Rückforderung einer Schenkung durch den Träger der Sozialhilfe
Gründe:
I. Der Kläger als Träger der Sozialhilfe verlangt aus übergeleitetem Recht der am 30. September 1902 geborenen und am 25.
März 1998 verstorbenen Erblasserin ....., der Mutter des Beklagten, die von diesem allein beerbt wurde, Rückzahlung von Sozialhilfeleistungen
auf Grund einer erfolgten Grundstücksschenkung.
Mit notariellem Vertrag vom 31. März 1992 (Bl. 94 ff. d. A.) übertrug die Erblasserin dem Beklagten "im Wege der vorweggenommenen
Erbfolge" das Eigentum an der 1.389 qm großen Hof- und Gebäudefläche ..... in ....., eingetragen im Grundbuch von ..... Bl.
3199 und bebaut mit einem Einfamilienhaus von 1960 mit einer Wohnfläche von 85 qm. Gleichzeitig gewährte der Beklagte der
Erblasserin ein lebenslängliches Altenteil bezüglich eines Raumes und Mitbenutzung von Bad und Küche, wobei die Vertragsparteien
die Wohnnebenkosten (Heizung, Wasser, Licht pp.) je zur Hälfte tragen sollten. Außerdem umfasste das Altenteil ein standesgemäßes
Begräbnis der Erblasserin einschließlich Grabstein und Pflege der Grabstätte sowie Hege und Pflege in alten und kranken Tagen,
soweit diese im Hause und ohne fremde Hilfe möglich und üblich ist und soweit andere private oder öffentlich-rechtliche Stellen
nicht eintreten. Am 6. Mai 1992 wurde der Beklagte als Eigentümer im Grundbuch eingetragen.
Für die Zeit vom 14. Juli 1993 bis zum 31. März 1995 gewährte der Kläger der Erblasserin Hilfe zur häuslichen Pflege in Höhe
von insgesamt 14.406 DM (Anlage A 4, Bl. 76 d. A.).
Mit Schreiben vom 14. September 1998 (Anlage A 2, Bl. 70 ff. d. A.) leitete der Kläger die Ansprüche der Erblasserin aus dem
Vertrag vom 31. März 1992 gegen den Beklagten mit Wirkung vom 14. Juli 1993 bis zur Höhe der Aufwendungen des Klägers für
die Erblasserin gemäß § 90 BSHG auf sich über.
Mit weiterem Schreiben vom 14. September 1998 (Anlage A 3, Bl. 73 ff. d. A.) forderte der Kläger den Beklagten auf, die gewährte
Hilfe in Höhe von 14.406 DM bis zum 10. November 1998 zurückzuzahlen.
Gegen die Überleitungsanzeige erhob der Beklagte am 16. September 1998 Widerspruch. Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober
1999 (Bl. 79 d. A.) wies der Kläger den Widerspruch als unbegründet zurück. Die dagegen gerichtete Klage des Beklagten auf
Aufhebung der Überleitungsanzeige wies das Verwaltungsgericht Stade mit Urteil vom 18. Januar 2001 zu 1 A 1919/99 (Anlage A 5, Bl. 77 ff. d. A.) ab mit der Begründung: Die Überleitung eines Rückgewähranspruches nach §
528 BGB sei rechtsfehlerfrei erfolgt. Der Rückforderungsanspruch sei nicht mit dem Tode des Schenkers untergegangen (BGH NJW 1995,
Seite 2287 f.). Ob und ggf. in welcher Höhe der übergeleitete Anspruch tatsächlich bestehe, sei für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts
unerheblich. Ein offensichtliches Nichtbestehen eines Rückforderungsanspruchs nach §
528 BGB sei nicht festzustellen.
Mit der Klage hat der Kläger Rückzahlung des oben genannten Betrages in Höhe von 14.406 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 11. November
1998 geltend gemacht. Mit dem am 8. Februar 2002 verkündeten Urteil, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird (Bl. 33
ff. d. A.), hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass kein Anspruch
nach §
528 BGB i. V. m. § 90 BSHG bestehe. Eine Rückforderung des Hausgrundstücks durch die Erblasserin gegenüber dem Beklagten hätte nicht zu einer Lösung
des Notbedarfs der Erblasserin geführt. Sie hätte ihr Hausgrundstück nicht veräußert und eine Veräußerung wäre ihr auch nicht
zumutbar gewesen. Gemäß § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG hätte der Kläger die Gewährung der Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder der Verwertung eines angemessenen Hausgrundstücks abhängig
machen dürfen, das vom Hilfesuchenden allein oder zusammen mit anderen Angehörigen, denen es nach dem Tod des Hilfesuchenden
weiter als Wohnung dienen soll, bewohnt wird. So habe es sich aber bei dem Einfamilienhaus in der ..... in ..... verhalten,
das von der Erblasserin und dem Beklagten gemeinsam bewohnt worden sei und bei dem es sich um kein Luxusobjekt gehandelt habe.
Gemäß §
528 Abs.
1 Satz 3
BGB i. V. m. §
1615 BGB sei ein Rückforderungsanspruch durch den Tod der Erblasserin erloschen.
Mit der Berufung wendet der Kläger ein, die Annahme des Landgerichts, die Erblasserin habe die Rückgabe des gesamten Grundstücks
verlangen können, sei eine Verletzung materiellen Rechts gewesen, die für die Entscheidung erheblich gewesen sei. Denn der
Rückforderungsanspruch der Erblasserin gegenüber dem Beklagten sei nicht auf Rückgabe des Hausgrundstücks, sondern nur auf
Wertersatz in Geld gerichtet gewesen. Im Übrigen werde eine unzureichende Tatsachenfeststellung und die Verletzung rechtlichen
Gehörs durch das Landgericht gerügt. Erstmals im Termin zur mündlichen Verhandlung sei § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG zur Sprache gekommen. Eine schlüssige Darlegung, dass es sich bei dem Hausgrundstück um Schonvermögen handele, sei nicht
gegeben. Es sei nicht geklärt, ob von dem Grundstück mit einer Größe von 1389 qm nicht ein Bauplatz hätte abgeteilt und verkauft
werden können. Die Überleitung des Rückforderungsanspruchs nach dem Tod der Erblasserin und der Eingriff ins Schonvermögen
hätten vom Verwaltungsgericht überprüft werden müssen. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts sei bindend.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 7.365,67 EUR (= 14.406 DM) nebst 4
% Zinsen seit dem 11. November 1998 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen verwiesen.
II. Die Berufung ist begründet. Die Entscheidung des Landgerichts beruht auf einer Verletzung des Rechts (§
513 Abs.
1 Alt. 1
ZPO).
Der Kläger kann aus übergeleitetem Recht der Erblasserin vom Beklagten gemäß §
528 Abs.
1 S. 1
BGB i. V. m. § 90 Abs. 1 S. 1 BSHG Zahlung in Höhe von 7.365,67 EURO (= 14.406 DM) verlangen.
1. Gemäß §
528 Abs.
1 S. 1
BGB kann der Schenker, soweit er nach der Vollziehung der Schenkung außerstande ist, seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten,
von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenkes nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung
fordern.
a) Die Erblasserin hat den Beklagten durch die Grundstücksübertragung beschenkt. Denn auch bei einer Kapitalisierung des vom
Beklagten im Übertragungsvertrag übernommenen Altenteils mit dem für die bei der Grundbucheintragung 89-jährige Erblasserin
geltenden Faktor von 4,966 aus der Anlage 9 zu §
14 Bewertungsgesetz in der damals geltenden Fassung (BGBl. I 1991, S. 270) auf 17.877,60 DM (= 4,966 x 3.600 DM jährlich gemäß Altenteilsbewertung
der Vertragsparteien im Übertragungsvertrag) vermindert sich der Schenkwert des Grundstücks lediglich auf 132.122,40 DM (=
150.000 DM - 17.877,60 DM).
b) Unstreitig war die Erblasserin nach Vollziehung der Schenkung in der Zeit vom 14. Juli 1993 bis zum 31. März 1995 außerstande,
ihren angemessenen Unterhalt zu bestreiten und hat hierfür vom Kläger Sozialhilfe in Höhe von 14.406 DM erhalten, wie aus
der Anlage A 4 (Bl. 76 d. A.) ersichtlich.
c) Ihr Rückforderungsanspruch gegen den Beklagten wegen ihres monatlichen Unterhaltsbedarfs ("soweit") war aber nicht auf
Herausgabe des Grundstücks, sondern auf Zahlung regelmäßig wiederkehrender Unterhaltsbeiträge gerichtet, bis der Wert des
Schenkungsgegenstandes erschöpft ist (vgl. BGH NJW 1996, S. 987).
d) Dieser Rückforderungsanspruch ist im Hinblick auf die gewährte Sozialhilfe weder durch den vor Überleitung des Anspruchs
eingetretenen Tod der Erblasserin noch dadurch erloschen, dass die Erblasserin allein vom Beklagten als Beschenktem beerbt
worden ist (vgl. BGH NJW 1995, S. 2287 - 2288 u. BGHZ 147, S. 288 ff. = BGH NJW 2001, S. 2084 ff.).
2. Den Rückforderungsanspruch der Erblasserin hat der Kläger mit Bescheid vom 14. September 1998 (Bl. 70 d. A.) gemäß § 90 Abs. 1 S. 1 BSHG wirksam auf sich übergeleitet. Die Anfechtungsklage des Beklagten gegen die Überleitung hat das Verwaltungsgericht Stade
mit dem Urteil vom 18. Januar 2001 zu 1 A 1919/99 (Anlage A 5, Bl. 77 ff. d. A.) rechtskräftig mit der Begründung abgewiesen, die Überleitung sei rechtmäßig erfolgt.
3. Der Zahlungsanspruch des Klägers kann von den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit nicht mit dem Argument verneint
werden, dass die Sozialhilfeleistung an den Schenker nach § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG nicht von der Verwertung des geschenkten Gegenstandes hätte abhängig gemacht werden dürfen.
a) Zwar hat das Landgericht ohne Verletzung des Rechts angenommen, dass es sich bei dem Hausgrundstück der Erblasserin um
ein "angemessenes Hausgrundstück" im Sinne des § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG gehandelt hat. Denn zu der Erklärung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 11. Januar 2002 (Bl. 24 d. A.), bei
dem Haus habe es sich um ein 1960 gebautes Einfamilienhaus mit einer Wohnung im Erdgeschoss zur Größe von insgesamt 85 qm
gehandelt, das von der Erblasserin und ihm, dem Beklagten, bewohnt worden sei, hat es dem Kläger eine Stellungnahmefrist von
2 Wochen gewährt. Im nachgelassenen Schriftsatz vom 23. Januar 2002 hat der Kläger die tatsächlichen Angaben des Beklagten
aber nicht bestritten, sodass sie vom Landgericht der Bewertung des Grundstücks zugrunde gelegt werden konnten.
b) Doch betrifft die Vorschrift des § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG nicht das Verhältnis zwischen Schenker und Beschenktem, sondern allein das Verhältnis zwischen dem Träger der Sozialhilfe
und dem Schenker, der der Sozialhilfe bedarf, und gehört damit zu der Frage, ob der Träger der Sozialhilfe einen Anspruch
des Schenkers auf Rückübertragung eines solchen Grundstücks auf sich überleiten kann. Die Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit der
Überleitung ist aber nicht von den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu prüfen, die insoweit an die Entscheidung
des Verwaltungsgerichts gebunden sind.
c) Dies Bindung darf nicht dadurch umgangen werden, dass die Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit, die über den Bestand
und die Durchsetzbarkeit des übergeleiteten Anspruchs zu entscheiden haben, die Durchsetzbarkeit des Rückforderungsanspruchs
unter Verweis auf den Rechtsgedanken aus § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG z. B. über §
242 BGB oder §
399 Alt. 1
BGB verneinen.
III. Gemäß §
288 Abs.
1 S. 1
BGB a. F. kann der Kläger auf die berechtigte Hauptforderung Verzugszinsen nach dem damals gesetzlichen Zinssatz von 4 % seit
dem 11. November 1998 verlangen, weil der Beklagte durch den Fristablauf aus dem Aufforderungsschreiben vom 14. September
1998 (Bl. 74 d. A.) ab dem 11. November 1998 in Verzug geraten ist.
IV. Die Nebenentscheidungen folgen aus §
91 Abs.
1 S. 1, §
708 Nr.
10 und §
711 ZPO.
V. Die Revision war gemäß §
543 Abs.
2 Nr.
1 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache im Hinblick auf die Fragen grundsätzliche Bedeutung hat, ob der Sozialhilfeträger wegen der
geleisteten Hilfe zum Lebensunterhalt des verarmten Schenkers Wertersatz für den dieser Hilfe entsprechenden Teil des Geschenks
auch dann verlangen kann, wenn es sich bei diesem um Schonvermögen im Sinne des BSHG gehandelt hätte, wäre es beim Schenker verblieben und ob diese Frage, falls sie zu verneinen ist, die Wirksamkeit der Überleitung
des Anspruchs auf den Wertersatz vom Schenker auf den Sozialhilfeträger oder die Durchsetzbarkeit dieses Anspruchs seitens
des Schenkers gegen den Beschenkten betrifft. Die grundsätzliche Bedeutung dieser Fragen ergibt sich daraus, dass in zahlreichen
Fällen Rückforderungsansprüche aus verschenktem "Schonvermögen" übergeleitet werden und dem Senat eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs
zu diesen Fragen nicht bekannt ist.
Zu der ersten Frage hat das OVG Münster im Urteil vom 15. Oktober 1991 (NJW 1992, S. 1123) die Ansicht vertreten, dass es bei Schenkung eines Grundstücks für die Rechtmäßigkeit einer Überleitungsanzeige unbeachtlich
sei, ob das Grundstück im Eigentum des Schenkers Schonvermögen nach § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG gewesen wäre, weil der Schenker bei Entstehung des Notbedarfs nicht mehr Grundstückseigentümer, sondern nur noch Inhaber
eines Rückforderungsanspruchs aus §
528 Abs.
1 S. 1
BGB gewesen sei, der aber nicht auf Rückgewähr des Grundstücks, sondern nur auf Geldzahlung gerichtet gewesen sei.
Doch verkennt diese Argumentation des OVG Münster nach Ansicht des Senats, dass auch ein solcher Rückforderungsanspruch auf
der Schenkung des Grundstücks beruht und nur wegen des hinter dem Grundstückswert zurückbleibenden wiederkehrenden Unterhaltsbedarfs
auf Geld gerichtet ist. Denn weil die deshalb nur geschuldete teilweise Rückgewähr des Grundstücks dem Beschenken nicht möglich
ist, geht der gegen ihn gerichtete Anspruch nur auf Wertersatz in Geld anstelle des betreffenden Grundstücksteils (§
818 Abs.
2 Fall 1
BGB; vgl. BGHZ 94, 141/143), ist indessen sein originärer Gegenstand nicht etwa Geld. Die Entscheidung geht damit nicht auf den
Gesichtspunkt ein, dass der Träger der Sozialhilfe aus dem Grundstückswert einen Erstattungsanspruch erhält, den er nach §
88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG nicht erhalten hätte, wenn das Grundstück beim "Hilfesuchenden" verblieben wäre, wobei im vorliegenden Fall hinzukommt, dass
die "Hilfesuchende" durch den Übertragungsvertrag das Grundstück als Wohnung nicht aufgegeben, sondern unter Einräumung eines
angemessenen Altenteils im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf den Beklagten als einen Angehörigen übertragen hat, der
als derjenige, der mit der "Hilfesuchenden" das Grundstück bewohnt und es auch nach deren Tod bewohnen soll, zu den durch
§ 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG geschützten Personen gehört.