Zulässigkeit der Aufrechnung gegen eine Unterhaltsforderung
Gründe:
I.
Der Antragsgegner ist der Vater der am ......2007 nicht ehelich geborenen S... R....... Er lebt mit Mutter und Kind nicht
zusammen. Für das Kind leistet er Kindesunterhalt. Betreuungsunterhalt für die Mutter hat er nicht geleistet. Die Mutter,
die vom Antragsgegner zu keinem Zeitpunkt Betreuungsunterhalt verlangte, hat Leistungen nach dem SGB II - auch für das Kind
- von der Antragstellerin erhalten. Diese macht gegenüber dem Antragsgegner die auf sie gemäß § 33 Abs. 1 SGB II übergegangenen
Ansprüche auf Betreuungsunterhalt geltend.
Die Leistungsfähigkeit des Antragsgegners steht nicht im Streit. Der Antragsgegner hat jedoch gegenüber der Antragstellerin
die Aufrechnung mit einer gegenüber der Mutter bestehenden Darlehensforderung erklärt. Das Bestehen der Darlehensforderung
ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
Das Familiengericht hat den Antragsgegner zur Zahlung des rückständigen Betreuungsunterhalts verurteilt. Es hat die Auffassung
vertreten, dass die vom Antragsgegner erklärte Aufrechnung gemäß §
394 BGB in Verbindung mit §
850 b Abs.
1 Nr.
2 ZPO ausgeschlossen sei. Die Unterhaltsforderung sei auch nach dem gesetzlichen Forderungsübergang auf die Antragstellerin unpfändbar.
Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit der vorliegenden Beschwerde. Er macht geltend, dass die Antragstellerin des Pfändungsschutzes
nicht bedürfe. Das Aufrechnungsverbot des §
394 BGB schütze ausschließlich den Gläubiger, nicht jedoch die Allgemeinheit. Die Entlastung der Sozialhilfesysteme sei nicht Zweck
des §
394 BGB. Es sei auch nicht zutreffend, dass dem Antragsgegner im Falle der Aufrechnung ein ungerechtfertigter Vorteil zufließen würde.
Durch das Erlöschen der zur Aufrechnung gestellten Darlehensforderung einerseits und der gegen ihn gerichteten Unterhaltsforderung
andererseits erfahre sein Vermögen keine Veränderung. Schließlich hätte es dem Gesetzgeber oblegen, wenn er ein Aufrechnungsverbot
im Falle des gesetzlichen Forderungsübergangs beabsichtigt hätte, die Überleitungsnorm entsprechend auszugestalten.
Der Antragsgegner beantragt,
unter Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts Leipzig vom 03.09.2010 den Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen.
Die Antragstellerin verteidigt die angefochtene Entscheidung und weist insbesondere auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
hin, wonach das Aufrechnungsverbot jedenfalls dann bestehen bleibe, wenn die Leistungspflicht des Sozialleistungsträgers lediglich
subsidiär gegenüber der Verpflichtung des Dritten war.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II.
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Familiengericht hat den Antragsgegner im Ergebnis zu Recht verurteilt, an die Antragstellerin übergeleiteten Trennungsunterhalt
zu zahlen.
Die streitgegenständliche Forderung ist zwischen den Beteiligten dem Grunde und der Höhe nach unstreitig. Streit besteht allein
über die Frage, ob der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin die Aufrechnung mit einer unstreitigen Darlehensforderung
gegenüber der ursprünglichen Forderungsinhaberin erklären kann. Diese Frage ist zu verneinen.
Allerdings schließt sich der Senat nicht der Auffassung des Familiengerichts an, wonach die Aufrechnung vorliegend an §
394 BGB i.V.m. §
850 b Abs.
1 Nr.
2 ZPO scheitere. Zwar ist der Betreuungsunterhaltsanspruch einer Mutter nach §
1615 l
BGB gemäß §
850 b Abs.
1 Nr.
2 ZPO in der Regel unpfändbar, was nach §
394 BGB zum Verbot der Aufrechnung führt. Zu Recht weist jedoch der Antragsgegner darauf hin, dass diese Schutzvorschriften dem Unterhaltsberechtigten
dienen, um diesem eine sichere Lebensgrundlage zu verschaffen. Dieser besondere Schutz ist dann nicht mehr erforderlich, wenn
der Unterhaltsanspruch auf einen Dritten, der den Unterhalt anstelle des eigentlichen Schuldners geleistet hat, übergegangen
ist. Insoweit hat auch der BGH bereits ausgeführt, dass es des Schutzes des §
850 b Abs.
1 Nr.
2 ZPO nicht mehr bedürfe, wenn der Berechtigte von einem Dritten unterhalten worden ist und das Gesetz ihm deshalb den Anspruch
nimmt, was durch den gesetzlichen Forderungsübergang nach § 1615 b
BGB geschehe. In der Person des Dritten, auf den die Forderung übergehe, lägen keine Gründe vor, die eine Fortdauer des Pfändungsschutzes
rechtfertigen könnten (BGH, Urteil vom 24.09.1981, Az.: IX ZR 80/80, NJW 82, 515, 516).
Nichts anderes kann gelten, wenn der Unterhaltsanspruch auf einen Sozialleistungsträger - wie hier - gemäß §
33 Abs.
1 SGB II übergegangen ist. Dass §
850 b Abs.
1 Nr.
2 ZPO und §
394 BGB in einem solchen Fall auch oder sogar vorrangig der Entlastung der Sozialsysteme dienten, lässt sich den genannten Vorschriften
nicht entnehmen. Ein solcher Schutz der Sozialsysteme ist auch nicht erforderlich. Eine Pfändung der auf einen Sozialleistungsträger
übergegangenen Forderung dürfte kaum im Raum stehen. Selbst wenn ein Dritter gegen den Sozialleistungsträger einen vollstreckbaren
und damit zur Pfändung geeigneten Titel besitzen sollte, wäre nicht ersichtlich, weshalb nicht auch in eine übergegangene
Unterhaltsforderung gepfändet werden könnte. Es ist auch kein Bedürfnis dafür erkennbar, dass der Sozialleistungsträger die
auf ihn übergegangene Forderung nicht abtreten können soll. Auch dies wäre jedoch eine Konsequenz, wollte man der übergegangenen
Unterhaltsforderung weiterhin den Pfändungsschutz nach §
850 b Abs.
1 Nr.
2 ZPO zubilligen (§
400 BGB).
Schließlich muss der Sozialleistungsträger auch nicht vor einer Aufrechnung durch den Unterhaltsschuldner geschützt werden.
Sollte ein Unterhaltsschuldner eine Forderung unmittelbar gegenüber dem Sozialleistungsträger haben, ist nicht ersichtlich,
weshalb er die Aufrechnung nicht erklären können soll. Das Problem stellt sich allein in dem Fall, dass der Schuldner eine
Forderung nicht gegenüber dem Sozialleistungsträger hat, sondern gegenüber dem ursprünglichen, also dem eigentlichen Unterhaltsgläubiger.
Nur in diesem Fall könnte der Sozialleistungsträger durch die Aufrechnung schlechter gestellt werden, denn er wird durch die
Aufrechnung nicht von einer ihn belastenden Verbindlichkeit befreit, verliert aber die Forderung gegenüber dem Unterhaltsschuldner.
Dieses in der Tat aus Sicht der Sozialhilfesysteme und damit auch der Allgemeinheit als nachteilig angesehene Ergebnis wird
jedoch durch die Vorschriften über die Abtretung und Aufrechnung verhindert. Nach §
412 BGB finden die Vorschriften der §§
399 bis
404 und
404 bis
410 BGB auf die Übertragung einer Forderung kraft Gesetzes entsprechende Anwendung. Somit ist für den vorliegenden Fall auch §
406 BGB einschlägig. Danach kann ein Schuldner im Fall einer Abtretung oder eines gesetzlichen Forderungsübergangs eine ihm gegen
den bisherigen Gläubiger zustehende Forderung auch dem neuen Gläubiger gegenüber aufrechnen. Die Vorschrift dient, wie auch
§
404 BGB, dem Schutz des Schuldners, der durch eine Abtretung, auf die er keinen Einfluss hat, in seiner Position als Schuldner nicht
verschlechtert werden soll (vgl. Münchener Kommentar, 5. Aufl., § 406 Rdn. 1 mit Verweis auf BGHZ 58, 327, 331; 64, 122, 126).
§
406 BGB regelt somit eine Ausnahme vom Gegenseitigkeitsprinzip des §
387 BGB. Nach §
387 BGB ist die Aufrechnung nur dann möglich, wenn zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind,
schulden. Dies ist nicht der Fall, wenn - wie hier - eine Unterhaltsforderung auf einen Sozialleistungsträger übergegangen
ist und der Schuldner gegenüber dem ursprünglichen Gläubiger eine Gegenforderung hat. In diesem Fall schulden nicht zwei Personen
einander Leistungen, sondern der Unterhaltsschuldner schuldet nunmehr dem Sozialleistungsträger den Unterhalt, während der
ursprüngliche Unterhaltsgläubiger dem Unterhaltsschuldner eine Darlehensforderung schuldet. Weil durch die Abtretung oder
den gesetzlichen Forderungsübergang die Gegenseitigkeit der Forderungen entfällt, die Rechtslage des Schuldners aber durch
diesen Umstand nicht verschlechtert werden soll, gibt §
406 BGB dem Schuldner die Möglichkeit, trotz fehlender Gegenseitigkeit der Forderungen auch gegenüber dem neuen Gläubiger aufrechnen
zu können. Voraussetzung ist aber, dass der Schuldner auch dem ursprünglichen Gläubiger gegenüber hätte aufrechnen können.
Konnte er dies nicht, greift die Ausnahmevorschrift des §
406 BGB nicht. Dies wird schon aus der Formulierung der Vorschrift deutlich, wonach der Schuldner auch dem neuen Gläubiger gegenüber
aufrechnen könne. §
406 BGB dient damit lediglich dem Schutz des Schuldners vor einer Verschlechterung, nicht jedoch der Verbesserung seiner Rechtslage
durch eine Abtretung oder einen gesetzlichen Forderungsübergang. Mit §
406 BGB kann damit nicht begründet werden, dass eine gegenüber dem ursprünglichen Gläubiger unpfändbare und damit nicht durch Aufrechnung
zu beseitigende Forderung durch die Abtretung aufrechnungsfähig wird. Konnte der Schuldner gegenüber dem ursprünglichen Gläubiger
nicht aufrechnen, weil die Forderung unpfändbar und damit nicht aufrechnungsfähig war, verbleibt es vielmehr bei den Aufrechnungsvoraussetzungen
des §
387 BGB und damit auch bei dem Erfordernis der Gegenseitigkeit der Forderungen. Damit kann der Antragsgegner im Verhältnis zur Antragstellerin
die Aufrechnung nicht wirksam erklären. Hierfür spricht im Übrigen auch §
404 BGB: der Schuldner kann dem neuen Gläubiger die Einwendungen entgegensetzen, die zur Zeit der Abtretung der Forderung gegen den
bisherigen Gläubiger begründet waren. Hierunter fällt zum Beispiel auch eine bereits dem ursprünglichen Gläubiger gegenüber
erklärte Aufrechnung. Auch dies würde jedoch zwingend voraussetzen, dass der Schuldner gegenüber dem ursprünglichen Gläubiger
die Aufrechnung wirksam erklären konnte, denn ansonsten konnte er die Aufrechnung zur Zeit der Abtretung gegen den bisherigen
Gläubiger nicht einwenden.
Da der Antragsgegner folglich mit der Aufrechnung die Forderung der Antragstellerin nicht zu Fall bringen konnte, war er antragsgemäß
zu verurteilen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 FamFG.
Es entspricht billigem Ermessen, die durch das unbegründete Rechtsmittel verursachten Kosten dem Antragsgegner und Beschwerdeführer
aufzuerlegen.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§
708 Nr. 8 und 10,
711 ZPO.
Nach § 70 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FamFG war die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Die Frage, ob im Falle des gesetzlichen Forderungsübergangs
eine Aufrechnung wegen Fehlens der Gegenseitigkeit der Forderung ausscheidet, wenn die Aufrechnung gegen den ursprünglichen
Gläubiger nach §
394 BGB i.V.m. §
850 b Abs.
1 Nr.
2 ZPO ausgeschlossen war, ist auch über den Einzelfall hinaus von Bedeutung und soweit ersichtlich durch den Bundesgerichtshof
noch nicht entschieden worden.
Die bisherige Rechtsprechung, auch des Bundesarbeitsgerichts, zu einer entsprechenden Konstellation hat sich vielmehr ausschließlich
mit der Frage der Unpfändbarkeit beschäftigt.