Krankenhausvergütung
Versichertes Mitglied
Zahlungsverpflichtung für Nichtversicherte aufgrund Kostenübernahmeerklärung
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um Krankenhausvergütung.
Der 1956 geborene ledige H. L. (im Folgenden: H.L.) war bei der Beklagten ab dem 9. Juli 2008 versichert. Am 17. Januar 2011
erfolgte eine rückwirkende Abmeldung des H.L. bei der Beklagten zum 31. Dezember 2010.
In der Zeit vom 12. bis 17. Januar 2011 wurde H.L. bei der Klägerin, die ein nach §
108 des
Fünften Buches Sozialgesetzbuch (
SGB V) zugelassenes Krankenhaus betreibt, stationär behandelt. Er gab gegenüber der Klägerin an, bei der Beklagten versichert zu
sein. Aufgrund einer Aufnahmeanzeige vom 12. Januar 2011 erklärte die Beklagte gegenüber der Klägerin am 14. Januar 2011 per
Datenträgeraustausch (DTA) eine nicht befristete Kostenübernahme für die stationäre Behandlung des H.L. Die Krankenversicherungskarte
sei gültig bis Juni 2013. Die Zahlung der zunächst am 20. Januar 2011 per DTA übermittelten Rechnung lehnte die Beklagte am
2. Februar 2011 ab; H.L. sei nicht bei ihr versichert. Die Inanspruchnahme des H.L. durch die Klägerin scheiterte daran, dass
dieser ihr mitteilte, er sei bei der Beklagten versichert. Daraufhin wandte sich die Klägerin am 6. September 2011 an die
Beklagte und übermittelte ihr erneut die Endabrechnung über 7.604,72 EUR. Die Beklagte lehnte die Zahlung der Rechnung mit
der Begründung ab, H.L. sei während seines stationären Aufenthalts im Krankenhaus der Klägerin nicht mehr bei ihr versichert
gewesen. Die nachfolgende Feststellung eines nicht bestehenden Versicherungsschutzes befreie sie von der Zahlungspflicht nach
§
6 Abs.
5 des Vertrages nach §
112 Abs.
2 Nr.
1 SGB V Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung (im Folgenden: KHBV), gültig seit dem 1. Januar 2004.
Am 8. November 2011 hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Klage auf Zahlung von 7.604,72 EUR nebst Zinsen erhoben und vorgetragen, die Beklagte habe ihre Zahlungspflicht mit der
vorbehaltlosen Kostenübernahmeerklärung dem Grunde nach anerkannt. Sie könne deshalb nun nicht nachträglich einwenden, der
Versicherte sei im Laufe der stationären Behandlung nachträglich mit der Wirkung abgemeldet worden, dass von Beginn an kein
Versicherungsverhältnis bestanden habe. Der Zweck der deklaratorischen Kostenübernahmeerklärung liege gerade darin, das Vorliegen
bestimmter, den Vergütungsanspruch des Krankenhauses begründender Voraussetzungen, nämlich insbesondere die Versicherteneigenschaft,
zu klären. § 6 Abs. 5 KHBV betreffe ausschließlich fingierte Kostenübernahmeerklärungen. Die Beklagte ist dem entgegengetreten
und hat weiter auf § 6 Abs. 7 KHBV Bezug genommen, wonach sie nicht leistungspflichtig sei, sofern kein gesetzlicher Krankenversicherungsschutz
bestehe.
Mit Gerichtsbescheid vom 22. November 2012 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, ein Anspruch des H.L. gegenüber der Beklagten auf Krankenhausbehandlung
habe nicht bestanden. Die Weigerung des H.L. zur Zahlung der Krankenhausbehandlungskosten führe jedenfalls nicht zur Zahlungspflicht
der Beklagten. Ein schuldbegründendes Schuldanerkenntnis liege nicht vor.
Im Berufungsverfahren wiederholt und vertieft die Klägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen. Es sei weder unstreitig, noch
wegen der nach §
19 SGB V bestehenden Nachversicherungspflicht von einem Monat wahrscheinlich, dass das Versicherungsverhältnis des H.L. zum 31. Dezember
2010 geendet habe. Schließlich habe die Kostenübernahmeerklärung der Beklagten die Wirkung eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses.
Sie verweist auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG).
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gotha 22. November 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 7.604,72
EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 23. September 2011 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
Sie trägt vor, ihr sei nicht bekannt, wo H.L. seit dem 1. Januar 2011 versichert sei. Ein entsprechendes Anschreiben habe
er nicht beantwortet. Daher greife auch der Hinweis der Klägerin auf §
19 Abs.
2 SGB V nicht, denn ein nachgehender Leistungsanspruch komme allenfalls dann in Betracht, wenn anderweitig keine Mitgliedschaft bestehe.
Bei Abgabe der Kostenübernahmeerklärung sei ihr nicht bekannt gewesen, dass H.L. nicht mehr bei ihr versichert sei. Bezüglich
des geltend gemachten Zinsanspruchs verweist sie auf die "Vorläufige Entgeltvereinbarung für Krankenhäuser im Freistaat Thüringen
für das Jahr 2011 nach § 12 KHEntgG" vom 23. April 2012 (im Folgenden: Vorläufige Entgeltvereinbarung), nach dessen §
8 (Rechnungslegung und Zahlungsweise) Verzugszinsen unter den Voraussetzungen des §
286 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (
BGB) in Höhe des Basiszinssatzes gemäß §
247 BGB berechnet werden können.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozess- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen,
der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist bezüglich der Vergütungsforderung begründet, bezüglich der Zinsen teilweise begründet.
Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 7.604,72 EUR nebst Zinsen in Höhe des Basiszinssatzes.
Streitgegenstand ist der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung der Vergütung für die vollstationäre Behandlung
des H.L. in Höhe von 7.604,72 EUR. Diesen Anspruch macht sie zu Recht mit der (echten) Leistungsklage nach §
54 Abs.
5 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) geltend. Die Klage eines Krankenhausträgers - wie hier der Klägerin - auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten
gegen eine Krankenkasse ist ein Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht
in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und keine Klagefrist zu beachten ist (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - Az.: B 1 KN 3/08 KR R m.w.N., nach juris).
Rechtsgrundlage des geltend gemachten und der Höhe nach unstreitigen Vergütungsanspruchs der Klägerin ist §
109 Abs.
4 Satz 3
SGB V i.V.m. dem KHBV. Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar
mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes (§
109 Abs.
4 Satz 3
SGB V), wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und i.S.v. §
39 Abs.
1 Satz 2
SGB V erforderlich ist (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. z.B. Urteil vom 17. Dezember 2013 - Az.: B 1 KR 57/12 R m.w.N., nach juris). Die Zahlungsverpflichtung setzt aber voraus, dass der Patient während der stationären Behandlung versichert
war; dabei dürfen gesetzliche Krankenkassen Leistungen grundsätzlich nur an ihre Mitglieder und deren mitversicherte Familienangehörige
erbringen (vgl. §§
5,
9,
10 SGB V; Ausnahme: §
19 Abs.
2 und Abs.
3 SGB V). H.L. war bis zum 31. Dezember 2010 bei der Beklagten versichert. Es kann an dieser Stelle dahinstehen, ob er ab dem 1.
Januar 2011 mangels anderweitigen Versicherungsschutzes einen nachgehenden Leistungsanspruch nach §
19 Abs.
2 SGB V hatte, der die streitige Krankenhausbehandlung umfassen würde.
Ein Vergütungsanspruch der Klägerin ergibt sich jedenfalls aus der Kostenübernahmeerklärung der Beklagten vom 14. Januar 2011.
Hierzu führt das BSG in seinem Urteil vom 12. November 2003 - Az.: B 3 KR 1/03 R aus:
"Mit der vorbehaltlosen Kostenübernahmeerklärung erkennt die KK ihre Zahlungspflicht dem Grunde nach an. Die Erklärung ist
allerdings, wie dargelegt, für die Entstehung der Zahlungspflicht nicht konstitutiv; diese entsteht bereits mit der Inanspruchnahme
der Leistungen des Krankenhauses durch den Versicherten. Aus der Tatsache, dass die Partner des SVtr eine besondere Kostenübernahmeerklärung
für erforderlich hielten, wird aber deutlich, daß sie ihr eine eigenständige Bedeutung beigemessen haben. Das Krankenhaus
soll im Interesse einer zügigen Durchführung der Krankenhausbehandlung davon ausgehen können, daß die bei Abgabe der Kostenzusage
feststellbaren Voraussetzungen der Eintrittspflicht der KK vorliegen, zu denen insbesondere die Versicherteneigenschaft des
Patienten zählt. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird das Vorliegen bestimmter, den Vergütungsanspruch des Krankenhauses
begründender Tatbestandsvoraussetzungen vorab festgestellt. Die Kostenübernahmeerklärung hat damit die Wirkungen eines sog
deklaratorischen Schuldanerkenntnisses im Zivilrecht. Angesichts der Tatsache, daß die KK nur eine gesetzlich begründete und
vertraglich näher ausgeformte Pflicht erfüllen will, kann nicht davon ausgegangen werden, daß sie mit der Kostenübernahmeerklärung
zusätzlich einen eigenständigen Verpflichtungsgrund begründet (anders Eicher/Estelmann, DOK 1992, 134, 141, die von einem
abstrakten Schuldanerkenntnis ausgehen). Folge des Schuldanerkenntnisses ist im Verhältnis Krankenhaus - Krankenkasse vor
allem, daß die Krankenkasse als Schuldnerin des Vergütungsanspruchs des Krankenhauses mit solchen Einwendungen ausgeschlossen
ist, die sie bei Abgabe kannte oder mit denen sie zumindest rechnen mußte (Palandt-Sprau,
BGB, 59. Aufl 2000, §
781 RdNr 4). Die Kostenübernahmeerklärung schließt damit, wie auch den hierzu im SVtr getroffenen Vereinbarungen zu entnehmen
ist, nicht auch solche Einwendungen aus, die im Zeitpunkt der Abgabe noch nicht bekannt sein konnten."
Auf diese Entscheidung verweist das BSG in seinen Urteilen vom 12. November 2003 - Az.: B 3 KR 1/03 R und 20. November 2008 - Az.: B 3 KN 4/08 KR R. In dem erstgenannten Urteil führt das BSG weiter aus, die Kostenübernahmeerklärung schließe damit in der Regel auch die spätere Einwendung aus, ein Versicherungsverhältnis
habe tatsächlich nicht bestanden, weil gerade dies außer Zweifel gestellt werden soll und von der Krankenkasse vor der Abgabe
einer Kostenzusage zu klären ist. Insoweit ist sogar von einer ersetzenden Wirkung der Kostenzusage auszugehen, weil sie eine
Zahlungsverpflichtung auch für Nichtversicherte begründet. In dem Urteil vom 20. November 2008 weist das BSG darauf hin, dass es dabei entscheidend auf den Inhalt einer Kostenzusage ankommt, die ihrerseits durch den jeweiligen Kostenübernahmeantrag
eines Krankenhauses mitbestimmt wird.
Hier hat die Klägerin Kostenübernahme für die stationäre Behandlung des H.L. ab dem 12. Januar 2011 beantragt; die Beklagte
hat diese vorbehaltslos erklärt. Die Klärung des Versichertenstatus vor Abgabe einer Kostenübernahmeerklärung obliegt der
Beklagten und kann auch letztendlich nur durch sie erfolgen. Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsprechung des BSG an, dass der Kostenübernahmeerklärung insoweit eine ersetzende Wirkung zukommt und eine Zahlungsverpflichtung auch für Nichtversicherte
begründet.
Dem steht auch der KHBV nicht entgegen. Nach § 6 Abs. 1 KHBV hat, erteilt eine Krankenkasse eine Kostenübernahmeerklärung,
diese die Wirkung eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses. Nach § 6 Abs. 5 KHBV gilt, sofern dem Krankenhaus keine Mitteilung
über die Kostenübernahme vorliegt, diese spätestens nach Ablauf von sieben Arbeitstagen nach Aufnahme- oder Verlängerungsanzeige
als erteilt. Die nachfolgende Feststellung eines nicht bestehenden Versicherungsschutzes befreit die Krankenkasse von der
Zahlungsverpflichtung. § 6 Abs. 7 KHBV regelt für den Fall, dass kein gesetzlicher Krankenversicherungsschutz besteht oder
Wahlleistungen in Anspruch genommen werden, die vom gesetzlichen Krankenversicherungsschutz nicht umfasst sind, dass nach
Maßgabe der jeweils geltenden gesetzlichen Vorschriften keine Leistungspflicht eines öffentlich-rechtlichen Kostenträgers
(z. B. Krankenkasse) besteht und der Patient dem Krankenhaus gegenüber Selbstzahler ist.
§ 6 Abs. 7 KHBV ist nicht einschlägig, weil keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass für H.L. am 1. Januar 2011 überhaupt
kein gesetzlicher Krankenversicherungsschutz bestand. Er selbst hat gegenüber der Klägerin angegeben, bei der Beklagten versichert
zu sein. Endete seine Pflichtversicherung am 31. Dezember 2010 und hatte er keinen Anspruch auf Familienversicherung nach
§
10 Abs.
1 SGB V oder sonstigen gesetzlichen Versicherungsschutz - was nach §
5 Abs.
1 Nr.
13 SGB V eigentlich nicht möglich ist -, bestand gegenüber der Beklagten jedenfalls ein nachgehender Leistungsanspruch nach §
19 Abs.
2 SGB V. Die Regelung des §
6 Abs.
5 Satz 2 KHBV ist ebenfalls nicht einschlägig, weil sie, worauf die Klägerin zu Recht hinweist, lediglich die fingierte Kostenübernahmeerklärung
nach § 6 Abs. 5 Satz 1 KHBV betrifft. Aus welchem Grund eine Kostenübernahme fingiert wird, wenn die Wirkung eines deklaratorischen
Schuldanerkenntnisses bezüglich des Versichertenstatus ausgeschlossen wird, erschließt sich dem Senat nicht. Die Regelung
des § 6 Abs. 5 Satz 2 KHBV steht in unmittelbarem Zusammenhang mit § 6 Abs. 5 Satz 1 KHBV; dies ergibt sich eindeutig aus
dem Wortlaut wonach die "nachfolgende" Feststellung eines nicht bestehenden Versicherungsschutzes die Krankenkasse von der
Zahlungsverpflichtung befreit.
Der Zahlungsanspruch der Klägerin ist entsprechend der Vorläufigen Entgeltvereinbarung in Höhe des Basiszinssatzes seit dem
23. September 2011 zu verzinsen (vgl. auch BSG, Urteil vom 19. April 2007 - Az.: B 3 KR 10/06 R, nach juris).
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.