PKH-Verfahren
Dieselbe Angelegenheit
Erhöhungsgebühr bei Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Altenburg streitig
(Az.: S 20 AS 487/11). Dort hatte sich die von dem Beschwerdegegner vertretene Klägerin am 4. Februar 2011 gegen die teilweise Aufhebung der Bewilligung
von Leistungen für die Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum Februar bis April 2010 in Höhe von 15,51 Euro sowie die Erstattung dieses Betrages gewandt (Bescheid vom
4. Januar 2011). Ihr Widerspruch sei als unzulässig zurückgewiesen worden (Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2011). Der
Bescheid sei entgegen der Ansicht der Beklagten nicht Gegenstand des beim Sozialgericht (SG) seit Dezember 2009 anhängigen Verfahrens Az.: S 20 AS 4445/09 geworden. Mit Beschluss vom 28. November 2011 hat das Sozialgericht (SG) der Klägerin (im Folgenden: Klägerin zu 1.) Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung des Beschwerdegegners bewilligt. Gegenstand
des seit dem 7. Dezember 2009 anhängig gewesenen Verfahrens Az.: S 20 AS 4445/09 (später: S 31 AS 4134/12), in dem der Beschwerdegegner die Klägerin zu 1. und die Kläger zu 2. und 3. vertrat, war die Gewährung höherer Leistungen
für die Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II für den Zeitraum vom 1. November 2009 bis 30. April 2010 (Bescheid vom 29. Oktober 2009, Widerspruchsbescheid vom 19. November
2009). Zur Begründung der Klage führte der Beschwerdegegner aus, zunächst gehe die Beklagte zu Unrecht davon aus, dass ein
Warmwasserabzug in Höhe von monatlich 17,65 Euro vorzunehmen sei. Bei Regelleistungen, die ein Betroffener in Höhe von 323,00
Euro monatlich beziehe, sei ein Abzug in Höhe von 5,82 Euro und bei einem Leistungsbezug in Höhe von 287,00 Euro ein Abzug
in Höhe von 5,17 Euro vorzunehmen. Fehlerhaft gehe die Beklagte weiter davon aus, dass der Kläger zu 2. über ein zu berücksichtigendes
Einkommen in Höhe von monatlich 786,67 Euro verfüge mit der Folge, dass die entsprechenden Leistungen nach § 22 SGB II geringer ausfielen. Der Kläger zu 2. habe angegeben, dass sich seine Einkünfte voraussichtlich auf 733,00 Euro monatlich
beliefen. Mit Beschluss vom 22. Februar 2010 gewährte das SG den Klägern zu 1. bis 3. PKH unter Beiordnung des Beschwerdegegners.
Mit Schriftsatz vom 10. Juni 2010 erkannte die Beklagte an, dass hinsichtlich des Abzuges der Kosten für die Warmwasserbereitung
in dem streitigen Zeitraum statt 17,65 Euro nur ein Betrag in Höhe von 16,82 Euro pro Monat in Abzug zu bringen ist. Der Leistungsgewährung
seien somit monatliche Aufwendungen für die Unterkunft in Höhe von 136,96 Euro zu Grunde zu legen. Leistungsmindernd sei jedoch
das Betriebskostenguthaben aus der Abrechnung vom 7. Oktober 2009 und die Erhöhung des Kindergeldes ab Januar 2010 zu betrachten.
Entsprechende Aufhebungs- und Erstattungsbescheide werde sie in den nächsten Tagen erlassen und nachreichen.
Mit Beschluss vom 14. Februar 2013 verband das SG die Verfahren Az.: S 20 AS 487/11 und S 31 AS 4134/12 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung (führendes Verfahren: Az.: S 20 AS 487/11). Im Erörterungstermin am 14. Mai 2013, der von 12:01 Uhr bis 12:31 dauerte, erkannte die Beklagte an, dass der Klägerin
zu 1. und dem Kläger zu 2. einmalig für den Zeitraum Februar bis April 2010 ein Betrag von 105,75 Euro gewährt wird. Den Aufhebungs-
und Erstattungsbescheid vom 4. Januar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2011 hob sie auf. Sie erklärte
sich ebenfalls zur Übernahme von zwei Dritteln der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1. und des Klägers
zu 2. dem Grunde nach bereit. Der Beschwerdegegner nahm als Vertreter der Kläger das Teilanerkenntnis der Beklagten an und
erklärte den Rechtsstreit im Übrigen für erledigt. Unter dem 18. Juni 2013 beantragte er unter den Az.: S 20 AS 487/11 die Festsetzung folgender Gebühren für das Klageverfahren:
Verfahrensgebühr Nr. 3103, 3102 VV-RVG
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170,00 Euro
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Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG
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240,00 Euro (20 v.H. Zuschlag wegen Verbund mit Verfahren S 20 AS 4134/12)
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Erledigungsgebühr Nr. 1006, 1005 VV RVG
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228,00 Euro (20 v.H. Zuschlag wegen Verbund mit Verfahren S 20 AS 4134/12)
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Post- und Telekommunikationsentgelt Nr. 7002 VV-RVG
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20,00 Euro
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Zwischensumme
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658,00 Euro
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USt
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125,02 Euro
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Summe
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783,02 Euro
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Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) setzte die Vergütung entsprechend fest.
Ebenfalls unter dem 18. Juni 2013 beantragte der Beschwerdegegner unter den Az.: S 31 AS 4134/12 die Festsetzung folgender Gebühren für das Klageverfahren:
Verfahrensgebühr Nr. 3103, 3102 VV-RVG
|
170,00 Euro
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(Gebührenerhöhung Nr. 1008 VV RVG um 60 v.H. wegen drei Auftraggebern)
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102,00 Euro
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Post- und Telekommunikationsentgelt Nr. 7002 VV-RVG
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20,00 Euro
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Zwischensumme
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292,00 Euro
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USt
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55,48 Euro
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Summe
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347,48 Euro
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Die UdG setzte die Vergütung entsprechend fest.
Mit seiner Erinnerung vom 21. August 2014 wandte sich der Beschwerdeführer (Az.: S 20 AS 487/11) gegen die Erstattung einer Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG in Höhe von 240,00 Euro und einer Erledigungsgebühr nach Nr. 1006, 1002 VV-RVG in Höhe von 228,00 Euro. Die vom Beschwerdegegner bestimmten Gebühren seien unbillig bzw. nicht entstanden (Erledigungsgebühr).
Der Erörterungstermin am 14. Mai 2013 habe mit 30 Minuten einen unterdurchschnittlichen Umfang gehabt, die Schwierigkeit der
anwaltlichen Tätigkeit sei trotz der Verhandlung unterschiedlicher Problematiken ebenfalls unterdurchschnittlich gewesen.
Die überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger zu 1. bis 3. werde durch die unterdurchschnittlichen
Einkommens- und Vermögensverhältnisse kompensiert. Insoweit sei eine Terminsgebühr in Höhe von 3/4 der Mittelgebühr (150,00
Euro) angemessen.
Mit Beschluss vom 29. Juli 2015 hat das SG die Erinnerung zurückgewiesen und die aus der Staatskasse an den Beschwerdegegner zu erstattende Vergütung auf 783,02 Euro
festgesetzt. In verbundenen Verfahren könne der Beschwerdegegner wählen, ob er die Gebühren aus dem getrennten oder aus dem
verbundenen Verfahren verlangen möchte. Mit der Verbindung bildeten die verschiedenen Verfahren dieselbe Angelegenheit i.S.d.
§ 15 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) und Gebühren fielen nur in dem führenden Verfahren an. Die Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG sei in Höhe von 240,00 Euro (um 20 v.H. erhöhte Mittelgebühr) angemessen. Die Dauer des Termins sei durchschnittlich gewesen,
auch die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit werde als durchschnittlich beurteilt. Die Bedeutung der Angelegenheit für
die Kläger sei leicht überdurchschnittlich gewesen. Da es hier vornehmliches Ziel der Kläger gewesen sei, höhere KdU-Leistungen
für sechs Monate in einer Größenordnung von 50,00 Euro monatlich zu erhalten bzw. den Erstattungsbetrag zu vermeiden, sei
es um laufende Leistungen in nicht unerheblicher Höhe gegangen. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kläger seien
weit unterdurchschnittlich gewesen. Bei durchschnittlichem Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, einer überdurchschnittliche
Bedeutung der Angelegenheit und unterdurchschnittlichen Einkommensverhältnissen der Mandanten sei eine Terminsgebühr in Höhe
der Mittelgebühr gerechtfertigt. Der Beschwerdeführer habe unter Ausübung seines Ermessens im Einzelfall eine Gebühr beantragt,
die sich im Rahmen der Toleranzgrenze von 20 v.H. bewege, sodass seinem Antrag zu folgen sei. Zusätzlich sei eine Erledigungsgebühr
nach Nr. 1002, 1006 VV RVG angefallen und vorliegend in Höhe der um 20 v.H. erhöhten Mittelgebühr von 228,00 Euro angemessen und billig.
Gegen den am 22. Juli 2015 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 24. Juli 2015 beim SG Beschwerde eingelegt. Er beantrage die aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung auf 417,69 Euro festzusetzen und bereits
gezahlte Beträge anzurechnen. Bei der Vergütungsfestsetzung sei nicht beachtet worden, dass es sich bei den Klageverfahren
Az.: S 20 AS 487/11 und Az.: S 31 AS 4134/12 um dieselbe Angelegenheit im Sinne von § 15 Abs. 2 RVG handle, für die der Rechtsanwalt die Gebühren nur einmal fordern könne. Das SG habe die Vergütungsfestsetzung auf die Erinnerung vollständig prüfen müssen. Dass die Staatskasse die Höhe der Verfahrensgebühr
dabei nicht beanstandet habe, sei unbeachtlich, denn die Staatskasse sei nicht "Dritte" i.S.v. § 14 RVG. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit in den beiden Verfahren sei leicht unterdurchschnittlich gewesen; dies gelte auch
für die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit. Die überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger werde
durch deren unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse kompensiert. Für beide Klageverfahren sei eine erhöhte
Verfahrensgebühr in Höhe von 90 v.H. der Mittelgebühr (244,80 Euro) angemessen. Die Toleranzgrenze von 20 v.H. werde mithin
bei der Gebührenbestimmung von 442,00 Euro weit überschritten. Für den Beschwerdegegner sei im Verfahren Az.: S 31 AS 4134/12 bereits eine erhöhte Verfahrensgebühr (272,00 Euro) rechtskräftig festgesetzt worden. Diese Festsetzung vergüte nach § 15 Abs. 2 RVG auch die anwaltliche Tätigkeit im Verfahren Az.: S 20 AS 487/11, daher sei die Verfahrensgebühr auf 0,00 Euro festzusetzen. Die Terminsgebühr sei in Höhe von 90 v.H. der Mittelgebühr (180,00
Euro) gerechtfertigt. Ein Zuschlag in Höhe von 20 v.H. wegen verbundener Verfahren sei nicht angezeigt, weil dieselbe Angelegenheit
vorliege. Dies gelte auch für die Erledigungsgebühr, wo ebenfalls ein Zuschlag ausscheide. Die Auslagenpauschale Nr. 7002
VV-RVG sei bereits im Verfahren Az.: S 31 AS 4134/12 festgesetzt worden, sodass diese nicht nochmals zu erstatten sei. Die Umsatzsteuer Nr. 7008 VV-RVG sei entsprechend zu kürzen. Hiergegen hat der Beschwerdegegner eingewandt, der Beschwerdeführer versuche aus nicht nachvollziehbaren
Gründen offensichtlich entstandene Gebühren unbillig zu kürzen. Da er nunmehr das Entstehen der Erledigungsgebühr zugestehe,
sei der Beschwerde die Grundlage entzogen, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 Euro nicht übersteige. Wenn - wie
hier - in verschiedenen Klageverfahren separat PKH durch das Gericht bewilligt werde, verbiete es sich, dass die Urkundsbeamtin
oder auch die Bezirksrevisoren im Nachgang die verschiedenen Angelegenheiten als eine Angelegenheit im Sinne von § 15 Abs. 2 RVG zu behandeln. Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 17. August 2015) und sie dem Thüringer Landessozialgericht zur Entscheidung
vorgelegt.
II.
Anzuwenden ist das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in der Fassung bis zum 31. Juli 2013 (a.F.), denn der Auftrag zur Erledigung war vor diesem Zeitpunkt erteilt worden. Nach
§ 60 Abs. 1 S. 1 RVG ist die Vergütung nach bisherigem Recht zu berechnen, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit
im Sinne des § 15 RVG vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt bestellt oder beigeordnet
worden ist.
Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 14. Februar 2011 - L 6 SF 1376/10 B m.w.N., nach juris) und zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 Euro. Maßgebend ist hier der Zeitpunkt
der Einlegung der Beschwerde.
Die Beschwerde ist in dem tenorierten Umfang auch begründet.
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren, die dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse
zu erstatten sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Das SG hatte der Klägerin zu 1. mit Beschluss vom 28. November 2011 PKH gewährt und sie war kostenprivilegierte Beteiligte i.S.d.
§
183 Satz 1 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG). Damit scheidet die Anwendung des GKG aus (§
197a Abs.
1 Satz 1
SGG).
Die Höhe der Vergütung errechnet sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zum RVG. Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen
Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem
Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten
zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm
nach herrschender Meinung ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20 v.H. zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - Az.: B 4 AS 21/09 R m.w.N., nach juris; ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschluss vom 26. November 2014 - L 6 SF 1079/14 B m.w.N.). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Senatsbeschluss 14. Februar 2011 - Az.:
L 6 SF 1376/10 B, nach juris); dann erfolgt - wie hier - eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren.
Bei den beiden beim SG anhängigen Klageverfahren handelte es sich bis zur Verbindung mit Beschluss des SG vom 14. Februar 2013 nicht um dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG. Dieselbe Angelegenheit ist in der Regel anzunehmen, wenn zwischen den weisungsgemäß erbrachten anwaltlichen Leistungen ein
innerer Zusammenhang gegeben ist, also ein einheitlicher Auftrag und ein einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit vorliegen.
Dies gilt auch für Individualansprüche nach dem SGB II; die Konstellation einer Bedarfsgemeinschaft löst lediglich eine Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG aus (vgl. BSG, Urteile vom 2. April 2014 - B 4 AS 27/13 R, 21. Dezember 2009 - B 14 AS 83/08 R, 27. September 2011 - B 4 AS 155/10 R, nach juris; a.A. Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 22. Auflage 2015, § 15 Rdnr. 23). Entscheidend ist, ob ein einheitlicher Lebenssachverhalt vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 2. April 2014, a.a.O., Senatsbeschluss vom 6. November 2014 - Az.: L 6 SF 1022/14 B). Entsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 9. Mai 2000 (Az.: 11 C 1/99, nach juris) ausgeführt, "dieselbe Angelegenheit" komme vor allem in Fällen paralleler Verwaltungsverfahren in Betracht,
wenn dieselbe Behörde Verwaltungsakte aus einem gemeinsamen Anlass und Rechtsgrund in engem zeitlichen Zusammenhang objektbezogen
erlässt, sodass einen Adressaten mehrere Verwaltungsakte erreichen, die auch zusammengefasst in einem einzigen Bescheid hätten
ergehen können. Beauftrage dann der Adressat einen Rechtsanwalt damit, aus demselben rechtlichen Gesichtspunkt einheitlich
gegen alle Verwaltungsakte vorzugehen, werde dieser, sofern keine inhaltliche oder formale Differenzierung zwischen den Verfahren
geboten sei, in "derselben Angelegenheit" tätig. Unerheblich sei, ob der Rechtsanwalt die Widersprüche in einem einzigen,
alle Verfahren betreffenden Schreiben oder in mehreren, die jeweiligen Einzelverfahren betreffenden Schreiben, die sich nur
hinsichtlich der jeweiligen Verfahrensangabe (Objekt, Aktenzeichen) unterscheiden, einlege und begründe. Anders sei es allerdings,
wenn der Rechtsanwalt auftragsgemäß unterschiedliche Einwände gegen die jeweiligen Verwaltungsakte vortrage oder nennenswert
unterschiedliche verfahrensrechtliche Besonderheiten zu beachten habe. Fehle es an einem inneren Zusammenhang zwischen mehreren,
an einen Adressaten gerichteten Verwaltungsakten, scheide schon aus diesem Grund die Annahme "derselben Angelegenheit" aus.
Dieser Rechtsprechung ist der Senat gefolgt und hat sie dahingehend weiterentwickelt, dass auch bei getrennten Klageverfahren
"dieselbe Angelegenheit" vorliegen kann (vgl. Senatsbeschlüsse vom 15. April 2015 - L 6 SF 331/15 B, 6. Januar 2015 - L 6 SF 1221/14 B, 6. November 2014 - L 6 SF 1022/14 B). Ebenso hat der Senat bereits entschieden, dass bei Bescheiden, die nach §
96 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) automatisch Gegenstand eines Klageverfahrens werden, dieselbe Angelegenheit vorliegt (vgl. Senatsbeschluss vom 5. März 2015
- Az.: L 6 SF 104/15 B, nach juris).
Der Bescheid vom 4. Januar 2011 ist nicht nach §
96 Abs.
1 SGG Gegenstand des unter dem Az. S 31 AS 4134/12 anhängigen Klageverfahrens geworden. Danach wird nach Klageerhebung ein neuer Verwaltungsakt dann Gegenstand des Klageverfahrens,
wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Geändert
oder ersetzt wird ein Bescheid immer, wenn er denselben Streitgegenstand wie der Ursprungsbescheid betrifft, bzw. wenn in
dessen Regelung eingegriffen und damit die Beschwerde des Betroffenen vermehrt oder vermindert wird (vgl. BSG, Urteil vom 9. Dezember 2016 - Az.: B 8 SO 1/15 R, nach juris). Soweit durch den Bescheid vom 4. Januar 2011 eine teilweise
Aufhebung der Bewilligung von Leistungen für Unterkunft und Heizung erfolgt ist, ändert er den Ursprungsbescheid vom 29. Oktober
2009, abgeändert durch Teilanerkenntnis vom 10. Juni 2010 ab. Allerdings enthält der Bescheid vom 4. Januar 2001 auch einen
Verfügungssatz dahingehend, dass die Klägerin zu 1. verpflichtet ist, Leistungen in Höhe von 15,51 Euro zu erstatten. Eine
Erstattungsforderung war nicht Gegenstand des Ausgangsbescheides vom 29. Oktober 2009 und kann daher durch den Bescheid vom
4. Januar 2011 auch nicht abgeändert oder ersetzt werden. Insoweit steht der Bescheid vom 4. Januar 2011 allenfalls im Sachzusammenhang
mit dem Bescheid vom 29. Oktober 2009, ist mit diesem aber nicht wenigstens teilidentisch (vgl. BSG, Urteil vom 28. Oktober 2014 - Az.: B 14 AS 39/13 R, Rn. 11, m.w.N., nach juris).
Aus objektiven Gründen ist auch kein einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit zu bejahen. Der Ausgangsbescheid datiert
vom 29. Oktober 2009, der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 4. Januar 2011. Ein gemeinsamer Anlass für den Erlass der
beiden Verwaltungsakte bestand nicht, ein enger zeitlicher Zusammenhang ist offensichtlich zu verneinen. Auch ansonsten ist
kein einheitlicher Lebenssachverhalt zu bejahen. Gegen den ursprünglichen Bescheid wandten sich die Kläger zu 1. bis 3. mit
dem Begehren höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung zu erhalten. Mit Bescheid vom 4. Januar 2011, gerichtet nur an die
Klägerin zu 1., wird entgegen diesem Begehren, die Bewilligung von Leistungen für Unterkunft und Heizung teilweise aufgehoben
und von der Klägerin zu 1. Erstattung des überzahlten Betrages verlangt.
Der Senat hat die gesamte Kostenfestsetzung für das Verfahren zu überprüfen (vgl. Senatsbeschluss vom 15. April 2015 - Az.:
L 6 SF 331/15 B und vom 9. Dezember 2015 - Az.: L 6 SF 1286/15 B m.w.N., nach juris).
Die Verbindung ursprünglich rechtlich selbständiger Verfahren führt dazu, dass die bereits verdienten Gebühren dem Rechtsanwalt
weiterhin zustehen. Er kann wählen, ob er die Gebühren aus den getrennten oder aus dem verbundenen Verfahren verlangt (vgl.
Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 22. Auflage 2015, 3100 VV Rn. 40 ff.). Mit der Verbindung bilden die verschiedenen Verfahren dieselbe Angelegenheit im Sinne
des § 15 Abs. 2 RVG und Gebühren fallen nur im führenden Verfahren an (vgl. Senatsbeschluss vom 5. August 2011 - L 6 SF 224/11 B; Bayerisches LSG, Beschluss vom 31. Juli 2012 - L 15 SF 214/10 B E, nach juris).
Hier hat der Beschwerdegegner die Verfahrensgebühr jeweils aus den ursprünglich selbstständigen Verfahren, die übrigen Gebühren
nur aus dem verbundenen Verfahren beantragt. Die Verfahrensgebühr ist bereits vor der Verbindung der Verfahren entstanden.
Die Festsetzung in der beantragten Höhe kommt allerdings nicht in Betracht.
Die beantragte Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG in Höhe 170,00 Euro war unbillig; angemessen war eine Gebühr in Höhe von 85,00 Euro (1/2 der Mittelgebühr). Die vom Beschwerdeführer
geltend gemachte Vergütung in Höhe von 170,00 Euro übersteigt den Toleranzrahmen. Beim Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ist
vor allem der zeitliche Aufwand im Verfahren zu berücksichtigen, den der Rechtsanwalt im Vergleich mit den übrigen beim Sozialgericht
anhängigen Verfahren (nicht eingeschränkt auf Verfahren nach dem SGB II) tatsächlich in der Sache betrieben hat und objektiv auf die Sache verwenden musste (vgl. Senatsbeschluss vom 21. Januar
2013 - L 6 SF 1578/12 B m.w.N., nach juris). Mit zwei Schriftsätzen - davon einer sehr kurz - lag er auch unter Berücksichtigung der allgemein
notwendigen sonstigen außergerichtlichen Aktivitäten unter dem Durchschnitt. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit
war angesichts des lediglich angeschnittenen Problems der Zulässigkeit des Widerspruchs ebenfalls unterdurchschnittlich. Die
Bedeutung des Verfahrens für die Kläger zu 1. wird ebenfalls als leicht unterdurchschnittlich angesehen. Abzustellen ist dabei
auf die unmittelbare tatsächliche, ideelle, gesellschaftliche, wirtschaftliche oder rechtliche Bedeutung für den Auftraggeber,
nicht aber für die Allgemeinheit (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R, nach juris). Streitig war eine teilweise Aufhebung der Bewilligung von Leistungen für Unterkunft und Heizung sowie eine
daraus resultierende Rückforderung in Höhe von 15,51 Euro. Ein besonderes Haftungsrisiko ist nicht ersichtlich.
Die Terminsgebühr nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. Nr. 3106 VV-RVG ist in Höhe von 240,00 Euro festzusetzen. Der Senat hält hier die Mittelgebühr in Höhe von 200,00 Euro für angemessen. Die
vom Beschwerdeführer begehrte Vergütung in Höhe von 240,00 Euro übersteigt den Toleranzrahmen nicht. Der Umfang der anwaltlichen
Tätigkeit war bei einer Dauer des Termins von 30 Minuten noch durchschnittlich (vgl. Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen,
Beschluss vom 18. Mai 2012 - Az.: L 18 KN 224/11 B, nach juris). Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, d.h. die Intensität der Arbeit (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R, nach juris), war - ausgehend von einem objektiven Maßstab - und unter Berücksichtigung, dass nunmehr auch das Verfahren
Az.: S 31 AS 4134/12 zu berücksichtigen ist, noch durchschnittlich. Die Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger zu 1. und den Kläger zu 2.
bewertet der Senat unter Berücksichtigung des Verfahrens Az.: S 31 AS 4134/12 als überdurchschnittlich. Der Klageantrag wurde zwar nicht beziffert, als Anhaltspunkt für die Bedeutung kann jedoch der
geschlossene Vergleich berücksichtigt werden, wonach der Klägerin zu 1. und dem Kläger zu 2. für den Zeitraum von Februar
bis April 2010 ein Betrag in Höhe von 105,75 Euro nachzuzahlen war und eine Erstattungsforderung in Höhe von 15,51 Euro gegen
die Klägerin zu 1. nicht mehr geltend gemacht wurde. Die überdurchschnittliche Bedeutung wird jedoch durch die unterdurchschnittlichen
Einkommens- und Vermögensverhältnisse kompensiert (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - Az.: B 4 AS 21/09 R).
Dem Beschwerdegegner steht eine Erledigungsgebühr Nr. 1002, 1006 VV-RVG in Höhe von 228,00 Euro zu. Unter Hinweis auf die Ausführungen zur Terminsgebühr, hält der Senat eine Erledigungsgebühr in
Höhe der Mittelgebühr (190,00 Euro) für angemessen. Die vom Beschwerdegegner geltend gemachte Erledigungsgebühr in Höhe von
228,00 Euro war nicht unbillig und überschreitet insoweit den Toleranzrahmen nicht. Der Beschwerdeführer hat zuletzt nicht
mehr geltend gemacht, dass dem Beschwerdegegner keine Erledigungsgebühr zustehe. Anhaltspunkte dafür bestehen auch nicht (vgl.
Senatsbeschluss vom 9. Dezember 2015 - Az.: L 6 SF 1286/15 B, nach juris).
Zusätzlich zu vergüten sind die Pauschale Nr. 7002 VV-RVG und die Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV-RVG). Eine Anrechnung erfolgt hier nicht, weil es sich hierbei nicht um Gebühren, sondern um Auslagen handelt. Damit errechnet
sich die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung wie folgt:
Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG
|
85,00 Euro
|
Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG
|
240,00 Euro
|
Erledigungsgebühr Nr. 1002, 1006 VV-RVG
|
228,00 Euro
|
Pauschale Nr. 7002 VV-RVG
|
20,00 Euro
|
Zwischensumme
|
573,00 Euro
|
USt Nr. 7008 VV RVG
|
108,87 Euro
|
Summe
|
681,87 Euro
|
Die Beschwerden sind gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S 2 und 3 RVG). Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).