgesetzt war, vermag auch nicht schlüssig zu erklären, warum erst 2004 das Erkrankungsbild ärztlich dokumentiert
wurde. Nach dem Merkblatt zur BK 2104 sind die Durchblutungsstörungen anfangs reversibel und verlieren sich bei fehlender
Exposition. Insoweit kann das Fehlen von dokumentierten Beschwerden nach 1995 nicht nur mit der geringeren Kälteexposition,
sondern auch mit der üblicherweise eintretenden Besserung bis hin zum völligen Verschwinden des Krankheitsbildes erklärt werden.
Der Kläger befand sich auch nach 1995 in ärztlicher Behandlung, unter anderem im März 1999 wegen einer Ellenbogenerkrankung
(Blatt 104 ff. des Verwaltungsvorganges). Auch in diesem Zusammenhang sind Beschwerden an den Händen nicht dokumentiert. Insoweit
bestehen Zweifel, ob den Sachverständigen zu folgen ist, die ausführen, dass sie trotz fehlender Dokumentation vom Vorliegen
eines Beschwerdebildes ausgehen. Warum ab 2004 das Krankheitsbild dokumentiert wird und sich weiter verschlechtert, obwohl
seit 2002 keine Berufstätigkeit mehr ausgeübt wird, vermag auch der Sachverständige Dr. K. nicht zu erklären. Sein eigener
Ansatz und der des Sachverständigen Dr. St., dass der Nikotinabusus des Klägers die grundsätzlich mögliche Reversibilität
der Erkrankung verhindert hat, mag vom Ausgangspunkt her zutreffen. Die Sachverständigen vernachlässigen hierbei aber, dass
dieser Erklärungsansatz voraussetzt, dass schon 1995 das Erkrankungsbild zumindest in Ansätzen vorlag. Davon kann sich der
Senat mangels Dokumentation aber nicht überzeugen. Soweit die Sachverständigen Dr. K. und Dr. St. in ihren Gutachten feststellen,
dass eine sonstige Gefäßerkrankung und insbesondere keine arteriosklerotischen Veränderungen von hämodynamischer Relevanz
diagnostiziert werden konnten, reicht dies für die Annahme einer berufsbedingten Erkrankung nicht aus. Allein der Ausschluss
anderer schicksalhafter Erkrankungen begründet keine hinreichende Wahrscheinlichkeit einer berufsbedingten Krankheitsgenese.
- Das Gutachten von Dr. K. vom 16. Dezember 2008 ist zur Beantwortung der Kausalitätsfrage unergiebig, weil nur festgestellt
wird, dass sich eine berufsbedingte Erkrankung entwickelt haben kann. Eine solche Möglichkeit reicht nicht aus.
Daraus folgt, dass wegen der erstmals im Jahre 2004 ärztlicherseits dokumentierten Beschwerden an den Händen gewichtige Zweifel
bestehen, die die Annahme einer berufsbedingten Genese der Erkrankung ernsthaft in Frage stellen. Der Senat kann sich daher
nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit davon überzeugen, dass die Erkrankung des Klägers an den Händen
auf seine berufliche Tätigkeit als Motorsägenführer in den Jahren 1973 bis 1995 zurückzuführen ist. Eine BK 2104 kann daher
nicht festgestellt werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 SGG liegen nicht vor.