Höhe des krankheitsbedingten Mehrbedarfs bei Erkrankung an Diabetes Typ I
Tatbestand:
Die Parteien streiten um Trennungs- und Kindesunterhalt ab Dezember 1999.
Aus der am 11. April. 1991 geschlossenen Ehe der am 28. Dezember 1965 geborenen Klägerin und des am 9. Mai 1965 geborenen
Beklagten ist der Sohn H (geboren am 14. Februar 1999) hervorgegangen. Die Parteien trennten sich im Juni 1999; die Klägerin
verließ mit dem Kind die Ehewohnung. Das Kind lebt seitdem bei der Klägerin, die auch das Kindergeld bezieht.
Der Beklagte ist Beamter bei der Deutschen Telekom AG. Er leidet seit dem 12. Lebensjahr an insulinpflichtiger Diabetes Typ
I; die Parteien streiten insoweit über die Höhe des krankheitsbedingten Mehrbedarfes. Der Beklagte ist inzwischen eine neue
- nichteheliche - Verbindung mit einer anderen Frau eingegangen. Er ist Vater der am 8. August 2000 geborenen Zwillinge J
und A R.
Die Parteien sind je zur Hälfte Miteigentümer des Hauses in Stolberg, in welchem der Kläger nach der Trennung zunächst allein
lebte. Seit spätestens März 2001 leben, auch die neue Lebensgefährtin des Beklagten und die beiden Kinder J und A im Haus
der Parteien. Das auf einem 378 m2 großen Grundstück errichtete Haus (Neubau) verfügt über eine Wohn-/Nutzfläche von etwa
250 m2 und eine Doppelgarage von 37 m2. Der Kaltmietwert beläuft sich auf 1.500 DM. Der Beklagte zahlt für Darlehensmittel
monatlich 1.666,60 DM. In den Jahren 1999 und 2000 leistete der Beklagte überdies auf ein von seinen Eltern für den Bau der
Garage gewährtes Darlehn zwei Rückzahlungen von 6.000,00 DM und 4.300,00 DM. Weitere feste Kosten sind nicht vorgetragen.
Die Klägerin ist von Beruf Krankenschwester und hat in der Ehezeit am L hospital in Aachen gearbeitet. Seit der Geburt des
Kindes ist sie nicht mehr berufstätig, erhielt aber 1999 aus dem Arbeitsverhältnis noch Sonderzuwendungen, Mutterschaftsgeld
und Zuschuß zum Mutterschaftsgeld. Im übrigen bezieht sie für sich Sozialhilfe und für das Kind Leistungen nach dem UVG.
Mit Schreiben vom 9. Juli 1999 (Bl. 5 ff.) hat die Klägerin den Beklagten zur Unterhaltszahlung aufgefordert. Mit ihrem Klageantrag
erster Instanz hat sie Unterhalt ab Juli 1999 verlangt.
Durch das angefochtene Urteil, auf das wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, hat das Amtsgericht den Beklagten zur
Zahlung von 924,00 DM Trennungsunterhalt monatlich ab Dezember 1999 sowie von Kindesunterhalt nach Gruppe 1 der Düsseldorfer
Tabelle ebenfalls ab Dezember 1999 verurteilt mit der Maßgabe, daß die Dezemberzahlung an die Stadt Mönchengladbach und die
Zahlungen ab Januar an die Klägerin zu erfolgen haben. Wegen der Rückstandsbeträge ab Juli 1999 und des verlangten höheren
Unterhalts hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen.
Mit seiner form- und fristgerechten Berufung berechnet der Beklagte im einzelnen seine krankheitsbedingten Mehrkosten. Er
behauptet einen ernährungsbedingten Mehraufwand von 648,34 DM sowie weiteren Mehraufwand für Pflegeprodukte, Medikamenten-Eigenanteil
sowie ähnliche Aufwendungen bis zu einem Gesamtbetrag von 1.130,85 DM. Er belegt seinen Vortrag u.a. mit einem ärztlichen
Kurzgutachten des Dr. U P vom 17. März 2000. Zur Aufnahme seiner Lebensgefährtin und deren Kinder in das Haus macht er geltend,
in der Vergangenheit sei es zu lebensbedrohlichen Unterzuckerungen gekommen, so daß er die Hilfe Dritter benötige. Im übrigen
wendet sich der Beklagte gegen den Ansatz eines Wohnvorteils von 600,00 DM monatlich und verweist auf den Wechsel der Steuerklasse
zum Januar 2000. Ferner hält er den Anspruch auf Trennungsunterhalt für verwirkt, da die Klägerin die gemeinsame Lebensplanung
der Parteien, die nach Auslaufen des Mutterschaftsgeldes eine Wiederaufnahme ihrer Berufstätigkeit vorgesehen habe, grundlos
aufgegeben habe und aus dem Bau des Hauses im Fall der Scheidung einen Wert behalten werde, ohne hierfür selbst einen Beitrag
geleistet zu haben.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sich der Berufung anschließend beantragt sie ferner,
den Beklagten zu verurteilen, an sie - hilfsweise an die Stadt Mönchengladbach - einen Unterhaltsrückstand in Höhe von 3.540,00
DM nebst 4% Zinsen seit dem 3. September 1999 für die Zeit bis einschließlich September 1999 zu zahlen,
ab Oktober 1999 einen Unterhalt von 1.410,00 DM mtl. zu zahlen, und zwar 280,00 DM mtl. für das Kind H und 1.130,00 DM für
sie selbst,
ab Januar 2001 weitere mtl. 75,00 DM (insgesamt 355,00 DM) Kindesunterhalt und
ab April 2001 weitere mtl. 70,00 DM (insgesamt 1.200,00 DM) Trennungsunterhalt
zu zahlen.
Sie bestreitet die von dem Beklagten behaupteten Mehrkosten der wegen der Diabetes gebotenen besonderen Ernährung und Pflege.
Hinsichtlich des Wohnvorteils ist sie der Auffassung, daß bei einem objektiven Wohnwert von 1.500 DM der von ihr ursprünglich
angesetzte Wohnvorteil von 1.000 DM nicht übersetzt sei. Sie verweist zudem darauf, daß sie die Sozialhilfe nur als Darlehen
erhalten habe.
Der Beklagte beantragt,
die Anschlußberufung zurückzuweisen.
Der Senat hat beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. F. Wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten vom 14. November 2000 (Bl. 170 - 192 d.A.), die Ergänzung vom 28. Februar
2001 (Bl. 235 - 239 d.A.) und die Niederschrift über die Anhörung des Sachverständigen vom 18. Mai 2001 (Bl. 269 -273 d.A.)
verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten hat nur einen geringen Erfolg. Die Anschlußberufung ist dagegen überwiegend begründet. Die Rechtsmittel
führen zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung:
Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von Trennungsunterhalt aus §
1361 Abs.
1
BGB. Nach dieser Vorschrift kann ein Ehegatte, wenn die Eheleute getrennt leben, von dem anderen den nach den Lebensverhältnissen
und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt verlangen. Der Beklagte ist auch verpflichtet,
Kindesunterhalt für sein Kind H zu zahlen. Er haftet nach §§ 1601 ff, 1606 , 1610Abs. 3, da H als minderjähriges und unverheiratetes,
einkommens- und vermögensloses Kind bedürftig und auf Unterhaltszahlungen angewiesen ist. Nach §
1603 Abs.
2 Satz 1
BGB haftet er zudem verschärft für den Unterhalt des Kindes.
Die ehelichen Lebensverhältnisse der Parteien waren durch das beiderseitige Berufseinkommen, den Wohnwert des Wohnens im eigenen
Hause, die Kosten des Hauses, den krankheitsbedingten Mehrbedarf des Beklagten wegen seiner Diabetes sowie die Unterhaltsverpflichtung
gegenüber dem Kind H bestimmt. Zu den eheprägenden Umständen zahlt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH
FamRZ 1997 S. 806 m.w.N.) ferner die Unterhaltsverpflichtung des Beklagten gegenüber den beiden vor Ehescheidung geborenen Kindern J R und
A R.
Nicht zu berücksichtigen ist dagegen die Unterhaltspflicht des Beklagten gegenüber der Mutter seiner beiden Kinder J und A
aus §
1615 l
BGB: gemäß §§
1609,
1615 l Abs.
3 S. 2
BGB gehen die Ansprüche der Ehefrau und der minderjährigen unverheirateten Kinder vor.
Im einzelnen:
I) Einkommen des Beklagten:
a) 1999:
Nettoeinkommen monatlich aus Gehaltsabrechnungen Dezember 1999 4.643,61 DM zuzüglich Steuererstattung
für 1998 (4.426,25 DM) monatlich + 368,85 DM abzüglich VWL Arbeitgeber
netto pauschal - 10,-- DM Summe 5.002,46 DM.
Nach Abzug von 5 % verbleiben 4.752,33 DM.
Der Beklagte hat ferner nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin im Jahre 1999 eine Eigenheimzulage von 5000,00
DM sowie einen Kinderbonus von 1.500, 00 DM ausgezahlt erhalten. Sein für die Unterhaltsberechnung maßgebliches Einkommen
erhöht sich mithin um mtl. 541,66 DM auf 5.293,00 DM.
b) 2000 (Wechsel der Steuerklasse):
Ohne den Gewerkschaftsbeitrag und den Abzug für vermögenswirksame Anlagen in Höhe von 40,05 DM und 52,00 DM ergibt sich aus
der Abrechnung Januar 2000 ein Nettoeinkommen von 4.082,25 DM. Da der Beklagte 13 Gehälter und zusätzlich Urlaubsgeld erhält,
ist dieser Betrag entsprechend zu erhöhen: Bei Multiplikation mit 13 und Division durch 12 Monate ergibt sich ein durchschnittliches
Monatseinkommen von netto 4.422,44 DM. Diese Berechnungsweise ist, zumal die Jahreszahlen für das Jahr 2000 sind nicht mitgeteilt
sind, geeignet zur Feststellung des Durchschnittseinkommens, obwohl das Weihnachtsgeld nicht ganz ein 13. Monatsgehalt ausmacht
und höher versteuert wird. Dies wird aber ausgeglichen durch das darüber hinaus gezahlte Urlaubsgeld sowie den Umstand, daß
der Beklagte als Beamter von seinem Weihnachtsgeld keinen gesonderten Krankenversicherungsbeitrag zu bezahlen hat.
Es ergibt sich danach folgende Berechnung:
Netto im Durchschnitt 4.422,44 DM abzüglich Krankenkasse/Pflegeversicherung - 221,66 DM abzüglich VWL Arbeitgeber netto pauschal
- 10,- DM zuzüglich Steuererstattung
aus 1999 fortgeschrieben + 368,85 DM Summe 4.559,63 DM.
Nach Abzug von 5 % verbleiben 4.331,65 DM.
Nachdem die Parteien die abschließenden Ergebnisse ihrer steuerlichen Veranlagung für das Jahr 1999 nicht vorgetragen haben,
ist es gerechtfertigt, die für 1998 erhaltene Steuererstattung auf für das Folgejahr fortzuschreiben. Dem steht nicht entgegen,
daß die Klägerin zunächst die getrennte Veranlagung gewählt hat. Denn mit Schriftsatz vom 21. August 2000 hat sie sich zur
nachträglichen Durchführung der gemeinsamen Veranlagung ausdrücklich bereit erklärt.
Da sich an den rechtlichen Voraussetzungen nichts geändert hat sind ebenfalls fortzuschreiben die Eigenheimzulage und der
Bezug von Baukindergeld in einer Gesamthöhe von monatlich - wie 1999 - 541,66 DM. Das bereinigte Durchschnittseinkommen des
Beklagten beläuft sich sodann auf 4.873,31 DM.
c) Ab Januar 2O01:
Bei im übrigen grundsätzlich unveränderten Einkommensverhältnissen fehlt für eine weitere Fortschreibung der 1999 erhaltenen
Steuererstattung angesichts der im Veranlagungsjahr 2000 völlig veränderten steuerrechtlichen Voraussetzungen eine tragfähige
Grundlage. Denn vom Lohn des Beklagten sind im Veranlagungszeitraum Steuern nach Steuerklasse I einbehalten worden und eine
gemeinsame Veranlagung ist nicht mehr möglich. Demgemäß ist nunmehr von einem (um 368,85 DM abzgl. 5% = 350,40 DM reduzierten)
Durchschnittseinkommen von 4.522,91 DM auszugehen.
II) Einkommen Klägerin:
a) 1999:
Die Klägerin hat im Jahre 1999 vom L hospital in Aachen Entgelte in Höhe von netto 3.365,60 DM erhalten. Hinzuzurechnen ist
der darüber hinaus gezahlte Zuschuß zum Mutterschaftsgeld von 3.421 DM sowie das Mutterschaftsgeld selbst in Höhe von 2.250
DM. Auch das Mutterschaftsgeld ist (vgl. Kalthoener/Büttner, Rdn. 854) anrechenbares Einkommen. Insgesamt ergibt sich für
1999 ein Nettobetrag von 9.036,60 DM, entsprechend monatlich 753,05 DM. Berufsbedingte Aufwendungen hat die Klägerin hierfür
praktisch nicht gehabt, so daß ein
Abzug nicht berechtigt ist. Da die Einkünfte der Klägerin aber gerade aus einem fortbestehenden (nur durch Erziehungsurlaub
unterbrochenen) Erwerbsverhältnis resultieren, ist es nach Auffassung des Senats gerechtfertigt, der Klägerin das Anreizsiebtel
zuzubilligen.
b) 2000 und 2001:
Die Klägerin bezieht durchgängig Sozialhilfe und verfügt nicht über eigene Einkünfte. Angesichts des Alters des von ihr betreuten
gemeinsamen Kindes der Parteien ist die Klägerin auch nicht zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit verpflichtet. Etwaige frühere
Planungen der Parteien dahin, daß die Klägerin nach Ende der Zahlung von Mutterschaftsgeld wieder halbtags arbeiten solle,
sind nach Trennung für die Beurteilung der Erwerbsobliegenheit nicht mehr von Bedeutung.
Durch den Bezug von Erziehungsgeld wird die Unterhaltspflicht des Beklagten gem. § 9 S. 1 BErzGG nicht berührt.
III) Krankheitsbedingter Mehrbedarf des Beklagten:
Die ehelichen Lebensverhältnisse der Parteien waren ferner - im Grundsatz unstreitig - geprägt durch die Diabetes-Erkrankung
des Beklagten und ein hierdurch beeinflußtes Ernährungsverhalten.
Der Beklagte macht mit seinem Rechtsmittel unter Hinweis auf eine Diätrichtlinienzusammenstellung des L hospitals Aachen vom
8. November 1985 geltend, die bei ihm vorliegende Erkrankung - Diabetes Typ I seit dem 12. Lebensjahr - lasse eine normale
Lebensführung mit einer Ernährung wie bei einem Gesunden nicht zu. Sie erfordere einen Kostenmehraufwand durch Verwendung
besonders hochwertiger Ernährungs- und Pflegeprodukte, durch einen einmal jährlich stattfindenden Aufenthalt in einer Diabetes-Klinik
sowie infolge des von ihm getragenen Medikamenten-Eigenanteils in Höhe von insgesamt monatlich 1.130,85 DM.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht demgegenüber fest, daß ein etwa 150,00 DM monatlich übersteigender Mehraufwand
angesichts des konkreten Gesundheitszustands des Beklagten medizinisch nicht zu rechtfertigen ist. Der Senat folgt hierin
ohne Einschränkungen den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. F, die dieser auf Grund eingehender körperlicher Untersuchung
des Beklagten getroffen hat:
Der Beklagte ist seit inzwischen 24 Jahren an Diabetes Typ I erkrankt. Dank seiner Selbstdisziplin ist es ihm gelungen, seine
Erkrankung mustergültig in den Griff zu bekommen. Die Einstellung seines Blutzuckers ist ebenso anforderungsgerecht wie sein
Körpergewicht. Sekundärfolgen der Diabetes-Erkrankung (Fußsyndrom, Erkrankung von Netzhaut oder Nieren, Neuropathien u. dgl.)
sind bei ihm nicht eingetreten. Die von dem Sachverständigen festgestellten Laborwerte sind ebenso exzellent wie die durch
den Hausarzt ermittelten und vom Beklagten dem Sachverständigen mitgeteilten Laborwerte. Insgesamt befindet sich der Beklagte
in einem - vom Fehlen der Insulinproduktion abgesehen - guten Gesundheitszustand.
Bei diesen gesundheitlichen Voraussetzungen ist es aus medizinischer Sicht nicht geboten, die Auswahl der Nahrungsmittel abweichend
von den Anforderungen an die (vernünftige) Ernährung eines Nichtdiabetikers zu treffen. Unter Hinweis auf die Empfehlungen
des Ausschusses Ernährung der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) hat der Sachverständige Prof. Dr. F hierzu ausgeführt,
bei entsprechend geschulten Patienten unter intensivierter Insulintherapie - beide Voraussetzungen liegen in der Person des
Beklagten vor - sei eine weitgehende Ernährungsliberalisierung möglich. Für die Verwendung spezieller Nahrungsmittel oder
Ernährungsergänzungsstoffe bestehe keine Notwendigkeit. Hierzu gehöre die sogenannte Reformhauskost wie auch sonstige als
"natürlich",
"vollwertig" oder "naturbelassen" angepriesene Nahrungsmittel. Zur Ernährung könne der Diabetiker grundsätzlich bedenkenfrei
auch auf Produkte der Lebensmitteldiscounter zurückgreifen; die vom Beklagten behauptete Verwendung von Reformhausprodukten
und dgl. sei medizinisch nicht von Vorteil, sondern dem "Lifestyle" zuzurechnen. Nichts anderes gelte für Pflegemittel und
Bekleidung: Gegen die Verwendung handelsüblicher Pflegecremes und das Tragen normaler (weicher) Straßenschuhe sei nichts einzuwenden.
Bei großzügiger Betrachtung lasse sich einschließlich des Medikamenten-Eigenanteils allenfalls ein monatlicher Mehraufwand
von 100,00 bis 150,00 DM begründen.
Der Senat folgt dieser Beurteilung. Sie entspricht dem sich aus allgemein zugänglichen Erkenntnisquellen, insbesondere den
Ernährungsempfehlungen der Deutschen Diabetes-Gesellschaft, ergebenden Stand der Wissenschaft. Sie wird bestätigt durch die
von dem Sachverständigen anläßlich seiner mündlichen Anhörung überreichten Publikationen (Diabetologie Informationen 2000
S. 427; Hauptsymposium Ernährung und Diabetesmellitus anläßlich der 34. Jahrestagung der DDG vom 12. bis 15. Mai 1999). Gegen
die Richtigkeit der von dem Sachverständigen getroffenen Feststellungen ergeben sich auch keine Bedenken aus den Ernährungsempfehlungen
des L hospitals Aachen vom 8. November 1985: Die Frage der richtigen Ernährung für Diabetiker und der damit verbundenen Kosten
wird, worauf der Sachverständige bei seiner Anhörung hingewiesen hat, seit Jahrzehnten mit sich über die Zeit verändernden
Ergebnissen diskutiert. Für die Beurteilung des dem Beklagten zuzubilligenden Mehrbedarfs ist aber auf den jetzigen Stand
der Wissenschaft abzustellen, nicht auf denjenigen des Jahres 1985.
Einer Hinzuziehung des Hausarztes des Beklagten bedurfte es zur Beurteilung der Beweisaufnahme nicht. Der Sachverständige
hat den Beklagten mit den Möglichkeiten des hierauf ausgerichteten evangelischen Krankenhauses Mülheim a.d.R. selbst untersucht
und Befunde erhoben. Durch eine Anhörung des Hausarztes war deshalb eine weitere Sachaufklärung nicht zu erwarten, zumal der
Sachverständige Prof. Dr. F als Diabetologe und Chefarzt über eine überlegene Sachkunde verfügt.
In der Berechnung des geschuldeten Unterhalts geht der Senat jedoch über den von dem Sachverständigen auf 100,00 DM bis 150,00
DM geschätzten Mehrbedarf hinaus und berücksichtigt zugunsten des Beklagten einen monatlichen Mehrverbrauch von 300,00 DM.
Diesen Betrag hat die Klägerin bereits in die Unterhaltsberechnung der Klageschrift eingestellt. Dies läßt erkennen, daß in
der Zeit des ehelichen Zusammenlebens ein solcher Mehraufwand - ob nun notwendig oder nicht - tatsächlich betrieben worden
ist und die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt hat.
Soweit der Beklagte hingegen früher einen Mehraufwand über monatlich 300,00 DM hinaus betrieben haben sollte, läßt sich dies
angesichts seiner nunmehr äußerst angespannten finanziellen Verhältnisse nicht mehr vertreten.
IV) Verbindlichkeiten/Wohnvorteil:
Die Parteien sind Eigentümer eines selbstgenutzten Einfamilienhauses, für das ein objektiven Wohnwert (entsprechend dem bei
Vermietung zu erzielenden Kaltmietwert) von unstreitig 1.500,00 DM anzusetzen ist. Allerdings bemißt sich beim Trennungsunterhalt
der eheprägende Wohnvorteil nach einem eingeschränkten Gebrauchsvorteil, den der in der Ehewohnung verbleibende Ehegatte aufgrund
einer angemessenen Wohnungsnutzung der für ihn zu großen Immobilie erzielt. Dies folgt daraus, daß der ursprünglich dem Ehegatten,
der die Wohnung verlassen hat, zuzurechnende Teil der Wohnungsnutzung nicht mehr gezogen wird. Dieser als "totes Kapital"
zu bezeichnende Anteil ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH FamRZ. 1998, S. 899) bereits bei der Bestimmung
des Unterhaltsbedarfs außer Ansatz zu lassen.
Entsprechend ist in die Unterhaltsberechnung für die Zeit bis März 2001 ein angemessen reduzierter Wohnwert einzustellen.
Diesen bemißt der Senat auf 500,00 DM mtl. entsprechend dem Anteil der Kaltmiete im Selbstbehalt der Düsseldorfer Tabelle,
da dem Beklagten lediglich der Selbstbehalt von 1.500,00 DM bzw. ein geringfügig höheres Einkommen verbleibt.
Mit dem spätestens im März 2001 erfolgten Einzug der neuen Lebensgefährtin des Beklagten und deren beiden Kinder in das Haus
der Parteien entfällt die Rechtfertigung für die angemessene Reduzierung des Wohnwerts. Das Haus wird nunmehr wieder in mindestens
gleichem Umfang genutzt wie vor dem Auszug der Klägerin. Solange der Beklagte das Haus nach Trennung allein weiternutzte,
stellte sich die für ihn nun zu große Wohnfläche gleichsam als eine ihm von der Klägerin "aufgedrängte Bereicherung" dar,
weswegen aus Gründen der Billigkeit für diese Zeit nur der ihm als Einzelperson bei seinen wirtschaftlichen Verhältnissen
angemessene Wohnwert in die Berechnung einzustellen ist. Mit der Aufnahme seiner Lebensgefährtin und der beiden aus der neuen
Verbindung hervorgegangenen Kinder in das Haus macht sich der Beklagte aber diesen (auf die frühere Nutzung durch die Klägerin
und das Kind H entfallenden) Vorteil zu eigen. Entsprechend ist nunmehr der objektive Wohnwert in die Berechnung des Unterhalts
einzustellen.
Dem Wohnwert stehen allerdings ihn übersteigende Verbindlichkeiten gegenüber. Zum einen bedient der Beklagte die beiden Kredite
des Post-, Spar- und Darlehnsvereins Köln mit zusammen mtl. 1666,60 DM. Darüber hinaus hat er im Jahr 1999 auf ein Baudarlehn
seiner Eltern 6000,00 DM (entsprechend 500,00 DM mtl.) und im Folgejahr 4.300,00 DM (entsprechend mtl. 358,00 DM) zurückgezahlt.
Weitere mit dem Wohnen verbundene verbrauchsunabhängige Kosten sind nicht vorgetragen. Soweit die Verbindlichkeiten den Wohnwert
übersteigen, sind sie vom Einkommen abzusetzen.
V) Berechnung des Unterhalts:
a) 1999:
(5.293,00 DM - (1.666,6.0 DM + 500,00 DM) Wohnkosten + 500 DM Wohnwert - 455,00 DM Tabellenunterhalt Kind - 300,00 DM krankheitsbedingter
Mehrbedarf - 753,05 DM Einkommen Klägerin) x 3/7 = 907,86 DM.
Nach seinem Einkommen ist der Beklagte in die vierte Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle einzustufen. Da er nur gegenüber
zwei Personen unterhaltspflichtig ist, ist der Kindesunterhalt der fünften Einkommensgruppe zu entnehmen. Zwar ist Kindesunterhalt
nur nach der dritten Einkommensgruppe beantragt und in dieser Höhe (405,00 DM abzüglich des hälftigen Kindergelds von 125,00
DM = 280,00 DM) zuzusprechen. Für die Berechnung des Ehegattenunterhalts ist diese Beschränkung aber bedeutungslos.
b) Januar bis Juli 2000:
(4.873,31 DM - (1.666,60 DM + 358,00 DM) Verbindlichkeiten + 500,00 DM Wohnwert - 355,00 DM Tabellenunterhalt - 300,00 DM
krankheitsbedingter Mehrbedarf) x 3/7 = 1.154,44 DM.
Antragsgemäß war auf 1.130,00 DM zu erkennen. Der Selbstbehalt ist knapp gewahrt.
c.) August Dezember 2000:
(4.873,31 DM - (1.666,60 DM. + 358,00 DM) Verbindlichkeiten + 500,00 DM Wohnwert - 3 x 355,00 DM Tabellenunterhalt für 3 Kinder
- 300,00 DM krankheitsbedingter Mehrbedarf) x 3/7 = 850,16 DM.
Der Selbstbehalt ist nicht gewahrt. Die Verteilungsmasse beträgt:
4.873,31 DM - (1.666,60 DM + 358,00 DM) + 500 DM -300,00 DM - 1.500 DM Selbstbehalt = 1.548,71 DM.
Die Summe der Bedarfsbeträge beläuft sich auf 1.915,16 DM. Der Beklagte kann damit nur 81 % der Bedarfsbeträge decken.
Für die Klägerin errechnet sich:
850,16 DM x 81 % = 688,62 DM.
Für den Kindesunterhalt ist die Mangelfallberechnung ohne Auswirkung, da der Abzug des hälftigen Kindergelds zu einem geringeren
Zahlbetrag führt.
d) Januar bis März 2001:
(4.522,91 DM - 1.666,60 DM Verbindlichkeiten + 500,00 DM Wohnwert - 3 x 355,00 DM Tabellenunterhalt für 3 Kinder -300,00 DM
krankheitsbedingter Mehrbedarf) x 3/7 = 853,41 DM.
Der Selbstbehalt ist nicht gewahrt. Die Verteilungsmasse beträgt:
4.522,91 DM - 1.666,60 DM + 500 DM - 300,00 DM - 1.500 DM. Selbstbehalt = 1.556,31 DM.
Die Summe der Bedarfsbeträge beläuft sich auf 1.918,41 DM. Der Beklagte kann damit weiterhin nur 81 % der Bedarfsbeträge decken.
Für die Klägerin errechnet sich:
853,41 DM x 81 % = 691,26 DM.
Nach Beschränkung der Kindergeldanrechnung gem. §
1612 b Abs.
5
BGB n.F. hat die Mangelfallberechnung zur Folge, daß der Beklagte als Kindesunterhalt 355,00 DM x 81% = 287,55 DM zu zahlen hat.
e) Ab April 2001:
(4.522,91 DM - 1.666,60 DM Verbindlichkeiten + 1.500,00 DM Wohnwert - 3 x 380,00 DM Tabellenunterhalt für 3 Kinder -300,00
DM krankheitsbedingter Mehrbedarf) x 3/7 = 1.249,84 DM.
Antragsgemäß waren mithin 1.200,00 DM mtl. zuzusprechen.
Für den Kindesunterhalt wäre der Beklagte nach seinem Einkommen unter Herabstufung gem. Anmerkung 1. der Düsseldorfer Tabelle
in die 5. Einkommensgruppe einzuordnen. Der Bedarfskontrollbetrag ist jedoch nur für die 2. Einkommensgruppe gewahrt. Die
Teilanrechnung des Kindergelds gem. §
1612 b Abs.
5
BGB führt zu einem Zahlbetrag von 380,00 DM - 35,00 DM Kindergeld = 345,00 DM.
VI) Rückstandsbeträge:
Soweit sich die Anschlußberufung gegen die Klageabweisung für die Zeit bis November 1999 wendet, hat das Rechtsmittel nur
teilweise Erfolg:
Die Klage ist erst durch Zustellung der Klageschrift am 8. November 1999 rechtshängig geworden. Für die Geltendmachung des
Anspruchs auf Kindesunterhalt bis zu einem Zahlbetrag von 230,00 DM fehlt der Klägerin deswegen für die Zeit bis einschließlich
November 1999 die Aktivlegitimation, nachdem der Anspruch in dieser Höhe gem. § 7 Abs. 1
UVG auf die Stadt Mönchengladbach als Unterhaltsvorschußkasse übergegangen ist.
Anderes gilt allerdings für die von der Klägerin selbst bezogene Sozialhilfe: Diese ist, wie die Klägerin durch Vorlage des
Bescheids der Stadt Mönchengladbach vom 14. August 2000 belegt hat, nur darlehnsweise gewährt, so daß ein Anspruchsübergang
gem. § 91
BSHG nicht stattgefunden hat. Die Klägerin ist mithin ab Verzugseintritt (10. Juli 1999) zur Geltendmachung ihres Trennungsunterhalts
und des 230,00 DM mtl. übersteigenden Kindesunterhalts berechtigt.
Der Rückstand bis einschließlich September 1999, für den die Klägerin antragsgemäß 4% Zinsen aus §§
284 Abs.
1,
288 Abs.
1
BGB beanspruchen kann, beläuft sich auf
(2 Monate + 19/31 Monate) x (907,86 DM Ehegattenunterhalt + 50,00 DM Kindesunterhalt nach Abzug der UVG-Leistungen) =
2.502,79 DM.
Hinsichtlich der ab Rechtshängigkeit bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung rückständigen Kindesunterhaltsbeträge legt
der Senat den Klageantrag (und zwar unter Berücksichtigung des im Schriftsatz vom 5. Juni 2000 angekündigten Hilfsantrags)
dahin aus, daß im Umfang des als Unterhaltsvorschuß nach dem UVG erhaltenen Mindestunterhalts Zahlung an die Stadt Mönchengladbach als Unterhaltsvorschußkasse beantragt sein soll.
VII) Verwirkung:
Eine Beschränkung oder Versagung des Ehegattenunterhalts im Hinblick auf den vom Beklagten erhobenen Einwand der Verwirkung
kommt bereits deswegen nicht in Betracht, weil das im Hinblick auf die berechtigten Belange des gemeinsamen Kindes Henrik
sicherzustellende Existenzminimum der Klägerin von 1.300,00 DM mtl. nicht gewahrt ist. Es bedarf deswegen keines Eingehens
auf die vom Beklagten zur Frage der Verwirkung angesprochenen Gesichtspunkte.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
92 Abs.
1,
515 Abs.
3
ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§
708 Nr. 10,
713
ZPO.
Es besteht kein begründeter Anlaß, die Revision zuzulassen.