Zur Berechnung des Ehegattenunterhaltes nach § 1360a BGB bei Pflegebedürftigkeit eines Ehegatten
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist teilweise begründet. Der Klägerin steht für die Zeit von März 1996 bis Mai 1998 ein nach § 91
BSHG auf sie übergegangener Unterhaltsanspruch der Hilfeempfängerin in Höhe von insgesamt 13.532,02 DM zu. In der streitbefangenen
Zeit erbrachte die Klägerin für die Hilfeempfängerin nach Abzug von Leistungen der Pflegeversicherung (Pflegestufe III ab
7/96) und sozialhilferechtlicher Anrechnung des hälftigen Familieneinkommens Leistungen in Höhe von insgesamt rund 41.000
DM.
Der Beklagte hat auch als gemäß §
1608 S. 1
BGB nachrangig unterhaltsverpflichteter Sohn gemäß §
1601
BGB für einen Teil des Unterhalts der Hilfeempfängerin aufzukommen.
1.
Der Bedarf der Hilfeempfängerin ist zwischen den Parteien in zweiter Instanz unstreitig. Darin sind die Pflegesätze (ohne
Investitionskosten) sowie ein Taschengeld von mtl. 228 DM bis 243 DM (jeweils gerundet) enthalten. Das Taschengeld zählt bei
stationärer Heimunterbringung ebenfalls zum Unterhaltsbedarf gemäß §
1601
BGB und ist in dieser Höhe angemessen.
2.
Bei der Bedürftigkeit der Hilfeempfängerin sind ihr Renteneinkommen sowie das ihr (ab 1.7.96) gewährte Pflegegeld zu berücksichtigen.
Das Amtsgericht hat zu Recht auch die Leistungen nach dem Kindererziehungsleistungsgesetz (KLG) berücksichtigt. Auch wenn derartige Leistungen sozialhilferechtlich nicht als Einkommen gelten, sind sie unterhaltsrechtlich
als Einkommen anzurechnen (BGH FamRZ 1992, 162; Wendl/Haußleiter, Das Unterhaltsrecht in der familiengerichtlichen Praxis, 5.Aufl., § 1 Rdnr. 366), was die Klägerin mit
der Berufung nicht in Zweifel zieht.
3.
Der Unterhaltsanspruch der Hilfeempfängerin besteht gegen den Beklagten jedoch nur in eingeschränkter Höhe, denn gemäß §
1608 S.1
BGB ist der nach §§
1360,
1360a
BGB gegen ihren Ehemann bestehende Unterhaltsanspruch der Hilfeempfängerin vorrangig. Es ergibt sich ein höherer Unterhaltsanspruch,
als er von der Klägerin, die allein eine sozialhilferechtliche Berechnung aufgestellt hat, berücksichtigt worden ist.
a) Der Unterhaltsbedarf der Hilfeempfängerin ist auch im Verhältnis zu ihrem Ehemann durch die Pflegekosten vorgegeben. Hinzu
kommt ein Taschengeldanspruch in Höhe der Leistungen der Klägerin.
Zwar stehen Art und Ausmaß der Unterhaltsgewährung beim Familienunterhalt nach §§
1360,
1360a
BGB grundsätzlich im Ermessen der Ehegatten (vgl. §
1356
BGB). Im Fall, daß die Ehegatten in einem Haushalt zusammenleben, richtet sich der Barunterhaltsanspruch des haushaltsführenden
Ehegatten in der Regel lediglich auf Zahlung eines Wirtschafts- und Taschengeldes (Wendl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der
familiengerichtlichen Praxis, 5. Aufl., § 3 Rdnr.36; Eschenbruch, Der Unterhaltsprozess, 2.Aufl., Rdnr.1025). Etwas anderes
muß jedoch gelten, wenn ein höherer Barunterhaltsbedarf eines Ehegatten unabwendbar wird. In diesem Fall sind der einvernehmlichen
Unterhaltsbestimmung der Ehegatten durch die tatsächlichen Verhältnisse Grenzen gesetzt. Wenn ein Ehegatte pflegebedürftig
wird und die Hilfe nicht von der Familie selbst geleistet werden kann, dann gehören auch die Kosten der Pflege zum angemessenen
Unterhalt im Sinne des §
1360a
BGB (Wendl/Scholz, § 3 Rdnr.23).
Entgegen der Ansicht der Klägerin kann der Unterhaltsbedarf gegenüber dem Ehemann nicht lediglich mit der hälftigen Quote
des Familieneinkommens bemessen werden, wozu die Klägerin im Rahmen ihrer sozialhilferechtlichen Einkommensberechnung (Heranziehung
des Ehemanns nur in Höhe des hälftigen Familieneinkommens) gelangt ist. Denn der Unterhaltsanspruch richtet sich nach §
1360a
BGB auf den gesamten Lebensbedarf, nicht lediglich auf eine Quote des Familieneinkommens (vgl. Schwab/Borth, Handbuch des Scheidungsrechts,
4.Aufl., IV Rdnr.30). Der Lebensbedarf bestimmt sich mithin nach den konkreten Lebensumständen und kann für die Ehegatten
ungleich hoch sein.
Im vorliegenden Fall steht die Notwendigkeit der kostenaufwendigen Heimunterbringung der Hilfeempfängerin zwischen den Parteien
außer Streit. Der Lebensbedarf der Hilfeempfängerin richtet sich also nach den konkreten Pflegekosten. Dabei ist der durch
das Pflegewohngeld abgedeckte Bedarf für die Unterkunft (sog. Investitionskosten, vgl. § 14 Landespflegegesetz NW) bereits
außer Betracht geblieben.
Hinzu kommt ein Taschengeld in der von der Klägerin geleisteten Höhe. Denn auch während der Heimunterbringung fallen Kosten
für den persönlichen Bedarf (z.B. Körperpflege, Kleidung, Information) an, die nicht durch die Pflegesätze abgedeckt sind.
Hierfür hält der Senat die von der Klägerin gewährten Beträge von mtl. 228 DM bis 243 DM (jeweils gerundet) auch unterhaltsrechtlich
für angemessen.
b)
aa) Bei der Leistungsfähigkeit des Ehemanns ist neben der gesetzlichen Rente und der Zusatzrente auch das Einkommen aus der
Grundrente gemäß § 31
BVG zu berücksichtigen. Die gesetzliche Vermutung des §
1610a
BGB gilt beim Familienunterhalt nicht, denn die für den Verwandtenunterhalt geltende Bestimmung des §
1610a
BGB wird von der gesetzlichen Verweisung in §
1360a Abs.
3
BGB nicht erfaßt. (Wendl/Scholz, § 3 Rdnr.31; Staudinger/Engler,
BGB, Bearbeitung 2000, §
1610a Rdnr.1).
Die Klägerin hat einen von der Grundrente zu deckenden konkreten Mehraufwand des Ehemannes nicht dargelegt. Anzuerkennen sind
allerdings die Kosten der Putzhilfe von wöchentlich 100 DM (= mtl. 433,33 DM). Letztere sind in zweiter Instanz belegt und
nicht mehr bestritten worden. Sie entfallen indessen ab Dezember 1997, weil dem Ehemann insoweit die Kosten von Seiten der
Pflegeversicherung erstattet wurden. Ein weiterer Mehrbedarf des Ehemannes (insbesondere für Medikamentenzuzahlungen) ist
von der Klägerin dagegen nicht spezifiziert worden.
bb) Der dem Ehemann zu belassende Selbstbehalt ist vom Amtsgericht zu Recht entsprechend dem Trennungsunterhalt auf 1.300
DM zuzüglich erhöhter Wohnkosten veranschlagt worden. Für einen höheren Eigenbedarf bei (rechtlich) zusammenlebenden Ehegatten
besteht entgegen der Ansicht der Klägerin keine Veranlassung. Das ergibt sich aus dem Gedanken, daß die unterhaltsrechtlich
gebotene Solidarität zusammenlebender Ehegatten nicht hinter derjenigen von getrenntlebenden oder geschiedenen Ehegatten zurückstehen
darf. Dem Ehemann ist also gegenüber der pflegebedürftigen Hilfeempfängerin lediglich der sog. notwendige Selbstbehalt zu
belassen.
Allerdings besteht auch keine Veranlassung zur Herabsetzung des Mindestselbstbehalts, weil - wie der Beklagte meint - zusammenlebende
Ehegatten "noch ihren letzten Pfennig teilen". Denn auch beim Familienunterhalt gilt der Grundsatz, daß der Unterhaltspflichtige
infolge der von ihm zu erbringenden Unterhaltsleistungen nicht selbst sozialhilfebedürftig werden darf. Dem trägt der für
den Trennungs- und Geschiedenenunterhalt entwickelte Selbstbehaltssatz der Düsseldorfer Tabelle (Anm.B.V) Rechnung, der somit
auch für den Familienunterhalt herangezogen werden kann. Der Selbstbehaltssatz beträgt für den streitbefangenen Zeitraum nach
der Düsseldorfer Tabelle, Stand 1.1.96, für den nicht erwerbstätigen Ehegatten 1.300 DM. Er ist zu erhöhen um die gegenüber
dem einkalkulierten Wohnbedarf (vgl. Anm. A.5 der Düsseldorfer Tabelle, Stand 1.1.96) erhöhten Wohnkosten. Denn dem betagten
Ehemann der Hilfeempfängerin war nicht ohne weiteres abzuverlangen, sich nach deren Heimübersiedlung eine kostengünstigere
Wohnung zu besorgen, was vom Beklagten auch nicht geltend gemacht wird.
cc) Der Selbstbehalt des Ehemannes ist allerdings ab Januar 1998 ebenfalls konkret zu bestimmen, nachdem er selbst stationär
pflegebedürftig geworden ist und erhöhte Kosten aufzuwenden hat. Für die Monate Januar und Februar 1998 bezog der Ehemann
(unter anderem aufgrund der Kosten der Wohnungsauflösung etc.) selbst Sozialhilfe. Er kann daher nicht in größerem Umfang,
als es von der Klägerin bereits im Rahmen ihrer sozialhilferechtlichen Berechnung berücksichtigt worden ist, zum Unterhalt
herangezogen werden. Die von der Klägerin für diesen Zeitraum geltend gemachten Beträge von 1.584,79 DM (1/98) und 210,01
DM (2/98) sind daher begründet.
Ab März 1998 ist der Ehemann der Hilfeempfängerin sog. Selbstzahler und bezieht Pflegegeld von mtl. 2.500 DM (Pflegestufe
II) sowie Pflegewohngeld (§ 14 Landespflegegesetz NW) in Höhe von 810,47 DM. Gegenüber den Heimpflegekosten von 5.423,93 DM
(Gesamtpflegesatz plus Taschengeld) verbleiben allerdings noch für den Ehegattenunterhalt einsetzbare Beträge, was sich aus
der folgenden Berechnung ergibt.
4.
Im einzelnen ermittelt sich der vom Beklagten geschuldete Unterhalt nach der folgenden Übersicht auf insgesamt 13.532,02 DM.
5.
Die Leistungsfähigkeit des Beklagten steht bei einem durchschnittlichen bereinigten Nettoeinkommen von rund 9.000 DM auch
unter Berücksichtigung seiner vorrangigen Unterhaltspflichten außer Frage. Eine sozialhilterechtliche Vergleichsberechnung
führt offensichtlich zu keinem anderen Ergebnis. Die in der Berufungsinstanz angedeutete Mehrbelastung wegen Immobilienfinanzierung
ist vom Beklagten nicht näher spezifiziert worden.
6.
Der Zinsanspruch besteht lediglich aus dem Verzugsschaden nach §
284,
286
BGB. Der Zinssatz nach §
283
BGB n.F. (5% über dem Basiszinssatz) ist im vorliegenden Fall nicht begründet, weil die geltend gemachten Ansprüche sämtlich
vor dem 1.5.00 fällig geworden sind (s. Art. 229 § 1 S. 2
EGBGB).
7.
Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§
92,
708 Nr. 10,
713
ZPO. Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlicher Anlaß gemäß §§ 621d, 546
ZPO.
Streitwert für die Berufungsinstanz: 30.278,96 DM