Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist auch im Berufungsverfahren streitig, ob der Kläger einen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung
des Arzneimittels Valcyte® im Wege der Sachleistung hat.
Die 1959 geborene Klägerin beantragte am 15. April 2010 bei der Beklagten unter Vorlage eines Arztbriefes der - für Innere
Medizin und Dermatologie/Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Rheumatologie und Klinische Immunologie/Rheumatologische Fachambulanz
- vom 7. Januar 2010 die Kostenübernahme für "den Behandlungsversuch mit Valcyte". In dem Arztbrief äußerten die behandelnden
Ärzte den Verdacht auf CFS (Chronic-Fatique-Syndrom = Chronisches Erschöpfungssyndrom) infolge einer chronisch aktiven EBV (Epstein-Barr-Virus)-Infektion und empfahlen eine Verlaufskontrolle der EBV-PCR (Polymerase-Kettenreaktion) und der EBV-Serologie in drei Monaten. Bei wiederholt auffälliger EBV-PCR und -Serologie werde ein "Behandlungsversuch mit Valcyte (Valganciclovir), (Klein. Studie Kogelnik A, j. Clin. Virol,
S33-38, 2006)" empfohlen. Die Klägerin hatte sich am 29. Oktober 2009 in der Ambulanz zur Abklärung von persistierender Müdigkeit
und Erschöpfung vorgestellt und über Rückenschmerzen, Sodbrennen sowie unspezifische Eingeweideschmerzen, die sie nicht genau
lokalisieren und beschreiben konnte, geklagt. Außerdem legte sie einen Arztbrief des Universitätsklinikums D. - Klinik für
Kardiologie, Pneumologie und Angiologie - vom 6. Mai 2009 über ihre Vorstellung in der Kardiologischen Ambulanz am 23. April
2009 vor, in dem ein Chronic-Fatique-Syndrom, eine Hashimoto-Thyreoiditis, eine chronische Gastritis A, ein Asthma bronchiale
und eine EBV-Infektion diagnostiziert wurden. Die Vorstellung war zur weiteren kardialen Abklärung erfolgt. Die Klägerin klagte über eine
allgemeine Schwäche, Atemnot und Minderbelastung. Eine Koronarangiographie zeigte keinen Hinweis auf eine koronare Makroangiopathie.
Laborchemisch ergab sich kein Hinweis auf eine myokardiale Erkrankung. Es zeigte sich ein unauffälliger elektrokardiografischer
Befund in Ruhe. Auch echokardiografisch ergab sich kein Hinweis auf eine strukturelle kardiale Erkrankung. Die Spiroergometrie
ergab eine insgesamt leicht eingeschränkte kardiopulmonale Belastbarkeit. Zum definitiven Ausschluss einer mykardialen Beteiligung
wurde eine Kardio-MRT am Wohnort empfohlen. Die Beklagte legte die Unterlagen dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung
Th. e.V. (MDK) zur Prüfung vor. Dieser führte in seinem Gutachten vom 10. Mai 2010 durch Dr. med. M. W. aus, das Arzneimittel
Valcyte® mit dem Wirkstoff Valganciclovir sei in Deutschland zur Initial- und Erhaltungstherapie der Cytomegalievirus (CMV)-Retinitis
bei Aids-Patienten sowie zur Prophylaxe einer CMV-Erkrankung bei CMV-negativen Organtransplantatempfängem eines CMV-positiven
Spenders zugelassen. Eine Zulassung zur Behandlung eines chronischen Erschöpfungssyndroms oder einer chronisch aktiven EBV-Infektion bestehe nicht und sei bislang auch nicht beantragt worden. Im Fall der Klägerin solle Valganciclovir zur Behandlung
bei Verdacht auf eine chronisch aktive EBV-Infektion sowie im Rahmen der Verdachtsdiagnose eines chronischen Erschöpfungssyndroms verwendet werden. Eine lebensbedrohliche
oder tödliche Erkrankung im Sinne der Rechtsprechung liege allerdings nicht vor. Bei unbestätigtem Verdacht auf eine chronisch
aktive EBV-Infektion bestünde keine Behandlungsindikation. Wirksamkeit und Unbedenklichkeit einer Medikation mit Valganciclovir seien
bisher weder bei chronisch aktiver EBV-Infektion noch bei der Verdachtsdiagnose eines chronischen Müdigkeitssyndroms hinreichend untersucht worden. Die medizinische
Notwendigkeit einer Behandlung mit Valcyte® sei nicht nachvollziehbar.
Mit Bescheid vom 18. Mai 2010 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag auf Kostenübernahme für das Medikament Valcyte® ab.
Die Voraussetzungen für einen Off-Label-Use-Einsatz seien nicht gegeben, da keine Forschungsergebnisse vorlägen, die erwarten
ließen, dass das Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden könne. Den hiergegen gerichteten Widerspruch
vom 3. Juni 2010, den die Klägerin u.a. mit der nachhaltigen Beeinträchtigung der Lebensqualität begründete, wies sie mit
Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 2010 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 6. August 2010 vor dem Sozialgericht Gotha (SG) Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, dass ihr im Rahmen einer Untersuchung an der eine Behandlung mit Valcyte®
empfohlen wurde. Dass es sich zwischenzeitlich hinsichtlich des CFS um eine gesicherte Diagnose handele, ergebe sich aus den
Bestätigungen der Stadtverwaltung E. vom 1. Dezember 2010, der Dr. K. aus B. vom 28. Juli 2010, der Dr. W. von der vom 7.
Januar 2010, der H.-H.-Universität D. vom 6. Mai 2009 und der Privatpraxis Dr. d.B., D. vom 3. August 2009. Die Voraussetzungen
für einen Off-Label-Use-Einsatz seien erfüllt. Es bestehe fortlaufend eine nachhaltige Beeinträchtigung der Lebensqualität
durch Nichtbehandlung, da die Behandlungskosten sowie auch die Kosten für die Diagnostik von der gesetzlichen Krankenversicherung
nicht übernommen würden. Es sei keine andere Therapie verfügbar. Da es keine Datenlage zu der Anwendung von Valcyte® bei diesem
Krankheitsbild gebe, könne weder ein Erfolg noch ein Misserfolg vorausgesetzt werden, anderenfalls befände man sich im Bereich
der Hellseherei. Auch handele sich um eine die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung. Vordergründig
sei der Beklagten aufzugeben, die Kosten für Laborleistungen zur Überprüfung der von der erhobenen Blutwerte aufzuerlegen
und in Abhängigkeit von diesem Ergebnis eine Entscheidung zu treffen.
Dem ist die Beklagte entgegengetreten und hat geltend gemacht, dass unabhängig davon, ob die Diagnose chronisch aktive EBV-Infektion vorliege, es sich um einen zulassungsüberschreitenden Einsatz von Valcyte® handle. Die Voraussetzung für einen
Off-Label-Use seien nicht erfüllt, da die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von Valcyte® bisher weder bei Verdacht noch bei
nachgewiesener chronisch aktiver EBV-Infektion hinreichend untersucht worden sei. Sie hat insoweit auf ein weiteres Gutachten des MDK vom 17. März 2011 verwiesen,
in dem Dr. W. ausgeführt hat, dass auch ohne die Gabe von Valcyte® nicht in wenigen Wochen eine Verschlimmerung des Gesundheitszustandes
mit Todesfolge oder eine schwere irreversible Behinderung oder Pflegebedürftigkeit zu erwarten sei. Eine lebensbedrohliche
oder tödliche Erkrankung liege nicht vor.
Mit Gerichtsbescheid vom 16. Juni 2011 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass streitgegenständlich allein die Frage der Kostenübernahme für das
begehrte Medikament sei, da die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden allein hierüber entschieden habe. Ob die Beklagte
daneben zur Tragung der Kosten für Laboruntersuchungen zu verurteilen wäre, entziehe sich daher der Entscheidungsbefugnis
des SG. Es bestehe jedoch kein Kostenübernahmeanspruch für das begehrte Medikament, da dieses europaweit weder zur Behandlung eines
chronischen Erschöpfungssyndroms noch zur Behandlung einer EBV-Infektion zugelassen sei. Schließlich könne die Klägerin das begehrte Medikament auch nicht im Wege eines Off-Label-Use-Einsatzes
verlangen, da es sich weder bei dem chronischen Erschöpfungssyndrom noch bei der EBV-Infektion um eine schwerwiegende (lebensbedrohliche oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtige) Erkrankung
handele. Insoweit sei eine einschränkende Auslegung geboten, da sich sonst fast beliebig bewusst vom Gesetzgeber gezogene
Grenzen überschreiten ließen. Die Erkrankungen der Klägerin seien auch nicht im Sinne einer die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig
beeinträchtigenden Erkrankung als derart schwerwiegend anzusehen. Insoweit sei eine Vergleichbarkeit mit einer lebensbedrohlichen
Erkrankung erforderlich, die im Falle der Klägerin nicht gegeben sei. Darüber hinaus sei die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit
von Valcyte® bisher weder bei einem Verdacht noch bei nachgewiesener chronischer aktiver EBV-Infektion bzw. CFS hinreichend untersucht und nachgewiesen, so dass es sich dann um eine experimentelle Medikation und Behandlung
handeln würde, die allenfalls im Falle einer lebensbedrohlichen schweren Erkrankung in Erwägung gezogen werden könne, die
bei der Klägerin aber nicht vorliege.
Die Klägerin hat gegen den ihren Bevollmächtigten am 27. Juni 2011 zugestellten Gerichtsbescheid am 27. Juli 2011 Berufung
eingelegt. Zur Begründung verweist sie auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und macht darüber hinaus geltend, dass es einer
weiteren Stellungnahme der Ärzte der ....., die die Empfehlung für einen Behandlungsversuch mit Valcyte® ausgesprochen hätten,
zur Frage bedürfe, ob die Möglichkeit eines Behandlungserfolges bestehe. Außerdem habe das SG nicht ausreichend gewürdigt, inwieweit ihre Krankheit lebensbedrohlich sei und/oder ihre Lebensqualität auf Dauer nachhaltig
beeinträchtige. Durch die Ärzte der sei nunmehr die Verdachtsdiagnose eines CFS in eine bestätigte Diagnose umgewandelt worden.
Durch die Verweigerung des Zugangs zu jedweder Therapie und Behandlung ihrer Erkrankung werde unter Berücksichtigung der Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6. Dezember 2005 (Az.: 1 BvR 347/98) ihr Grundrecht aus Art.
2 Abs.
1 des
Grundgesetzes (
GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip sowie aus Art.
2 Abs.
2 Satz 1
GG beeinträchtigt. Sie hat diverse Unterlagen vorgelegt, darunter diverse Arztbriefe und Klinikberichte sowie eine Abhandlung
des Facharztes für Innere Medizin Dr. K. "Chronisches Müdigkeitssyndrom und Burnout" sowie ein amtsärztliches Gutachten der
Dr. P. vom 6. März 2012, erstellt "zwecks Beurteilung eines beantragten Mehrbedarfs bei kostenaufwändiger Ernährung im Widerspruchsverfahren
sowie Stellungnahme zur Erwerbsfähigkeit".
Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gotha vom 16. Juni 2011 sowie den Bescheid der Beklagten
vom 18. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Juni 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, sie
im Wege der Sachleistung mit dem Arzneimittel Valcyte® zu versorgen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf ihren bisherigen Vortrag sowie auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids.
Ergänzend äußert sie die Ansicht, dass die vom BVerfG im Beschluss vom 6. Dezember 2005 (Az.: 1 BvR 347/98) aufgestellten Grundsätze nicht erfüllt seien, da die Klägerin nicht an einer lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität
auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden Krankheit leide. Zudem bestehe kein Konsens in den medizinischen Fachkreisen über
eine Erfolgsaussicht der Therapie mit Valcyte® oder zumindest über eine positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Bis
heute lägen keine Daten aus einer randomisierten Phase-II- oder Phase-III-Studie zu Valganciclovir vor.
Der Berichterstatter des Senats hat mit den Beteiligten am 11. Juni 2012 einen Erörterungstermin durchgeführt. Hinsichtlich
der Einzelheiten wird auf die in der Gerichtsakte befindliche Niederschrift verwiesen. Er hat außerdem eine ärztliche Stellungnahme
der Prof. Dr. Sch. von der - für Innere Medizin und Dermatologie/Institut für Medizinische Immunologie/Immundefektsprechstunde
für Erwachsene - vom 7. September 2012 eingeholt.
Mit Schriftsätzen vom 22. September 2014 (Beklagte) und vom 11. Dezember 2014 (Klägerin) haben die Beteiligten auf die Durchführung
einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der
beigezogenen Verwaltungsakte, die Gegenstand der geheimen Beratung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten nach §
124 Abs.
2 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Urteil entscheidet, ist zulässig (§
151 SGG).
Sie ist jedoch unbegründet. Das angefochtene Urteil und die Bescheide der Beklagten sind im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Versorgung mit dem Arzneimittel Valcyte®.
Maßgebende Vorschrift für die behauptete Leistungspflicht der Beklagten im Bereich der Arzneimittelversorgung ist §
31 Abs.
1 Satz 1 des
Fünften Buches Sozialgesetzbuch (
SGB V). Die Beklagte ist nach §
27 Abs.
1 Satz 2 Nr.
3 SGB V i.V.m. §
31 Abs.
1 SGB V grundsätzlich zur Versorgung der bei ihr versicherten Klägerin mit den für eine Krankenbehandlung notwendigen Arzneimitteln
verpflichtet. Der Versorgungsanspruch eines Versicherten unterliegt allerdings den sich aus §
2 Abs.
1 SGB V und §
12 Abs.
1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst folglich nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität
und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen.
Arzneimittel sind mangels Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§§
2 Abs.
1 Satz 1,
12 Abs.
1 SGB V) dann nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nach §§
27 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 und
3,
31 Abs.
1 Satz 1
SGB V umfasst, wenn ihnen die erforderliche (§ 21 Abs. 1 Arzneimittelgesetz (AMG)) arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt. Dies ist hier, wie auch das SG zutreffend festgestellt hat, der Fall: Bei dem Wirkstoff Valganciclovir des begehrten Arzneimittels Valcyte® handelt es sich
um ein Virostatikum, das zur Behandlung von Cytomegalovirus (CMV)-bedingten Netzhautentzündungen (CMV-Retinitis), die das
Sehen gefährden, bei Patienten mit erworbenem Immunmangelsyndrom (Aids), oder zur Vorbeugung von CMV-Erkrankungen bei Patienten
nach einer Organtransplantation, weil bei ihnen das Immunsystem medikamentös gedämpft wird, um eine Abstoßung des transplantierten
Organs zu verhindern, zugelassen ist. Die Arzneimittelzulassung erstreckt sich jedoch nicht auf die Behandlung des bei der
Klägerin diagnostizierten CFS infolge einer chronisch aktiven EBV-Infektion; eine solche ist bislang auch nicht beantragt worden. Zur Behandlung dieser Erkrankungen gibt es nach der vom Senat
eingeholten Auskunft der vom 7. September 2012 bislang gar keine zugelassenen Virostatika.
Entgegen der Auffassung der Klägerin kann eine Versorgung mit Valcyte® auch nicht nach den Grundsätzen des sogenannten Off-Label-Use
erfolgen, da deren Voraussetzungen nicht vorliegen.
Ein Off-Label-Use kommt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG; vgl. z.B. Urteil vom 28. Februar 2008 - Az.: B 1 KR 15/07 R, nach juris) nur in Betracht, wenn es 1. um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität
auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, wenn 2. keine andere Therapie verfügbar ist und wenn 3. aufgrund
der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ)
erzielt werden kann. Abzustellen ist dabei auf die bereits im Zeitpunkt bzw. Zeitraum der Behandlung vorliegenden Erkenntnisse.
Der Senat lässt offen, ob das bei der Klägerin diagnostizierte CFS infolge einer chronisch aktiven EBV-Infektion eine schwerwiegende Erkrankung in dem vom BSG verstandenen Sinne darstellt und ob keine andere Therapie verfügbar ist. Jedenfalls liegt hier die dritte Voraussetzung nicht
vor. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse bis heute die begründete
Aussicht besteht, dass mit Valcyte® ein Behandlungserfolg hinsichtlich des bei der Klägerin diagnostizierten CFS infolge einer
chronisch aktiven EBV-Infektion erzielt werden kann. Von hinreichenden Erfolgsaussichten ist nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 28. Februar 2008 - Az.: B 1 KR 15/07 R, aaO.) zum Off-Label-Use nur dann auszugehen, wenn Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das (konkrete)
Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden kann. Dies kann angenommen werden, wenn entweder (a) die Erweiterung
der Zulassung bereits beantragt worden ist und Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III (gegenüber
Standard oder Placebo) veröffentlicht worden sind und eine klinisch relevante Wirksamkeit respektive einen klinisch relevanten
Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen oder (b) außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht
worden sind, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich
nachprüfbare Aussagen zulassen und aufgrund derer in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen
in dem vorgenannten Sinne besteht.
Daran fehlt es vorliegend. Selbst nach der Auskunft der vom 7. September 2012 liegen bis heute keine Daten aus einer randomisierten
Phase-II oder -III-Studie zu Valganciclovir vor. Aber auch wenn man mit der in der genannten Auskunft vom Vorliegen sonstiger
veröffentlichter Erkenntnisse, die über Qualität und Wirksamkeit von Valcyte® in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige,
wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zuließen, ausgehen wollte, folgt daraus nicht, dass aufgrund derer in den einschlägigen
Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne besteht. Nach der von der Beklagten im erstinstanzlichen
Verfahren vorgelegten Gutachten des MDK vom 17. März 2011 ist die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit einer Medikation mit Valganciclovir
bisher gerade noch nicht hinreichend untersucht worden, so dass sich für einen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen
für den Senat keine hinreichenden Anhaltspunkte ergeben.
Auch für einen sogenannten Seltenheitsfall, d.h. eine Krankheit, die weltweit nur extrem selten auftritt und die deshalb im
nationalen wie im internationalen Rahmen weder systematisch erforscht noch systematisch behandelt werden kann und bei der
deshalb für den Wirksamkeitsnachweis positive Forschungsergebnisse bzw. einem bestimmten Standard entsprechende wissenschaftliche
Fachveröffentlichungen nicht verlangt werden können, weshalb eine erweiterte Leistungspflicht der Krankenkassen in Betracht
zu ziehen wäre (vgl. BSG, Urteile vom 16. Dezember 2008 - Az.: B 1 KN 3/07 KR R und vom 28. Februar 2008 - Az.: B 1 KR 15/07 R, jeweils nach juris), hat der Senat keinerlei Anhaltspunkte und wird auch von der Klägerin nicht behauptet.
Schließlich ergibt sich der Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit den begehrten Medikament auch nicht aus der Rechtsprechung
des BVerfG zum Erfordernis einer verfassungskonformen Auslegung leistungsbeschränkender Vorschriften des
SGB V (vgl. Beschluss vom 6. Dezember 2005 - Az.: 1 BvR 347/98, BVerfGE 115, S. 25).
Zwar kann, da die Anwendung der genannten Maßstäbe in der extremen Situationen einer krankheitsbedingten Lebensgefahr mit
dem
Grundgesetz unvereinbar ist (so BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005, aaO.), ausnahmsweise unter folgenden engen, nunmehr in §
2 Abs.
1a SGB V normierten Voraussetzungen die Leistungspflicht der Krankenkassen gegeben sein:
1. Es handelt sich um eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung, bei der 2. keine allgemein anerkannte,
medizinischem Standard entsprechende Behandlung zur Verfügung steht und 3. eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende
Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.
In Anwendung dieser Voraussetzungen gilt im Falle der Klägerin Folgendes:
Unabhängig davon, dass die Erkrankungen die Lebensführung der Klägerin stark einschränken, leidet sie nicht unter einer lebensbedrohlichen
oder einer regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung. Der Senat kann auch nicht feststellen, dass ihre Erkrankung in Anwendung
der Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. Urteile vom 27. März 2007 - Az.: B 1 KR 30/06 R sowie vom 28. Februar 2008 - Az.: B 1 KR 15/07 R, jeweils nach juris) wertungsmäßig einer solchen, regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung gleich steht. Das BSG hat vielmehr ausdrücklich klargestellt, dass mit dem Kriterium einer Krankheit, die zumindest mit einer lebensbedrohlichen
oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung in der Bewertung vergleichbar ist, bewusst eine strengere Voraussetzung umschrieben
ist, als sie etwa mit dem Erfordernis einer "schwerwiegenden" Erkrankung für die Eröffnung des sog. Off-Label-Use formuliert
ist, für die eine dauerhafte Beeinträchtigung der Lebensqualität unter Umständen ausreichen kann (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 12/06, nach juris). Ohne einschränkende Auslegung ließen sich fast beliebig bewusst
vom Gesetzgeber gezogene Grenzen überschreiten, weil nahezu jede schwere Krankheit ohne therapeutische Einwirkung irgendwann
auch einmal lebensbedrohliche Konsequenzen nach sich zieht. Dies kann nicht ausreichen, da hieraus folgen würde, dass das
Leistungsrecht des
SGB V und die dazu ergangenen untergesetzlichen Regelungen nicht mehr als maßgebender rechtlicher Maßstab für die Leistungsansprüche
der Versicherten anzusehen wären (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 12/06, nach juris). Insoweit hat das BSG bei der Beurteilung dieser Frage mit einbezogen, ob sich die Gefahr eines tödlichen Krankheitsverlaufs schon in näherer oder
erst in ganz ferner, noch nicht genau absehbarer Zeit zu konkretisieren droht (vgl. BSG, Urt. vom 14. Dezember 2006 - Az.: B 1 KR 14/06 R, nach juris) und eine notstandsähnliche Situation im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik
gefordert. Ähnliches hat das BSG für den gegebenenfalls gleichzustellenden nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehoben
Körperfunktionen erwogen. So führt das BSG u.a. aus:
"Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 7 RdNr 31 - D-Ribose; zuletzt BSG, Urteil vom 14.12.2006 - B 1 KR 12/06 R - RdNr 17, Idebenone) ist mit dem Kriterium einer Krankheit, die zumindest mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich
verlaufenden Erkrankung in der Bewertung vergleichbar ist, eine strengere Voraussetzung umschrieben, als sie etwa mit dem
Erfordernis einer "schwerwiegenden" Erkrankung (vgl dazu BSGE 89, 184 ff = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 - Sandoglobulin) für die Eröffnung des sogenannten Off-Label-Use formuliert ist. Denn hieran knüpfen
weitergehende Folgen an. Ohne einschränkende Auslegung ließen sich fast beliebig vom Gesetzgeber bewusst gezogene Grenzen
überschreiten. Entscheidend ist, dass das vom BVerfG herangezogene Kriterium bei weiter Auslegung sinnentleert würde, weil
nahezu jede schwere Krankheit ohne therapeutische Einwirkung irgendwann auch einmal lebensbedrohende Konsequenzen nach sich
zieht. Das kann aber ersichtlich nicht ausreichen, das Leistungsrecht des
SGB V und die dazu bestehenden untergesetzlichen Regelungen nicht mehr als maßgebenden rechtlichen Maßstab für die Leistungsansprüche
der Versicherten anzusehen (vgl BSG, Urteil vom 26.9.2006 - B 1 KR 3/06 R - RdNr 34, Neuropsychologische Therapie). Deshalb hat der Senat bei einer Entscheidung darüber, ob im Rahmen verfassungskonformer
Auslegung der Einzelimport eines überhaupt nicht in Deutschland zugelassenen Mittels nach § 73 AMG zu Lasten der GKV möglich ist, in die Beurteilung einbezogen, ob sich die Gefahr eines tödlichen Krankheitsverlaufs schon
in näherer oder erst in ganz ferner, noch nicht genau absehbarer Zeit zu konkretisieren droht (vgl BSG, Urteil vom 14.12.2006 - B 1 KR 12/06 R - RdNr 19, Idebenone; zustimmend zur Begründung im BSG-Terminbericht Nr 68/06 BVerfG, 3. Kammer 1. Senat, Beschluss vom 6.2.2007 - 1 BvR 3101/06 - S 10), und eine notstandsähnliche Situation im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik
gefordert (vgl ebenda, RdNr 20). Er hat Ähnliches für den gegebenenfalls gleichzustellenden, nicht kompensierbaren Verlust
eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion erwogen (vgl ebenda). Von einer zwar durchaus schwerwiegenden,
aber nicht eine notstandsähnliche Situation begründenden Krankheit ist der erkennende Senat etwa bei einer Myopathie wegen
Myoadenylate-Deaminase-Mangels ausgegangen, die zu belastungsabhängigen, muskelkaterähnlichen Schmerzen, schmerzhaften Muskelversteifungen
und sehr selten zu einem Untergang von Muskelgewebe führt (vgl BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 7 RdNr 31 f - D-Ribose). Auch ein in schwerwiegender Form bestehendes Restless-Legs-Syndrom mit ganz massiven Schlafstörungen
und daraus resultierenden erheblichen körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen hat der Senat zwar als eine schwerwiegende,
nicht aber als eine Krankheit angesehen, die mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung
auf eine Stufe gestellt werden kann (vgl BSG, Urteil vom 26.9.2006 - B 1 KR 14/06 R - RdNr 11, 18 - Cabaseril, zur Veröffentlichung vorgesehen). In diesem Zusammenhang hat er darauf hingewiesen, dass selbst
hochgradige akute Suizidgefahr bei Versicherten grundsätzlich nicht bewirkt, dass sie Leistungen außerhalb des Leistungskatalogs
der GKV beanspruchen können, sondern nur spezifische Behandlung etwa mit den Mitteln der Psychiatrie (vgl ebenda, RdNr 19).
Auch ein Prostatakarzinom im Anfangsstadium ohne metastatische Absiedelungen hat der Senat nicht als ausreichend angesehen,
um eine verfassungskonforme Leistungsausweitung zu rechtfertigen (vgl BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 8 RdNr 36 - Interstitielle Brachytherapie)." (Urteil vom 27. März 2007 - Az.: B 1 KR 30/06 R, nach juris)."
In Anwendung dieser Grundsätze ist der Senat danach nicht davon überzeugt, dass das CFS bzw. die EBV-Infektion wertungsmäßig mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung auf eine Stufe gestellt
werden kann.
Die Berufung der Klägerin war nach alledem wie geschehen zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§
160 Abs.
2 SGG).