Anwendung der Härteregelung beim Einsatz von Vermögen
Entscheidungsgründe:
I.
Für die geschiedene Betroffene besteht seit dem 07.07.1983 eine Gebrechlichkeitspflegschaft mit dem Wirkungskreis der Rechts-
und Vermögensangelegenheiten, die am 01.01.1992 in eine Betreuung mit entsprechendem Aufgabenkreis übergeleitet worden ist.
Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 30.06.2001 die Betreuung mit dem Aufgabenkreis der Vermögensangelegenheiten mit der
Maßgabe verlängert, dass bis zum 30 06.2006 über die Aufhebung oder Verlängerung der Betreuung zu entscheiden ist. Aufgrund
eines bereits zuvor durch Beschluss vom 12.06.2001 vorgenommen Betreuerwechsels ist seit dem 04.07.2001 die Mitarbeiterin
T des zu 2) beteiligten Betreuungsvereins als Betreuerin bestellt. Durch Beschluss vom 1401.2002 hat das Amtsgericht den Aufgabenkreis
der Betreuung auf die Vertretung gegenüber Behörden sowie Unterhaltsangelegenheiten erweitert.
In einem Termin vor dem Familiengericht Essen schloss die durch ihre Betreuerin vertretene Betroffene mit ihrem geschiedenen
Ehemann auf Vorschlag des Gerichts einen Vergleich, in dem dieser sich in Abänderung eines früheren Vergleichs verpflichtete,
an die Betroffene mit Wirkung ab 01.11.1994 eine monatliche Unterhaltsrente in Höhe von 2.000,00 DM zu zahlen, die sich ab
dem 01.03.2002 auf monatlich 1 000,00 DM vermindert und mit dem 01.03.2007 erlischt. Bereits zuvor hatte der Ehemann der Betroffenen
seine Ansprüche aus einer Lebensversicherung mit Fälligkeit im März 2002 im Umfang eines Betrages von 60.000,00 DM abgetreten.
Dieser Betrag ist der Betroffenen vorzeitig am 28.01.2001 überwiesen worden.
Die Betreuerin hat mit Schreiben vom 06.08.2001 ein Vermögensverzeichnis auf den 04.07.2001 übersandt. Darin hat sie angegeben,
dass die Betroffene neben laufenden Unterhaltsleistungen ihres geschiedenen Ehemannes in Höhe von monatlich 2.000,00 DM Pflegegeld
der Pflegestufe I (400,00 DM) sowie ergänzende Sozialhilfe in Höhe von 87,35 DM erhalte.
Der Beteiligte zu 2) hat mit Schreiben vom 08.10. und 31.12.2001 bei dem Amtsgericht beantragt, eine Vergütung für die Betreuertätigkeit
seiner Mitarbeiterin in dem Zeitraum vom 04.07. bis zum 31.12.2001 in Höhe von insgesamt 1.789,38 Euro sowie Aufwendungsersatz
in Höhe von 55,61 Euro (jeweils einschließlich Mehrwertsteuer) mit der Maßgabe festzusetzen, dass die Beträge aus der Landeskasse
zu erstatten sind. Er hat die Auffassung vertreten, die Betroffene sei als mittellos zu behandeln, weil die der Betroffenen
ausgezahlte Lebensversicherungssumme an die Stelle der mit Wirkung vom 01.03.2002 herabgesetzten Unterhaltszahlungen ihres
geschiedenen Ehemannes getreten sei.
Der Beteiligte zu 3) ist dem. Antrag mit der Begründung entgegengetreten, die Betroffene müsse die ihr zur Verfügung stehende
Lebensversicherungssumme als Vermögenswert zur Deckung der Betreuervergütung einsetzen. Dementsprechend komme eine Erstattungspflicht
der Landeskasse nicht in Betracht, solange dieser Betrag noch nicht aufgebraucht sei. Es sei nicht Sache der Landeskasse Beträge
aufzubringen, um den Unterhalt der Betroffenen zu sichern.
Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 06.03.2002 dem Antrag des Beteiligten zu 2) stattgegeben. Gegen diesen Beschluss hat
der Beteiligte zu 3) mit Schreiben vom 14.03.2002 rechtzeitig sofortige Beschwerde eingelegt, die das Landgericht durch Beschluss
vom 20.11.2002 mit der Maßgabe zurückgewiesen hat, dass es die weitere Beschwerde zugelassen hat.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 3), die er mit Schriftsatz vom 05.12.2002
bei dem Landgericht eingelegt hat.
Der Senat hat eine Stellungnahme des Leiters des Dezernats 10 bei dem Oberlandesgericht Hamm vom O5.05.2003 eingeholt, zu
der die Beteiligten sich geäußert haben.
II.
Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 56g Abs. 5 S. 2, 27, 29 FGG infolge Zulassung durch das Landgericht statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten
zu 3) folgt bereits daraus, dass seine erste Beschwerde ohne Erfolg geblieben ist.
In der Sache ist das Rechtsmittel unbegründet, weil die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts
beruht (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG).
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer gem. § 56g Abs. 5 S. 1 FGG zulässigen sofortigen Erstbeschwerde des Beteiligten zu 3) ausgegangen. Auch in der Sache hält die Entscheidung des Landgerichts
rechtlicher Nachprüfung stand.
Die Festsetzung der dem Betreuungsverein (§ 1908e Abs. 1 S. 1
BGB) für die Tätigkeit seiner Mitarbeiterin T zustehenden Vergütung sowie von Aufwendungsersatz gegen die Staatskasse setzt gem.
§ 1836a
BGB die Feststellung der Mittellosigkeit der Betroffenen voraus. Die Betroffene gilt als mittellos, wenn sie den Aufwendungsersatz
bzw. die Vergütung aus ihrem einzusetzenden Einkommen oder Vermögen nicht oder nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann
(§
1836d Nr. 1
BGB). Die im vorliegenden Fall zu entscheidende Frage beschränkt sich darauf, ob die Betroffene die ihr von ihrem geschiedenen
Ehemann abgetretene und ihr im Jahre 2001 zugeflossene Lebensversicherungssumme von 60.000,00 DM als Vermögenswert einsetzen
muss, um die Betreuervergütung nebst Aufwendungsersatz aufzubringen. Welches Vermögen die Betroffene einzusetzen hat, bestimmt
sich nach §
1836c Nr. 2
BGB nach Maßgabe des § 88 BSHG.
Nach Absatz 1 dieser Vorschrift hat die Betroffene grundsätzlich ihr gesamtes verwertbares Vermögen einzusetzen. Einer der
Verschonungstatbestände nach § 88 Abs. 2 BSHG liegt hier nicht vor. Insbesondere übersteigt der der Betroffene zur Verfügung stehende Betrag der Lebensversicherungssumme
das sog. Schonvermögen im Sinne des § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG, das, von besonderen Notlagen abgesehen, mit 2.301 Euro zu bemessen ist (BGH FGPrax 2002, 23 = NJW 2002, 366).
Zu Recht hat jedoch das Landgericht angenommen, dass die an die Betroffene aus- gezahlte Lebensversicherungssumme aufgrund
der Härteregelung im § 88 Abs. 3 BSHG nicht als einzusetzendes Vermögen heranzuziehen ist. Nach S. 1 dieser Vorschrift darf die Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder
von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für
seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Bei der Bestimmung des Begriffs der Härte kommt es darauf
an, ob die Anwendung der Regelvorschriften zu einem den Leitvorstellungen des Abs. 2 nicht entsprechenden Ergebnis führen
würde (BayObLGZ 1995, 307, 310; BtPrax 2001, 207; Ostreicher/Schelter/Kunz, BSHG, § 88, Rdnr. 23; Mergler/Zink, BSHG, 4. Aufl., § 88, Rdnr. 67). Die Grundvorschrift in Satz 1 wird ergänzt durch die beispielhafte Regelung in Satz 2. Danach handelt es sich
bei der Hilfe in besonderen Lebenslagen vor allem dann um eine Härte, soweit der Einsatz oder die Verwertung eines Vermögens
eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschweren würde.
Die Vorschrift soll verhindern, daß eine wesentliche Lebensgrundlage des Hilfesuchenden beeinträchtigt wird. Sie soll dazu
beitragen, daß er von Sozialhilfe unabhängig wird bzw. bleibt. Daraus ergibt sich für die Auslegung des § 88 Abs. 3 S. 2 BSHG, dass das Vermögen geeignet sein muss, die angemessene Lebensführung auf längere Dauer zu sichern (OVG Lüneburg OVGE 33,
362, 366). Nach Auffassung des Senats führt hier bereits die Beispielregelung des Satzes 2 der Vorschrift zur Bejahung eines
Härtefalls.
Sozialhilfeleistungen Vermögen zu verwerten, das der Sicherung seiner angemessenen Lebensführung dient.
Der Einsatz der Lebensversicherungssumme würde hier auch zu einer wesentlichen Erschwerung der Aufrechterhaltung einer angemessenen
Lebensführung der Betroffenen führen. Dabei kann nach Auffassung des Senats nicht auf das Verhältnis der einmaligen Sozialleistung
(hier in der Form der Erstattung von Aufwendungsersatz und Betreuervergütung aus der Staatskasse) im Verhältnis zum Gesamtbetrag
der der Betroffenen zur Verfügung stehenden Lebensversicherungssumme abgestellt werden. Entscheidend ist demgegenüber, dass
die Betroffene im Rahmen einer kontinuierlichen Verwendung auf den Geldbetrag von 60.000,00 DM insgesamt angewiesen ist, um
bis zum Ablauf der Unterhaltspflicht ihres geschiedenen Ehemannes ihren notwendigen Unterhalt dekken zu können und damit zugleich
die Inanspruchnahme von Hilfe, zum Lebensunterhalt zu vermeiden. Hinzu kommt, dass die Betreuung auf Dauer angeordnet ist,
so dass auch für die folgenden Jahre ein Anspruch des Beteiligten zu 2) auf Aufwendungsersatz und Vergütung in ähnlicher Höhe
gedeckt werden muss.
Dem Kern des Anliegens des Beteiligten zu 3), hinsichtlich der Frage des Einsatzes des Vermögens der Betroffenen eine Gleichbehandlung
der aus dem Landeshaushalt aufzubringenden Hilfe in besonderen Lebenslagen einerseits und der aus dem gemeindlichen Haushalt
zu deckenden Hilfe zum Lebensunterhalt andererseits herbeizuführen, kann daher im Rahmen des geltenden Rechts nicht entsprochen
werden.
Eine Entscheidung über die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde
gem. § 13a Abs. 1 S. 2 FGG erscheint nicht veranlasst. Eine Wertfestsetzung für das Verfahren dritter Instanz unterbleibt gem. § 11 KostO.