Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anwendung zweier unterschiedlich zu vergütender Diagnosis Related Groups (DRG) nach dem Fallpauschalenkatalog
2009.
Die Klägerin betreibt ein nach §
108 des
Fünften Buches Sozialgesetzbuch (
SGB V) zugelassenes Krankenhaus, in dem der Versicherte der Beklagten K.-H. L. (im Folgenden: Versicherter) vom 2. bis 24. Februar
2009 vollstationär behandelt wurde. In der Entlassungsanzeige nannte die Klägerin als Hauptdiagnose M48.06 Spinal(kanal)stenose:
Lumbalbereich, als Nebendiagnosen G95.1 (Vaskuläre Myelopathien), F11.1 (psychische und Verhaltensstörungen durch Opioide:
Schädlicher Gebrauch), K74.6 (sonstige und nicht näher bezeichnete Zirrhose der Leber), E26.0 (Primärer Hyperaldosteronismus),
E 66.09 (Adipositas durch übermäßige Kalorienzufuhr: Body-Mass-Index (BMI) nicht näher bezeichnet), F17.1 (psychische und
Verhaltensstörungen durch Tabak: schädlicher Gebrauch), I10.00 (Benigne essenzielle Hypertonie: ohne Angabe einer hypertensiven
Krise), M42.16 (Osteochondrose der Wirbelsäule beim Erwachsenen: Lumbalbereich), M54.16 (Radikulopathie: Lumbalbereich), R20.1
(Hypästhesie der Haut), R20.8 (Sonstige und nicht näher bezeichnete Sensibilitätsstörungen der Haut), Z96.6 (Vorhandensein
von orthopädischen Gelenkimplantaten), Z98.8 (Sonstige näher bezeichnete Zustände nach chirurgischen Eingriffen), D62 (Akute
Blutungsanämie). Des Weiteren benannte sie verschiedene Prozeduren nach dem Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS).
Für die stationäre Behandlung des Versicherten setzte die Klägerin nach dem auf G-DRGs (diagnosebezogene Fallgruppen) basierenden
Fallpauschalen-Katalog der G-DRG-Version 2009 die G-DRG I06A (Verschiedenartige komplexe Eingriffe an der Wirbelsäule oder
Korrektur einer Thoraxdeformität, Alter < 16 J. oder bei Para-/Tetraplegie mit äußerst schweren CC oder mit sehr komplexen
Eingriff bei schwerer entzündlicher Erkrankung) nebst Zuschlägen mit einer Vergütung von insgesamt 20.245,58 EUR (Rechnung
vom 28. Februar 2009) an. Die Beklagte zahlte diesen Betrag und beauftragte am gleichen Tag den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung
(MDK) Thüringen e.V. mit der Prüfung der Plausibilität der Nebendiagnose. In der sozialmedizinischen Stellungnahme vom 4.
März 2009 führte dieser aus, die Nebendiagnose (Claudicatio spinalis = vaskuläre Myelopathien) sei zwar vorhanden, verursache
aber keinen Aufwand im Sinne der Definition von Nebendiagnosen. Nach Einsicht in die vollständige Patientenakte gab der MDK
in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 15. Mai 2009 an, die von der Klägerin angegebenen Nebendiagnose F11.1 und
G95.1 könnten gutachterlich nicht bestätigt werden. Aus den Unterlagen ergäben sich keine Hinweise auf das Vorliegen dieser
Diagnosen bzw. deren Relevanz für den aktuellen stationären Aufenthalt im Sinne eines Ressourcenverbrauchs. Die von der Klägerin
abgerechnete G-DRG I06A sei nicht zutreffend. In einer weiteren Stellungnahme vom 4. Juni 2009 führte der MDK aus, zutreffend
sei die G-DRG: I06D (verschiedenartige komplexe Eingriffe an Wirbelsäule, Kopf und Hals ohne hochkomplexen oder sehr komplexen
Eingriff, ohne Wirbelkörperersatz, ohne schwere entzündliche Erkrankung, mit äußerst schwerem CC). Mit Schreiben vom 11. Juni
2009 teilte die Beklagte der Klägerin das Ergebnis der Prüfung mit und erklärte, es ergebe sich eine Kürzung des ursprünglichen
Rechnungsbetrages von 20.245,58 EUR um 4.428,02 EUR auf 15.817,56 EUR. Der gekürzte Betrag werde verrechnet.
Am 12. Mai 2011 hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Klage erhoben und vorgetragen, bei dem Versicherten habe ein ausgeprägtes Schmerzsyndrom bei einer Verengung des Spinalkanals
im Lendenwirbelsäulen(LWS)-Bereich bestanden. Es habe sich in zunehmenden lumbalen Schmerzen mit Ausstrahlung in die Beine
und auftretenden Kribbelparästhesien geäußert. Aufgrund dieser Beschwerdesymptomatik sei die Durchführung einer Fusionsoperation
indiziert gewesen und während der stationären Behandlung durchgeführt worden. Nach Abschluss der stationären Behandlung habe
sie die Claudicatio-Symptomatik als Nebendiagnose mit der ICD G95.1 verschlüsselt. Bei der ausführlichen Diagnostik habe sich
einer Spinalkanalstenose bei L2/3 und L3/4 sowie etwas milder bei L 4/5 gezeigt. Aufgrund der beschriebenen Beschwerdesymptomatik
mit Lumboischialgieschmerzen, Kribbelparästhesien und einer Einschränkung der Gehfähigkeit auf 50 m sei außerdem ein neurologisches
Konzil angefordert worden. Dieses habe das beschriebene Schmerzsyndrom (Claudicatio spinalis) sowie ein Lumbalsyndrom mit
L2 bis L3-Symptomatik links und L5/S1 links bestätigt. Der operative Eingriff sei am 9. Februar 2009 in Form einer poerolumbalen
intersomatischen Fusion L2 bis L5 erfolgt. U.a. habe im Rahmen der Operation aufgrund der Claudicatio spinalis eine sehr sorgfältige
und ausgedehnte Dekompression nach lateral unter Beiseite halten der Dura erfolgen müssen. Die Kodierung der Nebendiagnose
G.95.1 sei nach den allgemeinen Deutschen Kodierrichtlinien (DKR 2009) unter D003d korrekt gewesen. Es sei bereits das Erfordernis
eines Ressourcenaufwandes durch die Claudicatio spinalis erfüllt, weil diese ursächlich dafür gewesen sei, dass von einem
konservativen Therapieregime auf ein operatives Vorgehen gewechselt werden musste. Des Weiteren sei infolge der Claudicatio
spinalis eine ausgedehntere Dekompression erforderlich geworden. Folglich habe es sich auch um ein eigenständiges und wichtiges
Problem des Behandlungsfalls gehandelt. Nur durch die Angabe der Claudicatio spinalis als Nebendiagnose sei die korrekte Abbildung
des medizinischen Krankheitsbildes möglich. Die alleinige Angabe der Diagnose Spinalkanalstenose bilde das hier relevante
und für die Durchführung und die konkrete Art der Behandlung maßgebliche Schmerzsyndrom überhaupt nicht ab.
Die Kammervorsitzende hat die Beklagte mit Verfügung vom 1. November 2011 aufgefordert, binnen drei Wochen zur Klageschrift
Stellung zu nehmen und die Leistungsakte zu übersenden; nach Fristablauf werde nach Lage der Akten entschieden. Mit Verfügung
vom 19. Dezember 2011 hat sie die Beteiligten darauf hingewiesen, dass sie beabsichtige, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid
zu entscheiden. Die Klage erscheine nach derzeitigem Sachstand als begründet. Mit Gerichtsbescheid vom 12. Januar 2012 hat
das SG die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 4.428,02 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 v.H. über dem jeweiligen Basiszinssatz
seit dem 23. Juni 2009 zu zahlen. Die Kammer habe keine Zweifel daran, dass die Endabrechnung der Klägerin zutreffend sei
und die Fallpauschale G-DRG I06A eingesetzt werden konnte. Die Klägerin habe schlüssig dargelegt, welche Haupt- und Nebendiagnosen
zu verschlüsseln waren und damit schlüssig vorgetragen, dass nach der Festlegung der Nebendiagnose Claudicatio spinalis die
durchgeführte Operation veranlasst gewesen sei. Demgegenüber erschöpften sich die Stellungnahmen des MDK darin, dass die abgerechnete
Fallpauschale nicht zutreffend sei, weil die Nebendiagnose nicht erlösrelevant sei.
Im Berufungsverfahren trägt die Beklagte vor, durch die Kodierung der Diagnose G95.1 werde kein Schmerzsyndrom abgebildet.
Die Diagnose bedeute übersetzt: "Eine die Blutgefäße betreffende Schädigung des Rückenmarks". Dies habe jedoch mit einem Schmerzsyndrom
nichts zu tun. Dieses könne gegebenenfalls die Folge einer Myelopathie sein. Die Schädigung des Rückenmarks in Form einer
Stenose werde bereits über die Hauptdiagnose M48.06 Spinal(kanal)stenose abgebildet. Alle Erkrankungen des Versicherten würden
nach der Stellungnahme des MDK vom 14. Mai 2009 über die Hauptdiagnose und weitere Nebendiagnosen hinreichend abgebildet.
Aller Ressourcenaufwand sei allein auch zur Behandlung dieser Erkrankungen entstanden. Für die angegebenen Nebendiagnosen
G95.1 und F11.1 hätten sich aus den Unterlagen keine Hinweise auf deren Vorliegen bzw. deren Relevanz für den stationären
Aufenthalt im Sinne eines Ressourcenverbrauchs ergeben. Durch die Angabe der ICD-10-GM G.95.1 komme es zu einer Redundanz
zur Hauptdiagnose M48.06, da auch diese eine Schädigung, in diesem Fall die Stenose des Spinalkanals, abbilde. Entsprechend
der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 18. September 2008 - Az.: B 3 KR 15/07 R) habe die Kodierung monokausal zu erfolgen. Nach einem Gutachten des MDK vom 3. März 2014 sei nach einer operativen Beseitigung
der Stenose des Spinalkanals normalerweise auch das Symptom der Claudicatio spinalis nicht mehr vorhanden. Hierbei handele
es sich nicht um eine eigenständige Erkrankung des Rückenmarks, in welcher der Kode G95.1 - Vaskuläre Myelopathie - im Systematischen
Verzeichnis der ICD-10-GM 2009 geführt werde. Bei dem Versicherten habe weder klinisch eine Myelopathie vorgelegen, noch seien
die im systematischen Verzeichnis unter der G95.1 aufgeführten Krankheitszustände vorhanden gewesen; eine anderweitige durch
Blutgefäßpathologien bedingte Schädigung des Rückenmarks sei nicht nachgewiesen worden. Die Magnetresonanztomographie (MRT)
der LWS des Versicherten habe ein unauffälliges Myelon beschrieben, so dass auch aus radiologischer Sicht eine Erkrankung
des Rückenmarks nicht habe belegt werden können. Dass der Suchbegriff Claudicatio spinalis im Alphabetischen Verzeichnis in
die G 95.1 geführt habe, sei fachlich nicht korrekt und durch das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information
(DIMDI) bereits korrigiert worden (ICD-10-GM-2013). Abgesehen davon sei für die korrekte Kodierung das Systematische Verzeichnis
der ICD-10-GM maßgeblich.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gotha vom 12. Januar 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, nicht die bei dem Versicherten bestehende Spinalkanalstenose, sondern erst die Claudicatio spinalis-Symptomatik
habe die Indikation für ein operatives Vorgehen gegeben. Eine Spinalkanalstenose sei grundsätzlich konservativ behandlungsfähig.
Des Weiteren bestimme die DKR Version 2009, dass auch Symptome einer Erkrankung als Nebendiagnose zu kodieren seien, und zwar
dann, wenn sie ein eigenständiges wichtiges Problem für die medizinische Betreuung darstellten. Dies sei hier der Fall. Das
zitierte Urteil des BSG betreffe im Gegensatz zu diesem streitigen Fall den Operationen- und Prozedurenschlüssel.
Der Senat hat ein Gutachten des Arztes E. vom 27. November 2013 eingeholt. Er führt zusammenfassend aus, da neben einer lumbalen
Spinalkanalstenose mit dem ICD-10-Kode M48.06 eine durch zusätzliche Diagnostik und neurologische Defizite bewiesene Claudicatio
spinalis vorgelegen habe, sei diese auch notwendigerweise mit dem ICD-10-Kode G95.1 zu verschlüsseln. Die inhaltlich korrekte
Verbindung des ICD-Kodes M48.06 mit dem ICD-Kode G95.1 ergebe beim Groupen zur Feststellung der DRG-Fallpauschale folgerichtig
die Fallpauschale I06A mit einem Gesamterlös in Höhe von 19.939,46 EUR.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozess- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen,
der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
Der Senat weist zur Vollständigkeit darauf hin, dass das SG durch die Kammervorsitzende als Einzelrichterin mit Gerichtsbescheid ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter (§
12 Abs.
1 Satz 2 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG)) entschieden hat, obwohl die Voraussetzungen nach §
105 Abs.
1 Satz 1
SGG nicht vorgelegen haben. Danach kommt ein Gerichtsbescheid nur in Betracht, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten
tatsächlicher und rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Der Sachverhalt war nach den Ausführungen in den
Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils nicht geklärt, sondern lediglich durch die Klägerin schlüssig vorgetragen.
Dies reicht für eine Entscheidung im sozialgerichtlichen Verfahren nicht aus, weil das Gericht den Sachverhalt nach §
103 SGG von Amts wegen erforschen muss. Durch die Entscheidung des Senats wird dieser Fehler allerdings geheilt.
Streitgegenstand ist der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung in Höhe von 4.428,02 EUR. Diesen Anspruch macht
sie zu Recht mit der (echten) Leistungsklage nach §
54 Abs.
5 SGG geltend. Die Klage eines Krankenhausträgers - wie der Klägerin - auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gegen
eine Krankenkasse ist ein Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in
Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und keine Klagefrist zu beachten ist (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - Az.: B 1 KN 3/08 KR R m.w.N., nach juris). Der ursprünglich entstandene Anspruch der Klägerin
auf Vergütung der stationären Krankenhausbehandlung eines anderen Versicherten erlosch dadurch in Höhe von 4.428,02 EUR, dass
die Beklagte wirksam mit ihrem Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung des Versicherten
aufrechnete. Der Klägerin stand kein Anspruch auf eine weitere Vergütung in Höhe des Differenzbetrages zwischen der DRG I06A
Version 2009 und DRG I06D Version 2009 zu.
Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass der Klägerin aufgrund der Behandlung eines Versicherten zunächst ein Anspruch
auf die abgerechnete Vergütung zustand; eine nähere Prüfung des erkennenden Senats ist daher nicht erforderlich (vgl. zur
Zulässigkeit dieses Vorgehens z.B. BSG, Urteil vom 3. Juli 2012 - Az.: B 1 KR 16/11 R, nach juris). Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit
Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes (§
109 Abs.
4 Satz 3
SGB V), wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und i.S.v. §
39 Abs.
1 Satz 2
SGB V erforderlich ist (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. z.B. Urteil vom 17. Dezember 2013 - Az.: B 1 KR 57/12 R m.w.N., nach juris). Die Krankenhausvergütung bemisst sich nach den in Rechnung gestellten vertraglichen Fallpauschalen auf
gesetzlicher Grundlage (vgl. BSG, Urteil vom 8. November 2011 - Az.: B 1 KR 8/11 R, nach juris).
Der Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung eines Versicherten der Beklagten erlosch dadurch in Höhe von 4.428,02
EUR, dass sie wirksam mit ihrem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung
des Versicherten analog §
387 des
Bürgerlichen Gesetzbuches (
BGB) aufrechnete. Der Vergütungsanspruch und der von der Beklagten aufgerechnete öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch waren
fällig und der Vergütungsanspruch der Klägerin erfüllbar. Die Voraussetzungen des Gegenanspruchs aus öffentlich-rechtlicher
Erstattung in Höhe von 4.428,02 EUR waren erfüllt, weil die von der Beklagten bezahlte Rechnung über die Behandlung des Versicherten
um diesen Betrag überhöht war und sie diesen ohne Rechtsgrund an die Klägerin gezahlt hat.
Rechtsgrundlage des von der Beklagten abgerechneten und von der Klägerin durch Zahlung erfüllten Vergütungsanspruchs aus der
im Jahr 2009 erfolgten stationären Behandlung des Versicherten ist §
109 Abs.
4 Satz 3
SGB V (i.d.F. durch Art. 1 Nr. 3 des Fallpauschalengesetzes (FPG) vom 23. April 2002, BGBl I, 1412) i.V.m. § 7 Satz 1 Nr. 1 des Krankenhausentgeltgesetzes ((KHEntgG), i.d.F. durch Art. 2 Nr. 5 des Zweiten Fallpauschalenänderungsgesetzes (2. FPÄndG) vom 15. Dezember 2004, BGBl I 3429) sowie § 17b des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG, i.d.F. durch Art. 18 Nr. 4 GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) vom 26. März 2007, BGBl I Seite 378). Nach § 7 KHEntgG werden die Leistungen der Krankenhäuser (u.a.) durch die Abrechnung von Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten
Entgeltkatalog abgerechnet. Diese Entgelte vergüten nach § 7 Satz 2 KHEntgG alle allgemeinen Krankenhausleistungen. Der Anspruch
wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge, Fallpauschalenvereinbarung (FPV)) konkretisiert. Die Spitzenverbände
der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung vereinbaren gemeinsam nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG
(i.d.F. durch Art. 5 FPG) mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung für
die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie die Regelungen
zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner
vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in den FPV auf der Grundlage des § 9 Satz 1 Nr. 3 KHEntgG (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - Az.: B 1 KR 57/12 R). Dieses Vergütungssystem orientiert sich an einem international bereits eingesetzten Vergütungssystem auf der Grundlage
der Diagnosis Related Groups (DRG) und ist jährlich weiterzuentwickeln und anzupassen. Das Vergütungssystem der allgemeinen
Krankenhausleistungen soll nach § 17b Abs. 1 Satz 1 KHG durchgängig, leistungsorientiert und pauschalierend sein. Dieses auf Vereinbarungen zwischen dem Spitzenverband Bund der
Krankenkassen und der Deutschen Krankenhausgesellschaft beruhende Vergütungssystem wurde nach § 17b Abs. 6 Satz 1 KHG verbindlich für alle Krankenhäuser zum 1. Januar 2004 eingeführt.
Der in Ausführung dieser gesetzlichen Verpflichtung vereinbarte Fallpauschalenkatalog sieht für die Zuordnung eines bestimmten
Behandlungsfalls zu einer DRG zwei Schritte vor: Zunächst ist die durchgeführte Behandlung nach Gegenstand und prägenden Merkmalen
nach einem vom DIMDI herausgegebenen Kode zu verschlüsseln. Dazu haben die Vertragspartner Kodierrichtlinien beschlossen,
die ebenfalls jährlich überprüft und angepasst werden. Der sich ergebende Kode ist in zu diesen Zwecken entwickelte Computerprogramme
(sog. Grouper) einzugeben, die dann nach bestimmten vorgegebenen, vom Krankenhaus nicht zu beeinflussenden Kriterien die Zuordnung
zu einer bestimmten DRG vornehmen. Aus dieser wird dann nach Maßgabe des Fallpauschalenkatalogs und der Pflegesatzvereinbarung
die von dem Krankenhaus zu zahlende Vergütung berechnet (vgl. BSG, Urteil vom 8. November 2011 - Az.: B 1 KR 8/11 R, nach juris). Nach der Rechtsprechung des 1. und 3. Senats des BSG ist der ausdifferenzierte Algorithmus, mit dem die verschlüsselten Prozeduren und Diagnosen in eine bestimmte DRG "übersetzt"
werden, einer wertenden Betrachtung im Einzelfall nicht zugänglich. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung
von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut
sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen
belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen
Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht. Da das DRG-basierte Vergütungssystem
vom Gesetzgeber als jährlich weiter zu entwickelndes und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden
Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen
(vgl. BSG, Urteil vom 8. November 2011, aaO., m.w.N.).
Maßgebend sind hier die Fallpauschalenvereinbarung 2009 und die DKR in der Version 2009. Die Beklagte durfte die erfolgte
stationäre Behandlung des Versicherten - ausgehend von den generellen Vorgaben - nicht nach der G-DRG I06A abrechnen, sondern
nur nach der G-DRG I06D. Hierbei ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Grouper bei Kodierung der ICD-10-GM M48.06
als Hauptdiagnose und u.a. der ICD-10-GM G95.1 als Nebendiagnose die DRG I06A und ohne diese Nebendiagnose die DRG I06D ansteuert.
Den DKR Version 2009 (D002f) wird die Hauptdiagnose definiert als "Die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt
wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist". Unter
dem Punkt "Zuweisung der zu Grunde liegenden Krankheit als Hauptdiagnose" wird ausgeführt: "Wenn sich der Patient mit einem
Symptom vorstellt und die zu Grunde liegende Krankheit zum Zeitpunkt der Aufnahme bekannt ist und behandelt wird bzw. während
des Krankenhausaufenthalts diagnostiziert wird, so ist die zu Grunde liegende Krankheit als Hauptdiagnose zu kodieren. Wenn
sich der Patient mit einem Symptom vorstellt und die zu Grunde liegende Krankheit zum Zeitpunkt der Aufnahme bekannt ist,
jedoch nur das Symptom behandelt wird, ist das Symptom als Hauptdiagnose und die zu Grunde liegende Krankheit als Nebendiagnose
zu kodieren."
Die Klägerin hat nach der Variante 1 die Spinalkanalstenose als Hauptdiagnose kodiert. Bei der (lumbalen) Spinalkanalstenose
besteht eine relative oder absolute Enge des Spinalkanals. Symptome einer Claudicatio spinalis (neurologische Symptome) treten
belastungs- und haltungsabhängig auf. Diese zeigt sich in Funktionseinschränkungen bezüglich der zu bewältigenden Gehstrecke
bzw. einer belastungsabhängigen Kraftminderung der Beine (vgl. http://www.uni-duesseldorf.de/awmf/II/033-017.html, Leitlinie
zur lumbalen Spinalkanalstenose, vgl. auch http://www.dimdi.de/dynamic/de/suche.html - 19 Rhön Klinikum AG vom 14. August
2007). Die Voraussetzungen für die Kodierung der ICD-10-GM G95.1 als Nebendiagnose liegen nicht vor. Voraussetzung hierfür
ist zunächst das Vorliegen der in der ICD-10-GM G95.1 genannten Erkrankungen bzw. Krankheitszustände. Erst dann ist zu prüfen,
ob die weiteren Voraussetzungen nach der DKR Version 2009 (D003d) für die Kodierung als Nebendiagnose vorliegen. Darin wird
die Nebendiagnose definiert als: "Eine Krankheit oder Beschwerde, die entweder gleichzeitig mit der Hauptdiagnose besteht
oder sich während des Krankenhausaufenthaltes entwickelt." Für Kodierungszwecke müssen Nebendiagnosen als Krankheiten interpretiert
werden, die das Patientenmanagement in der Weise beeinflussen, dass irgendeiner der folgenden Faktoren erforderlich ist: &8729;
therapeutische Maßnahmen &8729; diagnostische Maßnahmen &8729; erhöhter Betreuungs-, Pflege- und/oder Überwachungsaufwand.
Ein Symptom wird nicht kodiert, wenn es im Regelfall als eindeutige und unmittelbare Folge mit der zu Grunde liegenden Krankheit
vergesellschaftet ist. Stellt ein Symptom jedoch ein eigenständiges, wichtiges Problem für die medizinische Betreuung dar,
so wird es als Nebendiagnose kodiert. In der ICD-10-GM G.95.- werden "Sonstige Krankheiten des Rückenmarks Exkl.: Myelitis
(G04.-)" definiert. In der ICD-10-GM G95.1 heißt es:
"Vaskuläre Myelopathien Akuter Rückenmarkinfarkt (embolisch) (nichtembolisch) Aterielle Thrombose des Rückenmarks Hämatomyelie
Nichteitrige intraspinale Phlebitis und Thrombophlebitis Rückenmarködem Subakute nekrotisierende Myelopathie
Exkl.: Intraspinale Phelebitis und Thrombophlebitis, ausgenommen nichteitrig (G08)
Eine vaskuläre Myelopathie bzw. die genannten Krankheitszustände lagen bei dem Versicherten nach den Gutachten des MDK (zuletzt
vom 3. März 2014) nicht vor. Vaskuläre Myelopathie ist eine Schädigung des Rückenmarks, die durch Kompression, Durchblutungsstörungen
oder ionisierende Strahlung hervorgerufen wird (Gutachten des Sachverständigen E. vom 27. November 2013). Eine vaskuläre Myelopathie
oder eine anderweitige durch Blutgefäßpathologien bedingte Schädigung des Rückenmarks ist bei dem Versicherten nicht nachgewiesen
worden. Das MRT der LWS des Versicherten beschrieb ein unauffälliges Myelon, so dass auch aus radiologischer Sicht eine Erkrankung
des Rückenmarks nicht belegt werden konnte. Letztendlich behauptet die Klägerin dies auch nicht. Bei der Claudicatio spinalis
handelt es sich nicht um eine sonstige (eigenständige) Erkrankung des Rückenmarks. Sie ist ein Symptom der Spinalkanalstenose.
Der Sachverständige E. räumt ein, dass die Zuordnung der Claudicatio spinalis zu dieser ICD-10-GM problematisch ist und verweist
auf ein Schreiben des DIMDI aus dem Jahr 2009. Danach stimmt die Zuordnung der Claudicatio spinalis zur Schlüsselnummer G95.1
(nur über das Alphabetische Verzeichnis zur ICD-10-GM 2009) mit derjenigen überein, wie sie auch in der Internationalen Ausgabe
der WHO vorgenommen wird. Allerdings weist das DIMDI auch darauf hin, dass falls beispielsweise bei einem Patienten eine Spinalkanalstenose
als Ursache der Symptomatik vorliegt - wie hier -, entsprechend spezifisch kodiert werden sollte. Dass der Suchbegriff Claudicatio
spinalis im Alphabetischen Verzeichnis in die ICD-10-GM G95.1 führte (geändert durch ICD-10-GM ab 2013), kann nach der Überzeugung
des Senats nicht entscheidend sein, wenn tatsächlich eine Vaskuläre Myelopathie nach ICD-10-GM G95.1 nicht vorlag. Vergütungsregelungen
sind nach der bereits zitierten Rechtsprechung des BSG stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und
Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht. Insoweit folgt der Senat der Schlussfolgerung im Gutachten des Sachverständigen
E. nicht, wonach mangels Alternativen die Claudicatio spinalis der Schlüsselnummer ICD-10-GM G95.1 zuzuordnen ist. Nach den
DKR (D014d) unterstützt das Alphabetische Verzeichnis der ICD-10-GM (lediglich) die Verschlüsselung nach dem Systematischen
Verzeichnis inklusive des Kreuz-Sterne-Systems und der Zusatzschlüsselnummern. Maßgeblich für die Kodierung ist stets das
Systematische Verzeichnis. Dies ist entgegen der Auffassung des Sachverständigen E. nicht nur dann der Fall, wenn das Alphabetische
Verzeichnis zu einem unspezifischen Kode führt. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob die Voraussetzungen für die Kodierung
der Nebendiagnose nach den Kodierrichtlinien im Übrigen vorliegen. Der Argumentation der Klägerin ist entgegenzuhalten, wenn
ein operatives Vorgehen tatsächlich nicht erfolgt, weil keine Claudicatio spinalis vorliegt, wäre auch die Hauptdiagnose ICD-10-GM
M48.06 nicht abrechenbar.
Weitere Einwendungen gegen den Erstattungsanspruch hat die Klägerin nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich. Es
liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beklagte in Kenntnis ihrer Nichtschuld leistete und deshalb die Erstattung
ohne Rechtsgrund gezahlter Krankenhausvergütung in entsprechender Anwendung des §
814 des
Bürgerlichen Gesetzbuches (
BGB) ausgeschlossen ist (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2014 - Az.: B 1 KR 2/13 R, nach juris).
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.