Wirksamkeit einer Einziehungsermächtigung zugunsten des Sozialamts
1. Eine vor dem 31.07.1996 vom Sozialamt erteilte Einziehungsermächtigung ist unwirksam, weil sie ebenso wie eine Rückabtretung
bis zum 31.07.1996 gegen § 32 SGB I verstieß und es an dem erforderlichen schutzwürdigen Interesse des Hilfeempfängers an
der Prozeßführung fehlte.
2. Diese Nichtigkeit entfällt nicht dadurch, daß § 91 Abs. 4 S. 1 BSHG in der Neufassung durch das Gesetz vom 23.07.1996 nunmehr eine Rückabtretung und damit möglicherweise eine gewillkürte Prozeßstandschaft
zuläßt. Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, bleibt auch dann nichtig, wenn das Verbotsgesetz später
aufgehoben wird.
3. Es besteht kein Anhalt für die Ansicht, daß die Änderung des § 91 BSHG zurückwirkt. Den Beteiligten bleibt aber die Möglichkeit, das bisher nichtige Rechtsgeschäft durch Willenserklärung nach
dem 01.08.1996 zu bestätigen.
Gründe:
Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute. Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Trennungsunterhalt für die Zeit ab 1. Februar
1995 in Anspruch. Einen rückständigen Betrag für die Zeit von Februar bis einschließlich September 1995 von insgesamt 4.960,00
DM verlangt sie zur Zahlung an sich. Seit Oktober 1995 bezieht die Klägerin Sozialhilfe. Deswegen beansprucht sie Zahlung
des Unterhaltes für Oktober 1995 bis einschließlich Februar 1996 in Höhe von insgesamt 3.886,00 DM an das Sozialamt. Ab März
1996 begehrt sie wieder zur Zahlung an sich monatlich 882,00 DM. Die Klage ist bislang nicht zugestellt.
Das Amtsgericht hat ihr Prozesskostenhilfe zur Durchsetzung des Unterhaltes für die Zeit von Februar bis einschließlich September
1995 bewilligt und das weitergehende Gesuch der Klägerin um Prozesskastenhilfe zurückgewiesen. Die vorgelegte "Ermächtigung"
des Sozialamtes vom 8. November 1995 - so hat das Amtsgericht ausgeführt - sei eine unzulässige Prozessstandschaft und ermögliche
der Klägerin nicht, den gemäß § 91
BSHG für die Zeit ab Oktober 1995 bis zur Zustellung der Klage an das Sozialamt übergegangenen Unterhaltsanspruch durchzusetzen.
Für die Zeit ab Klagezustellung fehle es an der Erfolgsaussicht; die Klägerin könne ihre bisherige Erwerbstätigkeit als Aushilfstaxifahrerin,
mit der sie monatlich nur 580,00 DM entsprechend ihrem Vortrag erzielt, erweitern und im Monat 1.400,00 bis 1.500,00 DM netto
verdienen. So könne sie ihren Bedarf voll decken.
Die gegen die Teilverweigerung der Prozesskostenhilfe gerichtete Beschwerde der Klägerin hat für die Zeit ab der demnächstigen
Klagezustellung Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
Eine hinreichende Erfolgsaussicht kann der Klage für die künftige Zeit ab Zustellung nicht von vornherein abgesprochen werden.
Die Annahme des Amtsgerichts, die Klägerin könne monatlich 1.400,00 bis 1.500,00 DM netto verdienen, ist nach dem derzeitigen
Sach- und Streitstand nicht haltbar. Die Klägerin hat inzwischen eine Bescheinigung des Arztes vom 23. Mai 1996 beigebracht,
wonach sie eine Reihe von operativen Eingriffen über sich hat ergehen lassen müssen und auch aktuell an verschiedenen Erkrankungen
leidet. Das Amtsgericht wird den Gesundheitszustand aufklären müssen. Bei Zugrundelegung der seitens des Arztes für zumutbar
erachteten täglichen Erwerbsfähigkeit von 4 Stunden kann derzeit allenfalls davon ausgegangen werden, dass die Klägerin ein
monatliches Nettoeinkommen von rund 1.000,00 DM erzielen kann. Neben dem Krankengeld von 106,-- DM täglich brutto verfügt
der Beklagte, wie er bislang nicht bestritten hat, über monatlich 3.055,00 DM Berufsunfähigkeitsrente, auf die §
1610 a
BGB nicht anzuwenden ist und die deshalb voll als Einkommen einzusetzen ist. Bei Berücksichtigung der Unterhaltslast für das
minderjährige Kind der Parteien und bei Ansatz eines fiktiven Einkommens der Klägerin von rund 1.000,00 DM netto ergibt eine
überschlägige Berechnung bei Anwendung der sogenannten Mischmethode noch einen Unterhaltsanspruch, der die seitens der Klägerin
geltend gemachte Forderung nicht übersteigt.
Für den Zeitraum von Oktober 1995 bis zur Zustellung der Klage ist die Beschwerde unbegründet. Zu Recht hat das Amtsgericht
insoweit eine hinreichende Erfolgsaussicht verneint.
Die Klägerin hat zwar das Schreiben des Sozialamtes der Stadt ... vom 8. November 1995 vorgelegt. In ihm heißt es ... "Ihre
Mandantin wird hiermit ermächtigt, ungeachtet des gesetzlichen Anspruchsüberganges gemäß § 91
BSHG ihre Unterhaltsansprüche gegen ihren getrennt lebenden Mann selbst geltend zu machen, allerdings mit folgender Maßgabe: Ich
bitte, den Klageantrag dahingehend zu formulieren, als für den Zeitraum zwischen Klageerhebung und Entscheidung Zahlungen
bis zur Höhe der geleisteten Sozialhilfe an den Sozialhilfeträger verlangt wird ..."
Diese bis zur Klagezustellung erteilte Einziehungsermächtigung ist unwirksam, weil sie wie die Rückabtretung bis zum 31.07.1996
gegen § 32
SGB I verstieß und es an dem erforderlichen eigenen schutzwürdigen Interesse des Hilfeempfängers, hier der
Klägerin, an der Prozessführung fehlt. Nachdem die Sozialleistung gewährt worden ist und eine Rückerstattungspflicht des Hilfeempfängers
in der Regel nicht besteht, berührt es seine Interesse nicht mehr, ob und gegebenenfalls inwieweit die auf den Leistungsträger
übergegangenen Ansprüche geltend gemacht werden (BGH, Urteile vom 3. Juli 1996 - XII ZR 99/95 - und - 101/95 -, noch nicht veröffentlicht). - Nun ist inzwischen durch das Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts vom
23. Juli 1996, das am 1. August 1996 in Kraft getreten ist (BGBl 1996 Teil I S. 1088 ff.), die Bestimmung des § 91
BSHG in Abs. 4 geändert worden. Hiernach kann der Träger der Sozialhilfe jetzt den auf ihn übergegangenen Unterhaltsanspruch im Einvernehmen
mit dem Hilfeempfänger auf diesen zur gerichtlichen Geltendmachung rückübertragen und sich den geltend gemachten Unterhaltsanspruch
abtreten lassen. Ob nach der Gesetzesänderung eine Einziehungsermächtigung oder eine gewillkürte Prozessstandschaft als zulässig
anzusehen, insbesondere das schutzwürdige eigene Interesse des Unterhaltsberechtigten an der Prozessführung nunmehr bejaht
werden kann, ist fraglich, bedarf hier aber keiner Entscheidung. Die bislang erteilte Ermächtigung war wegen Verstoßes gegen
ein gesetzliches Verbot nichtig (§ 32
SGB I, §
134
BGB). Diese Nichtigkeit entfällt nicht dadurch, dass § 91 Abs. 4 Satz 1 BSHG nunmehr eine Rückabtretung und damit möglicherweise die gewillkürte Prozessstandschaft zulässt. Ein Rechtsgeschäft, das gegen
ein gesetzliches Verbot verstößt, bleibt auch dann nichtig, wenn das Verbotsgesetz später aufgehoben wird (RGZ 138, 52, 55; Soergel/Hefermehl,
BGB, 12. Aufl., §
134 Rdn. 49; vgl. auch BGHZ 11, 59 ff.). Es besteht kein Anhalt dafür, dass die Änderung des § 91
BSHG zurückwirkt (vgl. Art. 17 des Gesetzes zur Reform des Sozialhilferechts vom 23.07.1996 - BGH I 1088). Den Beteiligten bleibt daher nur die Möglichkeit,
das bisher nichtige Rechtsgeschäft durch Willenserklärungen nach dem 01.08.1996 zu bestätigen (§
141
BGB). Dies ist hier nicht geschehen. Eine neue nach dem 1. August 1996 abgegebene Erklärung des Sozialhilfeträgers liegt nicht
vor.
Ob der Klägerin für die Zeit bis Klagezustellung ein Unterhaltsanspruch verbleibt, der die gewährte Sozialhilfe übersteigt
und den sie selbst geltend machen könnte, lässt sich nicht feststellen. Wie hoch die bezogene Sozialhilfe ab Oktober 1995
monatlich war, kann aus den Akten nicht hinreichend zuverlässig entnommen werden. Es ist zwar denkbar, dass ein Spitzenbetrag
verbleibt, den die Klägerin an sich selbst einzuklagen aktiv legitimiert wäre, unter Umständen hat die bezogene Sozialhilfe
den geforderten Monatsbetrag aber auch erreicht oder überschritten. Eine Bescheinigung des Sozialamtes, die die gezahlte Sozialhilfe
ab Oktober 1995 lückenlos auflistet, liegt nicht vor.