Unterhaltspflicht - zumutbare Erwerbstätigkeit - Tätigkeit neben Vollschicht
Gründe:
Die Beschwerde der Beklagten, mit der sie Prozesskostenhilfe zur Verteidigung begehrt, ist teilweise begründet. Sie kann Kindesunterhalt
nur in der aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zahlen.
Die Beklagte ist gemäß §§
1601 ff.
BGB verpflichtet, ihren minderjährigen Söhnen Unterhalt zu zahlen. Gemäß §
1603 Abs.
2
BGB hat sie im Rahmen der gesteigerten Erwerbsobliegenheit ihre gesamte Arbeitskraft einzusetzen, um die Unterhaltsansprüche
ihrer Kinder nach Möglichkeit erfüllen zu können. Dieser Erwerbsobliegenheit kommt die Beklagte mit ihrer derzeitigen Beschäftigung
nicht nach. Sie arbeitet nicht vollschichtig, sondern nur 115 Stunden im Monat. Sie ist aber verpflichtet, einer vollschichtigen
Erwerbstätigkeit nachzugehen. Der Senat geht davon aus, dass die Beklagte, die als Floristin tätig ist, aber über keine abgeschlossene
Berufsausbildung in diesem Fach verfügt, einen monatlichen Lohn von 2.887 DM brutto erzielen könnte. Nach dem von der Beklagten
vorgelegten Lohntarifvertrag für Florist-Fachbetriebe und Blumen- und Kranzbindereien in Niedersachsen vom 1. August 2000
sind für Arbeitnehmer der Vergütungsgruppe A 2, in die die Beklagte einzuordnen ist, nach dem 8. Jahr der Tätigkeit monatlich
2.887 DM brutto zu zahlen. Die Beklagte hat vorgetragen, dass sie seit 1987 als Floristin tätig ist, sodass von einer mindestens
8-jährigen Tätigkeit auszugehen ist und nicht von vier Jahren, wie die Beklagte meint.
Ein höheres Erwerbseinkommen kann bei der Beklagten nicht unterstellt werden. Sie arbeitet als Floristin, einem Beruf, den
sie seit über 13 Jahren ausübt. Auch wenn sie über eine abgeschlossene Berufsausbildung als Industriekauffrau verfügt, so
kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie in diesem Beruf heute noch eine Anstellung finden und ein höheres Gehalt erzielen
könnte. Sie hat diesen Beruf seit mehr als 13 Jahren nicht mehr ausgeübt, sodass sie nicht über die notwendigen aktuellen
Kenntnisse im Bereich der Datenverarbeitung für kaufmännische Berufstätigkeiten verfügt.
Wenn bei der Beklagten ein Einkommen aus einer Vollzeitbeschäftigung unterstellt wird, so ist sie nicht verpflichtet, darüber
hinaus eine bezahlte Nebentätigkeit aufzunehmen, um die Mindestunterhaltsansprüche der minderjährigen Kinder zu befriedigen.
Grundsätzlich genügt ein Unterhaltsschuldner, der gemäß §
1603 Abs.
2
BGB zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet ist, seiner Erwerbsobliegenheit, wenn er eine Vollzeitbeschäftigung im Rahmen seiner
Möglichkeiten und Fähigkeiten ausübt. Der Senat folgt nicht der von verschiedenen Oberlandesgerichten vertretenen Ansicht
(OLG Hamm FamRZ 1997, 1223; OLG Hamm FamRZ 2000, 1178; OLG Hamburg, FamRZ 1990, 784), dass der Unterhaltsschuldner verpflichtet sei, zur Sicherstellung des Mindestbedarfs minderjähriger unverheirateter Kinder
neben einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit noch eine Nebentätigkeit auszuüben. Eine solche Verpflichtung ist dem Unterhaltspflichtigen
nicht zuzumuten. Er ist nicht verpflichtet, erhebliche gesundheitliche Risiken, die mit einer dauerhaften Mehrarbeit verbunden
wären, auf sich zu nehmen (OLG Naumburg, FamRZ 1997, 311). Darüber hinaus könnte der Unterhaltspflichtige diese Nebenbeschäftigung i. d. R. nur an Samstagen oder Sonntagen ausüben.
Wenn er, so wie es allgemein üblich ist, acht Stunden (werk-) täglich arbeitet, darf ihn kein Arbeitgeber im Rahmen einer
Nebenbeschäftigung zusätzlich morgens oder abends beschäftigen. Das Arbeitszeitgesetzes vom 6. Juni 1994 (BGBl. I S. 1170)
bestimmt in § 3
ArbZG, dass die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer grundsätzlich acht Stunden nicht überschreiten darf. Dabei sind gemäß
§ 2 Abs. 1
ArbZG die Arbeitszeiten bei verschiedenen Arbeitnehmern zusammenzurechnen. Längere Arbeitszeiten sind nur ausnahmsweise zulässig,
wenn innerhalb bestimmter Fristen ein Freizeitausgleich gewährt wird.
Im Jahr 2000 sind bei der Beklagten von einem Bruttolohn aus einer vollschichtigen Tätigkeit in Höhe von 2.887 DM bei Lohnsteuerklasse
I und einem anzusetzenden Kinderfreibetrag von 1,0 316,41 DM Lohnsteuer, 1,65 DM Solidaritätszuschlag, 14,51 DM Kirchensteuer,
278,60 DM für die Rentenversicherung, 93,83 DM für die Arbeitslosenversicherung, 186,21 DM für die Krankenversicherung (IKK
Weserbergland, Beitragssatz 12,9 %) sowie 24,54 DM für die Pflegeversicherung abzusetzen, sodass sich ein Nettoeinkommen von
1.971,25 DM ergibt. Nach Abzug der Werbungskostenpauschale (5 % = 98,56 DM) verbleiben für Unterhaltszwecke 1.872,69 DM. Unter
Berücksichtigung des notwendigen Selbstbehaltes in Höhe von 1.500 DM stehen 372,69 DM zur Verfügung. Für ####### beträgt der
Bedarf nach der dritten Altersstufe 510 DM und für ####### nach der zweiten Altersstufe von 431 DM. Es liegt ein Mangelfall
vor. Der Bedarf der Kinder kann unter Berücksichtigung des Selbstbehaltes nur zu einer Quote von 39,61 % gedeckt werden. Somit
schuldet die Beklagte für ####### für die Monate November und Dezember 2000 jeweils 202,01 DM und für ####### jeweils 170,72
DM.
Im Jahr 2001 sind bei einem Bruttolohn von 2.887 DM 277,58 DM Lohnsteuer, 12,07 DM Kirchensteuer, Beitrag zur Rentenversicherung
in Höhe von 275,71 DM, Beitrag zur Arbeitslosenversicherung 93,83 DM, Beitrag zur Krankenversicherung 186,21 DM und 24,54
DM für die Pflegeversicherung zu zahlen. Es verbleibt ein Nettolohn von 2.017,06 DM. Nach Abzug der Werbungskostenpauschale
(5 % = 100,85 DM) verbleiben 1.916,21 DM. Der - unveränderte - Bedarf der Kinder kann zu einer Quote von 44,23 % gedeckt werden,
sodass sich monatliche Zahlbeträge von 255,57 DM für ####### und 190,63 DM für ####### ergeben. Gemäß § 1612 b Abs. 5 unterbleibt
eine Anrechnung von Kindergeld.
Die Entscheidung über die Gerichtsgebühr beruht auf Nr. 1952 Kostenverzeichnis
GKG. Die Anordnung, dass außergerichtliche Auslagen nicht erstattet werden, ergibt sich aus §
127 Abs.
4
ZPO.